Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.06.2000

OVG NRW: windkraftanlage, verfügung, aufschiebende wirkung, gemeinde, grundstück, verwaltungsakt, verwaltungsverfahren, windenergieanlage, genehmigung, ersetzung

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 2235/99
Datum:
15.06.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 2235/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 3 K 2210/97
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Pächter des ringsum von Freiflächen umgebenen Grundstücks
Gemarkung I. , Flur 20, Flurstück 206, in I. , das im Flächennutzungsplan der
Beigeladenen als Fläche für die Land- und Forstwirtschaft dargestellt ist. Das rund
24.000 qm (400 m x 60 m) große Grundstück liegt südwestlich der Ansiedlung T.
unterhalb der Geländekuppe Laubeshöhe zwischen 150 m und 200 m von den
nächstgelegenen Wohnhäusern entfernt. Weiter südwestlich verläuft die Landstraße L
17 von C. nach I. .
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Im Januar 1994 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Genehmigung zur
Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Seewind 20/110 mit einer Nennleistung
von 110 kW, einer Nabenhöhe von 28,2 m über Gelände und einem Rotordurchmesser
von 20,0 m. Die Umlaufgeschwindigkeit des Rotors liegt je nach Windstärke zwischen
1.000 und 1.500 U/Std.. Nach einer Untersuchung des Deutschen Windenergie-Instituts
wird bei einer Windgeschwindigkeit von 8 m/s - gemessen in 10 m Höhe - ein
Schallleistungspegel von 95 dB(A) erreicht.
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Die Anlage sollte auf dem vorbezeichneten Grundstück im Abstand von etwas mehr als
30 m zur L 17 und von der südöstlichen Grenze des Flurstücks 206 ungefähr 140 m
entfernt aufgestellt werden. Auf dem Grundstück befand sich bereits im Zeitpunkt des
Bauantrags etwa 100 m südöstlich des vorgesehenen Aufstellungsortes eine
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gleichartige Windkraftanlage.
Die Beigeladene versagte ihr Einvernehmen zum Bauantrag mit der Begründung, es
handele sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich, das öffentliche
Belange beeinträchtige.
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Der Beklagte verpflichtete daraufhin die Beigeladene mit Verfügung vom 21. April 1994
das Einvernehmen herzustellen und drohte ihr für den Fall, dass dies nicht innerhalb der
gesetzten Frist geschehen sollte, die Ersatzvornahme an.
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Der Bau- und Planungsausschuss der Beigeladenen entschied am 3. Mai 1994, der
Verfügung nicht nachzukommen. Ohne Einberufung einer Ratssitzung wurden am 4.
Mai 1994 auf Empfehlung des Bau- und Planungsausschusses im Wege der
Dringlichkeitsentscheidung nach § 43 Abs. 1 GO NW ein Aufstellungsbeschluss über
die 17. Änderung des Flächennutzungsplans - T. -berg - gefasst, die auch das Flurstück
206 einbezog, und die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 48 "T. - Auf der H. " sowie
eine Satzung über eine Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplans Nr.
48 "T. - Auf der H. " beschlossen.
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Die Beigeladene erhob Klage gegen die Verfügung des Beklagten vom 21. April 1994.
Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht blieb
erfolglos.
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Am 11. Mai 1994 erklärte der Beklagte im Wege der Ersatzvornahme das Einvernehmen
der Beigeladenen zum Baugesuch des Klägers und erteilte ihm eine
Teilbaugenehmigung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Der Antrag der
Beigeladenen beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung des gegen die
Teilbaugenehmigung eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen, wurde abgelehnt.
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Gegen die Ersetzung des Einvernehmens erhob die Beigeladene Klage.
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In der Folgezeit errichtete der Kläger die umstrittene Windkraftanlage und erhielt dafür
am 4. Juli 1994 die endgültige Baugenehmigung. Darin wurde ihm unter anderem
aufgegeben, beim Betrieb der Anlage bestimmte - dort näher bezeichnete - Lärmwerte
einzuhalten.
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Im Herbst 1994 genehmigte der Beklagte eine dritte Windenergieanlage 200 m
südwestlich der auf dem Flurstück 206 aufgestellten Anlagen. Die Baugenehmigung für
diese Windkraftanlage ist bestandskräftig.
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Mit Urteil vom 11. Januar 1996 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung des
Beklagten vom 11. Mai 1994 auf, weil dieser sein Ermessen bei der Ersetzung des
Einvernehmens fehlerhaft ausgeübt habe. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der
Kläger zurück.
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Der Beklagte half daraufhin dem Widerspruch der Beigeladenen gegen die dem Kläger
erteilte Baugenehmigung vom 4. Juli 1994 mit Bescheid vom 4. Dezember 1996 ab,
indem er die besagte Baugenehmigung aufhob und den Bauantrag des Klägers von
Januar 1994 ablehnte. Der an die Beigeladene adressierte Bescheid wurde dem Kläger
per Einschreiben zugestellt. Eine Rechtsmittelbelehrung war beigefügt.
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Den Widerspruch des Klägers gegen den Abhilfebescheid wies die Bezirksregierung L.
mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1997 im Hinblick auf das fehlende
Einvernehmen der Beigeladenen zurück.
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Der Kläger hat am 25. Juli 1997 Klage erhoben und beantragt,
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die Abhilfeentscheidung des Beklagten vom 4. Dezember 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 21. Juli 1997 aufzuheben.
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Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beschloss der Rat der Beigeladenen
am 17. November 1998 die 20. Änderung des Flächennutzungsplans, mit der bestimmte
Flächen des Gemeindegebiets als Sondergebiete für die Aufstellung von
Windkraftanlagen dargestellt wurden. Die Bezirksregierung L. genehmigte den
geänderten Plan mit Verfügung vom 7. Dezember 1998. Die Änderung wurde
zusammen mit der Genehmigung am 19. Dezember 1998 veröffentlicht.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. März 1999 abgewiesen und -
ausgehend von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung -
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die dem Kläger erteilte Baugenehmigung
sei rechtswidrig, da dem im Außenbereich verwirklichten Vorhaben öffentliche Belange
entgegen stünden. Für Anlagen der fraglichen Art habe die Beigeladene durch
Darstellungen im Flächennutzungsplan Gebiete an anderer Stelle ausgewiesen.
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Das Urteil ist dem Kläger am 16. April 1999 zugestellt worden. Auf seinen am 27. April
1999 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 21.
September 1999 - dem Kläger zugestellt am 27. September 1999 - die Berufung
zugelassen. Am 25. Oktober 1999 hat der Kläger die Berufung begründet und einen
Berufungsantrag gestellt.
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Er trägt vor, dass es für die Rechtmäßigkeit der Abhilfeentscheidung entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage bei Erteilung der
Baugenehmigung ankomme. Damals habe er einen Anspruch auf die Baugenehmigung
gehabt. Nach der Änderung des BauGB zum 1. Januar 1997, mit der die Privilegierung
von Windenergieanlagen im Außenbereich normiert worden sei, habe Anlass
bestanden, erneut das Einvernehmen der Beigeladenen einzufordern. Die am 4. Mai
1994 vom Rat der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre habe dem
Vorhaben nicht entgegen gestanden. Dem Beschluss sei nicht zu entnehmen gewesen,
welche positiven planerischen Vorstellungen der Rat entwickelt habe. Vielmehr habe
die beschlossene Veränderungssperre ausschließlich den Zweck verfolgt, die
Windkraftanlage zu verhindern. Auch wenn man den Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung als für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ansehen
wolle, sei der angefochtene Abhilfebescheid aufzuheben. Die Beigeladene habe
damals ihr Einvernehmen erteilen müssen, da sie nicht gemäß § 245 b BauGB
beantragt habe, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen
auszusetzen. Der Flächennutzungsplan in der heutigen Fassung sei ein Instrument zur
Verhinderung von Windkraftanlagen. Die als Windenergiekonzentrationszonen
dargestellten Flächen seien von Wald mit bis zu 30 m hohen Bäumen umgeben. Der
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Wind werde dort unterhalb der Baumkronen fast gänzlich absorbiert, so dass nur
Windkraftanlagen auf den besagten Flächen betrieben werden könnten, die erheblich
größer und teurer als die streitbefangene Anlage seien. Zudem lasse sich der jetzige
Standort nicht von Windenergieanlagen freihalten, da dort zumindest eine Anlage stehe,
die Bestandsschutz genieße. Wegen der bestehenden drei Windkraftanlagen hätte an
deren Standort bei der Änderung des Flächennutzungsplans ebenfalls eine
Windenergiekonzentrationszone ausgewiesen werden können.
Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu
erkennen,
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hilfsweise,
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den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Baugenehmigung zur Errichtung einer
Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 20, Flurstück 206,
entsprechend seinem Bauantrag vom 23. Januar 1994 zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Änderung des BauGB vermittle
dem Kläger kein Baurecht, denn sie sei gleichwohl nicht verpflichtet gewesen, ihr
Einvernehmen zu erteilen. Der Rat habe bereits am 10. Dezember 1996 beschlossen,
eine Änderung des Flächennutzungsplans zur Darstellung von Sondergebieten für die
Aufstellung von Windkraftanlagen durchzuführen. Veranlassung für einen Antrag nach §
245 b BauGB habe es in diesem Zusammenhang nicht gegeben, weil insoweit keine
Bauvoranfragen oder Bauanträge zur Entscheidung angestanden hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, den der Akten des Verwaltungsgerichts Aachen in den Verfahren 3 L
2175/97, 3 K 3880/93, 4 K 2625/94, 4 K 2944/94 (Beiakte Heft 3 und 5 bis 7) und den
der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakte Heft 1 und 4) sowie der Beigeladenen
(Beiakte Heft 8 und 9) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit sich die Klage gegen Ziffer 1 des Abhilfebescheides vom 4. Dezember 1996
richtet, mit der die Baugenehmigung des Beklagten vom 4. Juli 1994 zur Errichtung
einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 20, Flurstück 206,
aufgehoben worden ist (Hauptantrag), ist sie als Anfechtungsklage zulässig.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Klagebegehren des Klägers
zunächst nicht darauf gerichtet, die unter Ziffer 2 des Abhilfebescheides versagte
Baugenehmigung zu erstreiten. Die mit Ziffer 2 getroffene Regelung ist in zeitlicher und
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rechtlicher Hinsicht der Regelung in Ziffer 1 nachgeordnet. Würde auf die
Anfechtungsklage des Klägers hin Ziffer 1 des Abhilfebescheides aufgehoben, hätte die
ihm am 4. Juli 1994 erteilte Baugenehmigung weiterhin Bestand und die Ablehnung
seines Bauantrags vom 23. Januar 1994 ginge ins Leere.
Bei dem so verstandenen Rechtsschutzbegehren des Klägers kommt seiner
weitergehenden Klage - Aufhebung des Abhilfebescheides bezüglich Ziffer 2 - nur
hilfsweise Bedeutung für den Fall zu, dass er mit seinem Anfechtungsantrag gegen
Ziffer 1 des Abhilfebescheides erfolglos bleibt. Insofern erweist sich der in der
mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag als eine Präzisierung
des ursprünglichen auf Ziffer 2 bezogenen Aufhebungsantrags, der gemäß § 42 Abs. 1
VwGO zulässig ist.
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Die Klage ist jedoch weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag begründet.
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Ziffer 1 des angefochtenen Abhilfebescheides vom 4. Dezember 1996 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 21. Juli 1997 - soweit er sich dazu
verhält - sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.
1 Satz 1 VwGO).
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Für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Baugenehmigung spielt es keine Rolle,
dass sie im Rahmen der Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO erfolgt und der
betreffende Bescheid ausschließlich an die Beigeladene adressiert ist. Eines
gesonderten auf Aufhebung der Baugenehmigung gerichteten Verwaltungsverfahrens
gegen den Kläger bedurfte es nicht. Der Beklagte konnte die Wirksamkeit der im
Abhilfebescheid ausgesprochenen Rücknahme der Baugenehmigung auch dem Kläger
gegenüber herbeiführen, indem er diesem den Abhilfebescheid bekanntgegeben hat.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten
bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Mit der
Bekanntgabe erlangt der Verwaltungsakt ihm gegenüber Wirksamkeit.
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Der Kläger ist von der Abhilfeentscheidung betroffen, da ihm durch sie eine zuvor
eingeräumte Rechtsposition wieder entzogen wird. Der Verwaltungsakt ist ihm per
Einschreiben übersandt und damit in einer nicht zu beanstandenden Form
bekanntgegeben worden. Bei der Übersendung handelte es sich auch nicht um eine
bloß informatorische Übermittlung. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung macht
vielmehr deutlich, dass der Beklagte dem von den Regelungen der Abhilfeentscheidung
betroffenen Kläger den Verwaltungsakt eröffnen wollte, um die für deren Bestandskraft
maßgeblichen Rechtsmittelfristen in Lauf zu setzen.
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Die Formulierung der in Ziffer 1 getroffenen Regelung ist hinreichend bestimmt. Die
genaue Bezeichnung der Baugenehmigung im Betreff des Abhilfebescheides stellt
ergänzend klar, dass die dem Kläger unter dem 4. Juli 1994 erteilte Baugenehmigung
zur Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 20,
Flurstück 206, aufgehoben wird.
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Der Beklagte hat die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 4. Juli 1994 zu Recht
aufgehoben, da der von der Beigeladenen dagegen eingelegte Widerspruch begründet
ist (§ 72 VwGO). Die Baugenehmigung war rechtswidrig. Die Auswertung des dem
Senat vorliegenden Kartenmaterials ergibt, dass sich der Standort der streitbefangenen
Windkraftanlage im planungsrechtlichen Außenbereich der Beigeladenen (§ 35 BauGB)
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befindet. Davon sind auch die Beteiligten bisher ausgegangen. Zweifel an dieser
Bewertung hat der Kläger nicht vorgetragen. Über die Zulässigkeit eines Vorhabens,
das im Außenbereich errichtet werden soll, hat die Baugenehmigungsbehörde gemäß §
36 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Einvernehmen mit der betroffenen Gemeinde zu
entscheiden. Die Beigeladene hat jedoch ihr Einvernehmen versagt.
Dass der Beklagte mit Verfügung vom 11. Mai 1994 das Einvernehmen der
Beigeladenen zum Baugesuch des Klägers ersetzt hatte, vermag diesen Mangel nicht
zu beheben, denn die Verfügung ist nicht bestandskräftig geworden. Auf die Klage der
Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht sie aufgehoben, so dass im Zeitpunkt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 21. Juli 1997 das erforderliche
Einvernehmen der Beigeladenen fehlte. Auf diesen Zeitpunkt kommt es hier an.
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Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist auf
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im
Verwaltungsverfahren abzustellen. Dies ist regelmäßig der sich auf den angefochtenen
Verwaltungsakt beziehende Widerspruchsbescheid, mit dem das Verwaltungsverfahren
abgeschlossen wird. Anhaltspunkte dafür, dass hier zugunsten des Klägers
ausnahmsweise ein anderer Zeitpunkt als maßgeblich angesehen werden kann, liegen
nicht vor. Die vom Kläger vertretene Auffassung, die Baugenehmigung vom 4. Juli 1994
müsse als letzte Behördenentscheidung im vorgenannten Sinne gelten, weil die
nachfolgenden Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen
lediglich Innenwirkung gehabt hätten, verkennt, dass der Abhilfebescheid nach dem
Willen des Beklagten auch im Verhältnis zum Kläger Wirkung entfalten sollte, der Kläger
dies - was der dagegen eingelegte Widerspruch nahelegt - auch so aufgefasst hat und
der Widerspruchsbescheid an ihn ergangen ist.
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Die Baugenehmigungsbehörde darf sich über das versagte Einvernehmen der
Gemeinde nicht hinwegsetzen. Dies gilt selbst dann, wenn die Zustimmung nach § 36
Abs. 1 Satz 1 BauGB rechtswidrig verweigert worden ist. Der Gesetzgeber hat der
Gemeinde insoweit im Hinblick auf ihre Planungshoheit eine starke Position
eingeräumt, die sich bei unterschiedlicher Auffassung über die materiellrechtliche
Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens gegenüber der Baugenehmigungsbehörde im
Verwaltungsverfahren durchsetzt. In einem sich anschließenden
verwaltungsgerichtlichen Verfahren fällt deshalb dem Baubewerber die Klägerrolle zu
und er muss in einem Verpflichtungsprozess die ihm vorenthaltene Baugenehmigung
erstreiten. Wegen dieser gesetzlich vorgegebenen Rollenverteilung ist das Gericht
gehindert, das rechtswidrig versagte Einvernehmen der Gemeinde in einem
Anfechtungsprozess zu ersetzen, mit dem sich die Gemeinde gegen eine ohne ihre
Zustimmung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erteilte Baugenehmigung wendet.
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Vgl.: BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 - 4 C 43.83 -, BRS 46 Nr. 142, S. 318f.; VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 23. Mai 1995 - 8 S 3600/94 -, BRS 57 Nr. 200;
Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 1 L 5673/92 -, BRS 56 Nr. 150,
S. 391.
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Nachdem das Verwaltungsgericht die Verfügung des Beklagten, mit der das
Einvernehmen der Beigeladenen ersetzt worden war, aufgehoben und das Urteil
Rechtskraft erlangt hatte, war die Baugenehmigung ohne Rücksicht auf die
Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aufzuheben.
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Die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Baugenehmigung zur Errichtung einer
Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 20, Flurstück 206,
entsprechend seinem Bauantrag vom 23. Januar 1994 zu erteilen, kann der Kläger nicht
verlangen. Der darauf gerichtete Hilfsantrag ist unbegründet.
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Ziffer 2 des Abhilfebescheides des Beklagten vom 4. Dezember 1996 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 21. Juli 1997 - soweit er sich darauf
bezieht - sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.
5 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung der beantragten
Baugenehmigung, da seinem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften
entgegenstehen (§§ 63 Abs. 1, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW). Dabei kommt es für die
Begründetheit des Verpflichtungsantrages auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung an.
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Dass die Zustimmung der Beigeladenen zum Bauvorhaben des Klägers nach wie vor
fehlt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, denn auf die Verpflichtungsklage
des Bauantragstellers hin kann das Gericht das rechtswidrig versagte Einvernehmen
der Gemeinde ersetzen und die Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der
Bauerlaubnis verpflichten.
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Vgl.: BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 - 4 C 43.83 -, a.a.O..
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Die Voraussetzungen für eine Entscheidung zugunsten des Klägers liegen allerdings
nicht vor. Sein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben ist mit den
bauplanungsrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar.
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Wie oben erwähnt, befindet sich der Aufstellungsort der bereits errichteten
Windkraftanlage im Außenbereich der Beigeladenen. Dort sind die gemäß § 35 Abs. 1
BauGB privilegierten Vorhaben - zu denen das Vorhaben des Klägers zählt (§ 35 Abs. 1
Nr. 6 BauGB) - nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die
ausreichende Erschließung gesichert ist.
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Der Windkraftanlage, die der Kläger zum Gegenstand seines Bauantrags gemacht hat,
stehen öffentliche Belange entgegen. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist dies bei einem
Vorhaben, welches nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegiert ist, in der Regel auch
dann der Fall, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziel
der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.
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So ist es hier. Die Beigeladene hat in ihrem Flächennutzungsplan bei Oberreifferscheid,
Losheim und Kehr Sondergebiete zur Aufstellung von Windkraftanlagen dargestellt.
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Durchgreifende Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der 20. Änderung des
Flächennutzungsplans, mit der die besagten Vorrangflächen für die Nutzung der
Windkraft ausgewiesen worden sind, lassen sich nicht erkennen. Eine Verletzung von
rügepflichtigen Verfahrens- und Formvorschriften wäre ohnehin gemäß § 215 Abs. 1
BauGB unbeachtlich.
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Anhaltspunkte für Mängel im Abwägungsvorgang zu Lasten des Klägers vermag der
Senat nicht festzustellen. Die Behauptung des Klägers, der Flächennutzungsplan sei
allein zu dem Zweck geändert worden, um Windenergieanlagen auf dem
Gemeindegebiet der Beigeladenen zu verhindern, ist unsubstantiiert und beruht auf
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Vermutungen oder Unterstellungen. Sie findet in den Unterlagen zur 20. Änderung des
Flächennutzungsplans keine Stütze. Der bloße Hinweis darauf, dass der um die neu
ausgewiesenen Flächen befindliche Waldbestand eine Höhe von bis zu 30 m habe,
womit der Wind fast gänzlich unterhalb der Baumkronen absorbiert werde, bietet keine
Veranlassung, der besagten Behauptung weiter nachzugehen. Angesichts der
insgesamt drei ausgewiesenen Vorrangflächen hätte es näherer Ausführungen dazu
bedurft, weshalb auf keiner dieser Flächen Windkraftanlagen angesiedelt werden
können, zumal der Kläger selbst eingeräumt hat, dass sich größere Anlagen dort
durchaus betreiben lassen. Nach dem Erläuterungsbericht zur 20. Änderung des
Flächennutzungsplans weisen die dargestellten Windkraftkonzentrationszonen in 50 m
Höhe sehr gute Windverhältnisse auf. Damit steht fest, dass die genannten Flächen für
Windkraftanlagen mit entsprechender Nabenhöhe geeignet sind. Der Umstand, dass die
Flächen möglicherweise nicht für Anlagen jeder Größenordnung günstige
Betriebsbedingungen bieten, stellt die Planungsentscheidung nicht in Frage. Dass die
dem Kläger gehörende Windenergieanlage auf keiner der Vorrangflächen wirtschaftlich
betrieben werden könnte, ist im Übrigen weder den Unterlagen zur Planänderung zu
entnehmen, noch hat der Kläger dies substantiiert dargelegt.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Plan an formellen oder materiellen
Mängeln leidet, die ohne Rüge beachtlich wären.
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Gründe, wonach entgegen der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die anderweitige
Ausweisung von Windenergiekonzentrationszonen dem Vorhaben des Klägers
ausnahmsweise nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden kann, bestehen
nicht.
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Allein die Tatsache, dass in der Nähe des streitbefangenen Objektes eine genehmigte
und bestandsgeschütze Windkraftanlage steht, rechtfertigt keine solche Ausnahme.
Andernfalls würde die planerische Entscheidung der Gemeinde, Windkraftanlagen auf
bestimmten Flächen des Gemeindegebietes zu konzentrieren, leerlaufen.
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Auf die Möglichkeit, wegen der im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens
bekannt gemachten 20. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen und
der damit unter Umständen einhergehenden Erledigung des Bauantragsverfahrens
einen Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Fortsetzungsfeststel-lungsantrag) zu
stellen, brauchte der Senat den anwaltlich vertretenen Kläger nicht ausdrücklich
hinzuweisen. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte vor der
Bekanntmachung der Flächennutzungsplanänderung verpflichtet gewesen ist, die mit
dem Hilfsantrag begehrte Baugenehmigung zu erteilen, hat der Kläger nicht erkennen
lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in
Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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