Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.03.2005

OVG NRW: unbefristeter vertrag, qualifikation, befristung, weiterbildung, inhaber, hochschule, ausbildung, ausstattung, rechtseinheit, senkung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 2/05
10.03.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
13. Senat
Beschluss
13 C 2/05
Verwaltungsgericht Münster, 11 Nc 659/04
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Münster vom 30. November 2004 wird auf Kosten
des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der
Darlegungen des Beschwerdeführers befindet, ist unbegründet. Der angefochtene
Beschluss ist in diesem Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden.
Soweit der Antragsteller meint, Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter in befristeter
Anstellung, deren Inhaber einen gemäß § 57f Abs. 2 HRG - hier i. d. F. d. 6. HRGÄndG -
verlängerten Arbeitsvertrag haben (Dr. E. , Dr. Q. , T. -M. ), seien mit einer Lehrverpflichtung
von 8/9 Lehrveranstaltungsstunden (LVS) oder Deputatsstunden mit f=1 (DS) in Ansatz zu
bringen, führt das die Beschwerde nicht zum Erfolg. Diese Stellen bleiben ihrem Inhalt
nach solche für wissenschaftliche Mitarbeiter in befristeter Anstellung, so dass sie nach
dem dem Berechnungsmodell der Kapazitätsverordnung zu Grunde liegenden sog.
Stellenprinzip (vgl. § 8 Abs. 1 KapVO) mit 4 LVS in Ansatz zu bringen sind. Die Höhe der
Lehrverpflichtung knüpft nach der Rechtsprechung nicht an die Befristung, sondern an den
Amtsinhalt der Stelle an. Der dahingehende Inhalt einer Stelle, dem Inhaber, selbst wenn er
bereits promoviert ist, Gelegenheit zur weiteren wissenschaftlichen Qualifikation, etwa zur
Übernahme in ein Professorenamt, zu geben, entfällt nicht durch Nichtangabe dieses
Grundes für die Reduzierung der Lehrverpflichtung und auch nicht durch eine über die
Regelzeit hinaus verlängerte Vertragsbefristung. Allerdings ist die Befristung ein starkes
Indiz dafür, dass die Stelle nicht auf unbegrenzte Dauer einem wissenschaftlichen
Mitarbeiter zur Verfügung stehen soll, sondern in Zeitintervallen immer wieder neuen
wissenschaftlichen Mitarbeitern, eben um ihnen die Möglichkeit einer befristeten
Weiterbildung/Qualifikation zu bieten. Die hier zu betrachtenden Stellen für
wissenschaftliche Mitarbeiter, auch wenn sie im streitbefangenen Semester nach § 57f Abs.
2 HRG i. d. F. d. Art. 1 HdaVÄndG besetzt sind, waren in den vergangenen Jahren Stellen
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für befristete Angestellte zum Zwecke ihrer Weiterbildung/Qualifikation. Sie haben diesen
Charakter nicht dadurch verloren, dass nach der Änderung des Hochschulrahmengesetzes
dieser Gesichtspunkt nicht mehr ausdrücklich im Arbeitsvertrag genannt sein muss.
Soweit der Antragsteller meint, für den wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. A. , dessen
Vertrag am 21./31. August 2004 abgeschlossen wurde und unter § 57 f Abs. 1 Satz 3 HRG
i. d. F. d. Art. 1 HdaVÄndG fällt, sei nach dem 4. HRGÄndG eine Lehrverpflichtung von 8/9
LVS anzusetzen, greift das nicht durch. Richtig ist zwar, dass dieser Vertrag den §§ 57a bis
57e HRG i. d. F. d. 4. HRGÄndG unterliegt, wonach der Befristungsgrund zum Gegenstand
des Vertrages hätte gemacht werden müssen, was nicht geschehen ist. Damit ist dieser
Vertrag jedoch nicht automatisch ein unbefristeter Vertrag und erst recht die Stelle nach
ihrem Amtsinhalt keine Stelle für einen unbefristet angestellten wissenschaftlichen
Mitarbeiter. Der Vertrag ist, solange er nicht von den Vertragsparteien übereinstimmend
geändert ist, weiterhin auf ein befristetes Arbeitsverhältnis gerichtet. Mag auch der
Stelleninhaber die Möglichkeit der arbeitsgerichtlichen Entfristungsklage haben, so kann
von einem in einem unbefristeten Vertrag umgewandelten Vertrag erst nach einem
rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Urteil ausgegangen werden. Solange die Hochschule
an der Befristung festhält, gibt sie überdies zu erkennen, dass sie eben nicht im Sinne der
Rechtsprechung des Senats die Stelle mit einem Regellehrdeputat von 4 LVS dauerhaft
höherwertiger besetzen und ihren Amtsinhalt mit der Folge eines Deputats von 8/9 LVS
tatsächlich ändern will. Weder hat der Antragsteller eine Entfristung des Vertrages des Dr.
A. noch eine faktische Umwandlung des Amtsinhalts von dessen Stelle durch die
Hochschule dargelegt, noch ist solches dem Senat ersichtlich.
Soweit der Antragsteller die nicht erfolgte generelle Erhöhung der Regellehrverpflichtung
für unbefristet angestellte Wissenschaftliche Mitarbeiter für sachlich nicht gerechtfertigt und
eine Erhöhung wie für Professoren von 8 auf 9 LVS für geboten hält, greift auch das nicht
durch. Hierzu hat der Senat bereits durch Beschluss vom 8. März 2005 - 13 C 127/05 -
ausgeführt:
"Soweit die Antragsteller die genannte Änderungsverordnung für teilnichtig halten, weil der
neu gefasste § 3 Abs. 4 LVV eine Erhöhung der Verpflichtung für wissenschaftliche
Mitarbeiter in befristeten Anstellungsverhältnissen von 4 auf 5 LVS nicht vorsieht, greift
auch das nicht durch. Für diese Stellengruppe gilt im Grunde dasselbe wie vorstehend zur
Stellengruppe der wissenschaftlichen Assistenten C 1 ausgeführt. Auch dem befristet
angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Universität soll ausreichend Gelegenheit
zum Erwerb weiterer didaktischer und sonstiger Qualifikationen (§ 59 Abs. 1 Satz 5 HG)
sowie Gelegenheit zur Vorbereitung auf eine weitere wissenschaftliche Qualifikation (§ 59
Abs. 3 Satz 2 HG) gegeben werden. Das rechtfertigt in gleicher Weise wie beim
wissenschaftlichen Assistenten C 1 die Reduzierung der Lehrverpflichtung auf vier LVS. In
Konsequenz dazu war der Verordnungsgeber der Lehrverpflichtungsverordnung aus den
gleichen Gründen wie hinsichtlich der wissenschaftlichen Assistenten C 1 auch nicht im
Rahmen seines Gestaltungsfreiraums eingeschränkt und verpflichtet, die Lehrverpflichtung
auf fünf LVS zu erhöhen. Diese Erwägung ist erkennbar in die Regelung des § 3 Abs. 4
Satz 6 LVV i.d.F.d. Änderungsverordnung eingegangen. Überdies knüpft die erkennbare
Annahme des Verordnungsgebers der Lehrverpflichtungsverordnung, dass befristet
angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern Zeit für die eigene Weiterbildung/Qualifikation
einzuräumen ist, an § 59 Abs. 1 HG und nicht § 57b HRG an, mithin nicht daran, ob ein
Grund für die Lehrverpflichtungsermäßigung - etwa Promotion, sonstige wissenschaftliche
Qualifikation, Facharztweiterbildung, Projektarbeit usw. - im Arbeitsvertrag angegeben ist
oder nicht.
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Zu der geforderten Erhöhung wäre der Verordnungsgeber in der Regel auch nicht in der
Lage. Die Lehrverpflichtung eines befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiters
ergibt sich nämlich in der Regel aus dem Arbeitsvertrag - so jedenfalls aus allen Verträgen
der befristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter, deren Stellen im vorliegenden Verfahren
relevant sind -; sie sind der Zahl nach Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung und
damit für den Arbeitgeber für die Laufzeit des Vertrages bindend und nicht ohne weiteres -
etwa wegen Erhöhung der beamtenrechtlichen Wochenarbeitszeit - nach dessen
Vorstellungen erhöhbar. Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus § 3 Abs. 4 Satz 2 LVV
i.d.F.d. Änderungsverordnung. Alle dem Senat vorliegenden für das streitbefangene
Kapazitätsberechnungsjahr relevanten Arbeitsverträge der in der Lehre eingesetzten
befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter weisen vereinbarte
Lehrverpflichtungen von 4 LVS bzw. 2 LVS bei halber Stelle aus.
Die Arbeitsverträge sind unabhängig von der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 -, NJW 2004, 2803, zur Frage
der Verfassungsmäßigkeit des 5. Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz
wirksam. Diese Entscheidung lässt den Konsens der Vertragsparteien nicht entfallen. Sie
wollten einen befristeten Anstellungsvertrag mit der benannten Lehrverpflichtung schließen
unabhängig vom Bestand oder Fortbestand des in Bezug genommenen § 57b HRG i.d.F.d.
5. HRGÄndG und haben an dem jeweiligen Vertrag ersichtlich auch nach der genannten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgehalten. Im Übrigen hat der
Gesetzgeber durch Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im
Hochschulbereich vom 27. Dezember 2004 (Art. 1 Nr. 14) den hier allein relevanten § 57b
HRG i.d.F.d. 5. Änderungsgesetzes wortgleich erneut ab dem 31. Dezember 2004 in Kraft
gesetzt und durch § 57 Abs. 1 Satz 1 HRG i.d.F.d. Art. 1 Nr. 14 HdaVÄndG die
Arbeitsverträge - im Ergebnis rückwirkend - dem neuen Recht aus §§ 57a bis 57e
unterworfen. Gegen die Rückwirkung bestehen auch aus kapazitätsrechtlicher Sicht keine
Bedenken, weil den Studienbewerbern gesicherte Rechtspositionen, auf die sie vertraut
haben könnten, nicht rückwirkend genommen oder beeinträchtigt werden. Aus der
Anwendung des § 57b HRG neuen Rechts auf die seit dem 23. Februar 2002
abgeschlossenen Arbeitsverträge - das betrifft hier alle relevanten Verträge der befristet
tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiter - folgt, dass der Befristungsgrund nicht mehr
vertraglich fixiert sein muss.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 13 C 1712/04 u.a. -.
Die erkennbare Annahme des Gesetzgebers, dass dem jeweiligen mit entsprechendem
Arbeitsvertrag ausgestatteten individuellen Inhaber einer Stelle eines befristet angestellten
wissenschaftlichen Mitarbeiters Gelegenheit zur Weiterqualifikation im Sinne des § 59 Abs.
1 und 3 HG eben durch die Befristung des Anstellungsverhältnisses gegeben sein soll, ist
auch kapazitätsrechtlich zu akzeptieren mit der Folge, dass von einer sachlichen
Rechtfertigung der Reduzierung der Lehrverpflichtung des individuellen Stelleninhabers
auf 4 LVS auszugehen ist. Die Rechtseinheit verbietet eine mitunter vertretene
arbeitsrechtliche und kapazitätsrechtliche Sichtweise der Bedeutung der Befristung eines
Arbeitsvertrages. Kann von einem befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter
arbeitsvertragsrechtlich ein Einsatz in der Lehre nur über 4 LVS beansprucht werden, kann
er auch kapazitätsrechtlich nicht anders gewertet werden."
Dass die Zulassungszahl in den vergangenen Jahren insbesondere auf Grund der
geänderten Approbationsordnung für Ärzte gesunken ist, verpflichtete den
Verordnungsgeber der Lehrverpflichtungsverordnung nicht zur vom Antragsteller
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geforderten Lehrverpflichtungserhöhung für unbefristet angestellte wissenschaftliche
Mitarbeiter. Denn der mit der neuen Approbationsordnung für Ärzte gewollte Effekt einer
inhaltlichen Erweiterung und Intensivierung der ärztlichen Ausbildung konnte nach dem
Modell der Kapazitätsverordnung bei gleichbleibender personeller Ausstattung nur durch
Senkung der Zulassungszahl erzielt werden. Dieser Effekt ist jedoch durch eine bei
durchgängiger Lehrverpflichtungserhöhung eintretende umfangreiche Steigerung der
Zulassungszahlen nicht zu neutralisieren. Der erklärte Wille des Verordnungsgebers der
Lehrverpflichtungsverordnung (vgl. dessen Mitteilung vom 1. März 2004 - 322-1.11.01-693-
3835.2 -), lediglich die beamteten Lehrenden der Universitäten mit Ausnahme der
wissenschaftlichen Assistenten mit einer Veranstaltungsstunde mehr zu belasten, ist
sachlich vertretbar. Auch war es dem Verordnungsgeber bei der Festlegung der
Regellehrverpflichtungen erlaubt, eine generalisierende abstrakte Betrachtungsweise zu
wählen und bei den wissenschaftlichen Angestellten von einer generellen Vereinbarung
von Entgelt und Arbeitszeit nach dem BAT auszugehen, was generell eine
Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden bedeutete. Davon ausgehend war es jedenfalls nicht
willkürlich und daher vertretbar, bei einer eventuellen Erhöhung der Lehrverpflichtung
befristeter wissenschaftlicher Angestellter auf 9 LVS angesichts der erforderlichen jeweils
gleichlangen Vorbereitungszeit und Nachbereitungszeit eine zu große Kürzung der
Restarbeitszeit für deren sonstige Aufgaben - z. B. in der Forschung - zu befürchten und
deshalb eine solche Erhöhung abzulehnen, wie im Schreiben des Verordnungsgebers vom
24. November 2004 an das Verwaltungsgericht Münster im Verfahren - 11 Nc 499/04 - zum
Ausdruck gebracht ist.
Nach alledem sind weitergehende Aufklärungen von Amts wegen aus Rechtsgründen nicht
erforderlich.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3, 47
Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.