Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.06.2002

OVG NRW (krankenhaus, versorgung, verwaltungsgericht, auswahl, beschwerde, klinik, gkv, konzept, antrag, land)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 568/02
Datum:
10.06.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 568/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 L 733/01
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Senat entscheidet über die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO i.d.F. d.
RmBereinVpG nur im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe. Hiervon
ausgehend hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung zu Recht abgelehnt.
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Der Antrag konnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil er auf eine zumindest
zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache des Verfahrens 7 K 5360/00 VG
Gelsenkirchen gerichtet ist, eine solche Vorwegnahme grundsätzlich nicht Gegenstand
eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO sein kann und die
Antragstellerin eine die Durchbrechung dieses Grundsatzes rechtfertigende Situation in
ihrem Einzelfall nicht dargelegt hat. Zunächst ist die von ihr behauptete drohende
Existenzgefährdung bei nicht gewährtem vorläufigem Rechtsschutz nicht glaubhaft
gemacht. Die Entscheidung der Kostenträger der GKV, keine Kostenzusagen zu
Gunsten der das Herzchirugische Zentrum der Antragstellerin aufsuchenden Patienten
zu machen, ist nicht glaubhaft gemacht und der Herzklinik der Antragstellerin verbleibt
die Behandlung von Nicht-GKV-Patienten und Notfällen. Ferner unterfällt ein in
Kenntnis des Zusammenspiels zwischen der Krankenhausplanung nach dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz und der GKV-Versorgung nach dem
Sozialgesetzbuch V ohne vorherige Abstimmung mit der Krankenhausplanungsbehörde
aufgenommener Klinikbetrieb hinsichtlich kostendeckender Patientenzahlen und
Fördermittel dem eigenverantwortlichen Risikobereich des Krankenhausträgers und ist
seine an den Betrieb anknüpfende Grundrechtsposition von vornherein risikobehaftet
und deshalb weniger gewichtig, so dass es für den Träger einer solchen Klinik
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grundsätzlich zumutbar ist, die in Realisierung des bewusst eingegangenen Risikos
eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorläufig hinzunehmen und die
Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. So gesehen ist ein die
Planaufnahme anstrebender Krankenhausträger nicht anders zu behandeln als ein in
eine Marktsparte expandierendes Unternehmen, in der die von ihm lediglich erwarteten
öffentlichen Aufträge oder Fördermittel ausbleiben.
Überdies hat die Antragstellerin den geltend gemachten Anordnungsanspruch auch
unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht.
Bei der im vorliegenden summarischen Verfahren gegebenen Prüfungsdichte ist ein
Anspruch der Antragstellerin auf Aufnahme von 14 herzchirugischen Betten ihrer Klinik
in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein- Westfalen nicht erkennbar.
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Wie bereits das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Senats
richtig festgestellt hat, besteht ein direkter Planaufnahmeanspruch eines
Krankenhauses bzw. Krankenhausträgers nur dann, wenn ein Bedarf der Bevölkerung
an Versorgung durch klinische Betten in einer Disziplin durch die Plankrankenhäuser
nicht gedeckt und das die Planaufnahme anstrebende Krankenhaus, seine
Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bzw. Kostengünstigkeit
vorausgesetzt, mit seinen beantragten Betten zur Deckung des Versorgungsbedarfs
erforderlich ist. Kommen für die Deckung eines - offenen oder nicht offenen -
Versorgungsbedarfs neben dem die Planaufnahme begehrenden Krankenhaus auch
andere Krankenhäuser in Betracht, hat das die Planaufnahme anstrebende
Krankenhaus lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl der
Planungsbehörde, welches oder welche der in Betracht kommenden Krankenhäuser für
die Befriedung des Versorgungsbedarfs am geeignetsten ist oder sind. Insoweit kann
die gesamte durch Planaufnahmebescheide abgebildete aktuelle Krankenhausplanung
zur Überprüfung stehen. Die Entscheidung über den direkten Planaufnahmeanspruch
oder den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl unter gleich qualifizierten
Krankenhäusern setzt zunächst eine Analyse des Bedarfs an Betten in der jeweiligen
Disziplin voraus. Diese hat die Planungsbehörde für die hier zu betrachtende Disziplin
Herzchirugie in der Weise vorgenommen, dass sie in Ausübung der ihr obliegenden
Schwerpunktfestlegung (§ 15 KHG NRW) eine landesbezogene Betrachtung der
benötigten Betten in der Herzchirugie vorgenommen und dementsprechend eine
Bedarfsdeckung durch schwerpunktmäßig über das Land verteilte Krankenhäuser
(Herzzentren) vorgesehen hat. Der Senat hat dieses von der in anderen Disziplinen
üblichen Beplanung der Bedarfslage in Versorgungsgebieten abweichende Konzept
bereits in seinem vom Verwaltungsgericht zitierten
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Beschluss vom 7. September 2000 - 13 B 703/00 -
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als sachlich vertretbar gebilligt, woran er festhält.
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Er hält auch daran fest, dass die von einem Operations-Richtwert von 1.000 Herz-
operationen pro 1 Mio. Landesbewohner ausgehende Bedarfsanalyse der
Planungsbehörde in summarischen Verfahren akzeptabel und nicht zu beanstanden ist.
Zwar weist der Herzbericht 1999 für Bewohner des Landes Nordrhein-Westfalen 1.029
landesintern erfolgte und 233 landesextern erfolgte Herzoperationen sowie für
Nichtlandesbewohner 78 landesinterne Herzoperationen aus. Absolut wurden 4.001
nordrhein-westfälische Bürger außer Landes und umgekehrt 1.402 Bürger anderer
Bundesländer in Nordrhein-Westfalen am Herzen operiert (Differenz 2.599). Das weist
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auf eine Patientenwanderbewegung zwischen den Bundesländern hin und belegt, dass
ohne die Versorgung von Einwohnern anderer Länder in Nordrhein- Westfalen absolut
2.599 nordrhein-westfälische Patienten außerhalb des Landes versorgt werden
müssten. Die Patientenwanderbewegung zwischen den Bundesländern zeigt ferner,
dass die weitaus größten außer Landes operierten nordrhein-westfälischen
Patientenkontingente in Niedersachsen (1.552) und Hessen (1.470) versorgt wurden.
Das legt die Erkenntnis nahe, dass insbesondere die Bevölkerung der an diese
Nachbarländer angrenzenden Regionen Nordrhein- Westfalens - nicht aber der Region
E. - außer Landes operativ versorgt worden sind, was allerdings mit den Vorgaben des
Landes-Krankenhausgesetzes (§ 13 Abs. 4 Satz 2 KHG NRW 98) nicht unvereinbar ist
und zudem nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, Beschluss vom 31. Mai 2000 - 3 B 53.99 -, Buchholz
451.74 § 6 KHG Nr. 5,
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für den "tatsächlich zu versorgenden Bedarf" nicht zu berücksichtigen ist. Überdies gibt
der Herzbericht 1999 nicht den aktuellen Stand der Zahl der Herzoperationen an
Landesbürgern innerhalb und außerhalb des Landes Nordrhein- Westfalen wieder - die
von der Antragstellerin angegebenen entsprechenden Zahlen des Herzberichts 2000
sind nicht durch Vorlage dieses Berichts belegt; sie weichen von den Zahlen für 1999
auch nur in vernachlässigungsfähigem Umfang ab -. Ferner kann davon ausgegangen
werden, dass wegen der zwischenzeitlichen Erhöhungen der Planbetten in der
Herzchirugie im Land Nordrhein-Westfalen und der nach wie vor zu erwartenden
Effektivitätssteigerungen selbst eine den o.a. Operations- Richtwert übersteigende
Operationsdichte - 1100 und mehr - mit dem von der Planungsbehörde ermittelten und
abgedeckten Bettenbedarf bewältigt werden kann.
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Bei der nur möglichen überschlägigen Betrachtung geht der Senat mit dem
Verwaltungsgericht davon aus, dass die Planungsbehörde in der Disziplin Herzchirugie
nach wie vor dem Konzept der landesweiten Schwerpunktplanung folgt. Zwar ist nicht
auszuschließen, dass die Planungsbehörde den Antrag der J. - Kinderklinik St. A. auf
Erweiterung ihrer Bettenkapazität in der Torax- und Kardiovaskularchirugie um 30
Betten - davon 10 Intensivbetten -, diese als externer Betriebsteil am Krankenhaus in S.
betrieben, als eine diesem Krankenhaus sich bietende Möglichkeit zur Bewältigung
seiner finanziellen Schwierigkeiten erkannt hat. Damit hat sie jedoch vorbehaltlich einer
weitergehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren weder einem
Planaufnahmebegehren jenes Krankenhauses aus regionalen Bedarfsgesichtspunkten
oder aus mit den Krankenhausfinanzierungsgesetz und dem Landes-
Krankenhausgesetz unvereinbaren Gründen entsprochen noch das Konzept der
landesweiten Schwerpunktplanung in der Herzchirugie aufgegeben und ist sie nicht zu
einer Bedarfsanalyse und Planung der Bedarfsdeckung durch geeignete
Krankenhäuser und Bettenkontingente mit ausschließlichem Bezug auf die
Gegebenheiten in den Versorgungsgebieten oder gar Gemeinden übergegangen. Die
dem Krankenhaus S. zugeteilten oder dort bereits betriebenen herzchirurgischen Betten
sind der Herzchirugie der J. -Kinderklinik St. A. zugeordnet, welche als solche einen
landesweiten und sogar landesüberschreitenden Einzugsbereich aufweist und auch mit
der Disziplin Kinderherzchirurgie einer landesweiten Schwerpunktplanung unterworfen
werden darf. In der Kinderherzchirugie, die wegen ihrer speziellen kindbezogenen
Anforderungen von der regelmäßig mit Erwachsenen, insbesondere älteren Menschen
befassten allgemeinen Herzchirugie zu unterscheiden ist und auch im Herzbericht
isoliert betrachtet wird, fallen allerdings neben Operationen an Neugeborenen,
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Säuglingen und bis zu 10-jährigen Kindern auch Operationen an Jugendlichen und
Heranwachsenden (über 15% der Gesamtoperationen) an und stellt sich häufig die
Notwendigkeit von Nachkorrekturen ehemaliger Patienten der Kinderchirugie in der
Nachwachstumsphase und im Erwachsenenalter. Dies lässt die Forderung sachlich
vertretbar erscheinen, auch einer Kinderchirugie ein Bettenkontingent für eine
"Erwachsenen"-Herzchirugie zuzuordnen, um so das Spektrum des Patientenguts und
der Eingriffsvariation zu erweitern. So gesehen stellt die hier zu betrachtende
Planaufnahme lediglich eine Bereicherung und Abrundung des Leistungsspektrums des
Kinderherzzentrums St. A. dar. Ob für ein Kinderherzzentrum als einer organisatorischen
Einheit aus Kinderkardiologie und Kinderchirugie zur eigenständigen und
eigenverantwortlichen Versorgung des gesamten Spektrums des Krankenguts die
örtliche Ausgliederung eines nicht unwesentlichen Betriebsteils sinnvoll ist, betrifft nicht
die Belange der Antragstellerin und kann daher offen bleiben. Die J. -Kinderklinik St. A.
verliert dadurch jedenfalls nicht den Charakter einer Schwerpunkteinrichtung in der
Kinderherzchirugie oder allgemeinen Herzchirugie im Lande. Wollte man vor dem
Hintergrund der Ausgliederung eines nicht unwesentlichen Betriebsteils die Herzklinik
am Krankenhaus S. einer isolierten Betrachtung unterziehen, könnte sie sich
möglicherweise als ein weiterer Schwerpunkt der Herzchirugie im Lande allerdings mit
einschränktem, lediglich ergänzendem und abrundendem Leistungsspektrum (Bypass-
und Herzklappenoperationen) darstellen.
Wie der Senat in seinem zitierten Beschluss vom 7. September 2000 festgestellt hat,
war im Jahre 2000 der Bedarf an herzchirugischen Betten im Lande gedeckt. Es liegen
keine Anhaltspunkte dafür vor, dass insoweit eine Änderung in Richtung auf ein Defizit
eingetreten sein könnte; das Gegenteil dürfte der Fall sein.
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Vor dem Hintergrund hat die Antragstellerin lediglich einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Auswahl unter den mit ihr um die Versorgung der
Landesbevölkerung mit Betten in der Herzchirugie konkurrierenden Krankenhäusern.
Die Antragstellerin hat jedoch nichts vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht,
dass das Auswahlermessen der Planungsbehörde dahin gehend reduziert sei,
jedenfalls auch die Herzklinik der Antragstellerin mit 14 Betten in der Disziplin
Herzchirugie, d.h. diese neben anderen dann voraussichtlich in ihrer Bettenzahl
entsprechend zu kürzenden Plankrankenhäuser, in den Krankenhausplan
aufzunehmen. Eine zu einer Ermessensreduzierung im Sinne des Begehrens der
Antragstellerin führende Selbstbindung der Planungsbehörde durch die Entscheidung
zu Gunsten der Kinder-Klinik St. A. / D. S. ist schon deshalb nicht erkennbar, weil eine
vergleichbare Konstellation für die Herzklinik der Antragstellerin nicht vorliegt. Selbst
wenn trotz der gebotenen landesbezogenen Sicht bei der Auswahl der an der
Bereitstellung des Bettenbedarfs zu beteiligenden Krankenhäuser und ihrer
Bettenkontingente gleichwohl auch regionale Aspekte berücksichtigungsfähig sein
sollten, hat sich die Antragstellerin nicht mit der auch in Betracht kommenden
Möglichkeit einer Kapazitätserweiterung am bereits in E. existierenden Herzzentrum
auseinandergesetzt. Wegen der insoweit der Planungsbehörde erlaubten
Ermessenserwägungen wird ebenfalls auf den zitierten Beschluss des Senats
verwiesen.
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