Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.11.2001

OVG NRW: grundsatz der prozessökonomie, anspruch auf rechtliches gehör, körperliche behinderung, schutz der menschenwürde, eingriff in grundrechte, treu und glauben, eltern, schulausbildung, besuch

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 870/01
Datum:
15.11.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 870/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 10 K 1996/99
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 8.000,- DM
festgesetzt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
2
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen
Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die
Fortsetzungsfeststellungsklage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen, so
dass dahinstehen kann, ob die Klage entsprechend der Auffassung des
Verwaltungsgerichts auch unbegründet ist. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse
an der beantragten Feststellung, die Ablehnung seiner integrativen Beschulung in der
gymnasialen Oberstufe wegen des bei ihm vorliegenden sonderpädagogischen
Förderbedarfs durch den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1997 und ihren
Widerspruchsbescheid vom 17. März 1999 sei rechtswidrig gewesen.
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Ein berechtigtes Feststellungsinteresse setzt unter dem geltend gemachten
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr
voraus, dass die Beklagte unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnissen erneut im Wesentlichen gleiche Entscheidungen trifft, wie sie
der Kläger für rechtswidrig hält. Die theoretisch denkbare Möglichkeit der Wiederholung
genügt diesen Anforderungen nicht, da auch unter Berücksichtigung des von Art. 19
Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes die Fortsetzungsfeststellungsklage
nicht der Klärung von Rechtsfragen dient, die für den Kläger künftig irgendwann einmal
vielleicht (wieder) von Bedeutung sein könnten. Vielmehr können nur solche
Rechtsfragen geklärt werden, deren Entscheidung für die Beteiligten als Richtschnur für
künftiges Verhalten von praktischer Bedeutung ist, weil sich ein vergleichbarer
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Sachverhalt schon wieder konkret abzeichnet und sein Eintritt in absehbarer Zeit nicht
nur theoretisch möglich erscheint.
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. August 1993 - 6 C 7/93 - , NVwZ-RR 1994, 234 (234);
OVG NRW, Beschluss vom 13. März 1996 - 19 A 4313/94 -, m. w. N.
5
Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger, der seit dem Schuljahr 2000/2001 das R. - W.
Berufskolleg für Hörgeschädigte in E. besucht, hat bereits keine konkreten
Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine erneute Entscheidung der Beklagten über
einen (fortbestehenden) sonderpädagogischen Förderbedarf erforderlich werden
könnte. Es ist nicht hinreichend konkret abzusehen, dass der Kläger in überschaubarer
Zeit den Besuch einer Schule im Zuständigkeitsbereich der Beklagten anstrebt. Er
verweist insoweit lediglich auf die ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht
begründende theoretische Möglichkeit eines solchen Schulwechsels.
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Ein berechtigtes Rehabilitierungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn der Kläger durch
die Ablehnung seines Antrags auf sonderpädagogische Förderung, die Begründung der
Ablehnung oder die Umstände der Ablehnung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage in seinen Grundrechten, seinem
gesellschaftlichen oder sonstigen Ansehen in beachtlicher Weise beeinträchtigt ist und
die fortwirkenden Benachteiligungen nur durch eine gerichtliche Entscheidung
ausgeglichen werden können.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. März 2000 - 19 A 364/99 -, und 13. März 1996 - 19
A 4313/94 -, jeweils m. w. N.
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Der geltend gemachte Eingriff in Grundrechte (Schutz der Menschenwürde,
Persönlichkeitsrecht des Klägers, Erziehungsrecht seiner Eltern, Recht des Klägers auf
Erziehung und Bildung) sowie die behaupteten Verstöße gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör und das Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
begründen deshalb für sich allein unbeschadet der Frage, ob überhaupt ein beachtlicher
Eingriff in bzw. Verstoß gegen die genannten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen
vorliegt, kein berechtigtes Feststellungsinteresse. Auch bei behaupteten
Grundrechtsverletzungen ist die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zulässig,
wenn der Kläger dadurch noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die
Fortsetzungsfeststellungsklage objektiv (fortwirkend)in seinen Grundrechten
beeinträchtigt ist.
9
OVG NRW, Beschluss vom 13. März 1996 - 19 A 4313/94 -, m. w. N.
10
Aus den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
ergibt sich nichts anderes. Aus diesen Entscheidungen folgt vielmehr, dass ein
berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung davon abhängig gemacht
werden darf, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die
Fortsetzungsfeststellungsklage noch abträgliche Nachwirkungen des erledigten
Verwaltungsakts fortbestehen, ob - bei Verletzung eines Persönlichkeitsrechts - die
Verletzung irreparabel, d. h. fortwirkend ist, und dass einem berechtigten
Fortsetzungsfeststellungsinteresse grundsätzlich nicht entgegensteht, dass der Kläger
sein Feststellungsbegehren auf eine Aufklärung nur schwer zugänglicher (fortwirkender)
Benachteiligungen stützt.
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BVerwG, Urteile vom 3. Mai 1988 - 7 C 92/86 -, NWVBl 1988, 326 (327), und 21.
November 1980 - 7 C 18/79 -, BVerwGE 61, 164 (166 f.).
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Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden, dass ein berechtigtes
Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann anzunehmen ist, wenn eine frühere
Grundrechtsverletzung im Zeitpunkt der Entscheidung über die
Fortsetzungsfeststellungsklage nicht mehr fortwirkt.
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Eine objektiv fortdauernde Grundrechtsverletzung oder eine Beeinträchtigung sonstiger
berechtigter Interessen des Klägers lässt sein Vortrag nicht erkennen.
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Er trägt zwar unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zutreffend vor, dass im Falle der Nichtversetzung eines
Schülers ein fortwirkender den Schüler benachteiligender Eingriff in das Recht auf
Erziehung und Bildung in Betracht kommen kann, weil die Nichtversetzung sich etwa
auf Grund einer Verzögerung bzw. Verlängerung der Schulausbildung auf die weitere
schulische und berufliche Laufbahn und Entwicklung des Schülers nachteilig auswirken
kann.
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BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1983 - 7 C 39/83 -, NVwZ 1984, 794, und 14. Juli
1978 - 7 C 11/76 -, BVerwGE 56, 155 (156 f.).
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Abgesehen davon, dass hieraus nicht schlechthin ein berechtigtes
Rehabilitierungsinteresse hergeleitet werden kann, weil nicht selten eine
Nichtversetzung im wohlverstandenen Interesse eines Schülers liegen und seine
weitere Bildung und Entwicklung positiv beeinflussen kann,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257 (274);
OVG NRW, Beschluss vom 1. Oktober 1997 - 19 A 2453/96 -,
18
hat der Kläger keine fortwirkende Beeinträchtigung seiner schulischen und beruflichen
Entwicklung infolge der ablehnenden Entscheidung der Beklagten aufgezeigt. Nach
seinem Vortrag im Zulassungsverfahren ist nicht ersichtlich, dass seine schulische
Ausbildung durch die Entscheidung der Beklagten verzögert oder verlängert worden ist.
Er trägt nämlich vor, dass seine Ausbildung an der privaten Ergänzungsschule, der H. -
Schule in W. , ab August 1998 so angelegt gewesen sei, dass er innerhalb von drei
Jahren die erforderlichen "Kenntnisse anhand der Richtlinien und Lehrpläne für die
Gymnasien des Landes Nordrhein- Westfalen (bei integrativer Unterrichtung)" hätte
erwerben können, um das Abitur im Wege der Nichtschülerprüfung zu erwerben.
Danach hätte er, wenn er seine Schulausbildung bei normalem Verlauf an der H. -
Schule abgeschlossen hätte, das angestrebte Abitur zum gleichen Zeitpunkt wie bei der
angestrebten integrativen Beschulung an einem öffentlichen Gymnasium erlangt. Im
Übrigen ist der Vortrag des Klägers, auf Grund der ablehnenden Entscheidung der
Beklagten sei ihm in deren Zuständigkeitsbereich eine Schulausbildung an öffentlichen
allgemeinen Schulen vorenthalten bzw. verweigert worden, so unzutreffend. Die
Beklagte hat lediglich einen sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers verneint
und in ihrem Bescheid vom 25. August 1997 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
schulischer Förderort eine (öffentliche oder private) allgemeine Schule sein könne.
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Der Kläger macht in diesem Zusammenhang auch ohne Erfolg geltend, das
Bundesverwaltungsgericht habe ein berechtigtes ideelles Feststellungsinteresse in den
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Fällen bejaht, in denen die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Verwendung eines bestimmten Schulbuches im Unterricht beantragt worden sei. Das
Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der "Unterrichtsverweigerung" infolge
der Entscheidung der Beklagten könne nicht anders beurteilt werden als das vom
Bundesverwaltungsgericht bejahte ideelle Feststellungsinteresse an der Verwendung
"nicht sachgerechter Schulbücher".
Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger angeführten Entscheidungen,
21
Urteile vom 6. Dezember 1983 - 7 C 39/83 -, a. a. O., und 14. Juli 1978 - 7 C 11/76 -, a. a.
O.,
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ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob die Verwendung eines bestimmten
Schulbuches im Unterricht rechtswidrig gewesen sei, mit der Begründung
angenommen, dass die begehrte Feststellung das Spannungsfeld zwischen dem
elterlichen und staatlichen Erziehungsauftrag betreffe, weil einzelne Aussagen und
Inhalte des Schulbuches den Erziehungszielen der Eltern widersprächen und die
dadurch bedingte nicht auszuschließende fortwirkende Verunsicherung des Kindes
Einfluss auf die (weitere) Erziehungsarbeit der Eltern und die (weitere) geistige
Auseinandersetzung zwischen ihnen und ihrem Kind habe. Der Kläger missversteht
damit das Bundesverwaltungsgericht, wenn er meint, dass das
Bundesverwaltungsgericht ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein
aus dem Interesse der Eltern bzw. des Schülers an der gerichtlichen Überprüfung der
Verwendung eines Schulbuches im Unterricht hergeleitet habe. Vielmehr hat das
Bundesverwaltungsgericht auch in den genannten Entscheidungen vorausgesetzt, dass
sich aus dem zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Sachverhalt nicht
auszuschließende fortwirkende Beeinträchtigungen des elterlichen Erziehungsauftrags
ergeben. Derartige fortwirkende Beeinträchtigungen durch die ablehnende
Entscheidung des Beklagten ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers jedoch nicht.
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Durch den Besuch der H. -Schule sind zwar seinen Eltern finanzielle Aufwendungen
entstanden, die bei einem Besuch einer öffentlichen allgemeinen Schule, einer
öffentlichen Sonderschule oder einer schulgeldfreien Privatschule nicht angefallen
wären. Hieraus lässt sich aber allenfalls unter dem noch zu erörternden Gesichtspunkt
der beabsichtigten Erhebung einer Amtshaftungsklage, nicht aber unter dem Aspekt der
Rehabilitierung des Klägers ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse herleiten.
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Eine fortwirkende Benachteiligung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers,
die Beklagte habe seine Interessen sowie seinen Kenntnisstand und sein
Leistungsvermögen nicht hinreichend berücksichtigt. Sie hätte gegen den "erklärten
Willen" seiner Eltern einen Intelligenztest durchführen müssen. Da dies nicht geschehen
sei, könnten "alle zur Feststellung des genauen Sachverhalts nicht getroffenen
Feststellungen nicht zur Feststellung führen, dass der sonderpädagogische Förderort
Gymnasium wegen eines nicht durchführbaren Intelligenztestes nicht festgestellt werden
konnte". Danach hätte aus der Sicht des Klägers von Amts wegen gegen den Willen
seiner Eltern ein Intelligenztest zur Feststellung des Förderorts (öffentliches)
Gymnasium durchgeführt werden müssen. Diese Prüfung ist auf der Grundlage der
Rechtsauffassung der Beklagten, ohne dass der Kläger hierdurch diskriminiert worden
ist, folgerichtig unterblieben, weil die Beklagte bereits einen sonderpädagogischen
Förderbedarf des Klägers verneint hat und sich damit die Frage nach dem geeigneten
sonderpädagogischen Förderort nicht mehr stellte. Dass die Durchführung eines
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Intelligenztestes zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erforderlich
war, macht der Kläger nicht geltend.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte nicht verpflichtet war,
gegen den Willen der Eltern einen Intelligenztest durchzuführen. Nach den auch im
öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt das
Verfahren über die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die
Entscheidung über den schulischen Förderort als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn -
wie hier - eine gebotene Untersuchung verweigert oder der Forderung danach aus
einem sonstigen vorwerfbaren Grund nicht nachgekommen wird.
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OVG NRW, Beschluss vom 31. August 2000 - 19 A 3732/00 -, m. w. N.
27
Der Kläger beruft sich darüber hinaus ohne Erfolg darauf, dass er "in der Schule beim
Unterricht und bei der Leistungsfeststellung wegen seiner Behinderung" benachteiligt
worden sei. Etwaige Benachteiligungen "in der Schule" hat die Beklagte nicht zu
vertreten.
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Soweit der Kläger vorträgt, die ablehnende Entscheidung der Beklagten habe zur Folge,
dass er eine Sonderschulausbildung absolvieren müsse, um das Abitur zu erwerben,
und außerdem geltend macht, dass er mit seinem Antrag auf sonderpädagogische
Förderung bei der Beklagten versucht habe, nicht bei "Vorlage eines
Abschlusszeugnisses der Sonderschule für Hörbehinderte in Erklärungsnotwendigkeit
zu geraten", kann dahinstehen, ob der Besuch einer Sonderschule insbesondere vor
dem Hintergrund, dass der Kläger selbst seine Behinderung als "normal" ansieht und
diese Sichtweise auch von anderen erwartet, überhaupt diskriminierend ist. Die
"Notwendigkeit" des Besuchs der Sonderschule für Hörgeschädigte in E. ist keine Folge
der ablehnenden Entscheidung der Beklagten, sondern eine Folge des eigenen
Entschlusses des Klägers, seine Schulausbildung an der H. -Schule nicht fortzusetzen,
obwohl er nach seinem Vortrag bei normalem Verlauf angesichts der von ihm
dargelegten günstigen räumlichen und pädagogischen Möglichkeiten der H. -Schule
dort nach drei Jahren das Abitur hätte erwerben können, und im Übrigen eine Folge der
Entscheidung der Bezirksregierung D. , die beim Kläger einen sonderpädagogischen
Förderbedarf festgestellt hat.
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Unsubstantiiert ist der Vortrag des Klägers, er habe infolge der ablehnenden
Entscheidung der Beklagten keine Kontakte an seinem Wohnort pflegen und sich nicht
in "entsprechende Aktivitäten" einbringen können mit der Folge, dass er an seinem
Wohnort keine Anerkennung erfahren habe, nicht Teil eines "Netzwerkes" mit
gleichaltrigen, gleich ausgebildeten und gleich interessierten Jugendlichen sei und
deshalb an seinem Wohnort "entwurzelt" sei. Eine nähere Begründung dieses Vortrags
ist nicht erfolgt. Es fehlen insbesondere nähere Ausführungen zu der Behauptung des
Klägers, "vermehrte Schulfreund- und -bekanntschaften aus der weiteren Umgebung"
könnten die sich an seinem Wohnort entstandenen Nachteile nicht ausgleichen. Soweit
der Kläger sich in diesem Zusammenhang auf den höheren finanziellen Aufwand auf
Grund des Kontaktes mit Kindern "aus der weiteren Umgebung" beruft, kann dieser
Gesichtspunkt entsprechend den vorhergehenden Ausführungen allenfalls unter dem
Gesichtspunkt der Führung eines Amtshaftungsprozesses ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen.
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Weitere "vielseitige und vielschichtige fortbestehende Benachteiligungen", auf die er
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sich beruft, hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Darüber hinaus fehlt
eine nähere Begründung für seine - als solche nicht nachvollziehbare - Behauptung,
sein "künftiges Staatsbewusstsein" werde "entscheidend" durch den Ausgang des
vorliegenden Verfahrens "geprägt".
Unergiebig sind auch die Ausführungen des Klägers zu der "Makeltheorie des
Verwaltungsgerichts". Selbst wenn das Verwaltungsgericht auf S. 20 des Abdrucks des
angefochtenen Urteils unzutreffend davon ausgegangen sein sollte, dass der Kläger
seine Behinderung als "Makel in der Gesellschaft" empfinde, wäre damit allein ein
Mangel der Begründung des angefochtenen Urteils, nicht aber eine ein berechtigtes
Feststellungsinteresse begründende fortwirkende Benachteiligung dargetan.
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Soweit der Kläger die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses geltend macht, ist ein
berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse ebenfalls nicht gegeben. Die
beabsichtigte Führung eines Amtshaftungsprozesses begründet nur dann ein
berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn ein Amtshaftungsprozess, soweit er - wie hier
- noch nicht anhängig ist, ernsthaft in Betracht gezogen wird und mit hinreichender
Sicherheit zu erwarten ist. Es würde nämlich dem Grundsatz der Prozessökonomie, der
hinter dem Erfordernis eines berechtigten Feststellungsinteresses für die
Fortsetzungsfeststellungsklage steht, widersprechen, wenn die unsubstantiierte oder nur
aus prozesstaktischen Gründen aufgestellte Behauptung, einen Amtshaftungsprozess
führen zu wollen, genügte, um nach Erledigung des ursprünglichen Klageverfahrens
eine Entscheidung durch Urteil zu erzwingen.
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Vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 1997 - 5 S 3206/95 -, VBlBW
1997, 264 (266); Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. Januar 1983 - 3 B 82 A/612 -,
NVwZ 1983, 755 (756); OVG NRW, Urteil vom 25. September 1975 - I A 1344/74 -, NJW
1976, 439 (439), jeweils m. w. N.
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Der Kläger hat dagegen nicht substantiiert vorgetragen, dass ein Amtshaftungsprozess
mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Er trägt insoweit vor, dass seine
Fortsetzungsfeststellungsklage der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses diene
und dass die Höhe des im Amtshaftungsprozess geltend zu machenden Schadens
durch die Höhe eines noch durchzusetzenden Anspruchs auf Eingliederungshilfe
"wesentlich bestimmt" werde. Ein entsprechendes Eingliederungshilfeverfahren "läuft"
nach dem Vortrag des Klägers. Die Erhebung einer Amtshaftungsklage ist danach
zurzeit nicht hinreichend sicher zu erwarten, weil sie nach dem eigenen Vortrag des
Klägers davon abhängt, ob und in welcher Höhe Eingliederungshilfe bewilligt wird.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine vollständige Erstattung der im
Eingliederungshilfeverfahren geltend gemachten Aufwendungen - als solche stehen
nach dem Vortrag des Klägers allein die Kosten für den Besuch der H. -Schule in Rede -
etwa mit Blick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers bzw.
seiner Eltern von vornherein nicht in Betracht kommt, hat der Kläger nicht dargelegt. Ein
dahingehender Vortrag fehlt vollständig. Soweit der Kläger finanzielle
Mehraufwendungen für die Kontaktpflege mit Kindern "aus der weiteren Umgebung"
angeführt hat, ist ebenfalls nicht aufgezeigt, dass ein Amtshaftungsprozess mit
hinreichender Sicherheit zu erwarten ist.
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Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht mit Blick auf das
laufende Eingliederungshilfeverfahren. Grundsätzlich kommt ein berechtigtes
Feststellungsinteresse zwar auch dann in Betracht, wenn die mit der
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Fortsetzungsfeststellungsklage begehrte gerichtliche Feststellung nicht für einen
Amtshaftungsprozess, aber für ein anderes gerichtliches oder behördliches Verfahren
präjudizielle Bedeutung hat.
Vgl. nur Gerhardt, in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung
Kommentar, Stand: Januar 2001, § 113, Rdn 94, m. w. N.
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Allerdings gilt dies nicht ausnahmslos. Dabei kann offen bleiben, ob eine Ausnahme
dann anzunehmen ist, wenn das Verfahren, für das die Entscheidung über die
Fortsetzungsfeststellungsklage präjudizielle Bedeutung hat, bereits anhängig ist.
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So offenbar BVerwG, Urteil vom 6. März 1975 - II C 20/73 -, unter Bezugnahme auf
BVerwG, Urteil vom 11. April 1972 - II C 5/69 -.
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Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist trotz der präjudiziellen Bedeutung der
Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls dann zu verneinen, wenn ungewiss ist, ob die
mit der Fortsetzungsfeststellungsklage aufgeworfenen Fragen in dem anderweitigen
Verfahren tatsächlich entscheidungserheblich sein werden oder wenn mit der
Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich ein für das weitere
gerichtliche oder behördliche Verfahren entscheidungserheblicher Einzel- bzw.
Teilaspekt geklärt würde, der einen erheblichen Aufwand in dem
Fortsetzungsfeststellungsklageverfahren erfordert. In diesem Fall widerspräche es dem
bereits angeführten Grundsatz der Prozessökonomie, über die
Fortsetzungsfeststellungsklage zu entscheiden, obwohl die aufgeworfenen Fragen auch
in dem anderen Verfahren geklärt werden können und, soweit es sich bei dem anderen
Verfahren, wie bei dem vom Kläger bzw. seinen Eltern geführten
Eingliederungshilfeverfahren, um ein Verwaltungsverfahren handelt, dem Kläger nach
der abschließenden Entscheidung im Verwaltungsverfahren erneut die Möglichkeit
eröffnet ist, um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
40
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 49/87 -, NVwZ 1991, 570 (571); OVG
NRW, Urteil vom 24. Oktober 1979 - X A 295/79 -, NJW 1980, 1069 (1070).
41
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergibt sich auch aus dem Hinweis des Klägers auf
das laufende Eingliederungshilfeverfahren kein berechtigtes
Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Sofern die zuständige Sozialhilfebehörde der
gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage
überhaupt Bedeutung für das Eingliederungshilfeverfahren zumisst, wäre die Bedeutung
der gerichtlichen Entscheidung für das laufende sozialhilferechtliche Verfahren derart
gering, dass es prozessökonomisch nicht gerechtfertigt ist, im vorliegenden Verfahren
die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage zu klären.
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Soweit der Fortsetzungsfeststellungsklage stattgegeben und damit bezogen auf den für
die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung des
Rechtsstreits,
43
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 25/84 - , BVerwGE 72, 38 (43),
44
inzident ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt würde, wäre nur im
Grundsatz das Vorliegen einer auch sozialhilferechtlich bedeutsamen körperlichen
Behinderung des Klägers geklärt. Die zuständige Sozialhilfebehörde hätte weiter zu
45
prüfen, ob eine wesentliche körperliche Behinderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1
BSHG iVm § 1 Satz 1 bzw. Satz 2 Nr. 5 der Eingliederungshilfe-Verordnung (BSHG-VO)
vorliegt mit der Folge, dass Eingliederungshilfe zwingend bewilligt werden muss, oder
ob die Bewilligung der Eingliederungshilfe nach § 39 Abs. 1 Satz 2 BSHG im Ermessen
der zuständigen Sozialhilfebehörde steht, weil eine "andere" körperliche Behinderung
im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Diese Fragen könnte die zuständige
Sozialhilfebehörde allerdings auch offen lassen, so dass für sie die Entscheidung des
vorliegenden Verfahrens überhaupt keine Bedeutung hätte. Eingliederungshilfe wird
nämlich gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG nur für eine angemessene Schulausbildung
gewährt. Daran fehlt es aber, wenn an der vom Kläger besuchten H. -Schule eine
sozialhilferechtlich nicht angemessene (vgl. auch § 3 Abs. 1 und 2 BSHG)
Schulausbildung erfolgte. Die Angemessenheit erscheint mit Blick darauf zweifelhaft,
als der Kläger, der seine Schulausbildung an der H. -Schule nach dem Schuljahr
1999/2000 aus von ihm nicht dargelegten Gründen abgebrochen hat, nicht substantiiert
vorgetragen hat, dass er auf der H. -Schule durch sonderpädagogisch geschultes
Fachpersonal unterrichtet bzw. betreut worden ist. Über die Frage, ob im Falle eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs des Klägers die H. -Schule als geeigneter
Förderort in Betracht kam, wäre im Übrigen im vorliegenden Verfahren nicht zu
entscheiden, da diese Frage nicht Regelungsgegenstand der angefochtenen Bescheide
der Beklagten ist und im Fortsetzungsfeststellungsklageverfahren über die
Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Bescheides nur insoweit zu entscheiden
ist, als dieser eine Regelung im Sinne des § 35 VwVfG enthält. Die Beklagte hat
nämlich bereits einen sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers verneint und
deshalb folgerichtig nicht geprüft, welcher Förderort bei einem sonderpädagogischen
Förderbedarf in Betracht kommt. Damit ist die Entscheidung des vorliegenden
Verfahrens für die sozialhilferechtlich unter Umständen auch relevante Frage, ob die für
den Besuch der H. -Schule aufgewandten Kosten im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG
angemessen waren, ohne Belang.
Mit der Abweisung der Fortsetzungsfeststellungsklage wäre inzident festgestellt, dass
die Beklagte zu Recht einen sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers verneint
hat. Die Frage, ob dem Kläger für den Besuch der H. -Schule Eingliederungshilfe
gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 iVm § 1 Satz 2 Nr. 5 BSHG-VO zu bewilligen ist oder gemäß
§ 39 Abs. 1 Satz 2 BSHG bewilligt werden kann, wäre damit jedoch nicht geklärt. Die
bundesrechtlichen Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes und der
Eingliederungshilfe-Verordnung knüpfen hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen eine
sozialhilferechtlich bedeutsame Behinderung vorliegt, nicht an die landesrechtlichen
Bestimmungen der §§ 2 bis 8 der Verordnung über die Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen
Förderort (VO-SF) an. Die zuständige Sozialhilfebehörde hätte deshalb auch bei einer
Klageabweisung zu prüfen, ob dem Kläger trotz mangelnden sonderpädagogischen
Förderbedarfs Eingliederungshilfe zu bewilligen ist bzw. bewilligt werden kann, es sei
denn, die Sozialhilfebehörde lässt diese Frage offen, weil nach ihrer Auffassung an der
H. - Schule jedenfalls keine sozialhilferechtlich angemessene Schulausbildung im
Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG erfolgte.
46
Mit der Entscheidung über die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage wären
damit, wenn überhaupt, allenfalls Teilaspekte des Eingliederungshilfeverfahrens geklärt.
Vor diesem Hintergrund ist es prozessökonomisch nicht gerechtfertigt, das
Fortsetzungsfeststellungsklageverfahren im Hinblick auf das laufende
Eingliederungshilfeverfahren durchzuführen. Die Prüfung der Begründetheit der
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Fortsetzungsfeststellungsklage erforderte nämlich einen erheblichen gerichtlichen
Aufwand, weil die Frage, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung des
Rechtsstreits einer sonderpädagogischen Förderung bedurfte, maßgeblich aus seinem
gesamten bis dahin gezeigten Lern- und Leistungsverhalten in der Schule bzw. auf
Grund des ihn in die soziale Gemeinschaft mit anderen Schülern einbindenden
Unterrichts sowie anhand der Ergebnisse der im Sonderschulaufnahmeverfahren
durchgeführten pädagogischen und medizinischen Untersuchungen zu beantworten
wäre.
Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2001 - 19 A 1389/01 -, m. w. N.
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Aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geht
hervor, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage des
Klägers weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr.
2 VwGO) bereitet noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) begründet. Die in diesem Zusammenhang zu klärenden Fragen lassen
sich ohne Schwierigkeiten auf der Grundlage der einschlägigen Vorschriften und der
hierzu ergangenen Rechtsprechung beantworten und haben keine über die
Entscheidung des vorliegenden Einzelfalles hinausgehende grundsätzliche Bedeutung.
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Auf den S. 51 des Zulassungsantrags sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrund
des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nicht weiter einzugehen, weil der angeführte
Verfahrensmangel sich nur auf die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage
bezieht. Auf die Begründetheit der Klage kommt es jedoch nicht an, weil sie, wie
ausgeführt, unzulässig ist.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 GKG.
51
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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