Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2005

OVG NRW: befreiung, verordnung, schutzzone, abgrenzung, obg, erfüllung, verwaltungsakt, materielles recht, rücknahme, ermessen

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 3988/03
Datum:
30.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 A 3988/03
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Unter teilweiser Einbeziehung der Kostenentscheidung erster Instanz
trägt der Kläger seine eigenen außergerichtlichen Kosten, von den
Kosten des Verfahrens erster Instanz zwei Drittel der Gerichtskosten und
der außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie von den Kosten des
Verfahrens zweiter Instanz die Hälfte der Gerichtskosten und der
außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Beigeladene trägt ihre
eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die Gerichtskosten und die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten im übrigen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beigeladene ist ein Unternehmen zur Gewinnung und zum Vertrieb von Kies und
Sand. Sie betreibt seit Jahrzehnten östlich von O. -N. eine Abgrabung. Als Folge ihrer
Tätigkeit ist der Mondorfer See entstanden. Seit Anfang der 1990er Jahre plante sie, den
See nach Erschöpfung des bislang zur Abgrabung zugelassenen Kies- und
Sandvorkommens in südöstlicher Richtung auf Grundstücke der Gemarkung C. -N1. ,
Flur 2, zu erweitern. Der See reicht bis etwa 3 km an die nordwestlich gelegene
Wassergewinnungsanlage O. heran. Er und das Erweiterungsgelände sind Teil der
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Schutzzone III B des mit Ordnungsbehördlicher Verordnung vom 30. September 1983
festgesetzten Wasserschutzgebietes für das Einzugsgebiet der
Wassergewinnungsanlage. Dort sind Nassabgrabungen nach der Verordnung verboten.
Im August 1994, aktualisiert im November 1997 und mehrfach ergänzt, beantragte die
Beigeladene die Feststellung des Plans für das Erweiterungsvorhaben. Beabsichtigt ist
der Abbau von Kies und Sand auf einer bislang überwiegend als Acker genutzten
Fläche von ca. 4 ha bis zu einer Tiefe von ca. 32 m üNN, ca. 12 m unterhalb des
mittleren Grundwasserstandes. Die offene Wasserfläche des vorhandenen Sees von ca.
29,3 ha soll hierdurch um ca. 2,7 ha vergrößert werden. Die Beigeladene machte
geltend, das Nassabgrabungsverbot stelle für sie eine offenbar nicht beabsichtigte Härte
dar, sodass ihr hiervon Befreiung zu erteilen sei. Abgrabungsflächen innerhalb der
bisher erteilten Genehmigungen stünden ihr nicht mehr zur Verfügung. Eine negative
Beeinflussung des Grundwassers infolge des Vorhabens sei nicht zu erwarten. Hierzu
legte die Beigeladene ein Gutachten des Büros U. vom 24. Februar 1998 vor. Danach
ist eine erweiterungsbedingte Negativbeeinflussung der hydrochemischen Verhältnisse
im Bereich der Wassergewinnungsanlage auszuschließen.
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Der Kläger führte die Behördenbeteiligung durch. Das Staatliche Umweltamt (StUA)
Köln erhob Bedenken. Die gegebene offene Wasserfläche stelle ein erhebliches
Gefährdungspotential für das Grundwasser dar. Die Entfernung der schützenden
Deckschichten ermögliche den unmittelbaren Eintrag von Schadstoffen. Durch das
Vorhaben werde die Gefährdung gesteigert. Das sei mit dem vorbeugenden
Trinkwasserschutz in einem Wasserschutzgebiet nicht zu vereinbaren. Der Antrag sei
deshalb abzulehnen. Die Beklagte wandte ein, Gründe für eine Befreiung vom
Nassabgrabungsverbot seien nicht ersichtlich. Der Kläger gelangte dagegen zu dem
Ergebnis, unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer offenbar nicht beabsichtigten
Härte komme eine Befreiung von dem Verbot in Betracht.
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Mit Bescheid vom 14. September 1999 ließ der Kläger den vorzeitigen Beginn der
Abgrabung befristet bis Ende Juli 2000 zu. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 30.
September 1999 mit, dem Vernehmen nach beabsichtige er die kurzfristige Erteilung
einer Genehmigung oder Vorabgenehmigung. Für diesen Fall weise sie den Kläger
nach § 13 Abs. 3 LOG an, das nach der Schutzgebietsverordnung vorgeschriebene
Verfahren einzuhalten und eine Genehmigung/Vorabgenehmigung o. ä. nicht zu
erteilen. Der Kläger entgegnete, der vorzeitige Beginn des Vorhabens sei bereits
zugelassen. Ein Planfeststellungsbeschluss habe Konzentrationswirkung und schließe
eine erforderliche Befreiung ein. Das StUA Köln sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
Das Vorhaben sei aber entgegen dessen Stellungnahme zulassungsfähig.
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Daraufhin erklärte die Beklagte mit Verfügung vom 3. Dezember 1999, sie präzisiere
ihre Weisung gemäß §§ 9, 12 OBG, §§ 136, 138 LWG und ordne an, dass der Kläger
spätestens bis zum 8. Dezember 1999 von der erfolgten Rücknahme der
Vorabgenehmigung berichte und den Antrag abschlägig bescheide. Die Beigeladene
habe den ihr obliegenden Nachweis zur Ausräumung der durch die
Schutzgebietsverordnung konkretisierten Besorgnis nicht geführt. Das StUA Köln sei
nicht verpflichtet, die Gründe für das Nassabgrabungsverbot zu rechtfertigen. Die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung seien nicht erfüllt. Das Verbot sei
eine gewollte Härte. Zudem wäre eine Abweichung mit dem Gewässerschutz nicht
vereinbar.
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Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, das Vorhaben
könne wahrscheinlich planfestgestellt werden. Nach dem Gutachten des Büros U. seien
Vorteile einer von der Beklagten akzeptierten Trockenabgrabung gegenüber der
Nassabgrabung nicht erkennbar. Zwischen Rohstoffgewinnung und
Trinkwasserversorgung bestehe vorliegend kein Konflikt.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 4. Februar 2000 zurück. Die
Weisung sei zur Sicherung der gesetzmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen
Aufgaben ergangen. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns der Abgrabung sei
rechtswidrig. Im Planfeststellungsverfahren sei nicht mit einer Entscheidung zugunsten
der Beigeladenen zu rechnen. Das Nassabgrabungsverbot sei ein zwingender
Versagungsgrund. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor.
Anhaltspunkte für einen atypischen Sachverhalt seien nicht gegeben. Die gutachterliche
Betrachtung der unmittelbaren Auswirkungen einer Abgrabung könne deren langfristige
Folgen nicht bewerten.
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Am 3. März 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Während des Verfahrens hat die
Beigeladene gutachterliche Stellungnahmen des Büros U. vom 26. September 2000
sowie des Prof. K. vom 14. November 2000 zu den Planfeststellungsunterlagen
gereicht. Der Kläger hat zur Abschätzung der Auswirkungen einer Erweiterung der etwa
1 km nordöstlich der Wassergewinnungsanlage gelegenen Kiesgrube M. auf das
Grundwasser eine instationäre Modellrechnung durch das Büro F. M1. J. erstellen
lassen. Aus dem Bericht dieses Büros vom Oktober 2000 hat er abgeleitet, das
Wasserschutzgebiet sei auf fehlerhafter Grundlage und zu großräumig festgesetzt
worden. Die Beklagte hat demgegenüber mit Bescheid vom 4. Dezember 2000 an ihrer
Weisung, eine Befreiung vom Nassabgrabungsverbot nicht zu erteilen, festgehalten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hat die Beklagte nicht
beschieden. Mit Bescheid vom 8. März 2001 hat der Kläger der Beigeladenen die
Genehmigung erteilt, das Vorhabengelände bis zu einer Tiefe von ca. 48,9 m üNN, ca. 2
m oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes, (trocken) abzugraben.
Ferner hat der Kläger zu den potentiellen Auswirkungen des Vorhabens ein Gutachten
des Büros für Gewässerkunde und Landschaftsökologie C1. vom November
2001/Januar 2002 eingeholt. Die Beklagte hat das Wasserschutzgebiet auf der
Grundlage eines Gutachtens des Büros M2. vom Februar 2001 mit
Änderungsverordnung vom 5. März 2002 neu abgegrenzt.
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Der Kläger hat vorgetragen, die Weisungen seien rechtswidrig und verletzten ihn in
seinem Selbstverwaltungsrecht. Die Klage sei zur Vermeidung von
Amtshaftungsansprüchen der Beigeladenen geboten. Das Verbot von
Nassabgrabungen beruhe auf der Annahme, dass von derartigen Vorhaben in der
Regel nachteilige Auswirkungen auf die Trinkwassergewinnung ausgingen. Das
Vorhaben der Beigeladenen verursache aber keine unbeherrschbaren Gefahren für das
Grundwasser. Das werde durch die Gutachten des Büros U. nachgewiesen und auch
durch das Gutachten des Büros C1. belegt. Die hiergegen erhobenen Einwände seien
nicht tragfähig. Es fehle an den für eine verordnungsrechtliche Verbotsregelung
notwendigen gutachterlichen Untersuchungen zur Erforderlichkeit und
Verhältnismäßigkeit. Ein generelles Nassabgrabungsverbot in einer Schutzzone III B sei
wissenschaftlich nicht abgesichert. Aus den Stellungnahmen des Büros F. M1. ergebe
sich zudem, dass die Vorhabenfläche außerhalb des Einzugsgebietes der
Wassergewinnungsanlage liege. Das Wasserschutzgebiet gehe nicht auf eine zur
realitätsnahen Abgrenzung nötige instationäre Berechnung zurück. Die angesetzte
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Grundwasserfördermenge übersteige den tatsächlichen Wasserbedarf und das
bestehende Wassergewinnungsrecht. Das Gutachten des Büros M2. genüge unter den
örtlichen hydrogeologischen Bedingungen nicht den anerkannten methodischen
Anforderungen. Außerdem zeige das Gutachten erhebliche Verschiebungen des
Schutzgebietes auf mit der Folge, dass die Schutzgebietsverordnung hinsichtlich der
Schutzzone III B insgesamt nichtig sei.
Nach teilweiser Erledigung der Hauptsache hat der Kläger zuletzt beantragt,
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die Weisung der Beklagten vom 3. Dezember 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2000 insoweit aufzuheben, als er - der Kläger
- darin angewiesen wird, den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen abzulehnen,
sowie die Weisung der Beklagten vom 4. Dezember 2000 aufzuheben.
12
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des StUA Köln ergänzend zu den
angefochtenen Bescheiden vorgetragen, das Schutzgebiet sei nicht zu groß bemessen.
Auch nach dem Gutachten des Büros M2. gehöre die Vorhabenfläche zum
Schutzgebiet; von der Anpassung des Schutzgebietes sei diese Fläche nicht betroffen.
Die vom Büro M2. angewendete Abgrenzungsmethode sei fehlerfrei. Die
vorgenommene stationäre Berechnung auf der Basis von Grundwassergleichenplänen
entspreche den anerkannten fachlichen Regeln. Die vom Büro F. M1. berechneten
Abläufe beruhten dagegen auf unzutreffenden Eingangsdaten. Das
Nassabgrabungsverbot sei, was durch neuerliche gutachterliche Aussagen des Büros
Bieske bestätigt werde, erforderlich. Die Gutachten des Büros U. seien in mehrfacher
Hinsicht fehlerhaft. Insbesondere hätten die örtlich anstehenden Deckschichten ebenso
wie die Kies- und Sandschichten selbst eine gute Filterwirkung. Realistischerweise sei
mit schwerwiegenden Störfällen sowie Schadensereignissen zu rechnen. Die
Ergebnisse des KABA-Projektes ließen sich nicht generell auf Nassabgrabungen am
Rhein übertragen. Die langfristigen Folgen von Nassabgrabungen seien mit der über
das Projekt erstellten Studie allein nicht zu prognostizieren.
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Die Beigeladene hat beantragt,
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die Weisung der Beklagten vom 3. Dezember 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2000 insoweit aufzuheben, als der Kläger
darin angewiesen wird, ihren - der Beigeladenen - Planfeststellungsantrag abzulehnen,
sowie die Weisung der Beklagten vom 4. Dezember 2000 aufzuheben.
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Sie hat vorgetragen, die Weisungen seien mit der Konzentrationswirkung eines
Planfeststellungsbeschlusses und dem planerischen Gestaltungsspielraum, der dem
Kläger zukomme, unvereinbar. Den Anforderungen an eine eigene ermessensfehlerfreie
Entscheidung über die Erteilung der Befreiung genügten die Weisungen gleichfalls
nicht. Die Beklagte habe aufgrund allgemeiner, nicht belegter und nicht belegbarer
Vermutungen über die generelle Gefährdung des Grundwassers durch
Nassabgrabungen entschieden. Darüber hinaus sei die Schutzgebietsverordnung
nichtig. Die Schutzzone III B sei fehlerhaft abgegrenzt. Die Abgrenzung gehe von einer
deutlich überhöhten Fördermenge aus. Das Gutachten des Büros M2. weise weitere
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erhebliche Mängel auf und ergebe eine beträchtliche Verschiebung des
Einzugsgebietes. Wegen der stark variierenden Grundwasserströmungsverhältnisse
ließen sich die Grenzen des Einzugsgebietes nur mittels einer instationären
Modellrechnung unter Berücksichtigung kurzer Zeitschritte zutreffend ermitteln.
Stationäre Berechnungen führten zu realitätsfernen Ergebnissen. Die dem
Nassabgrabungsverbot der Schutzgebietsverordnung zugrunde liegende Bewertung der
Belange werde dem Erkenntnisstand nicht gerecht. Das Verbot verstoße gegen das
Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Ein Nassabgrabungsverbot in einer Schutzzone III B
sei nach aktuellem Erkenntnisstand nur unter besonderen örtlichen Umständen
erforderlich. Solche Umstände lägen nicht vor. Das einschlägige DVGW-Arbeitsblatt
lege zugrunde, dass bei Nassabgrabungen in der Schutzzone III B der
Grundwasserschutz sichergestellt werden könne. Die Erkenntnisse aus dem KABA-
Projekt belegten weitergehend, dass Nassabgrabungen in der Schutzzone III B kein
generelles Gefahrenpotential für das Grundwasser bildeten. Das werde auch durch
andere Forschungsberichte bestätigt. Die anderslautende Einschätzung des Büros C2.
sei nicht fundiert und nicht haltbar. Ohnehin sei die Betrachtung eines allgemeinen
Gefährdungspotentials verfehlt; in den Blick zu nehmen seien die konkreten örtlichen
Gegebenheiten. Bezogen auf letztere sei durch die Gutachten des Büros U. der
Nachweis der Unbedenklichkeit erbracht. Jedenfalls stehe das Vorhaben mit dem
Zweck der Schutzgebietsverordnung, im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung
einen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügenden Grundwasserschutz zu
bewirken, im Einklang. Daher stelle das Verbot eine nicht beabsichtigte Härte dar und
sei eine Befreiung zu erteilen. Das Grundwasser sei nachweislich geschützt. Eines
Nassabgrabungsverbotes bedürfe es nicht. Die Besorgnis einer Gefährdung des
Grundwassers durch das Vorhaben sei nicht begründet. Die aus dem KABA-Projekt
abzuleitenden Kriterien, bei deren Einhaltung ein zusätzlicher Untersuchungsbedarf
zum Nachweis der Grundwasserunschädlichkeit generell nicht bestehe, seien nahezu
vollständig erfüllt. Soweit sie nicht erfüllt seien, seien die Untersuchungen vom Büro U.
durchgeführt worden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug
genommen wird, stattgegeben.
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Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten. Der Kläger
hat den Plan für das Vorhaben der Beigeladenen unter Einbeziehung zusätzlicher
Gutachten mit Beschluss vom 27. Mai 2004 unter Befreiung vom Nassabgrabungsverbot
festgestellt.
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Die Beklagte ergänzt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Der
Planfeststellungsbeschluss habe nicht zur Erledigung der Weisungen geführt. Ein
Verbot von Nassabgrabungen in einer Schutzzone III B bedürfe wegen der
typischerweise besonderen Gefährlichkeit solcher Vorhaben keines eigenständigen
Nachweises des Gefahrenpotentials im konkreten Einzelfall. Das gelte in besonderem
Maße für die niederrheinische Bucht und das niederrheinische Tiefland mit den dort
anzutreffenden Verdichtungsräumen. Ausschlaggebend sei eine langfristige
Abschätzung der Auswirkungen. Geeignete dauerhafte Sicherungsinstrumente gebe es
nicht; der Verlust der Deckschichten lasse sich nicht ausreichend ersetzen. Außerdem
würden die Gefahren in den Stellungnahmen des Büros C2. überzeugend
nachgewiesen und bewertet sowie im aktuellen Entwurf des DVGW-Arbeitsblattes
ebenfalls angenommen. Die Abgrenzung des Schutzgebietes durch das Gutachten M2.
sei fachlich korrekt. Eine instationäre Modellrechung sei nicht sachgerechter als die
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Vorgehensweise des Gutachters. Ein numerisches Modell müsse auf denselben
Grundwasserstandsmessungen beruhen, die den herangezogenen
Grundwassergleichenplänen zugrundelägen. Bei Zweifeln an der Geeignetheit der
Methode des Gutachters werde die Einholung eines Gutachtens vorgeschlagen.
Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die
Weisung der Beklagten vom 3. Dezember 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2000 insoweit, als er - der Kläger - darin
angewiesen wird, den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen abzulehnen, sowie die
Weisung der Beklagten vom 4. Dezember 2000 rechtswidrig gewesen sind,
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hilfsweise für den Fall der Verneinung einer Erledigung, die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt ergänzend und vertiefend vor, die Weisungen hätten sich erledigt. Er habe an
der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ein schützenswertes Interesse, weil weitere
gleichartige Auseinandersetzungen mit der Beklagten zu erwarten seien. Die Beklagte
habe Weisungen in gleichgelagerten Fällen, die Beigeladene einen neuerlichen Antrag
auf Zulassung einer Erweiterung des N2. Sees angekündigt. Die räumliche Abgrenzung
des Schutzgebietes sei ersichtlich fehlerhaft. Bestätigt werde das auch durch die
Berechnungen im Zusammenhang mit einem aktuellen Bewilligungsverfahren für die
Wassergewinnungsanlage. Das Nassabgrabungsverbot sei offensichtlich fehlerhaft. Die
Beklagte habe ihr Ermessen hinsichtlich der Verbotsregelung mangels Aufklärung des
Sachverhaltes nicht ordnungsgemäß ausgeübt, insbesondere die notwendige
Güterabwägung nicht vorgenommen. Die Erforderlichkeit des Nassabgrabungsverbotes
sei gutachterlich nicht zu belegen. Der Entwurf des DVGW-Arbeitsblattes sehe ebenfalls
eine einzelfallorientierte Prüfung vor. Er - der Kläger - könne die Unwirksamkeit der
Verordnung auch geltend machen. Die Beklagte habe über Jahre hinweg nichts zur
Behebung der ihr bekannten klaren Mängel der Verordnung unternommen. Die
Bewältigung des Interessengegensatzes zwischen der Abgrabungsindustrie und dem
Grundwasserschutz sei für seine - des Klägers - wirtschaftliche Entwicklung von großer
Bedeutung.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die
Weisung der Beklagten vom 3. Dezember 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2000 insoweit, als der Kläger darin
angewiesen wird, ihren - der Beigeladenen - Planfeststellungsantrag abzulehnen, sowie
die Weisung der Beklagten vom 4. Dezember 2000 rechtswidrig gewesen sind,
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hilfsweise für den Fall der Verneinung einer Erledigung, die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt ergänzend und vertiefend vor, der Kläger könne sich gegenüber den
Weisungen auf die gegebenen greifbaren Mängel der Verordnung, die zu deren
Unwirksamkeit führten, berufen. Wegen der vorübergehenden Hochwasserstände des
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Rheins sei es konzeptionell verfehlt, das Wasserschutzgebiet mittels eines stationären
Modells, das auf Stichtagsmessungen zurückgehe, abzugrenzen. Unter den gegebenen
Verhältnissen sei ein stationär abgegrenztes Wasserschutzgebiet zu groß und die
Notwendigkeit einer instationären Berechnung fachlich seit Jahren anerkannt. Die
Erforderlichkeit des Nassabgrabungsverbotes sei nicht durch auf die örtlichen
Gegebenheiten bezogene Untersuchungen belegt. Ein bloßer Gefahrenverdacht reiche
für eine Verbotsregelung nicht aus. Die Unverhältnismäßigkeit des Verbotes müsse
zumindest zu einer Befreiung führen. Das Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage
werde durch das Vorhaben nicht verschoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verfahrensakte 14 L 749/00 VG Köln und der von den Beteiligten
vorgelegten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Berufung hat Erfolg.
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Die Zulässigkeit der Klage, soweit sie nach der erstinstanzlichen teilweisen
Hauptsachenerledigung - hinsichtlich der Anordnung, die Zulassung des vorzeitigen
Beginns zurückzunehmen, - fortgeführt wird, ist zweifelhaft, kann aber letztlich
dahingestellt bleiben.
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Gegenstand eines vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgten
Fortsetzungsfeststellungsbegehrens kann nur ein Verwaltungsakt sein, der sich vor der
Entscheidung des Gerichts erledigt hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). In gleicher Weise
setzt das vom Kläger ursprünglich angebrachte und hilfsweise aufrecht erhaltene
Anfechtungsbegehren einen Verwaltungsakt voraus (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme,
die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen
Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz
1 VwVfG). Die Weisung vom 3. Dezember 1999
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- soweit sie noch angegriffen wird - und die Weisung vom 4. Dezember 2000 erfüllen
diese Kriterien unbedenklich insofern, als sie Entscheidungen zur Regelung eines
Einzelfalles darstellen. Denn sie zielen nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt (§ 133
BGB in entsprechender Anwendung) auf die rechtsverbindliche Begründung und
inhaltliche Konkretisierung einer Pflicht des Klägers. Die unter dem 3. Dezember 1999
ergangene Anordnung, "den Antrag abschlägig" zu bescheiden, beinhaltet vor dem
Hintergrund der vorangegangenen umfassenden Aufforderung vom 30. September
1999, "eine Genehmigung/Vorabgenehmigung o. ä." nicht zu erteilen, sowie der der
Beklagten bekannten Zulassung des vorzeitigen Beginns unmissverständlich die
Anweisung an den Kläger, den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen abzulehnen.
Bestätigt wird das durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 4. Februar
2000, in dem das Nassabgrabungsverbot der Schutzgebietsverordnung als ein dem
Planfeststellungsbeschluss entgegenstehender und durch Befreiung nicht zu
überwindender strikter Versagungsgrund betrachtet und die Verfügung vom 3.
Dezember 1999 als ein für den Kläger anfechtbarer Verwaltungsakt behandelt wird. Die
"Mitteilung" der Beklagten vom 4. Dezember 2000, sie halte ihre Weisung aufrecht,
beinhaltet neben der Verdeutlichung des mit den zuvor ergangenen Willensäußerungen
Gemeinten die der Präzisierung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der
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Beklagten dienende Ablehnung einer Abänderung der Weisung sowie deren
Aktualisierung über den bisherigen Aussagegehalt hinaus. Die vom Kläger dem
erklärten Rechtsstandpunkt der Beklagten nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens
entgegengehaltenen und aus seiner Sicht eine Korrektur der Weisung nahelegenden
Aspekte werden von der Beklagten als nicht tragfähig eingestuft. Die Beklagte hält
ausdrücklich außerhalb des erstinstanzlichen Verfahrens und des dort stattfindenden
Austauschs von Behauptungen und Rechtsmeinungen an der Weisung mit dem
Anspruch auf Verbindlichkeit fest.
Ferner hat sich der Regelungsgehalt der Weisungen inzwischen auch insoweit erledigt,
als sie im Umfang der erstinstanzlichen streitigen Entscheidung die Ablehnung des
Planfeststellungsantrages betreffen; der vom Kläger erklärte Übergang zur
Fortsetzungsfeststellungsklage, um einer Abweisung der anfänglich erhobenen
Anfechtungsklage als unzulässig zu entgehen, trägt dem zutreffend Rechnung. Die
Anordnung der Ablehnung des Planfeststellungsantrages ist dadurch, dass der Kläger
den Plan mit Beschluss vom 27. Mai 2004 unter Befreiung vom Nassabgrabungsverbot
festgestellt hat, gegenstandslos geworden. Mit der Feststellung des Plans ist der
entsprechende Antrag der Beigeladenen beschieden und das
Planfeststellungsverfahren abgeschlossen und kann der Kläger der Anordnung mangels
Anhängigkeit eines noch zu bescheidenden Antrages nicht mehr nachkommen. Die
Auffassung der Beklagten, ihre Weisungen erstreckten sich auch auf eine
Rückgängigmachung des Planfeststellungsbeschlusses im Wege der Rücknahme
sowie eine sich hieran anschließende abermalige Bescheidung des
Planfeststellungsantrages, sodass die streitigen Verpflichtungen des Klägers nicht in
vollem Umfang erledigt seien, findet im objektiven Erklärungsgehalt der Weisungen
keinen Anhalt. Ihrem Wortlaut nach verhalten die Weisungen sich eindeutig allein über
die Ablehnung des Planfeststellungsantrages als Abschluss des seinerzeit laufenden
Verwaltungsverfahrens. Das entspricht auch ihrem Sinn und Zweck, innerhalb des
Planfeststellungsverfahrens den von der Beklagten angenommenen zwingenden
Versagungsgrund des Nassabgrabungsverbotes gegenüber dem Antrag der
Beigeladenen regelnd zur Geltung zu bringen; eine rechtmäßige
Entscheidungsalternative des Klägers wird von der Beklagten nicht gesehen. Eine
Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses käme dagegen - unabhängig von allem
anderen - allenfalls unter fehlerfreier Ausübung von Ermessen gegenüber der
Beigeladenen in Betracht (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwVfG), wenn das Ermessen nicht
- wofür aber nichts dargetan ist oder spricht - allein mittels einer Rücknahme fehlerfrei
wahrgenommen werden kann. Zur Ausübung von Ermessen im Hinblick auf eine
Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses ist den Weisungen nichts zu entnehmen;
Belange der Beigeladenen unter Einbeziehung der Tatsache, dass der
Planfeststellungsbeschluss gerade trotz der Weisungen ergangen ist, finden in den
Weisungen naturgemäß keine Erwähnung. Ein Verständnis, die Weisungen seien
unausgesprochen auch auf die Verpflichtung des Klägers zur Rücknahme des - im
Zeitpunkt ihres Erlasses ungewissen - Planfeststellungsbeschlusses gerichtet, liefe
daher auf einen Willen der Beklagten hinaus, den Kläger unter Ausklammerung des
realen Fortgangs des Abgrabungsvorhabens und ungeachtet der Anforderungen an
eine rechtmäßige Rücknahme zu derselben zu verpflichten. Ein solches Verständnis
liegt bei einer auf zielgerichtete und effektive Rechtsanwendung bedachten Behörde
derart fern, dass es sich hier verbietet.
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Die Zulässigkeit des Klagebegehrens berührende Bedenken bestehen jedoch dagegen,
dass die Weisungen - wie für einen Verwaltungsakt erforderlich - auf unmittelbare
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Rechtswirkung nach außen gerichtet sind und, sofern man dies bejaht, der Kläger
geltend machen kann, durch die Weisungen in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42
Abs. 2 VwGO). Die unmittelbare Außenwirkung einer Regelung hängt maßgeblich von
dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht ab. Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn
nach dem Vorbringen des Klägers die Verletzung seiner Rechte möglich ist, was nach
allgemeiner Meinung dann nicht der Fall ist, wenn die behaupteten Rechte offensichtlich
und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder dem Kläger zustehen
können. Ob Weisungen im vorliegend in Rede stehenden aufsichtsbehördlichen Über-
und Unterordnungsverhältnis die angewiesene Behörde bzw. den hinter ihr stehenden
Rechtsträger in eigenen Rechten berühren, bestimmt sich nach dem von den
Weisungen betroffenen Wirkungskreis. Bei einer staatlichen Weisung gegenüber einer
Selbstverwaltungskörperschaft ist entscheidend, ob die Weisung im Einzelfall darauf
gerichtet ist, die Selbstverwaltungskörperschaft in eben dieser Eigenschaft und damit
als Träger eigener Rechte und Pflichten zu treffen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 4.94 -, NVwZ 1995, 910; Urteil vom
11. November 1988 - 8 C 9.87 -, NVwZ-RR 1989, 359; Urteil vom 16. März 1977 - 8 C
72.75 -, BVerwGE 52, 151.
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Die Entscheidung im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren über ein
Nassabgrabungsvorhaben obliegt dem Kläger als Kreisordnungsbehörde (Nr. 20.1.19
Ziffer 2 ZustVOtU). Er ist untere Wasserbehörde und als solche
Sonderordnungsbehörde (§§ 136, 138 LWG). Die Aufgaben der Kreisordnungsbehörde
nimmt der Kläger als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr, und zwar auch
hinsichtlich der ihm als Sonderordnungsbehörde übertragenen Aufgaben (§§ 3 Abs. 1,
12 OBG). Dabei unterliegt der Kläger der staatlichen Sonderaufsicht (§ 57 Abs. 2, § 2
Abs. 2 Satz 3 KrO); der Umfang des Weisungsrechts beurteilt sich nach § 9 OBG. Unter
welchen Voraussetzungen eine sonderaufsichtliche Weisung nach dieser Vorschrift
einen Kreis in seiner geschützten eigenen Rechtssphäre der Selbstverwaltung berührt,
wird kontrovers erörtert.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 42 Rdnr. 139, Anh. § 42 Rdnr. 80;
Held/Becker u. a., Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand März 2005,
§ 3 GO Anmerkungen 5 und 6; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, 9.
Auflage, Seite 54 f.
42
Der 15. Senat des erkennenden Gerichts hat die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach
Weisung in einer Entscheidung -
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Beschluss vom 16. März 1995 - 15 B 2839/93 -, NVwZ-RR 1995, 502 -
44
als Selbstverwaltungsangelegenheiten eingestuft und die Auffassung vertreten, eine in
diesen Aufgabenbereich eingreifende sonderaufsichtliche Weisung stelle sich immer als
regelnder Eingriff in den gemeindlichen Wirkungskreis und folglich als Verwaltungsakt
dar. Ob dem in dieser Uneingeschränktheit auch und gerade für eine Maßnahme der
Rechtsaufsicht (§ 9 Abs. 1 OBG) zuzustimmen ist, von der außerhalb der Aufgabe selbst
liegende Elemente der geschützten Selbstverwaltung nicht betroffen werden und
deswegen unmittelbare Auswirkungen auf den Selbstverwaltungsbereich nach Art. 28
Abs. 2 GG, Art. 78 LVerf NRW nicht ausgehen, bedarf keiner Vertiefung und
abschließenden Entscheidung. Zum einen ist die Möglichkeit eines rechtlichen
Betroffenseins des Klägers jedenfalls unter den Gesichtspunkten einer Beeinträchtigung
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seiner wirtschaftlichen Entwicklung sowie möglicher finanzieller Folgen einer
rechtsfehlerhaften Ablehnung des Planfeststellungsantrages nicht schlechthin
ausgeschlossen. Zum anderen kann die Zulässigkeit der Klage im Ergebnis auf sich
beruhen, weil sie zu Gunsten des Klägers unterstellt werden kann. Diese Möglichkeit
besteht, weil die Klage jedenfalls mangels einer Verletzung von Rechten des Klägers -
wie nachfolgend ausgeführt - nicht begründet ist. Die unterschiedlichen
Rechtskraftwirkungen eines Prozess- und eines Sachurteils (§ 121 VwGO) erfordern
keine endgültige Beurteilung der fraglichen Sachurteilsvoraussetzungen. Mit der
Abweisung der Klage werden die Weisungen, soweit sie noch angegriffen sind, für den
Kläger unanfechtbar, und zwar unabhängig von einer Abweisung als unzulässig oder
als unbegründet und weiter unabhängig von der Erledigung. Bezogen auf individuelle
Rechte der Beigeladenen enthalten die Weisungen von vornherein keine Regelung, die
unter dem Blickwinkel des § 121 VwGO eine abschließende Klärung der Zulässigkeit
der Klage veranlassen könnte. Die Weisungen entfalten als Regelungen ausschließlich
innerhalb der Verwaltungsorganisation jedenfalls gegenüber der Beigeladenen keine
unmittelbaren Rechtswirkungen und bedürfen, sollen sie im Verhältnis zur
Beigeladenen Rechtsfolgen nach sich ziehen, der vorherigen Umsetzung durch den
Kläger.
Die Klage ist nicht begründet. Durch die Weisungen werden, soweit sie noch
Gegenstand des Verfahrens sind, Rechte des Klägers ungeachtet ihrer Erledigung nicht
verletzt. Ebenso wie bei dem hilfsweise aufrecht erhaltenen Anfechtungsbegehren reicht
eine objektive Rechtswidrigkeit der Weisungen für einen Erfolg des mit dem
Hauptantrag verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbegehrens nicht aus. Denn einem
Fortsetzungsfeststellungsbegehren kann in der Sache nur entsprochen werden, soweit
der Kläger durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt worden ist und der
Verwaltungsakt deshalb, hätte er sich nicht erledigt, aufgrund eines
Anfechtungsbegehrens hätte aufgehoben werden müssen. Hieran fehlt es. Denn bei
den angegriffenen Weisungen handelt es sich um solche auf der Grundlage des § 9
Abs. 1 OBG, die dem Kläger seine Selbstverwaltungsrechte nicht weiter einschränken
und ihn auch sonst nicht in einer eigenen einfachrechtlichen Rechtsposition verletzen.
46
Nach § 9 Abs. 1 OBG können die Aufsichtsbehörden Weisungen erteilen, um die
gesetzmäßige Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben zu sichern. Diese
Vorschrift ist einschlägig. Die Weisungen der Beklagten zielen auf die Beachtung des
die Vorhabenfläche räumlich erfassenden Verbots von Nassabgrabungen nach § 4 Abs.
2 Nr. 7 der Wasserschutzgebietsverordnung O. vom 30. September 1983 sowie der
zugehörigen Befreiungsregelung nach § 9 der Verordnung. Das betrifft inhaltlich
Fragestellungen der Übereinstimmung der, wie die Zulassung des vorzeitigen Beginns
des Vorhabens seitens des Klägers verdeutlichte, bei Erlass der Weisungen konkret
bevorstehenden Feststellung des Plans mit in die Prüfung der
Zulassungsvoraussetzungen einzubeziehenden Rechtsvorschriften (§ 75 Abs. 1
VwVfG). § 9 Abs. 2 OBG, wonach Weisungen unter näher bestimmten Voraussetzungen
zur zweckmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben ergehen dürfen,
findet demgegenüber keine Anwendung. Bei einer privatnützigen Planfeststellung eines
Gewässerausbauvorhabens - wie hier - wird die Stufe der planerischen Abwägung nicht
erreicht, wenn dem Vorhaben zwingendes materielles Recht entgegensteht. Die
Planfeststellungsbehörde ist an das im Rahmen der Konzentrationswirkung eines
Planfeststellungsbeschlusses zu berücksichtigende strikte materielle Recht gebunden.
Das schließt, stehen Bestimmungen einer Wasserschutzgebietsverordnung und eine
Befreiung hiervon in Rede, die Bindung an die in der Verordnung vorgegebenen
47
Voraussetzungen für eine Befreiung ein.
§ 9 Abs. 1 OBG ermächtigt die Aufsichtsbehörde zur Rechtsaufsicht. Sichergestellt
werden soll die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der untergeordneten
Behörde. Auch wenn man die (sonder-)ordnungsbehördlichen Aufgaben der
Gemeinden und Kreise als Selbstverwaltungsaufgaben betrachtet, stehen der
Selbstverwaltungskörperschaft Rechte hinsichtlich der Wahrnehmung dieser Aufgaben
nur innerhalb des Rahmens der Gesetze zu (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 Abs. 4 LVerf
NRW). Die Gesetzmäßigkeit der Aufgabenerfüllung nach § 9 Abs. 1 OBG wird durch die
Anwendung des die Selbstverwaltungskörperschaft bindenden Rechts verwirklicht. Die
Aufgaben sind trotz ihrer Übertragung auf die Träger kommunaler Selbstverwaltung
funktional solche des Staates, der für ihre Ausgestaltung und Erfüllung die
Verantwortung trägt und insofern sowohl für die Gesetze als auch für deren sachlich
richtige Durchführung sorgt. Stellt eine Weisung die gesetzmäßige Aufgabenerfüllung
durch die Selbstverwaltungskörperschaft sicher, können deren subjektive Rechte
lediglich unter dem Gesichtspunkt verletzt sein, dass Weisungen nach dem Wortlaut des
§ 9 Abs. 1 OBG erteilt werden "können". Versteht man das Weisungsrecht in
Anknüpfung hieran als Befugnis, deren Wahrnehmung dem aufsichtsbehördlichen
Ermessen überantwortet ist und die Berücksichtigung von Belangen der anzuweisenden
Behörde erfordert, ist zu deren Gunsten nicht zuletzt der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das bedarf keiner weitergehenden Erörterung, weil
eine Verletzung von Rechten des Klägers weder unter dem Aspekt der gesetzlichen
Voraussetzungen der Weisungsbefugnis noch demjenigen der Ausübung dieser
Befugnis festzustellen ist.
48
Der Kläger wird nicht durch Auswirkungen der angegriffenen Weisungen auf seinen
außerhalb der unmittelbaren Aufgabenerfüllung stehenden Selbstverwaltungsbereich in
seinen Rechten verletzt. Seine Befürchtung, im Falle der Befolgung der Weisungen
Amtshaftungsansprüchen der Beigeladenen ausgesetzt zu sein, stellt einen tragfähigen
Bezug zu einem rechtswidrigen Eingriff in den Schutzbereich seiner Finanzhoheit
unabhängig davon nicht her, dass die Finanzhoheit in ihrer anerkannten Schutzwirkung
nicht vor jeglichen nachteiligen finanziellen Folgen staatlicher Tätigkeit bewahrt. Eine
haftungsbegründende Verletzung der Amtspflicht des Klägers zu rechtmäßigem
Handeln ruft die Anordnung, den Planfeststellungsantrag abzulehnen, trotz der vom
Kläger für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen des Plans vorgebrachten
Erwägungen nicht hervor. Insbesondere lässt die geltend gemachte Unwirksamkeit der
Wasserschutzgebietsverordnung wegen fehlerhafter Abgrenzung des Schutzgebietes
und mangelnder Erforderlichkeit des Nassabgrabungsverbotes nicht den Schluss zu,
der Kläger sei daran gehindert, § 4 Abs. 2 Nr. 7, § 9 der Verordnung bei der
Bescheidung des Planfeststellungsantrages der Beigeladenen heranzuziehen. Zwar
wird eine Amtspflichtverletzung angenommen, wenn einer behördlichen Entscheidung
eine Vorschrift zugrunde gelegt wird, deren Nichtigkeit dem Entscheider bekannt ist.
49
Vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 27/93 -, NJW 1994, 3158; Urteil vom 10.
April 1986 - III ZR 209/84 -, NVwZ 1987, 168.
50
Über eine positive Kenntnis von der Unwirksamkeit des Nassabgrabungsverbotes für
die Vorhabenfläche verfügt der Kläger aber nicht. Er vertritt hinsichtlich der Wirksamkeit
des Verbotes lediglich eine Rechtsmeinung zu einer komplexen, von der Beklagten als
Verordnungsgeber anders beurteilten und gerichtlich nicht abschließend geklärten
Rechtsfrage. Die Überzeugung des Klägers von der Richtigkeit seiner
51
Rechtsauffassung ändert nichts daran, dass er sie nicht durch Subsumtion eines
einfachen Sachverhaltes unter eine Rechtsvorschrift mit einem völlig klaren,
zweifelsfreien Aussagegehalt gewonnen hat, sondern anhand der Anwendung von
durch wertende Auslegung erarbeiteten rechtlichen Maßstäben auf u. a. durch
Sachverständige mit spezifischem Fachwissen dargelegte naturwissenschaftliche
Umstände mit einer Vielzahl einzelner Faktoren. Die in diesem Zusammenhang
angesprochene Entscheidung des VG Köln in einem früheren Streitverfahren um die
Zulassung eines vergleichbaren Vorhabens am N2. See -
Urteil vom 11. September 1990 - 14 K 3272/88 -
52
verschafft dem Kläger keine sichere Kenntnis von der Unwirksamkeit des Verbotes.
Abgesehen davon, welches Gewicht insofern einer einzelnen Inzidententscheidung
eines Verwaltungsgerichtes zukommt und des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht
das vom Kläger in den die Weisungen betreffenden Verwaltungsverfahren in den
Mittelpunkt seiner Bedenken gestellte Problem der rechtsfehlerfreien Abgrenzung des
Schutzgebietes im Ergebnis offen gelassen hat, ist dieses Urteil nicht rechtskräftig
geworden. Es ist vielmehr vom Senat -
53
Urteil vom 29. April 1993 - 20 A 7/91 -
54
auf die Berufung der Beklagten, die, seinerzeit bezeichnet als Regierungspräsident L. ,
die Wasserschutzgebietsverordnung im Berufungsrechtszug verteidigt hatte, abgeändert
worden. Die Klage auf erneute Bescheidung des Planfeststellungsantrags ist durch das
Berufungsurteil abgewiesen worden.
55
Bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer bei einer Entscheidung zu berücksichtigenden
Vorschrift handelt der Entscheider grundsätzlich jedenfalls dann nicht schuldhaft, wenn
er die Vorschrift nach Prüfung und erfolgloser Geltendmachung seiner Bedenken
anwendet.
56
Vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1994 - III ZR 227/02 -, DVBl. 2004, 947; Urteil vom 17.
März 1994 - III ZR 27/93 -, a.a.O.; Bay.ObLG, Urteil vom 14. Januar 1997 - 2 Z RR
422/96 -, NJW 1997, 1514; Hecker in: Erman, BGB, 11. Aufl., § 839 Rdnrn. 41, 43.
57
Das gilt erst recht dann, wenn - wie hier - der Normgeber die Wirksamkeit der infrage
stehenden Vorschrift in Kenntnis vorgebrachter Bedenken bejaht und die Anwendung
der Vorschrift mittels Weisung gesondert anordnet. Entsprechend trägt die angewiesene
Behörde - von hier nicht in Betracht zu ziehenden Ausnahmen abgesehen - nicht die
haftungsmäßige Verantwortung für eine entgegen vorgetragenen Bedenken durch
Weisung angeordnete Auslegung und Handhabung einer Vorschrift.
58
Vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1976 - III ZR 3/74 -, NJW 1977, 713; Papier in:
Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 839 Rdnr. 210.
59
Die vom Kläger angeführten nachteiligen Folgen, die von Nassabgrabungsverboten in
Wasserschutzgebieten innerhalb seines Kreisgebietes auf seine wirtschaftliche
Entwicklung ausgehen, ergeben, sieht man insoweit im Ansatz den Bereich seiner
geschützten Selbstverwaltung als berührt an,
60
vgl. bezogen auf die Planungshoheit von Gemeinden BVerwG, Urteil vom 26. Februar
61
1999 - 4 A 47.96 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148; Beschluss vom 18. September
1998 - 4 VR 11.98 -, NuR 1999, 631 -,
eine Verletzung von außerhalb der ordnungsbehördlichen Aufgaben liegenden Rechten
durch die angegriffenen Weisungen ebenfalls nicht. Das Betroffensein des Klägers
durch die streitigen Weisungen hält sich in den Grenzen, die seiner Wirtschaftsstruktur
durch die Schutzgebietsverordnung ohnehin gezogen worden sind. Der Kläger beruft
sich auf die Gewährleistung seines Selbstverwaltungsrechtes nicht gegenüber dem
verordnungsrechtlichen Nassabgrabungsverbot, sondern gegenüber den Weisungen,
mithin im Rahmen seiner Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung.
62
Bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Kreisordnungsbehörde ist der Kläger nicht
berechtigt, die Verbotsregelungen der Schutzgebietsverordnung zu Nassabgrabungen
außer Acht zu lassen. Maßgeblich für ihn ist der formelle Geltungsanspruch der
Verbotsregelungen. Eine mit dem Vollzug einer Verordnung befasste Behörde ist zwar
berechtigt und unter bestimmten Voraussetzungen auch verpflichtet, die Verordnung auf
ihre Rechtmäßigkeit und damit ihre Rechtswirksamkeit zu überprüfen. Sie hat aber -
anders als Gerichte - im Allgemeinen nicht die Kompetenz, untergesetzliche
Vorschriften aufgrund des Ergebnisses einer solchen Überprüfung in der Annahme ihrer
Unwirksamkeit unbeachtet zu lassen ("Normverwerfungskompetenz"). Zum Bestehen
einer solchen Verwerfungskompetenz werden in Rechtsprechung und Schrifttum
unterschiedliche Auffassungen vertreten.
63
Vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2004 - III ZR 227/02 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 31.
Januar 2001 - 6 CN 2.00 -, NVwZ 2001, 1035; Kalb in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
BauGB, Stand Januar 2005, Rdnrn. 317 ff.; Gaentzsch in:
Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 10
Rdnrn. 39 ff.
64
Einzubeziehen in die Erörterung dieser Fragestellung sind neben der Bindung der
Verwaltung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem Sinn und Zweck der
gegliederten Kompetenzordnung innerhalb der Verwaltung vor allem die Erfordernisse
der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
65
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 6 CN 2.00 -, a.a.O.
66
Denn typischerweise sind untergesetzliche Vorschriften von einer Vielzahl
unterschiedlicher Behörden anzuwenden und stehen sowohl bei den für die Beurteilung
der Wirksamkeit von Vorschriften maßgeblichen rechtlichen Kriterien als auch bei deren
Anwendung auf bestimmte Sachverhalte Rechtsfragen inmitten, deren Beantwortung in
der einen oder anderen Richtung deutlich voneinander abweichende, jedoch
gleichermaßen "vertretbare" Auffassungen zulässt. Es ist kennzeichnend für juristische
Auseinandersetzungen, zumal bei - wie hier - komplexen Fragestellungen juristischer
und tatsächlicher Art, dass in der Ableitung und im Ergebnis sogar entgegengesetzte
Meinungen wohlüberlegt sein können, dass sich aber gleichwohl nur eine dieser
Meinungen als letztlich "richtig" erweist. Es ist Sinn und Zweck gerichtlicher
Entscheidungen und der ihnen beigelegten Rechtskraft, solche Unterschiede innerhalb
des Auffassungsspektrums letztverbindlich ungeachtet dessen beizulegen, ob die
gerichtliche Rechtsansicht inhaltlich "überzeugt". Behörden in Bezug auf
untergesetzliche Normen dennoch eine generelle Verwerfungskompetenz einzuräumen,
hieße, die Rechtssicherheit zumindest beträchtlichen Risiken auszusetzen und den
67
Grundsatz der Einheit der Verwaltung sowie den damit einhergehenden Anspruch auf
einen trotz differenzierter Zuständigkeiten gleichmäßigen Vollzug der Gesetze in
Anwendung einheitlicher Maßstäbe wenn nicht aufzugeben, so doch in der Praxis
weitgehend unberücksichtigt zu lassen. Die Belange der von der Anwendung der Norm
Betroffenen können dagegen in diesem Zusammenhang nicht den Ausschlag geben.
Die Betroffenen können ihre Rechte ohne weiteres durch die Inanspruchnahme
gerichtlichen Rechtsschutzes wahren und so jedenfalls, sofern entscheidungserheblich,
eine gerichtliche Inzidentprüfung herbeiführen. Verwaltungsintern ist indessen der
Normgeber dazu berufen, eine unwirksame Norm gegebenenfalls zur Beseitigung des
von ihr gleichwohl ausgehenden Rechtscheins aufzuheben bzw. sie an das
höherrangige Recht anzupassen; das setzt notwendigerweise seine Kompetenz voraus,
verwaltungsintern abschließend über die Wirksamkeit der Norm zu befinden. Im Hinblick
auf die Beilegung eines Streits zwischen Normgeber und der mit der Normanwendung
befassten Behörde über die Wirksamkeit der Norm ist ferner neben der - in Nordrhein-
Westfalen allerdings für eine Verordnung mit dem hier in Frage stehenden
Regelungsgehalt nicht eröffneten - Möglichkeit der Einleitung eines
Normenkontrollverfahrens (§ 47 VwGO) diejenige einer Klärung im Aufsichtswege
einzubeziehen.
Vgl. Pietzcker, Inzidentverwerfung rechtswidriger untergesetzlicher Rechtsnormen durch
die Verwaltung, DVBl. 1986, 806 (808).
68
Das lässt für eine behördliche Normverwerfungskompetenz allenfalls in engen Grenzen
Raum. Der Konkretisierung dieser Grenzen im Einzelnen bedarf es hier nicht. Jedenfalls
steht einer Behörde nicht die Befugnis zu, sich über eine nicht offensichtlich, d. h. völlig
eindeutig, unwirksame untergesetzliche Norm hinwegzusetzen, deren Wirksamkeit ihr
auf geäußerte Bedenken hin von dem ihr verwaltungsmäßig hierarchisch
übergeordneten Normgeber bestätigt worden ist. Die Umsetzung der Auffassung des
Normgebers durch eine auf die Anwendung der Norm gerichtete aufsichtsbehördliche
Weisung führt insofern nicht weiter. Die gerichtliche Klärung der Rechtswidrigkeit der
Norm bei einer Anfechtung einer Weisung, die zur Ausräumung von gegen die Norm
vorgebrachten Bedenken ergangen ist, würde zwar formell den Vorrang der
gerichtlichen Normverwerfung wahren, liefe aber darauf hinaus, der schon und allein
wegen der formellen Existenz der Norm zu deren Vollzug verpflichteten Behörde das
Recht zuzugestehen, die Erfüllung dieser Verpflichtung von einer gerichtlichen Prüfung
ihrer Bedenken abhängig zu machen. Das wäre mit der unmittelbaren Bindung der
angewiesenen Behörde an Recht und Gesetz nicht vereinbar. Darüber hinaus ist der
Normgeber auch selbst an die Norm gebunden und rechtlich gehindert, sie schlicht -
zumal nur im Einzelfall - nicht anzuwenden. Eine Weisung des Normgebers, die in
Übereinstimmung hiermit auf den Vollzug der von ihm - vorliegend nach Prüfung
vorgebrachter Bedenken - für wirksam erachteten Norm zielt, stellt für den Fall fehlender
Normverwerfungskompetenz der angewiesenen Behörde die nicht weiter
rechtfertigungsbedürftige Konsequenz drohenden Zuwiderhandelns dar.
69
An einem solchen zur Unwirksamkeit führenden offensichtlichen Mangel leidet das
Nassabgrabungsverbot bezogen auf die Vorhabenfläche nicht. Fehler des dem Verbot
zugrunde liegenden Normsetzungsverfahrens, die je nach Lage des Einzelfalles
hinreichend offen zu Tage liegen können,
70
vgl. Bay. VGH, Urteil vom 18. Mai 1999 - 9 N 97.2491 -, NuR 2001, 402; HessVGH,
Urteil vom 20. Dezember 1989 - 4 UE 2251/88 -, NuR 1991, 185 -
71
stehen nicht in Rede. Das oben bereits angesprochene Urteil des VG Köln vom 11.
September 1990 stützt die Annahme einer Offensichtlichkeit der vom Kläger und der
Beigeladenen geltend gemachten Mängel schon deshalb nicht, weil es - wie ausgeführt
- im Berufungsrechtszug keinen Bestand hatte. Dem in dem Urteil zu den zwischen den
Beteiligten streitigen Punkten der rechtsfehlerfreien Abgrenzung des Schutzgebietes
und der Erforderlichkeit des Nassabgrabungsverbotes eingenommenen
Rechtsstandpunkt, auf den es nach den Erwägungen des Senats im Berufungsurteil
nicht ankam, können gegenläufige Erwägungen von Gewicht entgegengehalten
werden. Die Beklagte hat ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils die
Wirksamkeit des Nassabgrabungsverbotes argumentativ verteidigt. Sie hat, gestützt auf
Stellungnahmen des StUA Köln, das Verbot ferner in der Folgezeit dem zunächst an sie
herangetragenen Vorhaben der Beigeladenen entgegengehalten. Die Beigeladene hat
ihren seinerzeitigen Zulassungsantrag daraufhin im Juli 1994 zurückgenommen und im
August 1994 beim Kläger neu angebracht.
72
Hiernach lässt sich zunächst eine offensichtliche Unwirksamkeit des
Nassabgrabungsverbotes im Zeitpunkt seines Erlasses im Jahre 1983 ausschließen.
Ob der Fördermengenansatz des Gutachters U1. ausgehend von dessen Methodik dazu
führt, dass der Bereich um den N2. See aus dem der Schutzgebietsverordnung
zugrunde gelegten Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage herausfällt, hat schon
das Verwaltungsgericht im Urteil vom 11. September 1990 nicht abschließend
entschieden. Die gegen das Gutachten M2. vom Kläger und der Beigeladenen
angebrachte Kritik einer verfehlten Abgrenzungsmethode wird begründet mit späteren
Erkenntnissen und nachträglich zur Praxisanwendung gelangten
Berechnungsverfahren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur - fehlenden -
Erforderlichkeit des Nassabgrabungsverbotes geht in erster Linie zurück auf 1975
erlassene ministerielle Richtlinien, die das DVGW-Arbeitsblatt W 101 in der Fassung
von 1975 einbeziehen; in dieser Fassung des Arbeitsblattes ist das Aufdecken von
Grundwasser nicht als eine der Maßnahmen aufgeführt, die in der Schutzzone III B
"gefährlich und in der Regel nicht tragbar" sind (vgl. Nrn. 5.1.1 und 5.1.2.p). Es
erschließt sich jedoch nicht, dass es 1983 nach den örtlichen Gegebenheiten sowie
dem Stand der fachlichen Abschätzung des Gefährdungspotentials von
Nassabgrabungen eindeutig unvertretbar gewesen sein könnte, über den vorgenannten,
unmissverständlich nur beispielhaft gefassten Maßnahmenkatalog ("vor allem") mit
einem Nassabgrabungsverbot schon in der Schutzzone III B hinauszugehen. Das
Verwaltungsgericht hat im seinerzeitigen Urteil lediglich nicht die Überzeugung von
einem entsprechenden Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis gewinnen können. Das
Bundesverfassungsgericht -
73
Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, ZfW 1981, 283 (294) -
74
hatte die Interessenkollision zwischen dem Abbau von Sand und Kies sowie der
Wasserwirtschaft aufgrund der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen der Abbautätigkeit
schon vor 1983 ausdrücklich hervorgehoben.
75
Auszuschließen ist eine offensichtliche Unwirksamkeit des Nassabgrabungsverbotes für
die Vorhabenfläche auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte einem nach
Erlass der Schutzgebietsverordnung entstandenen Handlungsbedarf hinsichtlich einer
Änderung der Verordnung nicht Rechnung getragen haben könnte. Insofern kann offen
bleiben, in welchem Zeitraum ein Normgeber auf nachträgliche Veränderungen von für
76
die Wirksamkeit der Norm wesentlichen Gegebenheiten reagieren muss; ebenfalls kann
dahinstehen, welcher Zeitpunkt für die gerichtliche Prüfung einer Rechtsverletzung
durch die Weisungen maßgeblich ist. Denn Umstände, die zu dem Schluss führen
könnten, das Nassabgrabungsverbot sei in seiner gegenwärtigen räumlichen
Erstreckung auf die Vorhabenfläche offensichtlich unwirksam, liegen nicht vor. Die
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind, wie die eingehenden Ausführungen im
angegriffenen Urteil sowie der Beteiligten zur Auswertung differenzierter fachlicher
Stellungnahmen widerspiegeln, vielschichtig sowie ersichtlich unterschiedlichen
Bewertungen zugänglich.
Was die Abgrenzung des Schutzgebietes anbelangt, ist eine zur Unverwertbarkeit
führende methodische Fehlerhaftigkeit des Gutachtens M2. vom Februar 2001
zumindest nicht völlig zweifelsfrei. Die Frage einer in der örtlich gegebenen
Grundwassersituation zwingenden Notwendigkeit einer instationären Berechnung
mittels eines numerischen Grundwassermodells ist schon naturwissenschaftlich nicht in
jeder Hinsicht klar beantwortet. Die Beklagte hält, fachlich beraten durch das StUA Köln,
die Methodik des Gutachters M2. für sachgerecht und sieht allenfalls zusätzlichen
Aufklärungsbedarf. Die beigebrachten fachlichen Äußerungen und Unterlagen belegen
die Richtigkeit der entgegengesetzten Ansicht nicht als gleichsam auf der Hand liegend.
So heißt es etwa in der von der Beigeladenen vorgelegten gutachterlichen
Stellungnahme des Lehrstuhls und Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der
RWTH B-.
77
vom Mai 2005 u. a., die extremale Betrachtung liege zwar auf der sicheren Seite,
verschenke aber gegebenenfalls Einsparpotentiale; im Kontext einer wirtschaftlichen
Lösung sollten daher echt instationäre Methoden zur Anwendung kommen, auf den
Einsatz instationärer numerischer Modelle zur Betrachtung von durch instationäre
Verhältnisse geprägten Fragestellungen könne nicht mehr verzichtet werden. Das
verdeutlicht fachliche Präferenzen, nicht aber zur offensichtlichen Unvertretbarkeit
führende grobe Fehler gerade des Gutachtens M2. . Bei der juristischen Bewertung der
fachlichen Meinungen zur Auswahl der Abgrenzungsmethode ist - unabhängig von
weiteren Aspekten - zu bedenken, ob der infrage stehende Mangel des Gutachtens M2.
die Unwirksamkeit der Festsetzung des gesamten Schutzgebietes oder doch der
Schutzzone III B nach sich ziehen würde. Der Sache nach geht es um den Nachweis
der fachlich korrekten und dem Kriterium der Erforderlichkeit (§ 19 WHG) genügenden
Abgrenzung des Einzugsgebietes. Die Vorhabenfläche selbst liegt jedenfalls auch nach
der im aktuellen Bewilligungsverfahren für die Wassergewinnungsanlage O. vom
Technologiezentrum Wasser L. erstellten instationären Abgrenzung des
Einzugsgebietes innerhalb desselben.
78
Im Hinblick auf die naturwissenschaftliche Abschätzung des Gefährdungspotentials von
Nassabgrabungen kann die Beklagte für ihre Auffassung auch auf Stellungnahmen des
StUA Köln und Äußerungen externer Gutachter verweisen. Im Entwurf für eine
Neufassung des einschlägigen DVGW-Arbeitsblattes W 101 vom Dezember 2004 wird
für Abgrabungen mit Freilegung des Grundwassers ein "sehr hohes"
Gefährdungspotential auch in einer Schutzzone III B angenommen. Der Senat hat -
79
Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 -
80
ein Nassabgrabungsverbot für eine Schutzzone III A als mit § 19 WHG vereinbar
betrachtet. Es ist auch in Ansehung insbesondere der von der Beigeladenen
81
beigebrachten fachlichen Äußerungen nicht offensichtlich, dass die hierfür maßgeblich
gewesenen fachlichen Grundlagen für das hier in Rede stehende Schutzgebiet nicht
zutreffen. Ebenfalls bedarf es einer umfassenden, vertieften Prüfung, ob die Bewertung,
nicht zuletzt unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit, auf die Schutzzone III B des
Wasserschutzgebietes O. zu übertragen ist.
War der Kläger hiernach verpflichtet, bei der Bescheidung des
Planfeststellungsantrages von der Wirksamkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 7, § 9 der
Schutzgebietsverordnung auszugehen, so war er des weiteren zur richtigen Anwendung
dieser Vorschriften verpflichtet; das bedeutet hier seine Verpflichtung, den
Planfeststellungsantrag abzulehnen. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Vorhabenfläche
von dem Nassabgrabungsverbot erfasst wird. Als Rechtsgrundlage für eine
Durchbrechung des Verbotes durch den Kläger im Einzelfall enthält die Verordnung
allein die Befreiungsregelung nach § 9. Die Befreiung kann erteilt werden, wenn Gründe
des Wohls der Allgemeinheit eine Abweichung erfordern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1) oder das
Verbot im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die
Abweichung mit den Belangen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des
Gewässerschutzes im Sinne der Verordnung, vereinbar ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2). Keine
dieser alternativen Voraussetzungen für die Ausübung von Ermessen ist erfüllt. Ein
Erfordernis des ausschließlich privatnützigen Vorhabens der Beigeladenen aus
Gründen des allgemeinen Wohls ist nicht zu erkennen; hiervon gehen die Beteiligten als
selbstverständlich aus. Es fehlt auch an einer offenbar nicht beabsichtigten Härte im
Einzelfall. Dieses Merkmal ist nach allgemeinem Verständnis gekennzeichnet durch das
Erfordernis eines atypischen Sachverhalts. Es muss ein Sonderfall gegeben sein, in
dem die Anwendung der Norm zu einem Ergebnis führen würde, das dem mit ihr
verfolgten Zweck nicht entspricht.
82
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 -; Urteil vom 8. Juni 2000 -
20 A 3644/98 -.
83
Der Sachverhalt muss dem Schutzgut der Norm entzogen sein. Als Sonderfall kommen
aber, wie das Merkmal "im Einzelfall" betont, nur Sachverhalte in Betracht, die nicht
durch Umstände geprägt sind, die bei einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle anzutreffen
sind. Denn die Orientierung an solchen Umständen betrifft den Geltungsanspruch der
Norm selbst und ist als deren Korrektur dem Normaufhebungs- bzw.
Normänderungsverfahren vorbehalten. Eine Norm, von deren Einhaltung selbst im
Regelfall zur Vermeidung von Unbilligkeiten befreit werden muss, ist bereits als Norm
durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.
84
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1972 - 4 C 69.70 -, BVerwGE 40, 268.
85
Die Notwendigkeit eines "aus der Regel" fallenden, vom Normgeber so nicht
vorausgesehenen Sachverhaltes besteht, obwohl die Befreiungsmöglichkeit bei einer -
wie hier - der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz
2 GG) dienenden Norm unmittelbar verknüpft ist mit der Wahrung der Anforderungen
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch den Normenkomplex insgesamt. Das
Wohl der Allgemeinheit ist Grund wie auch Grenze für die dem Eigentum
aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen
nicht weitergehen, als der legitime Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient.
86
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 -, BVerfGE 100, 226 (241).
87
Eine Befreiungsvorschrift gehört zu den Ausgleichsregelungen, die in den Fällen die
Verhältnismäßigkeit sicherstellt, in denen die Anwendung der für den Regelfall keine
unzumutbare Belastung des Eigentümers bewirkenden Norm ausnahmsweise die
Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschreiten würde. Eine Befreiung oder eine
sonstige Ausgleichsregelung ist dagegen kein taugliches Mittel, die grundsätzliche
Verhältnismäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung herbeizuführen. Das
belässt nicht die Möglichkeit, normativ ausdrücklich und genau umschriebene
tatbestandliche Voraussetzungen einer Befreiung durch eine allgemeine Prüfung der
Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolgen der Norm im Einzelfall zu ersetzen. Ein anderes
Verständnis des Zusammenhangs zwischen Norm und Befreiungsvorschrift ergibt sich
auch nicht aus dem Aspekt einer mit der Verfassung und der Ermächtigungsgrundlage
konformen Auslegung der Norm, die den Vorrang vor einer Verwerfung der Norm als mit
höherrangigem Recht unvereinbar besitzt. Die Auslegung einer Norm steht unter der
Zielsetzung der richtigen Erkenntnis des objektivierten Willens des Normgebers. Das
Ergebnis der der Norm zugrunde liegenden Abwägung der Belange darf nicht durch
rechtspolitische Erwägungen des Normanwenders, auch nicht des Gerichts, überspielt
werden. Daher sind namentlich der eindeutige Wortlaut und der Sinn und Zweck einer
Norm mit erheblichem Gewicht zu berücksichtigen. Eine maßgeblich die Vereinbarkeit
mit höherrangigem Recht in den Blick nehmende Auslegung hat deswegen nur dort
Raum, wo eine Norm nach den sonstigen anerkannten Auslegungsgrundsätzen
mehrere Deutungen zulässt; dann sind diejenigen Auslegungsmöglichkeiten
auszuschließen, die der Verfassung und dem sonstigen höherrangigen Recht zuwider
laufen.
88
Danach ist es dem Kläger verwehrt, für das Vorhaben der Beigeladenen die Befreiung
allein deswegen zu erteilen, weil ihm nach eigener Überzeugung und den Angaben der
Beigeladenen bei konkreter Betrachtung nicht die Besorgnis einer
Grundwasserbeeinträchtigung mit nachteiligen Folgen für die öffentliche
Wasserversorgung entgegengehalten werden kann. Zum einen bezweckt eine
Wasserschutzgebietsverordnung generell, den durch die Vorschriften vor allem des
Wasserhaushaltsgesetzes flächendeckend vermittelten Schutz gerade des
Grundwassers vor bei abstrakt-genereller Betrachtung typischen Gefahren noch zu
verbessern. Durch ein Verbot von Nassabgrabungen in einer
Wasserschutzgebietsverordnung soll bezogen auf die als typischerweise besonders
gefährlich eingestuften Vorhaben dieser Art die Schwelle der Eintrittswahrscheinlichkeit
von Beeinträchtigungen gegenüber dem ohnehin kraft Gesetzes geltenden
Schutzstandard nach §§ 6, 34 WHG gesenkt werden.
89
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 -.
90
Von diesem Schutzziel schon dann abzurücken, wenn unter den konkreten
Bedingungen eines bestimmten Vorhabens ein Schadenseintritt nicht wahrscheinlich ist
-
91
vgl. Bay. VGH, Urteil vom 5. April 1990 - 22 B 89.3191 -, NVwZ 1990, 998 -,
92
hieße, den normativen Charakter des Verbotes auszublenden und letztlich das
Schutzziel selbst zu ändern. Der Einwand, die dem normmäßigen Verbot als typisch
vorausgesetzte Gefährdungslage bestehe konkret nicht, läuft darauf hinaus, dem
Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im konkreten Einzelfall entgegen der
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Funktion der Verordnung als Norm -
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1970 - 4 C 99.67 -, DÖV 1970, 713 -
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entscheidende Bedeutung beizumessen. Das ist verfehlt. Würde die Befreiung nach
Maßgabe allein des allgemeinen wasserwirtschaftlichen Besorgnisgrundsatzes erteilt,
wäre die Verbotsregelung in einer Schutzgebietsverordnung als solche überflüssig; ihre
Bedeutung wäre reduziert auf diejenige eines Mittels zur Sicherung der Aufmerksamkeit
hinsichtlich der Beachtung des ohnehin einzuhaltenden Besorgnisgrundsatzes. Zum
anderen werden durch § 4 Abs. 2 Nr. 7 Wasserschutzgebietsverordnung O.
Nassabgrabungen in der Schutzzone III B einem uneingeschränkten Verbot
unterworfen, und zwar dem Wortlaut nach nicht nur solche, deren Zulassung oder
Änderung erst nach Inkrafttreten der Verordnung ansteht. Ferner ist das Verbot während
der Nassabgrabungstätigkeit am/im N2. See festgesetzt worden; gesonderte
Ausnahmeregelungen für den Fall einer bei solchen auf die Gewinnung von Rohstoffen
gerichteten Vorhaben wegen des unvermeidlichen Flächenverbrauchs vielfach
auftretenden betrieblichen Nachfrage, zur Standortsicherung auf benachbarte und
bislang nicht zur Abgrabung freigegebene Flächen zugreifen zu dürfen, sind nicht
getroffen worden. Schließlich stimmt § 9 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung mit der
klassischen Umschreibung des Dispenses und vergleichbaren Befreiungsvorschriften
überein und greift so erkennbar das seit langem anerkanntermaßen geltende
Verständnis der Erforderlichkeit eines atypischen Sonderfalles im Sinne besonderer
Umstände auf.
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Ein solcher atypischer Sachverhalt liegt nicht vor. Der standortspezifischen
Begutachtung durch den Sachverständigen U. lassen sich ebenso wenig wie den
sonstigen gutachterlichen Stellungnahmen, vor allem auch denjenigen des Gutachters
C1. , genügend Anhaltspunkte für nur und gerade im Bereich der Vorhabenfläche
anzutreffende Besonderheiten hinsichtlich des mit dem Nassabgrabungsverbot
bezweckten Grundwasserschutzes entnehmen. Vielmehr werden in den
Stellungnahmen gutachterlich in Erwägung gezogene Gefährdungsfaktoren daraufhin
betrachtet, ob sie an Ort und Stelle zum Tragen kommen, und werden hierbei generelle
Erkenntnisse sowie Kriterien berücksichtigt, ohne dass eine besonders gelagerte
Situation der Vorhabenfläche deutlich würde. Insbesondere ergibt sich nicht, dass die
Erweiterung des vorhandenen Baggersees, gemessen an der dem
Nassabgrabungsverbot zugrunde liegenden Gefährdungsabschätzung und
Interessengewichtung, als atypischer Gesichtspunkt einzuordnen ist. Das spiegelt sich
im Planfeststellungsbeschluss wider, in dem unter Auswertung der gutachterlichen
Erkenntnisse darauf abgehoben wird, ob eine Gefährdung des Grundwassers und der
öffentlichen Wasserversorgung konkret zu besorgen ist. Die Überlegung im
Planfeststellungsbeschluss, ein Anspruch auf Genehmigung bestehe im Falle der
Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Schutzzweck der Schutzgebietsverordnung, und
zwar ungeachtet der in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen für eine
Befreiung, wird, wie ausgeführt, dem Schutzkonzept der Verordnung und dem hiermit
bezweckten Schutzstandard nicht gerecht.
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Die im Hinblick auf das Gefährdungspotential von Nassabgrabungen und dessen
Beherrschung durch neuere Untersuchungen und Stellungnahmen, vor allem die
Ergebnisse des KABA-Projekts, die Fassung des DVGW-Arbeitsblattes W 101 aus dem
Jahre 1995 sowie den aktuellen Entwurf einer Neufassung des Arbeitsblattes erzielten
und verdeutlichten Erkenntnisfortschritte gegenüber dem naturwissenschaftlichen
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Kenntnisstand bei Erlass der Schutzgebietsverordnung im Jahre 1983 führen -
unabhängig von dem oben hierzu Gesagten - ebenfalls nicht auf einen spezifisch die
Vorhabenfläche betreffenden Sonderfall. Betroffen vom aktuellen Erkenntnisstand ist
das Schutzgebiet insgesamt. Gleiches gilt in Bezug auf die gutachterlichen Methoden
für die Abgrenzung eines Wasserschutzgebietes unter den hier anzutreffenden
Bedingungen wechselnder Grundwasserverhältnisse.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO,
§ 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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