Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.07.2006

OVG NRW: nationalität, ausreise, abgabe, pass, kasachstan, rücknahme, republik, klagebefugnis, einwirkung, erfüllung

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 287/05
Datum:
07.07.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 287/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 K 1376/03 (9 K 1659/02 VG Köln)
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des
Ergebnisses des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es
vermag die die Klageabweisung tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, es
liege in der Person der Klägerin zu 1. kein durchgängiges Bekenntnis nur zum
deutschen Volkstum vor, weil sie sich jedenfalls während des Zeitraums von der
Änderung der Passvorschriften in Kasachstan im Jahre 1992 bis 1996 nicht um eine
Änderung des russischen Nationalitätseintrags bemüht habe, nicht zu erschüttern.
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Allerdings spricht auf der Grundlage der Unterstellung des Verwaltungsgerichts, die
Klägerin zu 1. habe bei ihrer ersten Bekenntniserklärung in der Forma Nr. 1 ihre
Nationalität mit "deutsch" angegeben, vorliegend alles dafür, dass sie hiermit ein
Bekenntnis zu deutschen Volkstum abgelegt hat. Denn der äußere Bekenntnisvorgang
ist mit der Abgabe des unterschriebenen Formularantrags abgeschlossen. Bei einer
solchen ersten Bekenntniserklärung ist in der Regel ohne Prüfung der Motive, die zur
Abgabe der Erklärung geführt haben, davon auszugehen, dass dem äußeren
Erklärungsinhalt auch - wie es der Bekenntnisbegriff verlangt - ein entsprechendes
inneres Bewusstsein zugrunde gelegen hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2000
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- 5 C 25.99 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 92.
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Wie die Kläger zu Recht vortragen, wirkt auch nach der Neufassung des § 6 Abs. 2
BVFG ein einmal abgegebenes Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Regelfall fort
und deckt darum auch Folgezeiträume ab, solange kein beachtliches Gegenbekenntnis
erfolgt. Diese Indizwirkung eines einmal abgegebenen Bekenntnisses zum deutschen
Volkstum für die Folgezeit entfällt nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf ihren begrenzten Zweck, die Erfüllung des
Erfordernisses eines durchgängigen positiven Bekenntnisses zum deutschen Volkstum
bei einem einmal nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG wirksam abgegebenen Bekenntnis zu
diesem Volkstum nicht von einer kontinuierlichen oder periodischen Bekräftigung oder
Wiederholung abhängig zu machen, indes dann, wenn und solange eine
bekenntnisfähige Person nach Eintritt ihrer Bekenntnis- und Erklärungsfähigkeit und
einem erstmaligen Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch Beantragung der
Eintragung der deutschen Nationalität im ersten Inlandspass einen Pass
entgegennimmt, der sie nach außen hin als Angehörige einer anderen Nationalität
ausweist. Die Annahme und das Führen eines solchen Passes heben die Vermutung
eines fortwirkenden positiven Bekenntnisses auch dann auf, wenn die Eintragung einer
anderen als der deutschen Nationalität dem Passinhaber nicht zuzurechnen sein sollte,
da die Eintragung einer nichtdeutschen Nationalität den Inhaber des Passes nach
außen hin sichtbar als nicht dem deutschen Volkstum zugehörig kennzeichnet. Sie steht
damit einer Fortwirkung der zunächst abgegebenen Nationalitätserklärung zum
deutschen Volkstum entgegen, wenn auch aufgrund einer etwa fehlenden
Zurechenbarkeit in diesem Vorgang nicht zugleich ein positives Bekenntnis zu einem
nichtdeutschen Volkstum ("Gegenbekenntnis") zu sehen ist.
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BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 5 B 128.04 -, Juris; OVG NRW, Beschluss
vom 6. April 2006 - 2 A 840/05 -, Beschluss vom 29. September 2004 - 2 A 1532/03 -.
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In Anwendung dieser Grundsätze ist die Indizwirkung des unterstellten, bei der
Antragstellung (wohl im Jahre 1985) erfolgten Bekenntnisses zum deutschen Volkstum
mit der Entgegennahme und der Führung des - aus welchen Gründen auch immer -
entgegen der Angabe bei der Antragstellung die russische Nationalität ausweisenden
Inlandspasses entfallen.
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Da es aber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG eines durchgängigen Bekenntnisses zum
deutschen Volkstum bedarf und ein (fortwirkendes) Bekenntnis durch
Nationalitätenerklärung hier fehlt, hätte sich die Klägerin zu 1., um die Anforderungen
des § 6 Abs. 2 BVFG erfüllen zu können, auf eine der Nationalitätenerklärung
vergleichbare Weise durchgängig, das heißt vom Zeitpunkt der Bekenntnisfähigkeit an
bis zu ihrer (beabsichtigten) Ausreise zum deutschen Volkstum bekennen müssen.
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Zu den Anforderungen an ein Bekenntnis auf vergleichbare Weise vgl. BVerwG, Urteil
vom 13. November 2003 - 5 C 41.03 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 104; vgl. ferner
BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 25.99 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 92 =
DVBl 2000, 1533, wonach in der wenige Tage nach Abgabe einer mit der Angabe der
deutschen Nationalität versehenen Forma Nr. 1 erfolgten, auf die Einwirkung der Mutter
zurückzuführenden Wahl des nichtdeutschen Nationalitäteneintrags die Rücknahme
des nach außen hervorgetretenen Teils des Bekenntnisses zu deutschen Volkstum liegt
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und deshalb vergleichbare (äußere) Bekenntniserklärungen erforderlich sind, um
weiterhin ein Bekenntnis zu deutschen Volkstum annehmen zu können.
An einem solchen Bekenntnis auf vergleichbare Weise fehlt es, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls für die Zeit von September 1992
- von da an war es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des
Verwaltungsgerichts einer von Elternteilen verschiedener Nationalitäten abstammenden
Person in Kasachstan möglich, die eingetragene Volkszugehörigkeit in die des anderen
Elternteils abändern zu lassen - bis 1996, als die Klägerin zu 1. erstmalig die Eintragung
der deutschen Nationalität in ihren kasachischen Personalausweis sowie in den Pass
der Republik Kasachstan erwirkt hat. Denn die von den Klägern insoweit erstmalig in
der Zulassungsbegründungsschrift ins Feld geführten, ohnehin nicht substantiiert
dargelegten und in keiner Weise belegten Versuche der Klägerin zu 1., die Eintragung
der russischen Nationalität ändern zu lassen, und die im Schriftsatz vom 5. August 2002
ebenfalls unsubstantiiert aufgestellte Behauptung, die Klägerin zu 1. habe sich bei den
Volkszählungen stets mit der deutschen Nationalität eingetragen, vermögen nicht zu
belegen, dass die Klägerin zu 1. auch nach Änderung des kasachischen Passrechts im
September 1992 alsbald Anstrengungen unternommen hätte, die deutsche Nationalität
in ihren Pass eintragen zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist ein durchgängiges
Bekenntnis der Klägerin zu 1. zum deutschen Volkstum auch unter Berücksichtigung der
Antragsbegründung nicht feststellbar.
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Das Verfahren hat entgegen der Auffassung der Kläger - unabhängig von der Frage der
Klagebefugnis - keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO.
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Die zu § 27 BVFG aufgeworfenen Fragen sind, soweit hier von Belang, in der
Rechtssprechung geklärt. So setzt die Einbeziehung schon nach dem Gesetzeswortlaut
in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG voraus, dass vor der Ausreise der Bezugsperson ein
ausdrücklicher Antrag auf Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Ausreise gestellt
worden ist. Dass die Mutter der Klägerin zu 1. vor ihrer Ausreise im Jahr 1996 bereits
einen auf die Einbeziehung der Klägerin zu 1. in ihren Aufnahmeantrag gerichteten
Antrag gestellt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ist die Einbeziehung
nicht von der Bezugsperson vor der Ausreise beantragt worden, kommt eine
nachträgliche Einbeziehung auf der Grundlage des § 27 Abs. 2 BVFG nicht in Betracht,
weil es dafür jedenfalls an den "sonstigen Voraussetzungen" des Absatzes 1 fehlt.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005
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- 5 B 134.04 -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt gem. § 72 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1
und 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 68
Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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