Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.08.2000

OVG NRW: grundstück, räumlicher geltungsbereich, bebauungsplan, geschlossene bauweise, bekanntmachung, gemeinde, dachgeschoss, stadt, satzung, kennzeichnung

Oberverwaltungsgericht NRW, 10A D 136/98.NE
Datum:
30.08.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10a Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10A D 136/98.NE
Tenor:
Die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 44 "Ortskern H. " der
Antragsgegnerin (Satzungsbeschluss vom 13. Februar 1997) ist nichtig.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Antragsteller wenden sich gegen die "1. Änderung" des Bebauungsplans Nr. 44
"Ortskern H. " der Antragsgegnerin. Der Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " der
Antragsgegnerin (Satzungsbeschluss vom 28. Mai 1990) ist bis heute - neben der hier
streitigen Änderung - insgesamt vier Mal im vereinfachten Verfahren geändert worden
(Satzungsbeschlüsse vom 10. Februar 1992, 28. Februar 1994, 13. Juni 1994 und 16.
Juni 1999).
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Die Antragsteller sind Eigentümer des im Geltungsbereich des Bebauungsplans
gelegenen Grundstücks M. straße 7 (Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1734). Das
Grundstück liegt westlich des Marktplatzes der Stadt H. . Es ist mit einem
zweigeschossigen Einfamilienhaus bebaut, das zweite Vollgeschoss befindet sich im
Dachgeschoss. Das Gebäude, das bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 44
"Ortskern H. " errichtet wurde, hält zu dem östlich gelegenen Nachbargrundstück
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955 einen Grenzabstand von etwa 4 m ein. Das
Grundstück der Antragsteller ist in ost-westlicher Richtung etwa 19 m breit und in nord-
südlicher Richtung etwa 48 m tief. Es wird im rückwärtigen Bereich als Garten genutzt.
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An die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Grundstücksgrenze grenzen östlich
unmittelbar die - in Nord-Süd-Richtung hintereinander liegenden - Grundstücke
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955 (im Norden) und 924 (im Süden) an. Diese
Grundstücke sind - in Ost-West-Richtung - jeweils etwa 16 m breit und in Nord-Süd-
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Richtung 26 m (Flurstück 1955) bzw. 28 m (Flurstück 924) tief. Die genannten
unbebauten Grundstücke grenzen ihrerseits unmittelbar an den Marktplatz an und liegen
damit zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Marktplatz.
Der Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " trifft in seiner ursprünglichen Fassung für das
Grundstück der Antragsteller u.a. folgende Festsetzungen: Mischgebiet, ein
Vollgeschoss sowie ein zusätzliches Vollgeschoss nur im Dachgeschoss,
Grundflächenzahl 0,4, Geschossflächenzahl 0,8, geschlossene Bauweise. Ferner sind
Baugrenzen festgesetzt, die eine Erweiterung der vorhandenen Bebauung im
Wesentlichen ausschließen.
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Für die beiden östlich angrenzenden Grundstücke trifft der Bebauungsplan Nr. 44
"Ortskern H. " in seiner ursprünglichen Fassung im Wesentlichen folgende
Festsetzungen: Kerngebiet, geschlossene Bauweise. Im Übrigen sind die
Festsetzungen für die letztgenannten Grundstücke in folgender Weise differenziert: Für
einen etwa 5 m breiten, unmittelbar an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden
Geländestreifen wird eingeschossige Bauweise und eine Grundflächenzahl sowie eine
Geschossflächenzahl von 1,0 festgesetzt. Dieser Geländestreifen wird nach Osten von
einer Baugrenze abgeschlossen. Im Übrigen verläuft - mit Ausnahme eines etwa 5 m
langen Bereichs im Norden des Flurstücks 1955 - in einem Abstand von 3 m zum
Grundstück der Antragsteller eine Baugrenze. Für den anderen Bereich der Flurstücke
924 und 1955 - außerhalb des oben dargestellten 5 m breiten Geländestreifens - sind
zwei Vollgeschosse sowie ein zusätzliches Vollgeschoss im Dachgeschoss sowie eine
Grundflächenzahl von 0,8 und eine Geschossflächenzahl von 1,6 festgesetzt.
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Im Zuge einer von der Antragsgegnerin geplanten Umgestaltung des Marktplatzes
schloss sie am 17. Februar 1994 mit den Eheleuten H. einen Grundstückstauschvertrag.
Gegen die Abgabe von im Bereich des Marktplatzes gelegenen Grundstücksflächen
erhielt Herr H. das vormals im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grundstück
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955. Das südlich davon gelegene Grundstück
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 924 steht im Eigentum von Frau Adelheid H. . Im
Grundstückstauschvertrag vom 17. Februar 1994 verpflichtete sich Herr H. , auf dem neu
erworbenen Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten und sämtliche
Räume im Erdgeschoss einer gewerblichen Nutzung zuzuführen. Die Antragsgegnerin
verpflichtete sich, den Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " so zu ändern, dass sowohl
das im Eigentum der Frau H. stehende als auch das von Herrn H. neu erworbene
Grundstück bis auf die Grenze u.a. zu dem benachbarten Grundstück der Antragsteller
bebaut werden können. Ferner sollte eine Änderung auch dahingehend erfolgen, dass
der lichte Abstand des Obergeschosses 3 m von der Grundstücksgrenze der
Nachbargrundstücke betragen darf.
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In der Folgezeit fanden mehrere Gespräche zwischen u.a. den Antragstellern, der
Antragsgegnerin und Herrn H. hinsichtlich der geplanten Änderung des
Bebauungsplans statt. Eine Einigung wurde indes nicht erzielt. Vielmehr waren die
Antragsteller mit der geplanten Grenzbebauung nicht einverstanden.
8
Daraufhin wurde das Verfahren zur "1. Änderung" des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern
H. " eingeleitet. Dieses nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf: Am 28. Februar 1994
beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Einleitung des Verfahrens zur vereinfachten
Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " mit dem Ziel, auf den
Grundstücken Gemarkung H. Flur 18 Flurstücke 1955 und 924 die westliche Baugrenze
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für den erdgeschossigen Teil des geplanten Baukörpers auf die Grundstücksgrenze
zum Grundstück der Antragsteller und für das Obergeschoss in einem Abstand von 3 m
parallel zur Grundstücksgrenze der Antragsteller zu verschieben. Die Verwaltung wurde
beauftragt, die Änderung mit den Eigentümern der betroffenen Grundstücke zu erörtern.
Der Beschluss wurde am 9. Juni 1995 ortsüblich bekannt gemacht und der Planentwurf
entsprechend dieser Bekanntmachung in der Zeit vom 12. Juni 1995 bis zum 23. Juni
1995 öffentlich ausgelegt. Einige Anwohner, darunter die Antragsteller, trugen
Anregungen und Bedenken vor. Der Kreis S. als beteiligter Träger öffentlicher Belange
wies hinsichtlich der beabsichtigten Festsetzung einer Baulinie auf der Grenze zum
Grundstück der Antragsteller aus bauordnungsrechtlicher Sicht auf § 6 Abs. 1 Satz 4
BauO NRW hin. Im Hinblick auf diese Bestimmung bat er zu prüfen, ob die beabsichtigte
Änderung des Bebauungsplans noch die Voraussetzungen für eine vereinfachte
Änderung nach § 13 BauGB erfülle. Aufgrund der vorgebrachten Anregungen und
Bedenken wurde der Planentwurf geändert und entsprechend der öffentlichen
Bekanntmachung am 24. Januar 1996 in der Zeit vom 5. Februar bis zum 23. Februar
1996 erneut öffentlich ausgelegt. Die dagegen vorgetragenen Änderungen und
Bedenken von Anwohnern u.a. auch der Antragsteller, wies der Rat der
Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 25. März 1996 zurück. In der gleichen Sitzung
wurden die Änderung des Bebauungsplans als Satzung sowie die beigefügte
Begründung beschlossen. Nach entsprechender Anzeige der Änderung durch die
Antragsgegnerin machte die Bezirksregierung Münster unter dem 27. Juni 1996 geltend,
die Änderung des Bebauungsplans könne nicht im vereinfachten Verfahren gemäß § 13
BauGB erfolgen, denn die Grundzüge der Planung seien berührt. Die Änderung der
städtebaulichen Planung mit einer wesentlichen Erhöhung der Ausnutzungsziffern bei
gleichzeitiger Ausweitung der überbaubaren Grundstücksfläche stelle eine Änderung
der städtebaulichen Konzeption dar. Am 4. November 1996 hob der Rat der
Antragsgegnerin daraufhin den Satzungsbeschluss vom 25. März 1996 über die
vereinfachte Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " auf und beschloss,
ein förmliches Änderungsverfahren durchzuführen.
Der Beschluss wurde am 30. November/1. Dezember 1996 ortsüblich bekannt gemacht.
Der Planentwurf wurde entsprechend dieser Bekanntmachung in der Zeit vom 10.
Dezember 1996 bis zum 10. Januar 1997 öffentlich ausgelegt. Die Antragsgegnerin
holte die Stellungnahme des Kreises S. als Träger öffentlicher Belange ein. Einige
Einwohner, darunter die Antragsteller, trugen Anregungen und Bedenken vor. Die
Antragsteller machten im Wesentlichen in Anknüpfung an ihre Ausführungen in den
vorangegangenen Änderungsverfahren geltend, die geplante Grenzbebauung sei
unzulässig. Der Rat der Antragsgegnerin entschied in seiner Sitzung vom 13. Februar
1997 über die eingegangenen Anregungen und Bedenken. Die Einwendungen der
Antragsteller wies er zurück. In derselben Sitzung beschloss er den Bebauungsplan als
Satzung sowie die beigefügte Begründung. Unter dem 20. Juni 1997 machte die
Bezirksregierung Münster nach Anzeige der erfolgten Änderung folgende Verletzung
von Rechtsvorschriften geltend: Mit Verfügung vom 27. Juni 1996 habe sie - die
Bezirksregierung Münster - ausgeführt, dass auf Grund der Änderung der
städtebaulichen Grundkonzeption die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplans
nicht im Wege des vereinfachten Verfahrens habe durchgeführt werden dürfen.
Dementsprechend sei ein förmliches Änderungsverfahren unter Beteiligung der Bürger
und der Träger öffentlicher Belange durchzuführen gewesen. Dieses sei hier nicht
erfolgt. Durch die Festsetzung der Baulinie auf der Grenze zwischen den Grundstücken
der Eheleute H. und dem Grundstück der Antragsteller seien die ursprünglich zu
beachtenden Abstandsflächen drastisch reduziert bzw. ausgeschlossen worden.
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Dadurch bedingt habe der unmittelbar Betroffene erhebliche nachteilige Auswirkungen
gegenüber den alten Festsetzungen hinzunehmen. Diese Auswirkungen seien gemäß §
180 BauGB sozialplanpflichtig und daher mit den Betroffenen aufzuarbeiten. Ferner sei
nicht erkennbar, dass die Änderung - wie erforderlich - aus "städtebaulichen Gründen"
erfolgt sei. Es sei offenbar ausschließlich die volle wirtschaftliche Ausnutzung eines
Grundstücks einseitig zu Lasten der Nachbarn planungsrechtlich festgesetzt worden.
Das Antasten der städtischen Flächen östlich des Änderungsbereichs zu diesem Zweck
sei vollständig ausgeschlossen worden, weil dieser Bereich vor einigen Jahren
endgültig ausgebaut worden sei. Unter dem 24. Juli 1997 widersprach die
Antragsgegnerin der vorgenannten Verfügung. Daraufhin hob die Bezirksregierung
Münster die angegriffene Verfügung unter dem 4. März 1998 auf und machte keine
Verletzung von Rechtsvorschriften geltend. Am 31. März 1998 wurden der
Satzungsbeschluss und die Durchführung des Anzeigeverfahrens ortsüblich öffentlich
bekannt gemacht.
Zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs der Änderung ist auf der
Planzeichnung eine in der Planlegende erläuterte Balkenlinie aufgebracht. Diese
Balkenlinie umschließt die Grundstücke M. straße 7, Bahnhofstraße 11, 13 und 15
(Gemarkung H. Flur 18, Flurstücke 1734, 1737, 1476 und 1388). Auf den östlich des
Grundstücks der Antragsteller gelegenen Flurstücken 1955 und 924 verläuft die
Balkenlinie in einem Abstand von etwa 4 m entlang der Grenze zu dem Grundstück der
Antragsteller. Innerhalb des von der Balkenlinie umrahmten Bereichs befinden sich
einige teils rot, teils blau gezeichnete Linien. Nach der Planlegende sind die Baulinien
rot, die Baugrenzen blau markiert. Zwei der rot hervorgehobenen Baulinien gehen über
den durch die Balkenlinie markierten Bereich hinaus. Sie umgrenzen die Flurstücke 924
und 1955 im östlichen und das Flurstück 1955 auch im nördlichen Bereich. Östlich
davon befindet sich - sozusagen auf dem Marktplatz - ein Festsetzungsfenster, das
ebenfalls von einer Balkenlinie umrahmt ist, wie sie nach der Planlegende für die
Kennzeichnung der Grenze des räumlichen Geltungsbereiches der Änderung
vorgesehen ist. Von diesem Festsetzungsfenster gehen Linien ab, an deren Ende sich
jeweils ein schwarzer Punkt befindet. Eine dieser Linien endet in dem in der Mitte des
Marktplatzes gelegenen Gebäudekomplex auf dem Grundstück Gemarkung H. Flur 18
Flurstück 1479, für den durch eine sog. Perlschnur eine Nutzungsgrenze zwischen ein-
und mehrgeschossiger Bebauung markiert ist. Der schwarze Endpunkt der von dem
Nutzungsfenster abgehenden Linie befindet sich auf dem Grundstücksteil, für den eine
mehrgeschossige Bebauung festgesetzt ist. Eine weitere Linie endet auf dem
Grundstück Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955. Der Endpunkt dieser Linie befindet
sich innerhalb des Bereichs, der nach der ihn umschließenden Balkenlinie als
räumlicher Geltungsbereich der Änderung anzusehen ist. Etwa auf der Mitte der Linie ist
ein weiterer schwarzer Punkt eingezeichnet. Dieser liegt ebenfalls auf dem Grundstück
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955, allerdings außerhalb des von der Balkenlinie
umschlossenen Bereichs.
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Für die Grundstücke der Eheleute H. werden folgende geänderten Festsetzungen
getroffen: Die durch eine Perlschnur gekennzeichnete Grenze zwischen
eingeschossiger und mehrgeschossiger Bebauung verläuft im Abstand von 3 m zum
Grundstück der Antragsteller. Die bestehenden Baugrenzen werden aufgehoben. Auf
der Grundstücksgrenze zu den Antragstellern sowie zu dem südlich von dem
Grundstück der Antragsteller gelegenen Grundstück Gemarkung H. Flur 18 Flurstück
1737 wird eine Baulinie festgesetzt. Für den mehrgeschossig zu bebauenden
Grundstücksteil wird die Grundflächenzahl auf 1,0 und die Geschossflächenzahl auf 2,0
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erhöht. Ferner wird die ursprüngliche Festsetzung hinsichtlich der Zahl der
Vollgeschosse von "II + D - II" in "II - IIIA" geändert. Dazu heißt es in der textlichen
Festsetzung des Änderungsplanes gemäß § 9 Abs. 4 BauGB in Verbindung mit § 86
BauO NW: "In den mit "A" gekennzeichneten Bereichen ist das höchst zulässige
Vollgeschoss als ausgebautes Dachgeschoss im Sinne des § 2 Abs. 5 BauO NW mit
geneigten Dachflächen auszuführen". Für das Grundstück der Antragsteller wird die
Grundflächenzahl auf 0,6 erhöht. Die Baugrenze im südlichen Bereich der Antragsteller
wird erheblich erweitert. Die Baugrenze im östlichen Teil des Grundstücks entfällt. Im
Übrigen wird auch bezüglich des Grundstücks der Antragsteller die Festsetzung
hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse von "I + D" in "IIA" geändert. Die Planänderung
beruht ausweislich der Planbegründung auf dem Umstand, dass es wegen der geringen
Bautiefe bisher nicht gelungen sei, Interessenten für eine Bebauung der westlich des
Markplatzes gelegenen Grundstücksflächen zu finden, obwohl ein grundsätzliches
Interesse an einer Nutzung dieser Flächen zu verzeichnen sei. Die Änderung verfolge
das Ziel, die überbaubaren Grundstücksflächen auf ein vertretbares Maß zu erweitern
und damit die Voraussetzungen für eine Bebauung zu schaffen.
Die Antragsteller haben am 16. September 1998 den vorliegenden
Normenkontrollantrag gestellt.
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Zur Begründung ihres Antrags tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor: Die
erweiterte Bebaubarkeit der Grundstücke Nr. 924 und 1955 führe zu einer erheblichen
Beeinträchtigung des Wertes ihres Grundstücks. Die Zufuhr von Licht und Luft sowie die
Nutzbarkeit des Gartens werde gemindert. Dabei sei besonders zu berücksichtigen,
dass das Schlafzimmer und das Kinderzimmer zur Grenze der Flurstücke 924 und 1955
lägen. Ein - bauplanungsrechtlich zulässiges - dreigeschossiges Gebäude entlang ihrer
Grundstücksgrenze habe erdrückende Wirkung. Eine Notwendigkeit zur Änderung des
ursprünglichen Bebauungsplans habe nicht bestanden. Die Änderung diene offenbar
allein den privaten Interessen des Investors H. . Anderen Investoren seien die in Rede
stehenden Grundstücke nicht angeboten worden, so habe z.B. ein anderer Investor, der
am Marktplatz in H. investiert habe, nichts von entsprechenden Angeboten gewusst. Im
Übrigen sei die Änderungsplanung auch städtebaulich misslungen. Dies habe der
Architekt und Diplom-Ingenieur H. aus B. bestätigt, auf dessen preisgekrönte Entwürfe
der Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " zurückgehe. Abgesehen davon habe es die
Antragsgegnerin selbst zu verantworten, wenn eine Erweiterung der überbaubaren
Grundstücksflächen der Flurstücke 924 und 1955 nach Osten - in Richtung auf den
Marktplatz - nunmehr nicht mehr möglich sein sollte. Eine dementsprechende
Erweiterungsmöglichkeit habe von Anfang an bei der Planung des Marktplatzes
berücksichtigt werden müssen. Schließlich werde der mit der Planänderung verbundene
Wertverlust für ihr Grundstück nicht dadurch ausgeglichen, dass dessen überbaubare
Grundstücksflächen erweitert worden seien. Diese Erweiterung liege weder in ihrem
noch im öffentlichen Interesse. Insbesondere sei der südliche Grundstücksbereich
entsprechend der Umgebungsbebauung als Ruhebereich konzipiert und nicht für eine
weitere Bebauung tauglich.
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Die Antragsteller beantragen,
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die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " der Antragsgegnerin
(Satzungsbeschluss vom 13. Februar 1997) für nichtig zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Antragsteller entgegen und trägt vor: Der räumliche
Geltungsbereich der Änderung sei hinreichend bestimmt und erstrecke sich auf das
durch die Balkenlinie umrahmte Gebiet sowie auf die Grundstücke, für die - auch
außerhalb dieses Gebietes - durch das seinerseits mit einer Balkenlinie umrahmte
Festsetzungsfenster neue Festsetzungen getroffen worden seien. Dies sei - wie sich
aus den von dem Festsetzungsfenster abgehenden Linien und den darauf
gekennzeichneten schwarzen Punkten ergebe - der Fall für die Teile der Grundstücke
Gemarkung H. Flur 18 Flurstücke 924 und 1955, die östlich des von der Balkenlinie
umrahmten Gebiets gelegen seien. Ferner seien neue Festsetzungen getroffen für den
mittleren Teil des in der Mitte des Martkplatzes gelegenen Gebäudekomplexes. Die
Planänderung sei auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller
könnten auf Grund der Lage ihres Grundstücks nicht die gleichen
Qualitätsanforderungen stellen wie in einem Wohngebiet. Die Änderung des
Bebauungsplans sei notwendig. Dem Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " sei ein im
Jahre 1987/1988 erstelltes Strukturgutachten vorausgegangen, welches zum Ziel
gehabt habe, die Leistungsfähigkeit des Einzelhandels und Ladenhandwerks sowie die
Attraktivität der Geschäftsstandorte in den vier Stadtteilen der Stadt H. zu ermitteln, die
Kaufkraftströme zu berechnen und die Möglichkeiten für eine zukünftige Optimierung der
Versorgungsfunktionen der Stadtteile aufzuzeigen. Das Gutachten habe u.a. die
Empfehlung enthalten, der mangelnden Geschäftskonzentration und
Ungleichgewichtigkeit der Geschäftsverteilung im Ortskern H. durch Ausbau der
Bahnhofstraße und des Marktplatzes entgegenzuwirken. Daraufhin sei in den Jahren
1988/89 ein städtebaulicher Gutachterwettbewerb durchgeführt worden, um optimale
städtebauliche und architektonische Aussagen für die Bebauung dieses zentralen
Bereiches zu erlangen. Das mit dem 1. Preis prämierte Gutachten des Architekturbüros
H. aus B. sei Grundlage für den anschließend aufgestellten Bebauungsplan gewesen.
Insbesondere habe dadurch eine Bebauung des Marktplatzes in der Ortsmitte
ermöglicht werden sollen, der bisher nur für die einmal jährlich stattfindende Kirmes
sowie für gelegentliche Sonderveranstaltungen genutzt worden sei. Die Realisierung
der Planung, insbesondere die Bebauung des Marktplatzes sei wegen der relativ
kleinen Bauflächen von Anfang an auf Schwierigkeiten gestoßen. Sie, die
Antragsgegnerin, habe lange vergeblich versucht, das Flurstück 924 sowie das
Flurstück 1955 verschiedenen Interessenten anzubieten. Schließlich sei es gelungen,
den Grundstückseigentümer des Flurstücks 924, Herrn H. , zum Erwerb auch des
Flurstücks 1955 sowie zu einer Investition zu bewegen. Da in den Verhandlungen
immer wieder die zu geringe Tiefe des Baukörpers kritisiert worden sei, habe der Rat
daraufhin übereinstimmend beschlossen, die westliche Baugrenze für den
erdgeschossigen Teil auf die Grundstücksgrenze zu verschieben und für das
Obergeschoss einen Abstand von 3 m parallel zur Grundstücksgrenze vorzugeben. Eine
Erweiterung der Flächen nach Osten auf den Marktplatz hin sei nicht möglich gewesen,
da der Ausbau des Marktplatzes bereits abgeschlossen gewesen sei. Im Übrigen laufe
eine Verkleinerung des Marktplatzes der Gesamtkonzeption zuwider. Schließlich habe
sich der Rat der Antragsgegnerin bei der beanstandeten Planung auch nicht von der -
nichtigen - Verpflichtung in dem Grundstückstauschvertrag mit Herrn H. , sondern
ausschließlich von objektiven Kriterien leiten lassen. Letztlich sei auch die Bebaubarkeit
des Grundstücks der Antragsteller erweitert und damit den Nachteilen Rechnung
getragen worden, die die Änderung des Bebauungsplans für sie im Übrigen zur Folge
habe.
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Gemäß Beschluss vom 19. April 2000 hat der damalige Berichterstatter des Senats am
20. Mai 2000 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Auf die hierfür gefertigte Niederschrift
wird verwiesen.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern
H. ", der Änderungen des Bebauungsplans sowie der jeweiligen Aufstellungsvorgänge
(2 Hefte) Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
23
A.
24
Der Normenkontrollantrag ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller gemäß § 47
Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie können geltend machen, durch die 1. Änderung
des Bebauungsplanes Nr. 44 "Ortskern H. " in ihren Rechten verletzt zu sein. Denn sie
sind Eigentümer eines Grundstücks, das von den planerischen Festsetzungen -
insbesondere von dem Wegfall der Baugrenze auf den östlich gelegenen
Nachbargrundstücken Gemarkung H. Flur 18 Flurstücke 1955 und 924 sowie der auf
diesen Grundstücken geänderten Grenze zwischen ein- und mehrgeschossiger
Bebauung - nachteilig betroffen sind. B.
25
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
26
I.
27
Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " leidet allerdings nicht an
Form- oder Verfahrensfehlern, die ohne Rüge beachtlich wären. Nur auf Rüge
beachtliche Form- und Verfahrensfehler gemäß § 215 BauGB sind gegenüber der
Antragsgegnerin nicht geltend gemacht worden.
28
II.
29
Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " leidet aber an materiellen
Mängeln.
30
Sie ist nichtig, weil der Bebauungsplan Nr. 44 "Ortskern H. " - jedenfalls in dem hier in
Rede stehenden Bereich nördlich der Bahnhofstraße - jedenfalls wegen Unwirksamkeit
keine taugliche Grundlage für eine Änderung bietet (1.) und der Änderungsplan auch
nicht als selbstständiger Bebauungsplan aufrecht erhalten werden kann (2.).
31
1. Der Bebauungsplan Nr. 44 ist zumindest unwirksam. Dies folgt aus der in dem
Bebauungsplan getroffenen Planfestsetzung über die Zahl der Vollgeschosse. Die
Festsetzung "+D", d.h. Zahl der Vollgeschosse "sowie ein zusätzliches Vollgeschoss
nur im Dachgeschoss", ist mangels Ermächtigungsgrundlage ungültig.
Ermächtigungsgrundlage für die fragliche Festsetzung "+D" kann nur § 9 Abs. 1 Nr. 1
BauGB in Verbindung mit § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO in der zum Zeitpunkt des
Satzungsbeschlusses geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990
32
(BGBl I Seite 132) sein. Durch diese Vorschrift wird die Festsetzung "+D" nicht gedeckt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt der Bebauungsplan, soweit erforderlich, auch das
Maß der baulichen Nutzung fest. Gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO wird das Maß der
baulichen Nutzung u.a. durch die Zahl der Vollgeschosse bestimmt. Eine Aussage
darüber, wo und wie diese Vollgeschosse anzuordnen sind - etwa als Kellergeschoss
oder ganz oder teilweise im Dachraum (vgl. § 2 Abs. 5 BauO NRW) -, enthalten die
genannten Vorschriften nicht. Eine Ermächtigung für die Festsetzung "+D", nach der ein
weiteres Vollgeschoss nur im Dachraum errichtet werden darf, gibt Bundesrecht, auf das
die Festsetzung ersichtlich gestützt werden sollte, nichts her.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 1991 - 4 NB 22.91 -, Buchholz
406.12, § 16 BauNVO Nr. 1; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Februar
1997 - 4 NB 30.96 -, BRS 59 Nr. 51 = BauR 1997, 603, 605; OVG NW, Urteil vom 17.
Januar 1994 - 11 A 2396/90 -, BRS 56 Nr. 24 (Seite 64).
33
Die mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrige Festsetzung über die Zahl der
Vollgeschosse führt jedenfalls zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans in
dem Bereich nördlich der Bahnhofstraße. Eine Teilunwirksamkeit nur der Festsetzung
"+D" oder der Festsetzung über die Geschosszahl insgesamt ist nicht gegeben. Eine
Teilunwirksamkeit setzt voraus, dass der fehlerfreie Teil des Plans noch (objektiv)
sinnvoll bleibt und (subjektiv) vom Planungswillen der Gemeinde getragen wird.
34
BVerwG, Beschluss vom 6. April 1993 - 4 NB 43.92 -, BRS 55 Nr. 31.
35
Daran fehlt es hier. Die Festsetzung "+ D" findet sich in nahezu allen Bereichen des
Bebauungsplans nördlich der Bahnhofstraße. Es ist städtebaulich weder sinnvoll, die
Festsetzung hinsichtlich der Geschossigkeit um die Festsetzung "+D" zu kappen noch
auf eine Festsetzung der Geschosszahl überhaupt zu verzichten. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass der Satzungsgeber den Plan ohne die Geschossigkeitsregelung
beschlossen hätte.
36
Der Senat kann offen lassen, ob die fehlerhaften Festsetzungen zur Nichtigkeit oder nur
zur Unwirksamkeit (vgl. § 215 a BauGB) des Bebauungsplans führen. Eine genaue
Festlegung hinsichtlich der Fehlerfolgen ist nicht erforderlich, weil es darauf für die
Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht ankommt. Denn auch im Falle ihrer
Unwirksamkeit entfaltet die Satzung nach § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB bis zur
Behebung der Mängel keine Rechtswirkungen. Damit scheidet sie als Basis für eine
Planänderung der hier in Rede stehenden Art ebenso aus wie eine nichtige Satzung.
37
2. Kommt nach den obigen Ausführungen die Änderung des jedenfalls unwirksamen
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " nicht in Betracht, so stellt sich die Frage, ob der
als Änderungsplan konzipierte Bebauungsplan als selbstständiger, von dem zu
ändernden Plan unabhängiger, Bebauungsplan verstanden und als solcher aufrecht
erhalten werden kann. Diese Frage ist zu verneinen. Als selbstständiger
Bebauungsplan verstanden genügt der Änderungsplan schon nicht den
Bestimmtheitserfordernissen des § 9 Abs. 7 BauGB, denn sein räumlicher
Geltungsbereich ist unklar (a). Abgesehen davon ist die 1. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " auch nicht unabhängig von der Unwirksamkeit
des sie tragenden Bebauungsplans selbstständig existenzfähig (b).
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a) Der Bebauungsplan unterliegt als Rechtsnorm dem Gebot formeller Bestimmtheit.
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Dies gilt u.a. auch für den räumlichen Geltungsbereich. Maßstab hierfür ist § 9 Abs. 7
BauGB. Danach setzt der Bebauungsplan die Grenzen des räumlichen
Geltungsbereichs fest. Hieraus ist das Erfordernis abzuleiten, den Geltungsbereich
vollständig zu umgrenzen. Die in dieser Hinsicht getroffenen Festsetzungen müssen
aus sich heraus klar und unmissverständlich sein. Dies folgt schon daraus, dass auch
sie Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmen, und zwar unmittelbar für die
überplanten, mittelbar aber auch für die dem Planbereich benachbarten Grundflächen.
Der Gemeinde steht frei, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu
genügen. Aus § 2 PlanzV folgt, dass sie nicht strikt an die Planzeichen gebunden ist, die
in der Anlage 4 zu dieser Verordnung enthalten sind. Sie hat die Wahl zwischen
zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung und kann auch beide Elemente
miteinander kombinieren. Weicht sie von der Darstellungsart der
Planzeichenverordnung ab, so wird hierdurch allein die Bestimmtheit nicht in Frage
gestellt, wenn der Inhalt der Festsetzung gleichwohl hinreichend deutlich erkennbar ist.
Maßgeblich ist, ob der mit der Planzeichenverordnung verfolgte Zweck sich auch mit
dem von ihr gewählten Mittel erreichen lässt. Wann dies der Fall ist, ist keine Frage der
abstrakten Wertung, sondern beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1994 - 4 NB 30.93 -, BRS 56 Nr. 33.
40
Nach diesen Maßstäben ist der räumliche Geltungsbereich des Änderungsplans nicht
hinreichend bestimmt. Der Rat der Antragsgegnerin hat sich zur Kennzeichnung des
räumlichen Geltungsbereichs der Änderung einer Balkenlinie aus hellen Balken mit
dunklem Rand als zeichnerischer Festsetzung bedient und die Bedeutung dieser
Balkenlinie in der Planlegende eindeutig beschrieben. Dass die Balkenlinie nicht den
Planzeichen entspricht, die in Nr. 15.13. der Anlage 4 zur Planzeichenverordnung für
die Kennzeichnung der Grenze des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans
vorgesehen sind, ist nach den vorstehenden Ausführungen unschädlich. Durch den
Verlauf der Balkenlinie auf dem Änderungsplan wird der Geltungsbereich der Änderung
indes nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit beschrieben. Die
Balkenlinie umschließt die Grundstücke M. straße 7, Bahnhofstraße 11, 13 und 15
(Gemarkung H. Flur 18, Flurstücke 1734, 1737, 1476 und 1388). Auf den östlich des
Grundstücks der Antragsteller gelegenen Flurstücken 1955 und 924 verläuft die
Balkenlinie in einem Abstand von etwa vier Meter entlang der Grenze zu dem
Grundstück der Antragsteller. Damit ist der Geltungsbereich der 1. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " indes nicht unmissverständlich markiert. Denn
aufgrund der auf der Planzeichnung rot unterlegten Baulinien, die die Flurstücke 1955
und 924 im Norden und Osten umgrenzen, ist unklar, ob diese Flurstücke entgegen dem
durch die Balkenlinie vermittelten Eindruck nicht doch insgesamt dem
Änderungsbereich zuzurechnen sind. Es ist nicht einmal sicher, ob der räumliche
Geltungsbereich der Änderung nicht noch weiter zu ziehen ist. Denn das
Festsetzungsfenster, das sich östlich des so markierten räumlichen Geltungsbereichs
der Änderung befindet, enthält geänderte Festsetzungen hinsichtlich der Geschossigkeit
und der Grund- und Geschossflächenzahl, die auch für Grundstücke außerhalb des - sei
es durch die Balkenlinie allein oder in Verbindung mit den rot unterlegten Baugrenzen -
markierten Änderungsbereichs gelten könnten. Von dem Festsetzungsfenster gehen
Linien ab, an deren Ende sich jeweils ein schwarzer Punkt befindet. Der Endpunkt einer
dieser Linien liegt auf dem Grundstück Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955 innerhalb
des Bereichs, der nach der ihn umschließenden Balkenlinie als räumlicher
Geltungsbereich der Änderung anzusehen ist. Auf der Mitte dieser Linie ist allerdings
ein weiterer schwarzer Punkt gekennzeichnet, der zwar ebenfalls auf dem Grundstück
41
Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1955 liegt, allerdings außerhalb des von der
Balkenlinie umschlossenen Bereichs. Eine weitere dieser Linien weist auf den mittleren
Teil des in der Mitte des Marktplatzes gelegenen Gebäudekomplexes auf dem
Grundstück Gemarkung H. Flur 18 Flurstück 1479, der ebenfalls außerhalb des von der
Balkenlinie und auch des von den rot markierten Baugrenzen umschlossenen Bereichs
liegt. Der mittlere Teil dieses Gebäudekomplexes ist von dessen westlichem, östlichem
und nördlichem Rand auf der Planzeichnung durch eine sog. Perlschnur getrennt. Es ist
danach unklar, ob der räumliche Geltungsbereich der Änderung sich auf das Gebiet
beschränkt, das durch das dafür ausdrücklich vorgesehene Planzeichen
dementsprechend markiert ist, oder ob der Plan auch außerhalb dieses Gebiets
Änderungen vornimmt. Diese Unklarheit führt zur Unbestimmtheit des Plans. Denn die
Festsetzungen sind insoweit widersprüchlich. Dieser Widerspruch lässt sich auch nicht
dadurch beseitigen, dass das in Rede stehende Festsetzungsfenster von einer
Balkenlinie umrissen ist, wie sie nach der Planlegende für die Kennzeichnung der
Grenze des räumlichen Geltungsbereichs der Änderung vorgesehen ist. Denn das
Planzeichen kann in diesem Fall die ihm durch die Planlegende verliehene Funktion
der Umgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs der Änderung von vornherein nicht
erfüllen. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass Festsetzungen geändert worden wären,
die den von der Balkenlinie umrahmten räumlichen Bereich betreffen. Es mag sein, dass
der Plangeber mit der Umrahmung des Festsetzungsfensters durch das Planzeichen
verdeutlichen wollte, dass die in dem von der Balkenlinie umrahmten
Festsetzungsfenster vorgesehenen Festsetzungen sachlich geändert worden sind.
Damit würde dem Planzeichen aber eine Bedeutung beigemessen, die ihm nach der
insoweit eindeutigen Zeichenerklärung in der Planlegende nicht zukommt. Die
Verwendung des Planzeichens in diesem Zusammenhang ist deshalb nicht hinreichend
klar sondern missverständlich. Deshalb lässt sich dadurch auch die im Übrigen
bestehende Unklarheit über den räumlichen Geltungsbereich des Änderungsplans nicht
beseitigen.
Die Unbestimmtheit des Änderungsbereichs lässt sich auch nicht im Wege der
Auslegung beseitigen unter Rückgriff auf den markierten Geltungsbereich der
Änderungsplanung in der Bekanntmachung vom 30. November/1. Dezember 1996 über
die öffentliche Auslegung der Änderungsplanung sowie die Bekanntmachung vom 31.
März 1998 über den Satzungsbeschluss. Denn nach den oben genannten Grundsätzen
müssen die Festsetzungen hinsichtlich des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans
aus sich heraus klar und unmissverständlich sein und dürfen nicht erst durch Würdigung
des Planaufstellungsverfahrens verständlich werden. Zudem sind die dortigen
Darstellungen nicht parzellenscharf, insbesondere ist das in der Mitte des Marktplatzes
gelegene Grundstück insgesamt durch eine gebrochene schwarze Linie umrandet.
42
b) Der Änderungsplan ist aber auch dann nichtig, wenn man davon ausgehen wollte,
sein räumlicher Geltungsbereich sei hinreichend bestimmt und erstrecke sich neben
dem durch die Balkenlinie umrahmten Bereich auf die Flurstücke 924 und 1955
insgesamt sowie auch auf den mittleren Teil des in der Mitte des Marktplatzes
gelegenen Gebäudekomplexes. Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 44
"Ortskern H. " hat jedenfalls die Nichtigkeit seiner hier angefochtenen ersten Änderung
zur Folge, denn die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " kann nicht
als selbstständiger Bebauungsplan aufrecht erhalten werden.
43
Ob sich die (vom Plangeber unerkannte) Nichtigkeit eines Bebauungsplans - gleiches
gilt für dessen Unwirksamkeit - notwendig auf nachfolgende Satzungen zur Änderung
44
dieses Bebauungsplans erstreckt, hängt davon ab, ob und inwieweit der Änderungsplan
vom Inhalt seiner Festsetzungen her gegenüber dem alten Plan verselbstständigt ist.
Werden etwa sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans im Zuge der "Änderung"
durch neue Festsetzungen ersetzt oder aber jedenfalls erneut in den planerischen
Abwägungsprozess einbezogen, so ist letztlich ein eigenständiger Plan entstanden, bei
dem ein "Fortwirken" alter Fehler des Ursprungsplans nicht mehr als sachgerecht
erschiene. Werden demgegenüber unter dem Fortbestehen der Ursprungsplanung im
Übrigen nur einzelne Festsetzungen geändert, so bedeutet dies, dass nicht bezüglich
der Gesamtheit der Planung nochmals inhaltlich in den Abwägungsprozess eingetreten
zu werden braucht. Dann kann die nunmehr geltende planungsrechtliche Ordnung im
Bebauungsplangebiet regelmäßig nur als Einheit der alten und der geänderten Planung
angesehen werden. Das schließt dann entsprechend den Grundsätzen der
Teilnichtigkeit eine verbleibende alleinige Gültigkeit der Änderungsplanung aus.
BVerwG, Beschluss vom 30. September 1992 - 4 NB 22.92 -, Buchholz 310 § 47 VwGO
Nr. 70 (S. 116 f.).
45
Der Rat der Antragsgegnerin hat weder sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans
durch neue Festsetzungen des Änderungsplans ersetzt noch die fortbestehenden
Festsetzungen erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen. Vielmehr
sind durch den Änderungsplan unter Fortbestehen des Ursprungsplans im Übrigen nur
einzelne Festsetzungen innerhalb eines beschränkten räumlichen Bereichs geändert
worden, auf den auch die Planabwägung von vornherein beschränkt war. Bei der
vorliegenden teilweisen Änderung eines jedenfalls unwirksamen Bebauungsplans
scheidet es bei den gegebenen Fallumständen nach den entsprechend
heranzuziehenden Grundsätzen der Teilnichtigkeit aus, dass der Änderungsplan isoliert
Gültigkeit erlangt. Die Nichtigkeit einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplanes führt
nach den Grundsätzen zur Teilnichtigkeit nur dann nicht zur Gesamtnichtigkeit des
Plans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den
Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung
bewirken können und wenn zusätzlich die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren
zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten
Inhalts beschlossen hätte. Dieser Rechtssatz stellt die planungsrechtliche
Konkretisierung eines allgemeinen Rechtssatzes dar, der auch in anderen
Rechtsgebieten gilt (vgl. § 139 BGB). Er bewirkt, dass nicht jeder Planungsfehler zur
Nichtigkeit des gesamten Bebauungsplans führen muss, solange der fehlerfreie Teil des
Plans noch (objektiv) sinnvoll bleibt und (subjektiv) vom Planungswillen der Gemeinde
getragen wird. Der für sich fehlerfreie Teil des Bebauungsplans wird jedoch von der
Unwirksamkeit des anderen Teils erfasst, wenn es an einer dieser Voraussetzungen
fehlt.
46
BVerwG, Beschluss vom 6. April 1993 - 4 NB 43.92 -, BRS 55 Nr. 31.
47
Wendet man diese Grundsätze auf den gegebenen Fall der Änderung eines jedenfalls
unwirksamen Bebauungsplans entsprechend an, so führt die Unwirksamkeit des
Ursprungsplanes nur dann nicht zur Nichtigkeit des Änderungsplanes, wenn dessen
(fehlerfreie) Festsetzungen für sich betrachtet noch (objektiv) sinnvoll bleiben und
(subjektiv) vom Planungswillen der Gemeinde getragen werden. Trifft der
Änderungsplan - wie hier - für einen räumlich beschränkten Bereich des gesamten
Plangebietes neue Festsetzungen, so ist in objektiver Hinsicht danach zu fragen, ob der
Änderungsplan für seinen räumlich beschränkten Geltungsbereich noch eine den
48
Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende sinnvolle städtebauliche Ordnung
gewährleisten kann. Diese Frage ist u.a. dann zu verneinen, wenn die Festsetzungen
des Änderungsplanes mit den - nicht geänderten - Planfestsetzungen des unwirksamen
Ursprungsplanes inhaltlich so verwoben sind, dass sie ohne deren Fortbestand nicht
selbstständig Grundlage der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im
Änderungsgebiet sein könnten, diese vielmehr nur durch eine Einheit der alten und der
geänderten Planung bewirkt werden könnte.
OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 7a D 3/95.NE -.
49
Nach diesen Maßstäben ist der Änderungsplan nichtig. Die Festsetzungen des
Änderungsplanes sind - ohne Fortbestand des ursprünglichen Bebauungsplans - weder
objektiv sinnvoll noch vom hypothetischen Willen des Plangebers getragen.
50
aa) Der Marktplatz der Stadt H. bildet mit der ihn umgebenden Bebauung einen
städtebaulich zusammengehörenden und funktional aufeinander bezogenen Bereich,
der planerisch in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen und auf Grund eines
einheitlichen Planungskonzepts zu gestalten ist. Von diesem Befund ist auch die
Antragsgegnerin schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. "
ausgegangen, der der städtebaulichen Neuregelung des Ortskern mit dem Schwerpunkt
u.a. Marktplatzbebauung dienen sollte (vgl. die Begründung des Bebauungsplans vom
1. Dezember 1989). Dementsprechend wird auch in der Begründung zur Änderung des
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " vom November 1996 das städtebauliche
Gesamtkonzept für die in Rede stehenden Bereiche hervorgehoben. Diesen
Gegebenheiten würde die isolierte Aufrechterhaltung des Änderungsplanes nicht
gerecht, der sich nur auf einige Grundstücke im südwestlichen Randbereich und ein
Grundstück in der Mitte des Marktplatzes erstreckt, den weitaus größeren übrigen
Marktplatzbereich aber nicht erfasst. Die Aufrechterhaltung des Änderungsplans - ohne
die Wirksamkeit des ihn tragenden Ursprungsplans - würde damit zu einem bloßen
Planungstorso führen, zumal sich die geänderten Festsetzungen hinsichtlich des
Gebäudes in der Mitte des Marktes nur auf dessen mehrgeschossigen Teil beziehen.
Die isolierte Aufrechterhaltung des Änderungsplanes würde daher zu dem städtebaulich
sinnlosen Zustand führen, dass für einen Teil eines Gebäudekomplexes eine
planungsrechtliche Grundlage bestünde, während der übrige Teil des Gebäudes in
bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach § 34 BauGB zu beurteilen wäre. Die
Maßgeblichkeit des § 34 BauGB für das Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des
Änderungsplans hätte zudem zur Konsequenz, dass dort die Zulässigkeit eines
Vorhabens nach seiner Art nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB in Verbindung mit den
Bestimmungen der Baunutzungsverordnung zu beurteilen wäre. Dies zu Grunde gelegt
und unter Berücksichtigung des von der Antragsgegnerin überreichten
Kartenausschnitts, aus dem die derzeitigen baulichen und sonstigen Nutzungen der
umliegenden Grundflächen zu ersehen sind, ist davon auszugehen, dass der
Marktplatzbereich außerhalb des Gebietes des Änderungsplanes allenfalls den
Charakter eines Mischgebietes nach § 6 BauNVO, wenn nicht gar lediglich den eines
allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO oder einer Gemengelage aufweist. Die
Zielprojektion "Kerngebiet" nach § 7 BauNVO für den eng begrenzten Bereich des
Änderungsplanes ist vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll.
51
Im Hinblick auf die Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " stellt der
hier angegriffene Änderungsplan ein sinnvolles Planungskonzept für den Marktplatz der
Stadt H. auch nicht dar in Verbindung mit den bisher erfolgten vier Änderungen des
52
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " im Wege des vereinfachten Verfahrens. Diese
Änderungen - von denen lediglich die zweite, dritte und vierte Änderung überhaupt den
hier interessierenden Bereich betreffen - beziehen sich jeweils nur auf einzelne
Festsetzungen für je ein bis zwei Grundstücke und regeln damit die Bebaubarkeit des
Marktplatzes und seiner Umgebung nur in Form einzelner Mosaiksteine, die auch in
Verbindung mit dem hier angefochtenen Änderungsplan in ihrer Gesamtheit kein in sich
geschlossenes Bild ergeben. Die erste vereinfachte Änderung (Satzungsbeschluss vom
10. Februar 1992) betrifft den Bereich südlich der Bahnhofstraße und nicht den des
Marktplatzes. Die zweite vereinfachte Änderung (Satzungsbeschluss vom 28. Februar
1994) bezieht sich auf den südlichen und südöstlichen Randbereich des Marktplatzes;
sie ist im Übrigen unwirksam, weil sie - wie auch der Ursprungsplan - die fehlerhafte
Festsetzung "+ D", d.h. Zahl der Vollgeschosse "sowie ein zusätzliches Vollgeschoss
nur im Dachgeschoss" trifft. Die dritte vereinfachte Änderung (Satzungsbeschluss vom
13. Juni 1994) regelt lediglich die Erweiterung der überbaubaren Flächen und der
zulässigen Verkaufsfläche auf einem Grundstück im Norden des Marktplatzes. Die vierte
vereinfachte Änderung (Satzungsbeschluss vom 18. Februar 1999) bezieht sich allein
auf die Baugrenzen und die Dachneigung für ein südöstlich des Marktplatzes gelegenes
Grundstück. Es bedarf danach keiner Erörterung, ob die genannten vereinfachten
Änderungen nicht bereits deshalb nichtig sind, weil sie unter Berücksichtigung der
Unwirksamkeit des Ursprungsplanes ihrerseits jeweils nicht als selbstständige
Änderungspläne aufrecht erhalten werden können.
bb) Die isolierte Aufrechterhaltung der Festsetzungen der ersten Änderung des
Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " ist auch nicht vom hypothetischen Willen des
Plangebers getragen. Wäre dem Rat der Antragsgegnerin die Unwirksamkeit des
Bebauungsplanes Nr. 44 "Ortskern H. " jedenfalls in dem Bereich nördlich der
Bahnhofstraße bekannt gewesen, so hätte er den Bebauungsplan zur ersten Änderung
des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " nicht in der hier zu prüfenden Gestalt
beschlossen. Dies folgt schon daraus, dass der Plangeber - wie oben ausgeführt - von
dem Bestehen einer einheitlichen Planungskonzeption für den Marktplatz ausgegangen
ist und er den Änderungsplan in dieser Konzeption lediglich einfügen wollte. Die
Wirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. "Ortskern H. " war deshalb die
"Geschäftsgrundlage" für die Planänderung, wie die Begründung der Planänderung
auch an anderer Stelle verdeutlicht, wenn es dort heißt: "Die sonstigen Festsetzungen
des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes sowie die örtlichen Bauvorschriften gelten
unverändert weiter".
53
cc) Ist die erste Änderung des Bebauungsplans Nr. 44 "Ortskern H. " bereits aus den
oben genannten Gründen nichtig, so kommt es auf etwaige weitere Nichtigkeitsgründe
entscheidungserheblich nicht mehr an. Es kann deshalb offen bleiben, ob
Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 6 BauGB vorliegen. Deshalb braucht der Senat nicht zu
erörtern, ob die Antragsgegnerin - wie die Antragsteller meinen - ihre Entscheidung
sachwidrig allein an den wirtschaftlichen Interessen der Eheleute H. ausgerichtet hat.
Angemerkt sei insoweit nur, dass es dem Plangeber grundsätzlich unbenommen ist,
einen Bebauungsplan zu ändern, wenn eine plangemäße Bebauung entgegen seiner
ursprünglichen Annahme auf Grund neuer Erkenntnisse in überschaubarer Zeit nicht zu
erwarten ist. In diesem Zusammenhang können dem Plan(änderungs-)verfahren
vorgeschaltete Besprechungen, Abstimmungen, Zusagen und Verträge oftmals
geradezu unerlässlich sein, um überhaupt sachgerecht planen und eine angemessene
effektive Realisierung dieser Planung gewährleisten zu können.
54
BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309, 317;
Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 1999, § 1 Rdnr. 113 f.
55
Allerdings kann eine Gemeinde sich rechtsverbindlich nicht verpflichten, einen
Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt aufzustellen (§ 2 Abs. 3 BauGB). Die
planerische Abwägung hat deshalb ohne Rücksicht auf eine dahingehende
Vorabbindung zu erfolgen. Beachtet der Plangeber dieses Gebot, so stellt eine im
Vorfeld der Planung eingegangene unwirksame Vorabbindung die Rechtmäßigkeit der
Abwägung nicht in Frage.
56
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 -, BVerwGE 75, 214, 236, und
Beschlüsse vom 28. Dezember 1988 - 4 B 227/88 -, NVwZ-RR 1989, 528 f. sowie vom
13. Januar 1999 - 4 BN 51.98 -.
57
Der Senat braucht angesichts der ohnehin gegebene Nichtigkeit des Änderungsplans
auch nicht zu entscheiden, ob die planerische Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB
fehlerhaft ist im Hinblick auf die durch die Planänderung vorgegebene Tiefe der
Abstandsfläche, die ein Gebäude auf den Flurstücken 1955 und 924 zu dem
Wohngebäude der Antragsteller einhalten muss. Insbesondere kann der Senat offen
lassen, ob die Festsetzung von mindestens zwei Vollgeschossen in einem Abstand von
3 Metern zum Grundstück der Antragsteller als zwingende Festsetzung eines
Bebauungsplanes nach § 6 Abs. 17 BauO NRW anzusehen ist, mit der Folge, dass die
sich nach den voranstehenden Absätzen des § 6 BauO NRW ergebende Tiefe der
Abstandsflächen nicht mehr maßgeblich ist. Sollte die in Rede stehende Festsetzung
allerdings nicht als zwingende Festsetzung im Sinne von § 6 Abs. 17 BauO NRW
anzusehen sein, so wäre sie nicht realisierbar. Denn die Tiefe der sich nach § 6 Abs. 4
BauO NRW ergebenden Abstandsfläche für eine zweigeschossige Bebauung betrüge
jedenfalls mehr als 3 Meter, so dass ein zweigeschossiger Baukörper nicht im Abstand
von 3 Metern zur Grenze zum Grundstück der Antragsteller errichtet werden dürfte. Geht
man von einer zwingenden Festsetzung im Sinne von § 6 Abs. 17 BauO NRW aus, so
ist - woran es hier fehlt - in der Begründung des Bebauungsplanes darzulegen, aus
welchen Gründen der Plangeber das Regelungssystem des § 6 BauO NRW zu Lasten
der Antragsteller außer Kraft gesetzt hat und inwieweit dies mit deren schutzwürdigen
Belangen vereinbar ist,
58
vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung NRW, § 6 Rdnr. 372.
59
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der östlichen Baugrenze auf
dem Grundstück der Antragsteller, durch die der Rat der Antragsgegnerin den
Antragstellern als Kompensation für die mit der Planänderung verbundenen Nachteile
eine erweiterte Bebauungsmöglichkeit gewähren wollte, planerisch bedenklich ist.
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Zum einen besteht keine realistische Aussicht darauf, dass die Antragsteller von dieser
Möglichkeit Gebrauch machen, die wegen der vorgebenen geschlossenen Bauweise zu
einer Grenzbebauung auf der Grenze zu den Flurstücken 924 und 1955 führen müsste.
Zum anderen eröffnet der Plan durch den Wegfall der beschriebenen Baugrenze die
Möglichkeit zu einer städtebaulich kaum sinnvollen Bebauung. Wird auf dem
Grundstück der Antragsteller eine zweigeschossige Grenzbebauung auf der Grenze zu
den Flurstücken 924 und 1955 hergestellt, die nach dem Änderungsplan zulässig ist, so
würde sich daran im Falle der Bebauung der Flurstücke 924 und 1955 nach den
insoweit zwingenden Festsetzungen des Bebauungsplanes eine eingeschossige
61
Bebauung anschließen, die dann - sei es nach 3 Meter, sei es nach einem größeren
Abstand - in eine mehrgeschossige Bebauung überginge.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
62
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §
167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 710 ZPO.
63
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen
hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
64