Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.01.2010

OVG NRW (klasse, durchführung, nicht öffentlich, bildung, zweifel, schüler, verwaltungsgericht, musik, protokollierung, aufnahme)

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 3316/08
Datum:
11.01.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 3316/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 K 3662/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfah-ren auf 5.000,- Euro
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind nicht im Sinne von § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO dargelegt.
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Es bestehen nicht aus den dargelegten Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an
der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind immer schon dann begründet, wenn ein
tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen
Gegenargumenten in Frage gestellt wird.
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BVerfG, Beschlüsse vom 21. 1. 2009 – 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, 515,
516, = juris Rdn. 34 und 23. 6. 2000 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163,
1164, = juris Rdn. 15.
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Gemessen daran ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Urteils nicht aus dem Vortrag der Klägerin zum Losverfahren. Nach der vom Beklagten
geschilderten und vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Durchführung des
Losverfahrens habe er für (4 x 32 =) 128 Plätze nach Abzug eines Platzes für eine nach
dem Härtefallkriterium aufzunehmende Schülerin 127 Schüler ausgelost. Nach
Festlegung des Verhältnisses der Zahlen der übrigen aufzunehmenden Mädchen auf 78
und der aufzunehmenden Jungen auf 49 habe er zwei getrennte, nach keinem System
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geordnete Stapel mit den Anmeldungen der Mädchen (78) und der Jungen (49) gebildet.
Aus diesen Stapeln habe er nach seinem Vortrag wahllos, ohne Ansehen der Person,
78 Mädchen-Anmeldungen und 49 Jungen-Anmeldungen als Lose gezogen. Die
Klägerin rügt, dieser Ablauf könne wegen des sprachlich-musischen Schwerpunkts des
(vierzügigen) I. -Gymnasiums nicht zutreffen. Schon bei der Bildung der
Eingangsklassen - zwei "Musik plus Klassen" (5a und 5c), in denen der Musikunterricht
in den Schulhalbjahren 5.2, 6.1 und 6.2 von zwei auf drei bis vier Wochenstunden
verstärkt werde - werde berücksichtigt, ob die Schülerinnen und Schüler musikalische
Vorkenntnisse im Instrumentalspiel mitbrächten. Im sprachlichen Schwerpunkt starteten
die Schülerinnen und Schüler mit Latein und Englisch ("Latein plus Klasse").
Angesichts dessen könne der Beklagte gar nicht allein mit dem von ihm beschriebenen
Losverfahren – ohne systematisches Vorgehen – zu der Bildung von mindestens zwei
"Musik-Plus-Klassen" und einer "Latein-Plus-Klasse" gekommen sein. Vielmehr sei
davon auszugehen, dass er bereits bei der Aufnahme eine Vorauswahl getroffen und
kein Losverfahren durchgeführt oder aber sie, die Klägerin, erst gar nicht berücksichtigt
habe; sie habe nämlich im Aufnahmegespräch bei der Anmeldung auf entsprechende
Fragen angegeben, keine musikalischen Vorkenntnisse zu besitzen, aber sehr gern zu
tanzen und zu singen und an dem Erlernen eines Musikinstruments interessiert zu sein;
mit Latein wolle sie erst ab der Klasse 6 beginnen.
Dieses Bestreiten des vom Beklagten dargestellten Losverfahrens führt nicht auf
ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es beinhaltet die
Behauptung, der Beklagte habe mit seiner Darstellung bei der Anhörung in der
mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und überdies mit seiner im
Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 4. 4. 2008 gegenüber der
oberen Schulaufsichtsbehörde die Unwahrheit gesagt. Vor dem Verwaltungsgericht hat
der Beklagte mit der detaillierten Schilderung des Losverfahrens zugleich schlüssig
erklärt, nach Festlegung der Zahlen der aufzunehmenden Mädchen und Jungen
überhaupt ein Losverfahren durchgeführt und in dieses - ohne Vorauswahl nach
sonstigen Kriterien wie musikalische Vorkenntnisse im Instrumentalspiel - alle
angemeldeten Mädchen und Jungen einschließlich der Klägerin einbezogen zu haben.
Damit hat er unter Angabe näherer Einzelheiten seine Stellungnahme zum Widerspruch
der Klägerin an die Bezirksregierung E. als obere Schulaufsichtsbehörde bestätigt.
Dort hat er ausgeführt, die Klägerin "gehört zur Gruppe der Kinder, die im Losverfahren
ausgeschieden sind".
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Der Vorwurf, der Beklagte habe gegen die prozessuale (§ 173 VwGO i. V. m. § 138 Abs.
1 ZPO) und seine dienstrechtliche Wahrheitspflicht verstoßen, wiegt nicht nur schwer. Er
hat auch aus sich gerade wegen des dienstrechtlichen Bezuges nicht das prozessuale
Gewicht eines normalen beachtlichen Bestreitens. Die schriftliche Stellungnahme, die
der Beklagte gegenüber der oberen Schulaufsichtsbehörde ausdrücklich als Schulleiter
abgegeben und unterzeichnet hat und die im Kern seine späteren Angaben in der
mündlichen Verhandlung (mit-) umfasst, hat im Rahmen der Sachverhaltswürdigung ein
Gewicht, das der Beweiskraft etwa einer eidesstattlichen Versicherung jedenfalls nicht
nachsteht. Unabhängig davon, ob die schriftliche Erklärung des Schulleiters im
beamtenrechtlichen Sinne eine formell ordnungsgemäße "dienstliche Erklärung"
darstellt, hat dieser sie jedenfalls im Rahmen seiner Stellungnahme zum Widerspruch
der Klägerin als Schulleiter abgegeben; er hat so hinreichend deutlich gemacht, dass er
sie im dienstlichen Zusammenhang als Beamter und nicht als Privatperson abgegeben
hat und abgeben wollte. Mit einer solchen Erklärung setzt sich ein Beamter
grundsätzlich dem Risiko dienst- und auch disziplinarrechtlicher Konsequenzen aus,
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wenn sie nicht vollständig der Wahrheit entspricht; sie hat daher kein geringeres
Gewicht als eine eidesstattliche Versicherung einer Privatperson. Ein Beamter begeht
nämlich grundsätzlich ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden
Pflichten verletzt. Hierzu gehört auch die aus der allgemeinen Dienst- und Treuepflicht
(vgl. § 57 LBG in der 2008 geltenden Fassung, nunmehr §§ 1, 34, 35 des
Beamtenstatusgesetzes vom 17. 6. 2008, BGBl I, 1010, ferner auch § 54 Satz 3 BBG,
nunmehr § 61 Abs. 1 BBG) erwachsende konkrete Dienstpflicht, u. a. in dienstlichen
Angelegenheiten gegenüber Vorgesetzten oder dem Dienstherrn die – volle – Wahrheit
zu sagen und Vorgesetzte zutreffend und nicht bewusst irreführend zu informieren.
Hierbei sind an die Sorgfaltspflicht der Beamten angesichts der Bedeutung
wahrheitsgemäßer Erklärungen im Rahmen einer geordneten Verwaltungstätigkeit –
hier zumal im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Rahmen des
Schulverhältnisses – keine geringen Anforderungen zu stellen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. 12. 2008 19 B 1581/08 – unter Hinweis
auf Claussen/ Janzen, Bundesdisziplinarordnung, Handkommentar, 8. Aufl.
, Einl. C Rn. 41a ff., und Zängl, in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches
Dienstrecht (GKÖD), Band I, Zweiter Teil, § 54 BBG, Rn. 126 ff; ferner OVG
NRW, Beschluss vom 22. November 2002 19 B 1842/02 -.
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Angesichts dessen bedürfte es, um die Darstellung des Beklagten ernstlich in Zweifel zu
ziehen, triftiger Gründe dafür, dass die Angaben des Beklagten falsch sind, etwa weil sie
aus bestimmten, außerhalb der Erklärung liegenden Gründen gar nicht zutreffen
können. Solche Gründe ergeben sich nicht aus der Schlussfolgerung von den von der
Klägerin angenommenen notwendigen Kriterien für die – dem Aufnahmeverfahren erst
nachfolgenden - Bildung der Eingangsklassen auf die Durchführung des
Aufnahmeverfahrens selbst.
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Insofern kommt es schon im Ausgangspunkt nicht darauf an, ob der Beklagte, wie die
Klägerin als Prüfungsansatz verlangt, bei der Bildung der vier Eingangsklassen zum
Schuljahr 2008/2009 das ihm eingeräumte Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
Das Aufnahmeverfahren und die Bildung von Eingangsklassen sind bei der Prüfung
auseinander zu halten. Maßgeblich ist hier allein, ob der Beklagte für die insgesamt zur
Verfügung stehenden 128 Schülerplätze die aufzunehmenden Schülerinnen und
Schüler nach zulässigen und korrekt angewendeten Aufnahmekriterien ausgewählt,
nicht hingegen, wie er aus dieser "Gesamtmenge" der aufgenommenen Schülerinnen
und Schüler die vier Eingangsklassen als "Teilmengen" bilden konnte oder gebildet hat.
10
Der sprachlich-musische Schwerpunkt des I. -Gymnasiums lässt nicht darauf
schließen, dass der Beklagte im Aufnahmeverfahren vor oder anstelle der Durchführung
des von ihm beschriebenen Losverfahrens fachspezifische Zusatzkriterien, die die
Klägerin von vornherein nicht erfüllte, herangezogen hat, um eine diesem Schwerpunkt
entsprechende und von vornherein gewünschte Bildung der Eingangsklassen erst zu
ermöglichen. Weder aus dem vorgelegten Material zum sprachlich-musischen
Schwerpunkt des Gymnasiums noch aus dem Vorbringen der Beteiligten im
Zulassungsverfahren erschließt sich, dass der Schwerpunkt die Bildung der vier
Eingangsklassen nur in der Weise zulässt, dass in diese Klassenbildung von vornherein
ausschließlich Schülerinnen und Schüler einbezogen werden können, die die
spezifischen Voraussetzungen für die Bildung der "Musik plus Klassen" - musikalische
Vorkenntnisse im Instrumentalspiel – und für die Bildung einer (von) "Latein plus
Klasse(n)" – Latein ab Klasse 5 – erfüllen. Dem Schulprogramm ist schon nicht zu
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entnehmen, dass zwei der vier Eingangsklassen als "Musik plus Klassen" und die
beiden anderen als "Latein plus Klassen" gebildet werden sollen; es lässt im Gegenteil
offen, wie beide Profile den zu bildenden Eingangsklassen zugeordnet werden sollen,
mithin auch, dass die oder eine der beiden "Musik plus Klasse(n)" zugleich als "Latein
plus Klasse(n)" werden bzw. wird. Das Schulprogramm sieht daher vor, dass die
Schülerinnen und Schüler in der Klasse 5 auch nur mit Englisch als erster
Fremdsprache starten können, also (eine) Englisch-Klasse(n) gebildet wird bzw.
werden. Dass diese notwendig zugleich (eine) "Musik plus Klasse(n)" ist bzw. sind, ist
durch das Schulprogramm nicht vorgezeichnet. Vielmehr können Schülerinnen und
Schüler, die bei der Anmeldung nicht Latein als erste Fremdsprache wünschen und
keine musikalischen Vorkenntnisse im Instrumentalspiel mitbringen, einer Englisch-
Klasse ohne musischen Schwerpunkt zugeordnet werden. Solche Schüler bei der
Bildung einer oder von Englisch-Klasse(n) von vornherein unberücksichtigt zu lassen,
gibt das Schulprogramm nicht vor.
In der Praxis hat dem gemäß, wie der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten
vorgetragen hat, die Durchführung des Losverfahrens dazu geführt, dass nicht zwei
"Musik plus Klassen" und zwei "Latein plus Klassen" gebildet wurden. Dem ist die
Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat im Schriftsatz vom 8. 3. 2009 im
Gegenteil bestätigt, dass nach den ihr vorliegenden Informationen zum Schuljahr
2008/2009 neben zwei "Musik plus Klassen" und einer "Latein plus Klasse" als vierte
Eingangsklasse eine "normale" Klasse ohne besonderen Schwerpunkt gebildet worden
sei. Fehl geht daher ihre weitere Annahme, die vom Beklagten "gelosten" Kinder hätten
"alle die angeforderten Kriterien (Latein ab Klasse 5 und/oder mindestens das
Beherrschen eines Musikinstruments)" erfüllen müssen. Wenn eventuell nicht mehr als
32 Kinder ausgelost wurden, die weder bei der Anmeldung den Wunsch geäußert
haben, in eine "Latein plus Klasse" zu kommen, noch über musikalische Vorkenntnisse
im Instrumentalspiel verfügten, so ist dies das zufällige Ergebnis des Losens, nicht aber
das gezielt herbeigeführte Ergebnis einer Vorauswahl. Verfehlt ist daher auch die
Annahme der Klägerin, sie habe von vornherein keine Chance gehabt, in das I. -
Gymnasium aufgenommen zu werden; sie hatte wie die übrigen angemeldeten Kinder
die gleiche Chance auf Losglück.
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Es ist auch davon auszugehen, dass der sprachlich-musische Schwerpunkt des I. -
Gymnasiums, worauf das vorgelegte, im Internet auf der Homepage der Schule
veröffentlichte Material hinweist, in Kreisen der interessierten Elternschaft bekannt ist
und bei der Auswahl der für das jeweilige Kind nach dessen Interessen und Neigungen
in Betracht gezogenen Gymnasien berücksichtigt wird. Damit ist typischerweise die
Voraussetzung dafür gegeben, dass es regelmäßig auch zur Anmeldung von Kindern in
ausreichender Zahl kommt, die eine dem Schwerpunkt des I. -Gymnasiums
entsprechende Bildung von Eingangsklassen auch dann ermöglicht, wenn bei einem
Anmeldeüberhang letztlich im Losverfahren das Zufallsprinzip über die Aufnahme der
einzelnen Kinder entscheidet, ohne dass es für die Klassenbildung der von der Klägerin
behaupteten Vorauswahl bedürfte. Dies hat der Beklagte im Zulassungsverfahren mit
seinem Vortrag bestätigt, erfahrungsgemäß würden an dem von ihm geleiteten
Gymnasium zu einem sehr hohen Prozentsatz (mehr als 75 v. H.) Kinder angemeldet,
die schon länger als ein Jahr musikalisch ausgebildet seien und für den Besuch einer
Musik-Klasse in Frage kämen, so dass das Losverfahren der Möglichkeit, nach dem
Aufnahmeverfahren zwei Musik-Klassen zu bilden, nicht entgegenstehe.
Durchgreifende Bedenken hiergegen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Ein tragfähiges Indiz für die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe ein
Losverfahren, in das er sie einbezogen habe, nicht durchgeführt, ist auch nicht der
Umstand, dass ein Klassenkamerad der Grundschule, der wie sie im Anmeldegespräch
angegeben habe, Latein nicht als erste Fremdsprache ab Klasse 5 zu wählen und kein
Musikinstrument zu spielen, ebenfalls nicht aufgenommen worden sei. Aus der
Ablehnung der Aufnahme auch dieses früheren Klassenkameraden ist allein zu
schließen, dass er ebenso wie die Klägerin und 20 andere Jungen sowie 17 andere
Mädchen nicht das erforderliche Losglück hatte.
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Weder das Unterlassen der – rechtlich nicht vorgeschriebenen - Protokollierung der
Durchführung des Losverfahrens noch die Abwesenheit von Zeugen lässt darauf
schließen, dass der Beklagte das geschilderte Losverfahren nicht durchgeführt hat.
Beides betrifft nicht die Tatsache der Durchführung des Losverfahrens als solche,
sondern die Frage ihres Nachweises. Der Beklagte hat hierzu gegenüber dem
Verwaltungsgericht in dem Eilverfahren 18 L 809/08 angegeben, er habe das
Losverfahren persönlich in seinem Dienstzimmer durchgeführt, andere Personen seien
nicht zugegen gewesen und ein Protokoll existiere nicht.
15
Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründet auch nicht die
zutreffende – Forderung der Klägerin, die Auswahlkriterien müssten in einer
festgelegten Reihenfolge zugrunde gelegt werden, so dass für jedes nicht
aufgenommene Kind nachweisbar festgestellt werden könne, an welchem Kriterium
seine Aufnahme in die Schule gescheitert sei. Der Beklagte hat in Ausübung des ihm
nach § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW, § 1 Abs. 2 APO-SI auch
hinsichtlich der anzulegenden Aufnahmekriterien eingeräumten Ermessens nach der
bevorzugten Aufnahme einer Schülerin nach dem Härtefallkriterium, wie nach den
vorstehenden Ausführungen nicht in Zweifel zu ziehen ist, die Kriterien ausgewogenes
Verhältnis von Mädchen und Jungen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 APO-SI) und Losverfahren
(§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 APO-SI in dieser Reihenfolge vorab festgelegt und angewendet.
16
Vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 12. 8. 1999 – 19 B
997/99 -, Seite 4 des Beschlussabdrucks.
17
Weitergehende Anforderungen als die Vorabfestlegung der Auswahlkriterien und ihres
Verhältnisses zueinander (etwa in einer Vergaberichtlinie) stellt im Übrigen auch das
Verwaltungsgericht Oldenburg in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil vom 3. 9.
2003 – 12 B 1761/03 -, juris, Rdn. 17, zur Zulassung der Anbieter zu einem Volksfest
nicht auf, um eine gleichmäßige Anwendung der Kriterien gegenüber allen Bewerbern
nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.
18
Das für die Ablehnung der Aufnahme der Klägerin entscheidende Kriterium
Losverfahren konnte der Beklagte ohne vorgängige Heranziehung weiterer Kriterien des
§ 1 Abs. 2 Satz 1 APO-SI anwenden. Denn der Schulleiter muss dieses Kriterium nicht
erst als letztes Kriterium des Kriterienkatalogs des § 1 Abs. 2 Satz 1 APO-SI
heranziehen.
19
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. 10. 2008 19 B 1352/08 -.
20
Es ist damit ohne Weiteres nachweislich feststellbar, dass die Aufnahme der Klägerin im
Losverfahren gescheitert ist, weil sie wie auch 17 weitere Mädchen und 21 Jungen nicht
das erforderliche Losglück hatte.
21
Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich
auch nicht aus dem Einwand der Klägerin, die negative Aufnahmeentscheidung sei
schon deshalb rechtswidrig, weil die Durchführung des Losverfahrens nicht
nachvollziehbar und mangels Transparenz nicht überprüfbar sei; denn der Beklagte
habe die Durchführung des Losverfahrens nicht protokolliert oder sonst dokumentiert
und das Auslosen nicht in Gegenwart von Zeugen oder etwa nicht öffentlich in
Anwesenheit der Bewerber durchgeführt.
22
Die Klägerin nicht aufgezeigt, was der Beklagte über die nach Durchführung des
Losverfahrens angefertigten Listen der durch Losentscheid aufgenommenen und der
nicht aufgenommenen Schülerinnen und Schüler hinaus in eine Protokollierung oder
sonstige Dokumentation hätte aufnehmen sollen. Abgesehen davon führt ein Mangel
der Protokollierung oder der sonstigen Dokumentation, was in der Rechtsprechung
geklärt ist, nicht aus sich zu einem Verfahrensfehler und zur Rechtswidrigkeit der
getroffenen Zulassungsentscheidung, wenn eine Protokollierung oder eine sonstige
Dokumentation – wie hier für das Schulaufnahmeverfahren – rechtlich nicht
vorgeschrieben ist. Derartige Mängel haben keinen selbstständigen Einfluss auf das
Ergebnis eines Losentscheides; denn dieses beruht auf den tatsächlichen Handlungen
des Auslosens nach der gewählten Art und Weise des Losverfahrens und nicht auf ihrer
Protokollierung. Die Art und Weise der tatsächlichen Durchführung des Losverfahrens
sind Verwaltungsinterna, die als solche nicht einer förmlichen Protokollierungs- oder
Dokumentationspflicht unterliegen. Mängel der Protokollierung oder Dokumentation
können sich lediglich dahin auswirken, dass sie etwa im Fall einer erforderlichen
verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Aufnahmeentscheidung den dem Schulleiter
obliegenden Nachweis erschweren, dass er das Losverfahren tatsächlich
ordnungsgemäß in einer Weise durchgeführt hat, die sicherstellt, dass das Ergebnis des
Losverfahrens unter Ausschaltung jeglichen sonstigen Einflusses nur vom Zufall
abhängt und so jeder Aufnahmebewerber die gleiche Chance für die Aufnahme erhält.
23
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. 8. 1999 19 B 997/99 -, zur
Schulaufnahme; weiter Beschluss vom 3. 8. 2007 – 19 B 1078/07 -, zur
Durchführung des Prognoseunterrichts; ferner zur Dokumentation des
Abwägungsvorgangs bei der Kapazitätsbestimmung im Recht der
Hochschulzulassung: OVG S.–A., Beschluss vom 16. 7. 2009 3 N 599/08 -,
juris, Rdn. 18; Nds. OVG, Beschluss vom 27. 2. 2009 – 2 NB 154/08 -, juris,
Rdn. 25; Hamb. OVG, Beschluss vom 27. 8. 2008 3 Nc 141/07 -, juris, Rdn.
32; Bay. VGH, Beschluss vom 12. 7. 2007 – 7 CE 07.10206 u. a. -, juris,
Rdn. 10; ohne weitere Begründung für eine Protokollierung des
Losverfahrens im Schulaufnahmeverfahren OVG Bremen, Beschluss vom
12. 9. 2008 – 1 B 391/08 -, juris, Rdn. 26; schließlich allgemein zum
Losentscheid Depenheuer, Zufall als Rechtsprinzip, JZ 1993, 171, 175.
24
Es reicht auch zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) wie auch
sonst im Verwaltungsprozess aus, wenn der Beweispflichtige im Rahmen der
gerichtlichen Überprüfung nachträglich darzulegen und mit zur Verfügung stehenden
Beweismitteln zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen vermag, dass seine
Entscheidung den rechtlichen Anforderungen genügt. Aus den von der Klägerin
dargelegten Gründen ist hier nicht ernstlich zweifelhaft, dass dem Beklagten auch ohne
(weitere) Protokollierung der Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des
Losverfahrens gelungen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt,
25
dass die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebene nachvollziehbare
Darstellung der Durchführung des Losverfahrens überzeugend ist. Auch unter
Berücksichtigung des Gewichts seiner Aussagen für die richterliche
Überzeugungsbildung, wie eingangs ausgeführt, hat die Klägerin im
Zulassungsverfahren in Bezug auf den sprachlich-musischen Schwerpunkt des I. -
Gymnasiums keinen tauglichen Anhalt für Zweifel aufgezeigt, dass der Beklagte mit der
Schilderung der Durchführung des Losverfahrens ein Geschehen nachgeschoben hätte,
welches im Aufnahmeverfahren tatsächlich so nicht stattgefunden hat.
Ernstliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Losverfahrens ergeben sich
schließlich nicht aus dem Einwand der Klägerin, der Beklagte habe das Losverfahren
nicht in Gegenwart von Zeugen oder nicht öffentlich etwa in Anwesenheit der Bewerber
durchgeführt. Auch insofern liegt es prinzipiell im Ermessen des Schulleiters zu
bestimmen, ob er das Losverfahren allein ohne Anwesenheit Dritter oder aber in
Gegenwart etwa von Lehrkräften, Elternvertretern oder sonstigen Zeugen durchführt,
weil keine rechtlichen Verfahrensvorschriften existieren, die entsprechendes
vorschreiben. Er ist allerdings, was sich aus der Natur des Losverfahrens von selbst
versteht, gehalten, dieses konkret so zu gestalten, dass es seine Funktion erfüllen kann,
unter Ausschaltung jeglichen sonstigen Einflusses ein nur vom Zufall abhängiges
Ergebnis herbeizuführen und so jedem Bewerber die gleiche Chance zu bieten. Dazu
gehören neben der Übersichtlichkeit des Losvorgangs selbst hinreichende und den
Umständen nach angemessene Vorkehrungen allgemein zum Schutz vor
Manipulationen.
26
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. 5. 1991 6 P 15.89 -, NJW 1991, 3231,
3232 = juris, Rdn. 27, zum Losentscheid durch Streichholzziehen bei der
Wahl des Vorstandes eines Personalrats; Bay. VGH, Beschluss vom 13. 2.
1991 – 17 P 90.3560 -, NJW 1991, 2306, 2307 = juris, Rdn. 13, zum
Losentscheid durch Münzwurf bei einer Personalratswahl.
27
Mag auch die Publizität des Losvorgangs regelmäßig eine taugliche Vorkehrung gegen
die Gefahr von Manipulationen sein,
28
vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 13. 2. 1991, a. a. O., juris, Rdn. 16,
29
also auch die Anwesenheit von Zeugen unzulässigen Einflüssen entgegenwirken, ist
die Publizität nicht stets geboten. Liegt nämlich die Vorbereitung und die Durchführung
des Losverfahrens in der Hand eines in jeder Beziehung neutralen Dritten, wie es bei
Wahlvorständen oder Wahlleitern der Fall ist, spricht dies im Allgemeinen dafür, dass
das Losverfahren ohne Manipulation durchgeführt worden ist.
30
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. 5. 1991, a. a. O.
31
So verhält es sich im vorliegenden Fall. Als Schulleiter hatte der Beklagte, als er selbst
allein ohne Beisein weiterer Personen den Losvorgang vorbereitete und durchführte,
eine im Hinblick auf das Ergebnis des Losverfahrens neutrale Position inne. Er hatte
ersichtlich kein Interesse am konkreten Ergebnis der Auswahl, welches der 78
angemeldeten Mädchen und welcher der 49 ausgelosten Jungen Aufnahme in das I.
-Gymnasium finden werde, also welches individuelle Anmeldungsformular er aus dem
jeweiligen Stapel ziehen werde. Insbesondere hatte er nach den vorstehenden
Ausführungen kein Interesse, ihm namentlich bekannte Schülerinnen oder Schüler, die
32
keine musikalischen Vorkenntnisse im Instrumentalspiel vorweisen konnten oder die
nicht Latein als Fremdsprache in der Klasse 5 wünschten, schon nicht in die Auslosung
einzubeziehen oder im Losverfahren scheitern zu lassen. Aus dem sprachlich-
musischen Schwerpunkt des Gymnasiums und einer daraus folgenden favorisierten
Bildung von Eingangsklassen erschließt sich ein Anhalt dafür nicht, weil eine
entsprechende Klassenbildung unter Einschluss zumindest einer Englisch-Klasse auch
unter Geltung des Zufallsprinzips möglich war und der Beklagte dies erwarten konnte.
Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass es dem Beklagten entgegen seiner, wie ausgeführt
in besonderer Weise der Wahrheit verpflichteten Darstellung an einer Manipulation des
Losverfahrens gelegen haben könnte, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und sind auch
nicht ersichtlich.
Aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folgt auch,
dass die vorliegende Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufweist. Mit den
Hinweisen darauf, das Verwaltungsgericht sei auf bestimmte tatsächliche oder
rechtliche Aspekte nicht eingegangen, und auf die erforderliche Transparenz des
Aufnahmeverfahrens durch eine gebotene Dokumentation des Losverfahrens legt die
Klägerin ebenso wenig überdurchschnittliche Schwierigkeiten der Urteilsfindung dar wie
mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts, im Interesse einer rascheren und
einfacheren Überprüfbarkeit der Aufnahmeentscheidung wäre es wünschenswert
gewesen, wenn der Beklagte die Auslosung – ggf. im Beisein von Zeugen – schriftlich
niedergelegt hätte. Das Verwaltungsgericht hat damit lediglich Wünschenswertes, aber
zutreffend nicht rechtlich gebotene Vorkehrungen angesprochen. Rechtlich schwierig ist
auch nicht die als zentral bezeichnete Frage zu beantworten, ob eine
Auswahlentscheidung im Losverfahren, die nicht transparent und "von keinem
überprüfbar" sei, rechtmäßig sei, nur weil es keine rechtlich verbindlichen Regelungen
zur Durchführung des Losverfahrens gebe. Denn schon die Prämisse dieser
Fragestellung trifft hier nicht zu. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich
nämlich, dass die angefochtene Auswahlentscheidung, jedenfalls nachdem der
Beklagte das Losverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
erläutert hat, den rechtlichen Anforderungen an die Transparenz und Überprüfbarkeit
genügt.
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Aus Vorstehendem ergibt sich schließlich auch, dass die vorliegende Rechtssache aus
den von der Klägerin dargelegten Gründen nicht im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
grundsätzliche Bedeutung hat. Die zum Losverfahren und zur Transparenz seiner
Durchführung angesprochenen Fragen der Protokollierung und der Gegenwart von
Zeugen sind nicht deshalb grundsätzlich klärungsbedürftig, weil es darüber keine
rechtlichen Verfahrensvorschriften gibt. Sie lassen sich vielmehr aus den notwendigen
Funktionsbedingungen eines Losentscheids und hierzu vorliegender Rechtsprechung,
wie ausgeführt, beantworten, ohne dass der vorliegende Fall weitergehende Fragen
aufwirft, die im angestrebten Berufungsverfahren erst noch zu klären wären.
Klärungsbedarf in diesem Sinne besteht auch nicht im Hinblick auf das Erfordernis der
Vorabfestlegung der maßgeblichen Aufnahmekriterien. In tatsächlicher Hinsicht
grundsätzlich klärungsbedürftig ist auch nicht der angesprochene Aspekt, "unter
Experten" bestehe kein Zweifel, dass Losentscheide häufig nur vorgeschoben seien
und dass bestimmte Bewerber vorab ausgewählt oder aussortiert würden. Schon die
tatsächlichen Grundlagen dieser pauschalen Annahme, etwa welche "Experten"
angesprochen sein sollen oder was unter "Experten" gemeint sein soll, hat die Klägerin
nicht dargelegt. Jedenfalls für das Schulaufnahmeverfahren ist insofern kein Anhalt für
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Klärungsbedarf ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
35
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
36
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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