Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.08.2005
OVG NRW: lebensgemeinschaft, wohnung, aufenthaltserlaubnis, polizei, rücknahme, beweislast, scheinehe, vorladung, glaubhaftmachung, versicherung
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 237/05
Datum:
23.08.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 237/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 7 L 1085/04
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis Darlegungslast Beweislast Rücknahme Scheinehe
familiäre Lebensgemeinschaft
Normen:
AufenthG § 27 Abs. 1: AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 3; AuslG § 17 Abs. 1;
VwVfG NRW § 48 Abs. 1
Leitsätze:
Zur Frage nach der Darlegungs- und Beweislast bei der Rücknahme
einer Aufenthaltserlaubnis wegen des anfänglichen Nichtbestehens
einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1
AufenthG.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500, EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung von der Antragstellerin
dargelegten Gründe, die vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen
sind, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Soweit sich die Antragstellerin auf ihr Vorbringen im Rahmen ihrer Anhörung durch den
Antragsgegner und die in erster Instanz vorgetragenen Gründe bezieht, fehlt es bereits
an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung.
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Vgl. den Senatsbeschluss vom 15. Juli 2004 - 18 B 1253/04 -.
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Im übrigen vermag die Beschwerdebegründung, ungeachtet der Frage nach der
Zulässigkeit des Widerspruchs, die zutreffenden Gründe des angefochtenen
Beschlusses nicht in Frage zu stellen. Zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen
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des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, dessen Anwendbarkeit nunmehr durch die
Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG klargestellt ist, werden mit der Beschwerde
keine durchgreifenden Bedenken an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen
Entscheidung aufgezeigt. Diese bestätigt die Auffassung des Antragsgegners, nach der
eine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG (vormals § 17
Abs. 1 AuslG) zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann Herrn N. T.
weder bei Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis noch bei deren Verlängerung
bestanden hat, wobei es nahe liegt, dass – wovon der Antragsgegner ausgeht – deren
Eheschließung ausschließlich zu dem Zweck vorgenommen worden ist, der
Antragstellerin ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen.
Vgl. zur Problematik einer sogenannten Scheinehe BVerwG, Urteil vom 9.
September 2003 – 1 C 6.03 - , InfAuslR 2004, 77.
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Mit der Beschwerde beruft sich die Antragstellerin vergeblich auf das Bestehen einer
familiären Lebensgemeinschaft mit Herrn N. T. . Nach dem Inhalt der dem Senat
vorliegenden Verwaltungsvorgänge spricht eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit
dafür, dass der von der Antragstellerin vorgegebene Aufenthaltszweck (Eheführung mit
Herrn N. T. ) zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat. Die vom Verwaltungsgericht
aufgezeigten, gegen das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sprechenden
Gründe hat die Antragstellerin nicht zu entkräften vermocht. Sie ist den Feststellungen
der Polizei im Ermittlungsbericht vom 4. August 2004 und im Schlussbericht vom 13.
September 2004, die sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht zur
Grundlage ihrer Entscheidung gemacht haben, nicht substantiiert entgegen getreten.
Hierzu hat sie im Wesentlichen lediglich ausgeführt, nach einem Streit mit ihrem
Ehemann im Sommer 2004 vorübergehend aus der gemeinsamen Wohnung
ausgezogen zu sein. Damit sind die entscheidungserheblichen Umstände nicht
annähernd angesprochen worden. So ist beispielweise die Frage unbeantwortet
geblieben, warum der Name des Ehemannes der Antragstellerin bei den Bewohnern
des Hauses T1.------straße in C. , wo dieser seine "erste" Wohnung besessen
haben will und in dem die Antragstellerin wohnte, unbekannt war. Ebenso ist nicht
erklärt worden, warum sich in der angeblich von der Antragstellerin bewohnten
Wohnung Kleidungsstücke des Hauseigentümers Herrn B. L. befanden. Auffällig
und einer Erklärung bedürftig ist weiter, dass sich an der Haustür ein Namensschild
"N. und G. T. " befand, im Haus jedoch an keiner Wohnung ein derartiges
Namensschild zu finden war.
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Hinzu kommt, dass sich die Antragstellerin und ihr Ehemann nicht kooperativ bei der
Sachverhaltsermittlung zeigten. Einer Vorladung zur Vernehmung durch die Polizei sind
sie nicht gefolgt. Auch im vorliegenden Verfahren werden trotz der an Deutlichkeit kaum
zu überbietenden Ermittlungsergebnisse der Polizei bis zum Zeitpunkt des Erlasses der
hier streitigen Ordnungsverfügung keine Belege für das Bestehen einer familiären
Lebensgemeinschaft beigebracht. Insbesondere gibt es – was naheliegend gewesen
wäre - weder eine zur Glaubhaftmachung der behaupteten ehelichen
Lebensgemeinschaft geeignete eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin noch
ihres Ehemannes. Unter diesen Umständen kann allein mit der Vorlage eines
Mietvertrages und einer amtlichen Meldebescheinigung nicht als glaubhaft gemacht
beurteilt werden, dass nunmehr ab 1. Dezember 2004 eine eheliche
Lebensgemeinschaft begründet oder gar wieder begründet worden ist, zumal
inzwischen eine auf den 24. Februar 2005 bezogene Getrenntlebend-Erklärung des
Ehemannes vorliegt.
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Dies alles geht selbst in Ansehung der dem Antragsgegner im vorliegenden Verfahren
grundsätzlich obliegenden Darlegungs- und Beweislast
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- vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20. Februar 2000 – 18 B 814/99 -,
InfAuslR 2000, 290 = AuAS 2000, 111 = NVwZ-Beil. I 2000, 115 = FamRZ
2000, 882 -
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zu Lasten der Antragstellerin. Sie war unter den hier gegebenen Umständen gehalten,
die vom Antragsgegner aufgezeigten Zweifel am Bestehen einer ehelichen
Lebensgemeinschaft auszuräumen. Der Aufenthaltszweck ist vom antragstellenden
Ausländer darzutun und gegebenenfalls, wenn nicht nachzuweisen so doch glaubhaft
zu machen. Dies gilt nicht nur bei der Ersterteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sondern
auch bei deren Rücknahme, wenn wie hier nachträglich bekannt gewordene
erhebliche Bedenken schon gegen das anfängliche Vorliegen des geltend gemachten
Aufenthaltszwecks bestehen.
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Vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 23. August 2002 – 18 B 1006/01 -, vom
28. Februar 2000 – 18 B 814/99 -, AuAS 2000, 111= InfAuslR 2000, 290 =
FamRZ 2000, 882 = NVwZ-Beil. I 2000, 115 und vom 5. November 1996 18
B 2037/96 , NWVBl. 1997, 222 = EStT NW 1997, 130.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53
Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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