Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.08.1989

OVG NRW (kläger, gesetzliche grundlage, der rat, fragerecht, fraktion, tagesordnung, geschäftsordnung, stadt, verwaltung, sitzung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 1473/87
Datum:
18.08.1989
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 1473/87
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 4 K 208/87
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger ist Mitglied des Rates der beklagten Stadt. Für dessen Sitzung am 10.
Dezember 1986 war eine Fragestunde für Einwohner angesetzt. Der Kläger reichte
hierzu beim Oberbürgermeister mit Schreiben vom 1. Dezember 1986 eine Frage an das
Ratsmitglied xxx ein, die dessen Verhalten anläßlich des Abschlusses eines Vertrages
zwischen der Beklagten und einem Dritten zum Gegenstand hatte. Der
Oberbürgermeister wies die Frage als nicht fristgerecht eingereicht zurück. Mit
Schreiben vom 10. Dezember 1986 gab der Oberstadtdirektor der Beklagten dem Kläger
außerdem seine Auffassung bekannt, daß das Einwohnerfragerecht einem Ratsmitglied
nicht zur Verfügung stehe.
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In der Ratssitzung am 28. Januar 1987, in deren Tagesordnung eine weitere
Einwohnerfragestunde aufgenommen war, weigerte sich das Ratsmitglied xxx, die vom
Kläger zwischenzeitlich erneuerte Frage mündlich zu beantworten. Der in der Sitzung
anwesende Vertreter des Oberstadtdirektors bekräftigte die Auffassung der Verwaltung,
daß die Frage unzulässig sei. Der Oberbürgermeister ließ daraufhin eine weitere
Behandlung der Angelegenheit einschließlich einer zusätzlichen Frage des Klägers
nicht zu.
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Der Kläger hat am 18. Februar 1987 Klage erhoben mit der Begründung, es gebe keine
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Rechtsgrundlage dafür, einem Einwohner der beklagten Stadt die Ausübung des
Einwohnerfragerechts allein deswegen vorzuenthalten, weil er zugleich Ratsmitglied
sei. Anderenfalls sei ein Ratsmitglied, das in dieser Funktion nur Fragen an die
Verwaltung stellen könne, schlechter gestellt als jeder andere Einwohner, der ein
Fragerecht auch dem Oberbürgermeister, einzelnen Ratsmitgliedern und den Fraktionen
gegenüber habe.
Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, daß er als Einwohner der Beklagten berechtigt ist, in der
Einwohnerfragestunde des Rates gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Rates Fragen
zu stellen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat im wesentlichen geltend gemacht, das Einwohnerfragerecht habe den Zweck,
den Kontakt zwischen Rat und Einwohnern zu verbessern, und stehe deshalb nur
demjenigen zu, der sich nicht auf andere Weise über die Arbeit von Rat und Verwaltung
informieren könne. Den Mitgliedern des Rates stünden aber die spezialgesetzlichen
Befugnisse aus § 40 GO und § 12 der Geschäftsordnung des Rates zur Verfügung. Eine
zusätzliche Ausübung auch des Einwohnerfragerechts sei damit nur für den Sonderfall
zu vereinbaren, daß ein Ratsmitglied Fragen zu seinen ausschließlich persönlichen
Angelegenheiten stellen wolle. Dieses Recht werde dem Kläger nicht abgesprochen.
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Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Mit der Berufung bekräftigt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend weist
er auf eine weitere, mit Schreiben vom 8. Januar 1988 eingereichte Frage an den
Oberbürgermeister nach dessen Praxis bei der Einladung von Vereinen zum
Neujahrsempfang hin, deren Beantwortung der Oberbürgermeister mit Schreiben vom
14. Januar 1988 gleichfalls abgelehnt habe.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, daß er berechtigt ist, in der
Einwohnerfragestunde des Rates der Beklagten an den Oberbürgermeister, ein anderes
Ratsmitglied und eine Fraktion auch solche Fragen zu stellen, die über seine
persönlichen Angelegenheiten hinausgehen.
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Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend hält, beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist erfolglos.
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Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.
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Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 43 Abs. 1
VwGO, weil der Kläger das Recht beansprucht, in der Einwohnerfragestunde des Rates
wie jeder andere Einwohner der Beklagten uneingeschränkt Fragen an den
Oberbürgermeister, ein anderes Ratsmitglied und eine Fraktion stellen zu dürfen, und
die für die Beklagte handelnden Organe dieses Recht in Abrede stellen. Da ein solches
Recht im Außenrechtsbereich angesiedelt wäre, kann es - anders als die
innenrechtlichen Mitwirkungsbefugnisse des Klägers als Mandatsträger - mit der
Feststellungsklage nur gegenüber der als Rechtsträger allein in Betracht kommenden
Gemeinde selbst verfolgt werden (arg. § 78 Abs. 1 VwGO).
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Vgl. z.B. Ehlers, Der Beklagte im Verwaltungsprozeß, in: Festschrift für Menger, 1985, S.
379 (392 f).
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Der Senat hat deswegen das Passivrubrum dahin berichtigt (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO),
daß die Klage gegen die Stadt xxx gerichtet ist, die durch den Oberstadtdirektor (§ 55
Abs. 1 Satz 1 GO) vertreten wird.
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Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung:
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Er muß angesichts der vom Oberbürgermeister und vom Oberstadtdirektor der
Beklagten vertretenen Rechtsauffassung damit rechnen auch bei künftigen
Einwohnerfragestunden das beanspruchte Fragerecht nicht verwirklichen zu können.
Unstreitig zwischen der Beteiligten - und infolgedessen nicht feststellungsbedürftig - ist
lediglich, daß der Kläger Einwohnerfragestunden zum Anlaß für Fragen nehmen darf,
die ausschließlich seine persönlichen Angelegenheiten betreffen. Dem trägt der in der
Berufungsverhandlung formulierte Antrag Rechnung, durch den klargestellt wird, daß
die beantragte Feststellung nur über die persönlichen Angelegenheiten des Klägers
hinausreichende Fragen betreffen soll.
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Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, künftige Einwohnerfragestunden
abzuwarten, um den geltend gemachten Anspruch sodann mit einer Klage auf
Zulassung der im Einzelfall beabsichtigten Fragen durchzusetzen. Wegen der Kürze der
in einer solchen Situation verbleibenden Zeit wäre eine rechtzeitig vor Durchführung der
jeweiligen Einwohnerfragestunde ergehende Entscheidung zur Hauptsache kaum zu
erwarten; ein etwaiger Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung liefe zumindest
Gefahr, an dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu scheitern. Angesichts
dessen ist auch das für die Inanspruchnahme gerade vorbeugenden Rechtsschutzes zu
fordernde qualifizierte Feststellungsinteresse
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- vgl. dazu etwa BVerwG, Urteile vom 8. September 1972 - IV C 17.71 -, BVerwGE 40,
323 (326 f), vom 26. Juni 1981 - 4 C 5.78 -, DVBl. 1981, 936 (939), und vom 7. Mai 1987
- 3 C 53.85 -, NVwZ 1988, 430 (431) -
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gegeben.
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Schließlich steht auch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage, mit der der Kläger seine
Rechte ebensogut verfolgen könnte oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1
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VwGO), nicht zur Verfügung. Eine künftige Klage auf Zulassung bestimmter
Einzelfragen hätte die bereits dargelegten, den Rechtsschutz des Klägers
einschränkenden Nachteile. Eine Klage, die in der Vergangenheit liegende Einzelfälle
zum Gegenstand hätte, könnte nur zu einer - möglicherweise auf Vorfragen
beschränkten - rechtlichen Klärung dieser Einzelfälle führen und bliebe deswegen hinter
dem Rechtsschutz zurück, der mit der Feststellungsklage erreichbar ist.
Vgl. insoweit etwa BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1982 - 5 C 103.81 -, NJW 1983,
2208, und Beschluß vom 25. Mai 1988 - 3 B 5.88 -, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 98.
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Die Klage kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat eine
Feststellung im Sinne des Klageantrags mit zutreffender Begründung abgelehnt.
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Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 GO können "Fragestunden für Einwohner ... in die
Tagesordnung (einer Ratssitzung) aufgenommen werden, wenn Einzelheiten hierüber
in der Geschäftsordnung geregelt sind". Der Rat der Beklagten hat in § 10 der
Geschäftsordnung für den Rat und die Bezirksvertretungen der Stadt xxx und die
Ratsausschüsse vom 23. Januar 1985 (GeschäftsO) von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht. In Abs. 2 Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift ist geregelt, daß "jeder Einwohner"
Fragen stellen kann "an den Oberbürgermeister, ein anderes Ratsmitglied, eine Fraktion
oder an den Oberstadtdirektor". Der Inhalt der Fragen darf - von den weiteren, hier nicht
interessierenden Erfordernissen in § 10 Abs. 5 Satz 2 GeschäftsO abgesehen - den
Aufgabenbereich der Stadt xxx nicht überschreiten (§ 10 Abs. 2 Satz 3 GeschäftsO).
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Der Kläger ist Einwohner der Stadt xxx (§ 6 Abs. 1 GO). Die Fragen, welche er als
solcher stellen will bewegen sich innerhalb der dargelegten Grenzen des
Einwohnerfragerechts. Der Wortlaut der hier einschlägigen Vorschriften scheint daher
das vom Kläger beanspruchte Fragerecht zu rechtfertigen. Dessen ungeachtet steht
dem Kläger dieses Recht nicht zu. Das ergibt sich aus einer an Sinn und Zweck, den
Motiven des Gesetzgebers sowie dem systematischen Zusammenhang orientierten
Norminterpretation, die eine restriktive, hinter dem Wortlaut zurückbleibende
Handhabung der hier einschlägigen Vorschriften gebietet.
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Die gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Einwohnerfragestunden in § 33
Abs. 1 Satz 3 GO ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der
Kreisordnung und anderer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 15. Mai
1979, GV NW 408, geschaffen worden. Der Sinn der damaligen Gesetzesänderung
bestand erklärtermaßen darin, die Möglichkeiten der Bürger zur Mitwirkung an der
Gemeindeverwaltung zu verbessern, das Interesse der Öffentlichkeit an der Tätigkeit
des Rates zu beleben und der Gefahr einer Entfremdung zwischen Einwohnerschaft
und Gemeindeverwaltung entgegenzuwirken.
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Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 6. April 1978, Landtags- Drucksache
8/3152, S. 1, 55 u. 62, sowie die Äußerungen des Abgeordneten xxx in der 1. Lesung
am 26. April 1978, Plenarprotokoll 8/73, S. 5185 (5187 f).
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Adressaten dieser Zielvorstellungen waren mithin nicht die an der Gemeindeverwaltung
bereits beteiligten Funktionsträger, sondern allein die außerhalb der Verwaltung
stehenden Gemeindeeinwohner. Zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele war
demgemäß die Verbesserung der Rechtsstellung nur dieses Personenkreises
erforderlich. Das spricht für eine Gesetzesauslegung, die vom Anwendungsbereich des
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§ 33 Abs. 1 Satz 3 GO (und der darauf beruhenden Regelung in der Geschäftsordnung)
jedenfalls solche Funktionsträger ausnimmt, die - wie das vor allem bei einem
Ratsmitglied der Fall ist - bereits in der Gemeindeverwaltung an verantwortlicher Stelle
mitwirken.
Eine solche einschränkende Interpretation erscheint zwingend, wenn zusätzlich der
systematische und entstehungszeitliche Zusammenhang der Vorschrift mit § 31 Abs. 2
Satz 2 GO in den Blick genommen wird. Auch diese Bestimmung, nach der Inhalt und
Umfang des Fragerechts der Ratsmitglieder in der Geschäftsordnung zu regeln sind, ist
durch das Änderungsgesetz vom 15. Mai 1979, a.a.O., in die Gemeindeordnung
eingefügt worden. Ausgangspunkt für diese Gesetzesänderung war eine Entscheidung
des erkennenden Gerichts
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- vgl. Beschluß vom 7. März 1975 - III B 925/74 -, OVGE 31, 10 ff. -,
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durch die ein allgemeines, allein aus dem Gesetz herzuleitendes Frage- und
Informationsrecht des einzelnen Ratsmitgliedes gegenüber dem Gemeindedirektor auf
der Grundlage der damaligen Gesetzeslage abgelehnt worden war. Daß die
Begründung eines solchen Rechts infolgedessen der Geschäftsordnungsautonomie des
jeweiligen Rates überlassen blieb, hielten einige Mitglieder des mit der federführenden
Beratung des Gesetzentwurfs vom 6. April 1978 beauftragten Ausschusses für
Kommunalpolitik, Wohnungs- und Städtebau für rechtspolitisch unerwünscht. In der
Ausschußsitzung am 25. April 1979 wurde deshalb vorgeschlagen, im Anschluß an die
Regelung des Einwohnerfragerechts eine gesetzliche Grundlage für ein jedem
Ratsmitglied unentziehbar zustehendes Fragerecht zu schaffen.
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Vgl. die Äußerungen insbesondere der Abgeordneten xxx, xxx und xxx sowie des
Ministers Dr. xxx in der Sitzung am 25. April 1979, Ausschußprotokoll 8/1418, S. 2 ff. (S.
280 ff. der Gesetzesdokumentation des Landtages zu dem Änderungsgesetz vom 15.
Mai 1979).
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Aufgrund der in der Diskussion dagegen erhobenen Einwände, die sich insbesondere
auf die Möglichkeit mißbräuchlicher Ausnutzung eines gesetzlichen Fragerechts
gründeten,
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vgl. die Äußerungen insbesondere der Abgeordneten Dr. xxx und Dr. xxx, a.a.O.,
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wurde auf eine solche Regelung letztlich verzichtet, als Kompromißlösung aber eine
Ergänzung des § 31 Abs. 2 GO um Satz 2 heutiger Fassung beschlossen.
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Vgl. den Vorschlag des Ministers Dr. xxx in der Ausschußsitzung, a.a.O., S. 11, sowie
die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses vom 25. April 1979,
Landtags-Drucksache 8/4352, S. 15 und S. 81; ferner die Ausführungen der
Abgeordneten xxx und xxx in der 2. Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 2. Mai
1979, Plenarprotokoll 8/103, S. 6961 (6964 und 6972).
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Die dargestellten Erwägungen der Gesetzgebungsorgane wären ohne inneren Sinn,
wenn bereits das Einwohnerfragerecht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 GO Grundlage für das
Fragerecht auch der Ratsmitglieder sein könnte. Daran muß sich die Auslegung der als
Ergebnis dieser Erwägungen zustande gekommenen Regelungen in § 31 Abs. 2 Satz 2
GO einerseits und § 33 Abs. 1 Satz 3 GO andererseits orientieren: Sinnvoll ist allein ein
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Gesetzesverständnis, das den Kreis der durch das Einwohnerfragerecht Begünstigten
so begrenzt, daß davon die Mitglieder des Rates, denen ein eigenes Fragerecht
vorbehalten ist, jedenfalls im Grundsatz ausgenommen bleiben.
Abweichendes kann allenfalls für den Sonderfall gelten, daß ein Ratsmitglied seine
persönlichen Angelegenheiten in der Einwohnerfragestunde zur Geltung bringen will.
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So insbesondere Kottenberg/Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, 10. Aufl., § 33 Erl. I 3.
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Denn das Fragerecht nach § 31 Abs. 2 Satz 2 GO dürfte dem Ratsmitglied nur in seiner
Eigenschaft als Mandatsträger, also als eine innerorganisatorische
Wahrnehmungszuständigkeit eingeräumt sein, die nicht zur Verfolgung persönlicher
Angelegenheiten ausgeübt werden darf. Das indes bedarf keiner weiteren Vertiefung,
weil dem Kläger ein auf seine persönlichen Angelegenheiten beschränktes
Einwohnerfragerecht nicht streitig gemacht wird.
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Der vom Kläger erhobene Einwand, daß er bei dieser Beurteilung schlechter gestellt
werde als jeder andere Einwohner, geht fehl.
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Der Kläger beruft sich insoweit auf die Unterschiede in der ortsrechtlichen
Ausgestaltung des Einwohnerfragerechts einerseits und des Fragerechts der
Ratsmitglieder andererseits. Während der Einwohner Fragen richten kann an den
Oberbürgermeister, ein Ratsmitglied, eine Fraktion und an den Oberstadtdirektor (§ 10
Abs. 2 Satz 2 GeschäftsO), steht dem Ratsmitglied ein Fragerecht nur gegenüber der
Verwaltung zu (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GeschäftsO). Abgesehen davon, daß die
Gesetzesauslegung nicht von den Besonderheiten des jeweiligen, dem Range nach
unter dem Gesetz stehenden Ortsrechts abhängen kann, läßt sich aus diesen
Unterschieden eine ernstliche Benachteiligung der Ratsmitglieder nicht herleiten. Die
hier allein interessierende Möglichkeit, den Oberbürgermeister, andere Ratsmitglieder
oder eine Fraktion in bestimmten Angelegenheiten zu Stellungnahmen zu veranlassen,
ist jedem Ratsmitglied in ungleich besserer Weise eröffnet als sonstigen Einwohnern;
denn ein Ratsmitglied kann seine Auffassung einschließlich etwaiger Sachfragen im
Rahmen der Erörterung der Angelegenheiten grundsätzlich uneingeschränkt zur
Geltung bringen, die auf der Tagesordnung der Ratssitzung stehen. Das schließt auch
die Möglichkeit zur Replik, zur Anbringung weiterer Fragen und zur Abgabe eigener
wertender Stellungnahmen ein. All das bleibt einem Fragesteller in der
Einwohnerfragestunde nahezu vollständig versagt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2,
Abs. 7 Sätze 2 und 5 GeschäftsO). Die Befugnisse des Ratsmitglieds bleiben nur
insoweit hinter den Rechten des Einwohners zurück, als es sich bei Fragen an den
Oberbürgermeister, andere Ratsmitglieder und eine Fraktion auf die Gegenstände der
Tagesordnung beschränken muß. Das aber ist eine zwingende Folge der Regelung in §
33 Abs. 1 Satz 2 GO, wonach die Initiativkompetenz zur Mitgestaltung der
Tagesordnung nur den Fraktionen und einem Fünftel der Ratsmitglieder, nicht hingegen
einem einzelnen Ratsmitglied zugewiesen ist. Diese Eingrenzung und die mit ihr
verfolgten Zwecke würden unterlaufen, wenn dem einzelnen Ratsmitglied die vom
Kläger beanspruchte Befugnis zuerkannt würde.
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So auch der zutreffende Hinweis des Innenministers in der im Zuge der
Ausschußberatungen abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 19. April 1979,
Gesetzesdokumentation des Landtages zu dem Änderungsgesetz vom 15. Mai 1979, S.
50
1163 (1169).
Dessen Möglichkeit, Fragen außerhalb der Tagesordnung zu stellen, muß deshalb auf
die ausdrücklich zugelassenen Fragen an den Gemeindedirektor (§ 31 Abs. 2 Satz 2
GO, § 10 Abs. 1 GeschäftsO) beschränkt bleiben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, deren Vollstreckbarkeit aus §
167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1
VwGO).
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