Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2005

OVG NRW: qualifikation, befristung, inhaber, weiterbildung, universität, anstellungsvertrag, konsens, rückwirkung, rechtseinheit, abhängigkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 4/05
16.03.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
13. Senat
Beschluss
13 C 4/05
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 Nc 234/04
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden der Antragstellerin/des Antragstellers gegen die
Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 06. Dezember
2004 werden auf ihre/seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das jeweilige Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,00
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
Im Rubrum des Originalbeschlusses des Gerichts sind sowohl die Antragstellerin als auch
der Antragsteller aufgeführt. Aus Gründen des Datenschutzes wird in den Abschriften des
Beschlusses jeweils nur die Antragstellerin bzw. der Antragsteller genannt.
Die Beschwerden, über die das Gericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen
der Darlegungen befindet, haben keinen Erfolg. Die angefochtenen Beschlüsse sind in
diesem Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge auf
vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester mit zutreffenden
Erwägungen und in Auswertung entsprechender obergerichtlicher Entscheidungen
abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin/des Antragstellers gibt keine
Veranlassung zur Änderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs wegen trotz entsprechender Bitte in der ersten Instanz
nicht erfolgter Vorlage der Arbeitsverträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter in der
fraglichen Lehreinheit beim Antragsgegner ist nicht mehr relevant, nachdem diese
Unterlagen dem Bevollmächtigten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zur
Einsichtnahme übersandt worden sind.
Soweit die Beschwerdeführer unter Bezugnahme ihres Bevollmächtigten auf einen
entsprechenden Schriftsatz in Verfahren gegen den Rektor der Westfälischen Wilhelms-
Universität Münster wegen Zulassung zum Studium der Zahnmedizin - 13 C 2/05 und 13 C
3/05 - eine Erhöhung des Lehrdeputats für diese Lehrgruppe für geboten halten, führt das
nicht zu einem Erfolg der Beschwerde. Der Senat hat dazu in jenen Verfahren in den
6
7
8
9
Beschlüssen vom 10. März 2005 u.a. ausgeführt:
"Soweit der Antragsteller meint, Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter in befristeter
Anstellung, deren Inhaber einen gemäß § 57f Abs. 2 HRG - hier i. d. F. des 6. HRGÄndG -
verlängerten Arbeitsvertrag haben seien mit einer Lehrverpflichtung von 8/9
Lehrveranstaltungsstunden (LVS) oder Deputatsstunden mit f=1 (DS) in Ansatz zu bringen,
führt das die Beschwerde nicht zum Erfolg. Diese Stellen bleiben ihrem Amtsinhalt nach
solche für wissenschaftliche Mitarbeiter in befristeter Anstellung, so dass sie nach dem dem
Berechnungsmodell der Kapazitätsverordnung zu Grunde liegenden sog. Stellenprinzip
(vgl. § 8 Abs. 1 KapVO) mit 4 LVS in Ansatz zu bringen sind. Die Höhe der
Lehrverpflichtung knüpft nach der Rechtsprechung nicht an die Befristung, sondern an den
Inhalt der Stelle an. Der dahingehende Inhalt einer Stelle, dem Inhaber, selbst wenn er
bereits promoviert ist, Gelegenheit zur weiteren wissenschaftlichen Qualifikation, etwa zur
Übernahme in ein Professorenamt, zu geben, entfällt nicht durch Nichtangabe dieses
Grundes für die Reduzierung der Lehrverpflichtung und auch nicht durch eine über die
Regelzeit hinaus verlängerte Vertragsbefristung. Allerdings ist die Befristung ein starkes
Indiz dafür, dass die Stelle nicht auf unbegrenzte Dauer einem wissenschaftlichen
Mitarbeiter zur Verfügung stehen soll, sondern in Zeitintervallen immer wieder neuen
wissenschaftlichen Mitarbeitern, eben um ihnen die Möglichkeit einer befristeten
Weiterbildung/Qualifikation zu bieten. Die hier zu betrachtenden Stellen für
wissenschaftliche Mitarbeiter, auch wenn sie im streitbefangenen Semester nach § 57f Abs.
2 HRG i. d. F. d. Art. 1 HdaVÄndG besetzt sind, waren in den vergangenen Jahren Stellen
für befristete Angestellte zum Zwecke ihrer Weiterbildung/Qualifikation. Sie haben diesen
Charakter nicht dadurch verloren, dass nach der Änderung des Hochschulrahmengesetzes
dieser Gesichtspunkt nicht mehr ausdrücklich im Arbeitsvertrag genannt sein muss.
....
Soweit der Antragsteller die nicht erfolgte generelle Erhöhung der Regellehrverpflichtung
für unbefristet angestellte Wissenschaftliche Mitarbeiter für sachlich nicht gerechtfertigt und
eine Erhöhung wie für Professoren von 8 auf 9 LVS für geboten hält, greift auch das nicht
durch. Hierzu hat der Senat bereits durch Beschluss vom 8. März 2005 - 13 C 127/05 u. a. -
ausgeführt:
'Soweit die Antragsteller die genannte Änderungsverordnung für teilnichtig halten, weil der
neu gefasste § 3 Abs. 4 LVV eine Erhöhung der Verpflichtung für wissenschaftliche
Mitarbeiter in befristeten Anstellungsverhältnissen von 4 auf 5 LVS nicht vorsieht, greift
auch das nicht durch. Für diese Stellengruppe gilt im Grunde dasselbe wie vorstehend zur
Stellengruppe der wissenschaftlichen Assistenten C 1 ausgeführt. Auch dem befristet
angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter einer Universität soll ausreichend Gelegenheit
zum Erwerb weiterer didaktischer und sonstiger Qualifikationen (§ 59 Abs. 1 Satz 5 HG)
sowie Gelegenheit zur Vorbereitung auf eine weitere wissenschaftliche Qualifikation (§ 59
Abs. 3 Satz 2 HG) gegeben werden. Das rechtfertigt in gleicher Weise wie beim
wissenschaftlichen Assistenten C 1 die Reduzierung der Lehrverpflichtung auf vier LVS. In
Konsequenz dazu war der Verordnungsgeber der Lehrverpflichtungsverordnung aus den
gleichen Gründen wie hinsichtlich der wissenschaftlichen Assistenten C 1 auch nicht im
Rahmen seines Gestaltungsfreiraums eingeschränkt und verpflichtet, die Lehrverpflichtung
auf fünf LVS zu erhöhen. Diese Erwägung ist erkennbar in die Regelung des § 3 Abs. 4
Satz 6 LVV i.d.F.d. Änderungsverordnung eingegangen. Überdies knüpft die erkennbare
Annahme des Verordnungsgebers der Lehrverpflichtungsverordnung, dass befristet
angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern Zeit für die eigene Weiterbildung/Qualifikation
10
11
12
13
einzuräumen ist, an § 59 Abs. 1 HG und nicht § 57b HRG an, mithin nicht daran, ob ein
Grund für die Lehrverpflichtungsermäßigung - etwa Promotion, sonstige wissenschaftliche
Qualifikation, Facharztweiterbildung, Projektarbeit usw. - im Arbeitsvertrag angegeben ist
oder nicht.
Zu der geforderten Erhöhung wäre der Verordnungsgeber in der Regel auch nicht in der
Lage. Die Lehrverpflichtung eines befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiters
ergibt sich nämlich in der Regel aus dem Arbeitsvertrag - so jedenfalls aus allen Verträgen
der befristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter, deren Stellen im vorliegenden Verfahren
relevant sind -; sie sind der Zahl nach Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung und
damit für den Arbeitgeber für die Laufzeit des Vertrages bindend und nicht ohne weiteres -
etwa wegen Erhöhung der beamtenrechtlichen Wochenarbeitszeit - nach dessen
Vorstellungen erhöhbar. Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus § 3 Abs. 4 Satz 2 LVV
i.d.F.d. Änderungsverordnung. Alle dem Senat vorliegenden für das streitbefangene
Kapazitätsberechnungsjahr relevanten Arbeitsverträge der in der Lehre eingesetzten
befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter weisen vereinbarte
Lehrverpflichtungen von 4 LVS bzw. 2 LVS bei halber Stelle aus.
Die Arbeitsverträge sind unabhängig von der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 -, NJW 2004, 2803, zur Frage
der Verfassungsmäßigkeit des 5. Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz
wirksam. Diese Entscheidung lässt den Konsens der Vertragsparteien nicht entfallen. Sie
wollten einen befristeten Anstellungsvertrag mit der benannten Lehrverpflichtung schließen
unabhängig vom Bestand oder Fortbestand des in Bezug genommenen § 57b HRG i.d.F.d.
5. HRGÄndG und haben an dem jeweiligen Vertrag ersichtlich auch nach der genannten
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgehalten. Im Übrigen hat der
Gesetzgeber durch Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im
Hochschulbereich vom 27. Dezember 2004 (Art. 1 Nr. 14) den hier allein relevanten § 57b
HRG i.d.F.d. 5. Änderungsgesetzes wortgleich erneut ab dem 31. Dezember 2004 in Kraft
gesetzt und durch § 57 Abs. 1 Satz 1 HRG i.d.F.d. Art. 1 Nr. 14 HdaVÄndG die
Arbeitsverträge - im Ergebnis rückwirkend - dem neuen Recht aus §§ 57a bis 57e
unterworfen. Gegen die Rückwirkung bestehen auch aus kapazitätsrechtlicher Sicht keine
Bedenken, weil den Studienbewerbern gesicherte Rechtspositionen, auf die sie vertraut
haben könnten, nicht rückwirkend genommen oder beeinträchtigt werden. Aus der
Anwendung des § 57b HRG neuen Rechts auf die seit dem 23. Februar 2002
abgeschlossenen Arbeitsverträge - das betrifft hier alle relevanten Verträge der befristet
tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiter - folgt, dass der Befristungsgrund nicht mehr
vertraglich fixiert sein muss.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 13 C 1712/04 u.a. -.
Die erkennbare Annahme des Gesetzgebers, dass dem jeweiligen mit entsprechendem
Arbeitsvertrag ausgestatteten individuellen Inhaber einer Stelle eines befristet angestellten
wissenschaftlichen Mitarbeiters Gelegenheit zur Weiterqualifikation im Sinne des § 59 Abs.
1 und 3 HG eben durch die Befristung des Anstellungsverhältnisses gegeben sein soll, ist
auch kapazitätsrechtlich zu akzeptieren mit der Folge, dass von einer sachlichen
Rechtfertigung der Reduzierung der Lehrverpflichtung des individuellen Stelleninhabers
auf 4 LVS auszugehen ist. Die Rechtseinheit verbietet eine mitunter vertretene
arbeitsrechtliche und kapazitätsrechtliche Sichtweise der Bedeutung der Befristung eines
Arbeitsvertrages. Kann von einem befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter
arbeitsvertragsrechtlich ein Einsatz in der Lehre nur über 4 LVS beansprucht werden, kann
14
15
16
17
18
er auch kapazitätsrechtlich nicht anders gewertet werden.'
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass in den vom Antragsgegner vorgelegten
Arbeitsverträgen für die wissenschaftlichen Mitarbeiter keine Verträge enthalten sind, in
denen auf eine "zur Zeit" bestehende Lehrverpflichtung oder eine solche in Abhängigkeit
von der "jeweils geltenden Lehrverpflichtungsverordnung" abgestellt wird.
Der Senat hat des Weiteren bereits entschieden - Beschlüsse vom 12. Mai 2004 - 13 C
12/04 - und 23. Februar 2005 - 13 A 1774/04 u.a -, dass es hinsichtlich der
Lehrdeputatsverminderung für Schwerbehinderte nicht darauf ankommt, inwieweit diese
tatsächlich in der Lage sind, Lehre auszuüben. Er hält auch daran fest, dass unvergütete
Lehraufträge nicht in die Ermittlung des Lehrangebots einzubeziehen sind. Ob sich als
Folge dessen, wie der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer meint, "eine nicht
gerechtfertigte Privilegierung nordrhein- westfälischer Hochschulen" ergibt, ist dabei vor
dem Hintergrund der Kulturhoheit der Länder unerheblich.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3, 47
Abs. 1 GKG. Für eine Kostenquotelung besteht angesichts des Unterliegens der
Beschwerdeführer ebenso wenig Anlass wie für eine Reduzierung des üblicherweise vom
Senat in Hochschulzulassungsverfahren angesetzten Streitwerts wegen des auf die
Durchführung eines Losverfahrens bezogenen Antrags.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.