Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.02.1997

OVG NRW (bundesrepublik deutschland, urkunde, vater, adoption, mutter, tochter, sowjetunion, vaterschaft, antrag, deutschland)

Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 86/94
Datum:
21.02.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 A 86/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 17 K 6772/92
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur
Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen,
die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin zu 1) wurde am 14. Oktober 1960 in T. , Tadschikistan, geboren. Ihre Eltern
sind der am 1. Oktober 1940 geborene russische Volkszugehörige B. K. G. und die am
24. Mai 1939 geborene russische Volkszugehörige B. H. G. , geborene E. , die am 27.
Dezember 1959 die Ehe geschlossen haben. Diese Ehe wurde im Mai 1964
geschieden. Nach ihrer Scheidung von B. G. lebte die Mutter der Klägerin seit 1964 mit
dem deutschen Volkszugehörigen F. H. X. , geboren am 14. April 1940 in P. ,
zusammen. Sie schloß mit diesem am 24. September 1971 die Ehe. Herr F. X. und die
Mutter der Klägerin siedelten im Jahre 1993 in die Bundesrepublik Deutschland über.
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Die am 19. Februar 1988 geborene Klägerin zu 2) ist die nichteheliche Tochter der
Klägerin zu 1).
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Am 4. März 1991 beantragten die Klägerinnen bei der Beklagten ihre Aufnahme als
Aussiedler. In dem Antrag ist B. G. als Vater der Klägerin zu 1) angegeben. Unter der
Rubrik Pflege des deutschen Volkstums heißt es: "da der Stiefvater deutsch ist, wurde
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im Haus deutsch gesprochen...".
Im Rahmen des Antragsverfahrens überreichten die Klägerinnen eine "Urkunde über die
Feststellung der Vaterschaft". Darin heißt es unter anderem: "Der Bürger X. F. H. ... wird
zum Vater des Kindes G. O. B. erklärt, das die Bürgerin X. B. H. am 14. Oktober 1960
geboren hat. Dies wurde in das Personenstandsregister über die Feststellungen von
Vaterschaften am 20. November 1971 unter der Nummer 62 eingetragen. Ort der
Registrierung: Standesamt des Bezirks L. Gemeinderat K. . Ausstellungsdatum: 20.
November 1971..."
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Unter dem 5. November 1992 haben die Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen eine
Untätigkeitsklage erhoben, da die der Beklagten für die Bearbeitung einzuräumende
Frist längst abgelaufen sei. Mit Bescheid vom 23. März 1993 hat die Beklagte den
Aufnahmeantrag der Klägerinnen abgelehnt, da die Klägerin zu 1) keine deutsche
Volkszugehörige sei, weil sie beiderseits von russischen Volkszugehörigen abstamme.
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Die Klägerinnen haben daraufhin die Klage als Verpflichtungsklage weitergeführt.
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Sie haben beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 23. März 1993 zu
verpflichten, den Klägerinnen einen Aufnahmebescheid gemäß § 26 BVFG zu erteilen.
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Die Beklagte hat sinngemäß beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich darauf berufen, daß die Klage unzulässig sei, da die
Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen keine Vollmacht eingereicht hätten.
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Unter dem 26. Juli 1993 hat das Gericht die Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen
aufgefordert, eine Prozeßvollmacht bis zum 10. September 1993 vorzulegen. Nachdem
die Prozeßbevollmächtigten dem nicht nachgekommen waren, hat das Gericht die
Klage durch Gerichtsbescheid vom 8. November 1993 mit der Begründung abgewiesen,
daß diese unzulässig sei, da die Prozeßbevollmächtigten trotz Aufforderung eine
Prozeßvollmacht nicht vorgelegt hätten.
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Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.
Am 20. Januar 1994 haben die Prozeßbevollmächtigten eine Vollmacht vorgelegt.
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Die Klägerinnen tragen zur Begründung vor: Ihnen stehe ein Anspruch auf
Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Herrn F. X. zu, da die Klägerin zu 1) von
diesem adoptiert worden sei. Zum Nachweis der Adoption legen die Klägerinnen die
Ablichtung einer Urkunde vor, in der es heißt: "Adoptionsurkunde Bürgerin: G. O. ` B. `e.
geboren am: 14. Oktober 1960 Geburtsort: Ort T. , Tadshikische SSR wurde vom Bürger:
W. ` F. H. adoptiert. Ihr wurde der Name: W. ` , Vorname: O. ` , Vatersname: F. verliehen.
Die Registrierung der Adoption wurde in Übereinstimmung mit dem Gesetz am: 20.
November 1971 unter der Nummer: 62 durchgeführt. Registrierort: Standesamt Kreis L. ,
Tadshikische SSR Ausgestellt am: 19. Dezember 1995...".
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat legte der Prozeßbevollmächtigte der
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Klägerinnen ein in russischer Sprache gehaltenes Papier vor und erklärte, in dieser
Urkunde solle stehen, daß Herrn F. X. durch den Vorsitzenden des Kreises L. gestattet
worden sei, die minderjährige G. , O. , geboren am 14. Oktober 1960, zu adoptieren.
Die Klägerinnen beantragen,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 23. März 1993 zu verpflichten, ihnen einen Aufnahmebescheid zu
erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte führt zur Begründung aus: Es könne nicht davon ausgegangen werden,
daß die Klägerin zu 1) als Minderjährige von Herrn F. X. adoptiert worden sei. Die
vorgelegte Urkunde aus dem Jahre 1971 verhalte sich nicht über eine Adoption,
sondern über eine Anerkennung der Vaterschaft, die aber bei der Klägerin, die ehelich
geboren sei, nicht in Betracht komme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im
übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der von der Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf
Erteilung der begehrten Aufnahmebescheide.
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Als Rechtsgrundlage für die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche auf
Erteilung von Aufnahmebescheiden kommen nur in Betracht die §§ 26, 27 Abs. 1 des
Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni
1993, BGBl. I 829, geändert durch das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der
Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz-PflegeVG) vom 26. Mai 1994, BGBl. I
1014.
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1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufnahmebescheiden
gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG, da sie nach der Aufgabe ihres Wohnsitzes und dem
Verlassen des Aussiedlungsgebietes die Voraussetzungen als Spätaussiedler nicht
erfüllen.
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Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit
Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die
Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen.
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Spätaussiedler aus dem hier in Rede stehenden Aussiedlungsgebiet der ehemaligen
Sowjetunion kann nach § 4 Abs. 1 BVFG nur sein, wer deutscher Volkszugehöriger ist.
Da die Klägerinnen nach dem 31. Dezember 1923 geboren sind, sind sie nach § 6 Abs.
2 Satz 1 BVFG deutsche Volkszugehörige, wenn sie von einem deutschen
Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr.
1 BVFG), ihnen die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte bestätigende Merkmale,
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wie Sprache, Erziehung, Kultur vermittelt haben (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG) und sie
sich bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes zur deutschen Nationalität erklärt,
sich bis dahin auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt haben oder nach
dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehörten (§ 6 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 BVFG).
Die Klägerinnen erfüllen schon nicht die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BVFG, wonach deutscher Volkszugehöriger nur ist, wer von einem deutschen
Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt. Unter Abstammung ist
die biologische Herkunft zu verstehen.
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Vgl. von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Kommentar zum BVFG,
Stand September 1996, B 2, § 6 BVFG n.F. Anm. 3. a).
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Die Klägerin zu 1. ist leibliches Kind russischer Volkszugehöriger. Hinsichtlich der
Klägerin zu 2., der Tochter der Klägerin zu 1., ist nur die russische Volkszugehörigkeit
ihrer Mutter bekannt.
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2. Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf Erteilung von
Aufnahmebescheiden im Wege der Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG.
Nach dieser Vorschrift sind der Ehegatte und die Abkömmlinge von Personen im Sinne
des § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG auf Antrag in den Aufnahmebescheid einzubeziehen.
Zwar ist Herrn F. X. ein Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG erteilt
worden. Dieser ist auch erst nach dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik
Deutschland eingereist,
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vgl. zu den Voraussetzungen für eine Einbeziehung: Urteil des Senats vom 29. Februar
1996 - 2 A 3117/93-,
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so daß die Klägerinnen in seinen Bescheid einbezogen werden könnten, wenn sie
seine Abkömmlinge wären. Die Klägerinnen sind aber keine Abkömmlinge des F. X. im
Sinne dieser Vorschrift.
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Zwar ist die fehlende biologische Abstammung kein die Einbeziehung grundsätzlich
ausschließender Umstand. Denn Abkömmlinge im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
wie auch der §§ 4 Abs. 3 Satz 2, 7 Abs. 2 Satz 1 BVFG sind nicht nur leibliche, eheliche
Kinder, sondern auch Adoptivkinder. Dies ergibt sich aus dem Begriff des Abkömmlings,
wie er im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch verwandt wird.
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Vgl. zum Rückgriff auf den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch:
Bundesverwaltungsgericht -BVerwG -, Urteil vom 11. Januar 1994 - 1 C 35.93 -,
BVerwGE 95, 36 (37)= NJW 1994, 2164 ff.= DVBl. 1994, 529 ff.= Buchholz, Sammel-
und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG, 11 Art. 116 GG.
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Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, in denen von Abkömmlingen die
Rede ist, erfassen zumindest auch die als Minderjährige Adoptierten. Gemäß § 1754
des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - erlangt ein solches Kind mit der Annahme die
rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes, so daß es in allen Belangen den ehelichen
Kindern gleichgestellt ist.
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Vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 56. Aufl. 1996, § 1754, Rdnr. 2 (Diederichsen);
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Staudinger, Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 1754, Rdnr. 11 ff., insbes. 15 zur
Gleichstellung im öffentl. Recht (Rainer Frank).
Daraus folgt, daß dem Begriff "Abkömmling" nicht nur leibliche Kinder, sondern auch
Adoptivkinder, zumindest dann, wenn sie als Minderjährige adoptiert worden sind,
zugeordnet werden.
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Vgl. z.B. Palandt, aaO., § 2069, Rdnr. 2 und § 2303 Rdnr. 2 (Edenhofer); Staudinger,
aaO., vor § 1589, Rdnr. 27 (Göppinger), § 1924, Rdnr.6 (Olaf Werner) und § 2303 Rdnr.
7 (Murad Ferid-Michael Cislar).
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Der Senat kann unterstellen, daß die Annahme an Kindes statt eines Minderjährigen in
der ehemaligen Sowjetunion der Volladoption nach deutschem Recht gleichzusetzen
ist.
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Vgl. Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, UdSSR, Stand 1986,
S. 48.
42
Denn jedenfalls kann hier nicht festgestellt werden, daß die Klägerin zu 1. als Kind von
Herrn F. X. adoptiert worden ist. Ihrem Vortrag und den verschiedenen von ihr
vorgelegten Urkunden läßt sich nicht entnehmen, daß eine Adoption stattgefunden hat.
Gegen die Annahme einer Adoption spricht zunächst, daß die Klägerin zu 1. in dem
Antragsformular nicht Herrn F. X. , sondern allein ihren leiblichen Vater als 'Vater'
bezeichnet und Herrn X. als 'Stiefvater' lediglich erwähnt hat, ohne nähere Angaben zu
seiner Person zu machen. Dies widerspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch für die
Bezeichnung des Adoptivvaters, und zwar auch unter Berücksichtigung der rechtlichen
Beziehungen zwischen Adoptivkind und -vater in der ehemaligen Sowjetunion. Denn
auch dort erhielt das adoptierte Kind gegenüber dem Adoptierenden und seiner
Verwandten die Stellung eines leiblichen Kindes. Seine persönlichen Rechte und
Verpflichtungen zu seinen leiblichen Eltern erloschen.
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Vgl. Bergmann-Ferid, aaO, UdSSR, Stand 1986, S. 48.
44
Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht allerdings nicht grundsätzlich gegen eine
Adoption der Klägerin zu 1., daß diese auch heute noch den Namen ihres leiblichen
Vaters führt, da dem Adoptierten nicht der Name des Adoptierenden verliehen werden
muß.
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Vgl. Bergmann-Ferid, aaO, S. 49.
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Entscheidend ist vielmehr, daß die Klägerin zu 1. sich widersprechende Urkunden über
ihre personenstandsrechtlichen Verhältnisse vorgelegt und keine schlüssigen und
plausiblen Angaben dazu gemacht hat.
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Die von ihr zunächst eingereichte Urkunde verhält sich über eine Feststellung der
Vaterschaft. Danach ist am 20. November 1971 F. X. zum Vater des Kindes O. G. erklärt
worden. Der Inhalt und die Bedeutung dieser Urkunde sind mit dem Vorbringen, es sei
eine Adoption erfolgt, nicht vereinbar sowie nicht nachvollziehbar. Leiblicher Vater der
Klägerin zu 1) ist unstreitig B. G. , der als ehelicher Vater in die Geburtsurkunde der
Klägerin zu 1) eingetragen worden ist. Da in der ehemaligen Sowjetunion - wie auch in
der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1600 a BGB) - eine Vaterschaftsanerkennung
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nur bei nichtehelich geborenen Kindern vorgesehen war,
vgl. Bergmann-Ferid, a.a.O., S. 46 f.,
49
und von den Klägerinnen nicht vorgetragen worden ist, daß die Vaterschaft des B. G. in
Frage steht bzw. stand oder gar wirksam angefochten worden sei, kann es sich nicht um
eine wirksame Vaterschaftsfeststellung handeln. Es ist auch nicht ersichtlich, daß diese
Erklärung rechtliche Wirkungen gehabt hat. Die Klägerin zu 1) hat weiterhin den Namen
G. getragen, eine neue Geburtsurkunde ist ihr nicht ausgestellt worden.
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Gegen die Begründung einer personenstandsrechtlichen Beziehung zu F. X. spricht
auch der von den Klägerinnen ebenfalls vorgelegte Gerichtsbeschluß des Volksgerichts
des Kreises L. vom 5. März 1992. Darin ist auf Antrag der Mutter der Klägerin zu 1), der
B. X. , festgestellt worden, daß diese die Mutter der Klägerin zu 1. ist und daß die
Tochter die ganze Zeit mit ihrer Mutter in der Familie des F. X. gelebt hat. Diese
"Mutterschaftsfeststellung", die wegen der Namensverschiedenheit nach dem Verlust
des Scheidungsurteils von 1964 als für eine Ausreise mit der Mutter der Klägerin zu 1. in
die Bundesrepublik Deutschland erforderlich bezeichnet wird, machte keinen Sinn,
wenn die Klägerin zu 1) von F. X. wirksam adoptiert oder dessen Vaterschaft bindend
festgestellt worden wäre. Dann hätten nachweisbare verwandtschaftliche Beziehungen
auch zu F. X. bestanden, die - unabhängig von der Abstammung mütterlicherseits - eine
Ausreise aus Tadschikistan und eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
ermöglicht hätten.
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Die unter dem 19. Dezember 1995 ausgestellte "Adoptions- urkunde", die im
gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden ist, steht im Widerspruch zu den früher
vorgelegten Urkunden. Nach dieser Urkunde ist die Klägerin zu 1) 1971 adoptiert
worden und dies ist am 20. November 1971 unter der Nr. 62 registriert worden. Dagegen
soll nach der zunächst vorgelegten Vaterschaftsurkunde F. X. am 20. November 1971
unter der Nr. 62 in das Register über die Vaterschaften eingetragen worden sein. Völlig
unverständlich ist die weitere Angabe in der Urkunde von 1995, daß der Klägerin zu 1)
der Nachname X. verliehen worden sei. Die Klägerin zu 1) führt bis heute den
Familiennamen G. . Mit diesem ist sie auch in die Geburtsurkunde ihrer Tochter
eingetragen worden. Der Antrag der Mutter auf Feststellung ihrer Mutterschaft ist
ausdrücklich mit der Namensverschiedenheit begründet worden. Die Klägerin zu 1) hat
im gesamten Verfahren nicht vorgetragen, daß ihr Name geändert worden sei, und auch
nicht behauptet, jemals den Namen X. geführt zu haben.
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Klarheit bringt auch nicht die von Herrn F. X. unter dem 2. August 1996 abgegebene
Eidesstattliche Versicherung. Diese Erklärung ist in sich widersprüchlich. Nachdem
zunächst angegeben wird, daß die Klägerin zu 1) an Kindes statt angenommen, also
adoptiert, worden sei, wird anschließend gesagt, daß Herr X. als Vater der Klägerin zu
1) anerkannt worden sei und auf die Vaterschaftsfeststellungsurkunde von 1971 Bezug
genommen. Da es sich bei der Adoption einerseits und der Vaterschaftsfeststellung
andererseits auch in der Sowjetunion um verschiedene Rechtsinstitute handelte,
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vgl. Bergmann-Ferid, a.a.O., S. 46 f. und 48 f.,
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ist auch dieser Erklärung nicht zu entnehmen, welche Rechtsstellung die Klägerin zu 1)
gegenüber Herrn F. X. erlangt hat. Die bisherigen Widersprüche werden durch diese
Erklärung lediglich fortgeführt, wobei mehr von der Vaterschaftsfeststellung und weniger
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von einer Adoption die Rede ist.
Schließlich ist auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegte
Urkunde, die in kyrillischer Schrift abgefaßt ist, nicht geeignet, die bisherigen
Widersprüche in den Angaben zu der Rechtsstellung der Klägerin zu 1) aufzulösen.
Nach den Angaben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen "soll" nach Auskunft
einer dritten Person in seiner Kanzlei in dieser Urkunde stehen, daß Herrn F. X. durch
den Vorsitzenden des Kreises L. gestattet wurde, die minderjährige G. , O. , geboren am
14. Oktober 1960, zu adoptieren. Damit ist bereits nicht hinreichend dargetan, welchen
konkreten Inhalt die Urkunde hat, so daß schon deshalb deren rechtliche Erheblichkeit
für den Ausgang des Verfahrens nicht festgestellt werden kann und eine Übersetzung
nicht geboten ist. Das Gericht ist nicht gehalten, irgendwelche nicht in deutscher
Sprache abgefaßte Urkunden, sozusagen "ins Blaue hinein" übersetzen zu lassen.
Darüberhinaus sind die Angaben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen über
nach Ansicht eines Dritten in der Urkunde enthaltene Aussagen nicht geeignet, die
bestehenden Widersprüche zwischen den verschiedenen vorgelegten Urkunden
untereinander und vorallem in den tatsächlichen Angaben der Klägerin zu 1), die stets
Herrn G. als ihren Vater bezeichnet hat, zu beseitigen.
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Angesichts der oben aufgezeigten Widersprüche im Vorbringen und unter
Berücksichtigung der eingereichten Urkunden besteht auch kein Anlaß, etwa durch
Einholen einer Auskunft von Behörden in Tadschikistan, den Sachverhalt von Amts
wegen zu klären. Mit dem Erfolg einer solchen Auskunft kann nach Ansicht des Senats
wegen der Fortwirkungen des Bürgerkrieges in Tadschikistan zudem auch nicht
gerechnet werden, weil gerade im Bereich von Kurgan-Tjube nach Auskunft des
Auswärtigen Amtes,
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vgl. Lagebericht Tadschikistan vom 22.2.1996,
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der Einfluß der Regierung gering ist.
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Da somit schon nicht festgestellt werden kann, daß die Klägerin zu 1) ein Abkömmling
des Herrn X. ist, gilt dies auch für deren Tochter, die Klägerin zu 2), die allein über ihre
Mutter, die Klägerin zu 1), die Stellung als Abkömmling von Herrn X. erworben haben
könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO und
§ 100 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -ZPO-. Es entspricht billigem Ermessen, die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da
dieser keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167
VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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