Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2009

OVG NRW (kläger, gebäude, zeitpunkt, treu und glauben, nicht störender gewerbebetrieb, eigentümer, genehmigung, der rat, schutzwürdiges interesse, arztpraxis)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 2658/07
Datum:
30.10.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 2658/07
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge, einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Genehmigung zur
Umwandlung einer Wohnung in eine Arztpraxis und ein Kosmetikstudio im ersten
Obergeschoss des zweigeschossigen Wohn- und Ärztehauses I.---------straße 10 in
N. .
2
Der Kläger ist Inhaber eines Dauerwohnrechts gemäß § 31 WEG an der
Dachgeschosswohnung des genannten Hauses. Eigentümer des Grundstücks im
Übrigen ist der Beigeladene. Der Kläger ist zudem Eigentümer des benachbarten
Grundstücks I.---------straße 8 in N. . Auf ihm befindet sich ein zweigeschossiges
straßenseitiges (Haupt-)Haus mit rückwärtigem Anbau. Dieses ist Anfang des 20.
Jahrhunderts auf der Grundlage einer entsprechenden Genehmigung als Lagerhaus
nebst Anbau errichtet worden. Im Dezember 1929 wurde der Umbau der
Erdgeschossräumlichkeiten (wohl) zu Wohnzwecken genehmigt. Quer zum Anbau des
Haupthauses steht im rückwärtigen Bereich des Grundstücks eine ehemalige Remise,
die 1946 erweitert wurde. 1999 wurde ein (weiterer) Umbau nebst Erweiterung als Büro-
und Ausstellungshalle genehmigt. Im Haupthaus sind drei Wohnungen vermietet
(Dachgeschoss, 1. Obergeschoss und Zwischengeschoss). Die weiteren
Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss, die zuletzt seit 1994 bzw.
1992 als Kinderarztpraxis bzw. Rechtsanwaltskanzlei genutzt worden waren, stehen
derzeit leer.
3
Für den Bereich beider Grundstücke ist in dem Mitte 1975 bekanntgemachten
Bebauungsplan Nr. 561/1 "Molkerei" der Stadt N. unverändert ein allgemeines
Wohngebiet festgesetzt. Von späteren Änderungen des Planes waren diese
Festsetzungen nicht betroffen. Im November 2005 beschloss der Rat der Stadt N. ,
den Bereich der genannten Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen sowie
zweier weiterer Grundstücke (L.-----straße 59 bis 61) aus dem Geltungsbereich des
Bebauungsplanes herauszunehmen. Auf den Normenkontrollantrag des Klägers aus
März 2006 hin stellte der Senat mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 24. Juli 2006 -
7 D 26/06.NE die Unwirksamkeit der im Januar 2006 bekanntgegebenen Satzung über
die teilweise Aufhebung des Bebauungsplanes fest.
4
Bereits zuvor hatte der Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 8. Februar 2006
die Nutzungsänderung einer Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses I.---------
straße 10 in eine Arztpraxis und ein Kosmetikstudio genehmigt. Bis dahin befanden sich
Arztpraxen bereits im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss. Die Nutzungsflächen
der bisherigen Arztpraxen waren hinter der übrigen Wohnnutzfläche zurückgeblieben.
Danach ist im Gebäude I.---------straße 10 zur Wohnnutzung allein die
Dachgeschosswohnung des Klägers vorgesehen.
5
Gegen die ihm am 13. Februar 2006 zugestellte Nutzungsänderungsgenehmigung hat
der Kläger am 8. März 2006 Klage erhoben. Der zugleich gestellte Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte im Beschwerdeverfahren Erfolg
(Beschluss des Senates vom 19. Mai 2006 - 7 B 641/06 -).
6
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht: Der Beigeladene
beabsichtige, aus dem Gebäude I.---------straße 10 ein reines Ärztehaus zu machen.
Dies widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 561/1. Diese
beanspruchten weiterhin Geltung. Er sei dadurch als Inhaber eines Dauerwohnrechts an
der Dachgeschosswohnung des Hauses in seinen Rechten verletzt. Die zugelassene
Nutzung führe für ihn zu untragbaren Zuständen. An Wochenenden und in der
Urlaubszeit werde das Haus dann im Übrigen völlig leer stehen. Weitere Belästigungen
und Immissionen seien zu befürchten, weil die auf dem Grundstück befindlichen
Parkplätze vollständig für die im Haus bereits betriebenen zwei Arztpraxen benötigt
würden. Auf die Nutzung seines Gebäudes I.---------straße 8 komme es deshalb nicht an.
Im Übrigen stamme jenes Haus aus dem frühen 20. Jahrhundert und sei bereits vor
Erlass des Bebauungsplanes Nr. 561/1 sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken
genutzt worden. Zudem sei es zuletzt nicht überwiegend gewerblich genutzt worden.
Die Kritik des Beklagten an seinen, des Klägers, Nutzungsangaben betreffend das
Gebäude I.---------straße 8 im Normenkontrollverfahren greife nicht. Die Wohnung im
Erdgeschoss der umgebauten Remise verfüge über eine weitere nutzbare Wohnfläche
von mindestens 50 qm im ersten Stock; diese werde derzeit vom Mieter zwar nicht
genutzt, sei aber von ihm mit angemietet worden. Der Abzug von 15 qm für den
Erdgeschossbereich sei nicht nachvollziehbar. Der Beklagte habe zudem weder den
Hobbyraum im Haupthaus auf der Nordseite noch den privaten Abstellraum für die
Wohnraummieter in seine Betrachtung der Nutzungsverhältnisse eingestellt. Im Übrigen
sei das Mietverhältnis mit dem Kinderarzt im Erdgeschoss inzwischen gekündigt. Nach
Auszug des Arztes werde er die Räumlichkeiten als Wohnraum herrichten.
7
Der Kläger hat beantragt,
8
die von dem Beklagten dem Bauherrn S. -Q. C. , L1. . 67, N. ,
am 8. Februar 2006 unter dem Aktenzeichen 51.46.MI.157/05-0 erteilte
Baugenehmigung aufzuheben.
9
Der Beklagte hat beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Auf dem Grundstück des Klägers I.--
-------straße 8 würden die im allgemeinen Wohngebiet geltenden Vorgaben bezüglich
des Anteils der freiberuflichen Nutzung selbst nicht eingehalten. Nach Auswertung der
Bauakten sowie der Feststellungen, die in dem Ortstermin am 4. Juli 2007 getroffen
worden seien, ergebe sich ein Überhang an gewerblicher Nutzung. Die Wohnfläche
betrage insgesamt 275 qm (Dachgeschoss 65 qm, 1. Obergeschoss 69 qm,
Zwischengeschoss 65 qm, Wohnbereich der umgebauten Remise 76 qm). Die
gewerblich genutzte Fläche belaufe sich auf 332 qm (Fotogeschäft im Erdgeschoss der
umgebauten Remise 47 qm; Rechtsanwaltskanzlei 1. Obergeschoss 130 qm, Arztpraxis
Erdgeschoss 155 qm). Weder für die Wohnung im Dachgeschoss noch für die
Rechtsanwaltskanzlei, für die Kinderarztpraxis sowie für die Nutzung der ehemaligen
Remise als Wohnung und Fotostudio sei eine Baugenehmigung feststellbar.
12
Der Beigeladene hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Er hat im Wesentlichen geltend gemacht: Der Kläger könne angesichts der
tatsächlichen Nutzungsverhältnisse auf dem Grundstück I.---------straße 8 die Verletzung
eigener Rechte nicht geltend machen. In die Berechnung der gewerblich genutzten
Fläche seien für das Fotostudio jedenfalls 80 qm einzustellen.
15
Das Verwaltungsgericht hat mit dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Juli
2007 ergangenen Urteil, auf dessen Begründung Bezug genommen wird,
antragsgemäß die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aufgehoben.
16
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Beigeladene sein
bisheriges Vorbringen wiederholend und vertiefend im Wesentlichen aus: Dem Kläger
stehe der geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch nicht zu. Den Anspruch könne
nur geltend machen, wer sich selbst an die maßgeblichen baurechtlichen
Beschränkungen halte, deren Einhaltung er verfolge. Daran fehle es hier. Das Haus des
Klägers auf dem Grundstück I.---------straße 8 sei im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt
des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung überwiegend zu gewerblichen
Zwecken genutzt worden. Darauf, ob die jeweilige Nutzung genehmigt worden sei,
komme es nicht an. Unerheblich sei auch, ob dem Kläger die materielle
Baurechtswidrigkeit bewusst gewesen sei.
17
Der Beigeladene beantragt,
18
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
19
Der Beklagte stellt keinen Antrag.
20
In der Sache teilt er die Angriffe des Beigeladenen gegen das angefochtene Urteil.
21
Der Kläger beantragt,
22
die Berufung zurückzuweisen.
23
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe sich nicht treuwidrig verhalten.
Maßgeblich sei der genehmigte Bestand. Nachdem er von den Zweifeln erfahren habe,
ob die Nutzung seines Grundstücks I.---------straße 8 den baurechtlichen Anforderungen
entspreche, habe er das Mietverhältnis mit dem Kinderarzt sogleich mit der vertraglich
vereinbarten Frist gekündigt. Der Arzt habe das Objekt inzwischen geräumt. Den
Mietvertrag mit der Anwaltskanzlei habe er ebenfalls gekündigt. Er habe damit
nachhaltig zum Ausdruck bringen wollen, dass er die Festsetzungen des
Bebauungsplanes beachte. Im Übrigen habe die Wohnnutzung nach seiner
Einschätzung schon vor den genannten Kündigungen überwogen. Die gewerbliche
Nutzung sei zudem bestandsgeschützt. Sein Vater habe 1939 das Grundstück
erworben. Zu diesem Zeitpunkt sei das straßenseitige Hauptgebäude als reines
Lagerhaus genutzt worden. Das Erdgeschoss sei 1936 bis 1948 von einem
Fuhrgeschäft/Spedition genutzt worden, bis 1951 von einem Omnibusbetrieb, bis 1956
von PKW-Vermietungen, bis 1961 von einem Architekten, bis 1973 durch die Firma
B. L2. GmbH & Co. KG und bis 1974 von einem Massagesalon und
Psychotherapeuten. Bis 1991 seien die Räumlichkeiten von dem Verein Anonyme
Alkoholiker N. angemietet worden. Bis 1994 hätten sie leer gestanden und seien
saniert worden. Von 1994 bis 2007 habe der Mietvertrag mit dem Kinderarzt bestanden.
In der ersten Etage seien die Räumlichkeiten, die von 1992 bis 2008 als
Rechtsanwaltskanzlei genutzt worden seien, bis 1964 an eine Großschneiderei
vermietet gewesen, bis 1992 dann an den Verein Creditreform N. E. . Die übrigen
Räumlichkeiten im Haupthaus seien zu Wohnzwecken genutzt worden. Der Ausbau der
Dachwohnung sei bereits weit vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes erfolgt. Sollte
die gewerbliche Nutzfläche tatsächlich baurechtswidrig gewesen sein, könne ihm das
nicht vorgehalten werden. Ihm sei dieser Umstand nicht bewusst gewesen. Er sei davon
ausgegangen, dass in dem sehr verschachtelten, mit Halbetagen und Anbauten
versehenen Gebäude die Wohnnutzung die gewerbliche Nutzung überwogen habe,
jedenfalls aber die gewerbliche Nutzung bestandsgeschützt gewesen sei.
24
Die Berichterstatterin hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll des Ortstermins vom 21. Oktober 2009 und die
gefertigten Fotos verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
25
Entscheidungsgründe
26
Die zulässige, namentlich rechtzeitig begründete Berufung hat Erfolg. Der Kläger kann
die Aufhebung der dem Beigeladenen unter dem 8. Februar 2006 erteilten
Genehmigung zur Nutzung von Flächen im 1. Obergeschoss des Hauses I.---------straße
10 als Arztpraxis bzw. Kosmetikstudio nicht beanspruchen. Die
Nutzungsänderungsgenehmigung mag objektiv rechtswidrig, namentlich die
genehmigte Art der Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig sein. Eine Verletzung
eigener Rechte i.S.d. § 113 Abs. 1 VwGO kann der Kläger aber nicht geltend machen. In
dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
27
Baugenehmigung war es ihm insbesondere verwehrt, sich auf den geltend gemachten
Gebietserhaltungs- bzw. Gebietsgewährleistungsanspruch zu berufen.
1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens richtet sich nach §
30 Abs. 1 BauGB. Das Grundstück liegt in einem Bereich, für den der Bebauungsplan
561/1 "Molkerei" der Stadt N. ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Die
Festsetzungen dieses Planes sind weiterhin wirksam. Die Satzung der Stadt N. über
die teilweise Aufhebung dieses Bebauungsplanes ist entsprechend den Feststellungen
des Senats im Urteil vom 24. Juli 2006 - 7 D 26/06.NE - unwirksam. Die Festsetzungen
sind auch sonst nicht funktionslos geworden. Eine Situation, in der aufgrund der
tatsächlichen Verhältnisse eine Verwirklichung der Festsetzungen offensichtlich auf
unabsehbare Zeit ausgeschlossen wäre und in der das auf ihre Fortsetzung gesetzte
Vertrauen keinen Schutz mehr verdiente, liegt nicht vor.
28
Vgl. zu den Voraussetzungen der Funktionslosigkeit von
Bebauungsplanfestsetzungen: BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 - 4 C
39.75 -, BVerwGE 54, 5; OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2008 – 7 B
251/08 -, juris.
29
Das Vorhaben gehört – jedenfalls soweit es um die Nutzung eines Teils des Gebäudes
I.---------straße 10 als Arztpraxis geht – nicht zu den nach den wirksamen Festsetzungen
des Bebauungsplans in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften der
Baunutzungsverordnung in der Fassung der ersten Änderungsordnung vom 26.
November 1968 (BGBl. S. 1237) – BauNVO – zulässigen Vorhaben. Jene Fassung des
Baunutzungsverordnung - im Weiteren BauNVO - findet hier mit Blick auf den Zeitpunkt
der Auslegung bzw. Bekanntmachung des Bebauungsplanes Anwendung (§ 25a
BauNVO). Zu Änderungen des Bebauungsplans, die auf eine Umstellung auf eine
Baunutzungsverordnung späterer Fassung angelegt gewesen wären, ist es in der
Folgezeit nicht gekommen.
30
Das Vorhaben des Beigeladenen stellt jedenfalls im Hinblick auf die Umwandlung von
Wohnflächen in Praxisräume für einen Arzt keine nach § 4 BauNVO in einem
allgemeinen Wohngebiet zulässige Nutzung dar. Auf § 13 BauNVO kann sich der
Beigeladene ebenfalls nicht berufen. Danach sind auch in einem allgemeinen
Wohngebiet für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher
Gewerbetreibenden, die ihren Beruf in ähnlicher Weise ausüben, nur "Räume" zulässig.
Die Vorschrift soll vor einer städtebaulich unerwünschten Verdrängung der primären
Wohnnutzung schützen.
31
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1985 - 4 C 34.81 -, BRS 44 Nr. 47.
32
Entsprechend darf die freiberufliche oder freiberufsähnliche Nutzung die Wohnnutzung
nicht überwiegen. Geboten ist dabei eine gebäudebezogene und keine
grundstücksbezogene Betrachtung. Der spezifische Gebäudecharakter muss auch für
das einzelne (Wohn-)Gebäude gewahrt bleiben. In Mehrfamilienhäusern darf deshalb in
der Regel nicht mehr als die halbe Anzahl der Wohnungen und nicht mehr als 50 % der
Wohnflächen in Anspruch genommen werden.
33
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - 4 C 8.00 -, BRS 64 Nr. 66,
Beschluss vom 25. Januar 1985 - 4 C 34.81 -, a.a.O., Urteil vom 20. Januar
1984 - 4 C 56.80 -, BRS 42 Nr. 56.
34
Mit diesen Vorgaben ist die dem Beigeladenen erteilte
Nutzungsänderungsgenehmigung nicht vereinbar. Das ist zwischen den Beteiligten zu
Recht unstreitig und bedarf keiner vertieften Ausführung. Insbesondere ist einzustellen,
dass das Erdgeschoss des Gebäudes und ein Teil des 1. Obergeschosses bereits als
Praxisräume genutzt werden. Schon allein durch die vorgesehenen weiteren
Praxisräume ergibt sich ein deutliches Übermaß an freiberuflicher Nutzung.
Dahinstehen mag deshalb auch, ob der Betrieb eines Kosmetikstudios ebenfalls zu der
von § 13 BauNVO erfassten freiberufsähnlichen gewerblichen Tätigkeit gezählt werden
kann,
35
bejahend: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juni 2002 - 1 A 11669/99 -,
juris; offengelassen: OVG NRW, Urteil vom 24. Januar 2008 - 7 A 270/07-;
zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verneinend: Littmann, Bitz, Pust, EStG, § 18
Rdn.159 (unter Bezug auf eine Entscheidung des FG Düsseldorf, EFG
1965, 567),
36
und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen andernfalls das Vorhaben als nicht
störender Handwerksbetrieb zulässig sein könnte (§ 4 Abs. 2 BauNVO), jedenfalls aber
als nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 BauNVO. Der
Kosmetiker gehört zu den in Anlage B zum Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO)
aufgeführten Gewerben, die als handwerksähnliche nach § 18 Abs. 2 HwO betrieben
werden können.
37
2. Auf den bauplanungsrechtlichen Verstoß gegen § 4, § 13 BauNVO kann der Kläger
sich indes nicht mit Erfolg berufen. Ihm steht gegenüber dem Beigeladenen kein
durchsetzbares Recht auf Einhaltung der genannten bauplanungsrechtlichen Vorgaben
zu.
38
Aus seinem Dauerwohnrecht aus § 31 WEG am Gebäude I.---------straße 10 kann der
Kläger im Verhältnis zum Beigeladenen schon vom Grundsatz her keine subjektiv-
öffentlichen nachbarlichen Abwehrrechte ableiten. Bei allen nach dem
Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Grundstücken sind die wechselseitigen Rechte
und damit auch die Abwehrrechte bei Nutzungskonflikten, wie sie hier in Rede stehen,
durch jenes Gesetz besonders geregelt. Eventuelle öffentlich-rechtliche
Drittschutzansprüche werden durch dieses bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnis
überlagert.
39
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998
40
- 4 C 3.97 -, BRS 60 Nr. 173.
41
Als Eigentümer des benachbarten Grundstücks I.---------straße 8 steht dem Kläger zwar
grundsätzlich ein sog. Gebietsgewährleistungsanspruch zu. Weil er in dem für die
Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung allerdings
selbst die eingeforderten bauplanungsrechtlichen Vorgaben nicht eingehalten hat, ist es
ihm hier aber verwehrt, den Anspruch gegenüber der dem Beigeladenen erteilten
Genehmigung geltend zu machen.
42
Der sog. Gebietsgewährleistungsanspruch vermittelt den Eigentümern von
Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen,
43
grundsätzlich das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht
zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. Das betrifft gerade auch die Vorgaben aus §
13 BauNVO.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1995 - 4 B 245.95 -, BRS 57
Nr. 79.
44
Der Anspruch ist Ausfluss des Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG. Er leitet sich aus
dem Gedanken des wechselseitigen nachbarrechtlichen Austauschverhältnisses ab;
weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-
rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich
auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Hauptanwendungsfall sind die
Festsetzungen eines Bebauungsplanes über die Art der baulichen Nutzung, wie sie hier
in Rede stehen. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer
Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die
Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch
ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen
unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll
daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung
und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer
konkreten Beeinträchtigung verhindern können.
45
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr.
175, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110, und
Beschluss vom 11. Mai 1989
46
- 4 C 1.88 -, BRS 49 Nr. 184, jeweils m.w.N.
47
Aus seiner Herleitung aus dem baunachbarrechtlichen Verhältnis ergeben sich zugleich
die Grenzen, denen ein Gebietsgewährleistungsanspruch namentlich mit Blick auf den
Grundsatz von Treu und Glauben unterliegt. Für das baunachbarrechtliche Verhältnis ist
insbesondere anerkannt, dass eine ungenehmigte Nutzung, die bauplanungsrechtlich
unzulässig und auch nicht durch Bestandsschutz gedeckt ist, grundsätzlich kein
Schutzobjekt eines nachbarrechtlichen Abwehrrechts sein kann.
48
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1992
49
- 1 C 7.90 -, BRS 54 Nr. 194.
50
Entsprechend kann ein solcher Eigentümer auch nicht schutzwürdig von seinen
Nachbarn unter Berufung auf sein Interesse an der Erhaltung des gegebenen
Gebietscharakters die Einhaltung gegebener Nutzungsbeschränkungen verlangen, die
er selbst nicht einhält. Der Umstand, dass der Gebietserhaltungsanspruch im Grunde
nicht der Abwehr der Störung einer konkreten Grundstücksnutzung dient, sondern dem
Interesse, eine Gebietsverfremdung abzuwehren, bietet keinen tragfähigen Grund, die
Schutzwürdigkeit der Interessenlage streitender Nachbarn insoweit anders zu
beurteilen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist nach seiner Ableitung, auch wenn
er keine weitergehende Beeinträchtigung des Nachbarn fordert, kein bloßer allgemeiner
Planbefolgungsanspruch. Er zielt vielmehr auf einen Ausgleich für bestehende
gemeinsame Nutzungsbeschränkungen; nur das mit den gegebenen Vorgaben
korrespondierende Eigeninteresse an der Gebietserhaltung soll abgesichert werden.
51
Der Eigentümer eines Grundstückes ist aber grundsätzlich nur insoweit schutzwürdig,
als er sich selbst entsprechend den von ihm geforderten Beschränkungen verhält und
das Seine zu einer Gebietserhaltung beiträgt.
Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 22. November 1996 - 2 W 33/96 -, juris;
OVG Thüringen, Beschluss vom 18. Oktober 1996 1 EO 262/96 -, BRS 58
Nr. 56.
52
Daran fehlte es hier. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung – hier also der Erteilung der Genehmigung –
53
vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. September 1969 – 4 C 18.67 -, NJW
1970, 263, und vom 14. April 1978 – 4 C 96.76 u.a. -, BauR 1978, 289,
54
entsprach die Nutzung des Grundstückes I.---------straße 8 nicht den
bauplanungsrechtlichen Vorgaben aus § 13 BauNVO.
55
Das straßenseitige Haupthaus (ehemaliges Lagerhaus mit Anbau) war überwiegend
durch freiberuflich Tätige genutzt. In den Räumlichkeiten des Erdgeschosses befand
sich eine Arztpraxis, in Teilen des 1. Obergeschosses eine Anwaltskanzlei. Das ergab
eine Gesamtnutzfläche von 285 qm. Im Übrigen befanden sich in dem Gebäude drei
Wohnungen mit einer Nutzfläche von nur etwa 199 qm. Das entspricht den eigenen
Angaben des Klägers, von deren Richtigkeit auch der Beklagte ausgeht. Relevante
Unstimmigkeiten über das Nutzungsausmaß bestehen zwischen den Beteiligten allein
in Bezug auf die weiteren Räumlichkeiten in der ehemaligen Remise. Dafür, dass die
Wohnnutzung trotz dieses deutlichen Übergewichts der Flächen, die zu freiberuflichen
Zwecken genutzt wurden, ausnahmsweise für das (Haupt-)Gebäude gleichwohl
prägend geblieben wäre, findet sich auch in den Örtlichkeiten, die die Berichterstatterin
in Augenschein genommen und deren Eindruck sie dem Senat vermittelt hat, kein
Anhalt. Die vom Kläger angeführten verwinkelten Verhältnisse, namentlich des
Zwischengeschosses, geben für eine solche Bewertung nichts her. Den von dem Kläger
angeführten (Wohn-) Nebenräumen (Hobbyraum und gemeinsamer Abstellraum) ist
schon angesichts ihrer geringen Größe (nach eigenen Angaben 28 qm) kein
weitergehendes Gewicht beizumessen
56
Der Wohnbereich in der umgebauten ehemaligen Remise ist bei der Bewertung nicht
einzubeziehen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 13 BauNVO wie bereits
ausgeführt - eine gebäudebezogene Betrachtung erfordert. Das gilt auch, wenn sich -
wie hier – zwei Gebäude auf einem Grundstück befinden.
57
Haupthaus nebst Anbau und ehemalige Remise stellen sich als zwei unterschiedliche
Gebäude im Sinne der Baunutzungsverordnung dar. Bei der erweiterten Remise, die
wohngenutzt wird und zugleich als Fotostudio dient, handelt es sich nicht (nur) um einen
unselbständigen Anbau. Kennzeichnend für ein Gebäude im Sinne der
Baunutzungsverordnung als Unterfall einer baulichen Anlage (§ 29 Abs. 1 BauGB) ist
dessen selbständige Nutzbarkeit.
58
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1995 - 4 B 245.95 -, BRS 57
Nr. 79.
59
Das setzt keine Abtrennung, nicht einmal eine Abtrennbarkeit von anderen baulichen
60
Anlagen voraus. Für die Unterscheidung, ob unselbständige Teile einer baulichen
Anlage oder aber mehrere Gebäude nebeneinanderstehen, ist vielmehr ihre funktionale
und bautechnisch selbständige Benutzbarkeit entscheidend. Das fordert eine wertende
Betrachtung, bei der dem eigenen Zugang ebenso eine besondere Indizwirkung
beigemessen werden kann wie dem (äußeren) Erscheinungsbild im Übrigen.
Vgl. zu § 2 Abs. 2 BauO NRW: OVG NRW, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 7
A 3096/07 -.
61
62
Davon ausgehend handelt es sich bei dem straßenseitigen Haupthaus und der
ehemaligen Remise um zwei selbständige Gebäude. Beide verfügen über einen
separaten Eingang. Die Remise ist statisch selbständig und verfügt über ein
eigenständiges Dach. Es findet eine unabhängige Nutzung statt; es bestehen separate
Versorgungsanlagen. Nach dem Eindruck, den die Baulichkeiten im Ortstermin auf die
Berichterstatterin im Ortstermin gemacht haben, und den sie dem Senat anhand des
vorliegenden Fotomaterials vermittelt hat, weist die Remise weder von ihrer äußeren
Erscheinung noch von ihrer Lage in der Örtlichkeit den Charakter eines bloß
unselbständigen Anbaus an das (Haupt-)Gebäude auf.
63
Auf Bestandsschutz kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen. Die
Annahme einer durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkten bestandsgeschützten Nutzung würde
voraussetzen, dass die streitige Nutzung bereits im Zeitpunkt des Erlasses des
Bebauungsplanes bestanden hat und zuvor einmal den materiellen Anforderungen des
Baurechts entsprochen hat.
64
Vgl. zu den Voraussetzungen: BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2000 - 1 BvR
151/99 -, NVwZ 2001, 424.
65
Daran fehlt es hier.
66
Allerdings wäre der Kläger andernfalls wohl grundsätzlich nicht gehindert, sich
gegenüber dem Beigeladenen auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch zu berufen.
Denn der Bestandsschutz ist unmittelbarer Ausfluss des Eigentumsrechts aus Art. 14
Abs. 1 GG. Mit der Fortsetzung einer bestandsgeschützten Nutzung eines Grundstücks
nach Erlass eines Bebauungsplanes hält sich der Betreffende im Rahmen der ihm nach
materiellem Recht eröffneten Möglichkeiten. Zugleich unterliegt er im Hinblick auf
Erweiterungsmöglichkeiten als auch in bezug auf Nachfolgenutzungen den nämlichen
Beschränkungen des Bebau-ungsplanes, die er einfordert. Schon deshalb wird man
einem solchen Eigentümer ein schutzwürdiges Interesse daran, eine
Gebietsverfremdung abwehren zu können, im Grundsatz nicht absprechen können.
67
Bestandsgeschützt ist eine Grundstücksnutzung, welche nach früheren rechtlichen
Vorgaben rechtmäßig war oder auf Grund einer früher erteilten Baugenehmigung
unwiderlegbar als rechtmäßig angesehen werden muss und deshalb weiter ausgeübt
werden darf, obwohl sie dem aktuellen Baurecht nicht mehr entspricht. Erfasst ist eine
nach Art und Umfang unveränderte Nutzung einer Baulichkeit. Der Bestandsschutz
endet, wenn die Nutzung endgültig aufgegeben wird oder durch eine andersartige oder
wesentlich geänderte Nutzung ersetzt wird, d.h. die Nutzung unter städtebaulichen
Gesichtspunkten eine andere Qualität aufweist.
68
Vgl. für den Fall der Nutzungsänderung BVerwG, Urteil vom 25. März 1988
– 4 C 21.85 -, BRS 48 Nr. 138; für den Fall der Nutzungserweiterung
BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 C 20.94 -, BRS 57 Nr. 67.
69
In diesem Zusammenhang ist auch die Änderung der Nutzung von Räumen in einem
ansonsten dem Wohnen dienenden Gebäude zu freiberuflichen bzw.
freiberufsähnlichen Zwecken oder (sonstiger) gewerblicher Nutzung zu sehen. Denn
deren Zulässigkeit unterliegt anderen städtebaulichen Vorgaben. Für erstere gilt
namentlich § 13 BauNVO, die Zulässigkeit für gewerbliche Nutzung richtet sich nach § 4
BauNVO.
70
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes Nr. 561/1 "Molkerei"
(Genehmigung und Bekanntmachung Mitte 1975) fand in dem straßenseitigen
Hauptgebäude keine freiberufliche Tätigkeit statt, jedenfalls keine, die mit den Vorgaben
des § 13 BauNVO nicht in Einklang gestanden hätte. Darauf, ob anderes für einen
früheren Zeitpunkt galt, kommt es nicht an. Hielt sich die Grundstücknutzung im
Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans im Rahmen des nach § 13 BauNVO
Zulässigen, war der Kläger, was die Frage der Aufnahme einer nur nach Maßgabe der
Anforderungen des § 13 BauNVO zulässigen Nutzung oder deren Erweiterung angeht,
an die aus der Gebietsfestsetzung des Bebauungsplans folgenden Beschränkungen
gebunden. Denn außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf
Zulassung einer neuen oder einer bauplanungsrechtlich relevanten erweiterten Nutzung
aus eigentumsrechtlichem Bestandschutz.
71
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998
72
- 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228,
73
Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss waren von 1974 bis 1991 an den Verein Anonyme
Alkoholiker N. vermietet. Das entsprach keiner freiberuflichen oder
freiberufsähnlichen Nutzung. Für die Auslegung des § 13 BauNVO kann § 18 Abs. 1 Nr.
1 EStG nutzbar gemacht werden. Die dort aufgezählten Berufe fallen auch unter § 13
BauNVO. Was in beiden Vorschriften den Begriff der "freien" und der diesen "ähnlichen"
Berufe verbindet, ist das Angebot persönlicher Dienstleistungen, die vorwiegend auf
individuellen geistigen Leistungen oder sonstigen persönlichen Fertigkeiten beruhen.
74
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1984
75
– 4 C 56.80 -, BRS 42 Nr. 56.
76
Das durch Selbsthilfe geprägte Angebot des Vereins der Anonymen Alkoholiker N.
weist hierzu keine Parallelen auf. Ohnehin fehlt auch der berufsspezifische Bezug. Im
ersten Obergeschoss wurden die Räumlichkeiten der späteren Anwaltskanzlei von
einem Verein Creditrefom N. E. KG genutzt. Hinweise, dass dessen Tätigkeit
freiberufsähnlich war, fehlen. Ausweislich ihrer Homepage im Internet
http://www.creditreform- .de) erbringt die Creditreform N. E. KG Serviceleistungen
für die kreditgebende Wirtschaft; neben Informationsprodukten werden u.a. ein
Forderungsmanagement sowie ein Kredit- und Risikomanagement angeboten. Zu
denken wäre allenfalls an eine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines
Handelsvertreters, Handelsmaklers oder Versicherungsunternehmers, die als ähnliche
77
Berufe anerkannt sind. Bei diesen steht allerdings im Vordergrund eine eigenständige
Tätigkeit, die auf die Vermittlung von Geschäften für einen unbestimmten Personenkreis
zielt. Dem entspricht ein Betrieb nicht, der nur Leitungs- und Verwaltungsfunktionen für
seinen Handelsbetrieb und dessen Kunden übernimmt.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 1990
78
- 4 B 172/89 - , Buchholz 406.12 § 13 BauNVO Nr. 5.
79
Das bedarf indes keiner Vertiefung. Denn selbst eine freiberufsähnliche Tätigkeit des
Vereins Creditreform unterstellt, könnte der Kläger daraus nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Denn diese Nutzung wäre hinter der Wohnnutzung zurückgeblieben; die
Nutzung im Erdgeschoss war in diese Betrachtung nicht einzustellen, weil sie gerade
keiner freiberuflichen entsprach. Hielt sich die Nutzung aber im Zeitpunkt des Erlasses
des Bebauungsplans im Rahmen des nach § 13 BauNVO Zulässigen, unterlag – wie
bereits ausgeführt – eine spätere Ausweitung der Nutzung diesen materiellen
Anforderungen.
80
Im Übrigen ist auch durch den Leerstand der Räumlichkeiten im Erdgeschoss in der Zeit
von 1991 bis 1994 eine entscheidende Nutzungsunterbrechung eingetreten. Die für den
Bestandsschutz erforderliche Kontinuität der Nutzung war spätestens dadurch
unterbrochen. Der Bestandsschutz, der aus einer Übereinstimmung einer baulichen
Nutzung mit den materiellen Anforderungen entstanden ist, erlischt, wenn eine
Änderung eintritt, die die Unwirksamkeit einer entsprechend erteilten Genehmigung zur
Folge hätte, d.h. im Falle der Erledigung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG. Das ist regelmäßig
der Fall, wenn eine zulässige Nutzung mehr als zwei Jahre nicht ausgeübt worden ist.
81
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2007
82
– 4 B 20.07-, BRS 71 Nr. 113, und Urteil vom
83
18. Mai 1995 - 4 C 20.94 -, a.a.O.
84
Es ist davon auszugehen, dass die Grundstückssituation nach so langer Zeit für eine
erneute Aufnahme einer mit den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplanes
nicht zu vereinbarenden Nutzung nicht mehr offen war. Besondere Gründe, dass
vorliegend der Leerstand noch keinen endgültigen Zustand herbeigeführt hatte, sind
weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Hinweis, in jener Zeit seien die
Räumlichkeiten saniert worden, reicht dazu nicht aus. Mit Aufgabe der freiberuflichen
Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss waren also, selbst eine freiberufsähnliche
Nutzung der fortlaufenden Vermietung im ersten Obergeschoss unterstellt, die Vorgaben
des § 13 BauNVO eingehalten und unterlag die spätere Aufnahme einer freiberuflichen
Nutzung des Erdgeschossen den geltenden baurechtlichen Vorgaben.
85
Der Einwand des Klägers, er sei sich der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit der
Nutzung seines Grundstücks nicht bewusst gewesen, ist nicht zielführend. Auf seine
subjektive Kenntnis oder Fragen der konkreten Vorwerfbarkeit kommt es nicht an.
Anknüpfungspunkt sind die objektiven Grundstückverhältnisse. Es geht um die
Schutzwürdigkeit des Interesses an der Abwehr einer Gebietsverfremdung. Hierfür
ergibt sich aber schon dann kein tragfähiger Anknüpfungspunkt, wenn ein Eigentümer
durch die eigene tatsächliche gebietsfremde Nutzung seines Grundstückes im
86
Grundsatz selbst einen Sachverhalt verwirklicht, der objektiv im Gebiet eine
Verfremdung einleitet, auch wenn dies subjektiv nicht gewollt gewesen sein sollte.
Der Umstand, dass die zuletzt als Arztpraxis bzw. als Anwaltskanzlei genutzten
Räumlichkeiten seit 2007 bzw. 2008 leer stehen, ist unerheblich. Im baurechtlichen
Nachbarstreit ist – wie bereits angeführt - für die Beurteilung, ob eine Baugenehmigung
Rechtsfehler zu Lasten des Nachbarn enthält, grundsätzlich auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Das ist hier der
Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigung. Änderungen der Sach- und Rechtslage zu
Lasten des Bauherrn bleiben grundsätzlich – wie auch hier - unberücksichtigt. Anderes
gilt (nur), wenn sich Änderungen zu Gunsten des Bauherrn ergeben, die dazu führen,
dass ihm eine entsprechende Genehmigung nunmehr aus Rechtsgründen erteilt werden
muss.
87
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. September 1969
88
- 4 C 18.67 -, a.a.O., und vom 14. April 1978
89
- 4 C 96.76 u.a. -, a.a.O.
90
3. Ein Verstoß gegen weitere nachbarrechtliche Vorschriften, deren Geltendmachung
dem Kläger nicht verwehrt wäre, ist nicht festzustellen. Dies gilt namentlich für das
Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO. Hinweise darauf, dass mit Blick auf die
Stellplatzsituation insoweit unzuträgliche Verhältnisse entstehen könnten, die den
Kläger als Eigentümer des benachbarten Grundstücks nachteilig treffen würden, sind
weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO; die Belastung des
Klägers mit den Kosten des Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil dieser sich mit
seinen Anträgen in erster und zweiter Instanz einem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO)
ausgesetzt hat.
92
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.
93
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht
gegeben sind.
94