Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2006

OVG NRW: besuch, eltern, alter, verfügung, anknüpfung, jugendhilfe, belastung, wechsel, hauptsache, zugang

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 2171/05
Datum:
27.01.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 2171/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 16 L 1788/05
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Beschwerdeverfahrens.
Die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts wird
aufgehoben.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist unbegründet. Die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dient die Vorwegnahme der
Hauptsache im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes der Vermeidung schlechthin
unzumutbarer Folgen. Dass der Antragsteller derartige unzumutbare Folgen beim
Besuch der Kindertagesstätte B. G. 38 zu erleiden hätte, hat er weder schlüssig
vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
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Der pauschale Hinweis auf die - im Übrigen ohnehin nur zeitweilige - Herausnahme aus
dem gewohnten Umfeld ist nicht geeignet, derartige unzumutbare Folgen zu begründen.
Abgesehen davon, dass die zu befürchtenden Folgen weder der Art noch dem Umfang
nach auch nur ansatzweise konkretisiert worden sind und normal entwickelte Kinder im
Alter des Klägers bei der fachkundigen Betreuung in einer Kindertageseinrichtung in der
Regel sehr schnell Zugang zu den anderen Kindern in der Einrichtung finden, ohne
durch den Wechsel zwischen Einrichtung und engerem Wohnumfeld dauerhaften und
schwerwiegenden seelischen Beeinträchtigungen ausgesetzt zu sein, hat der
Antragsteller selbst eingeräumt, dass ein gesetzlicher Anspruch auf den Besuch einer
bestimmten Kindertageseinrichtung nicht besteht. Im Gesetz ist daher schon angelegt,
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dass der Anspruch nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch durch das Angebot eines
Kindergartenplatzes in einer Tageseinrichtung erfüllt werden kann, die sich zwar nicht in
unmittelbarer Nähe zur Wohnung des Kindes, jedoch - wie hier - in einer zumutbaren
Entfernung (vgl. § 10 Abs. 2 GTK), mithin gegebenenfalls auch außerhalb des engeren
Wohnumfeldes des Kindes, befindet und dadurch eine zeitweilige Umorientierung des
Kindes und eine Eingewöhnung in ein anderes als das gewohnte enge Umfeld
erforderlich wird. Wenn aber der Gesetzgeber schon bei der Konzeption des Anspruchs
auf einen Kindergartenplatz der damit verbundenen Förderung die Forderung nach
einer - zumutbaren - Mobilität entgegensetzt, kann das Einfordern dieser Mobilität im
Einzelfall nicht als Argument zur Begründung einer unzumutbaren Belastung herhalten.
Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - Tageseinrichtungen in unmittelbarer
Nähe auf Grund fehlender Aufnahmekapazitäten nicht zur Verfügung stehen. Dass
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- wie in der Tageseinrichtung C. Straße - im Fall nicht ausreichender Kapazitäten die
Zuweisung eines Kindergartenplatzes nach dem Alter der auf einen Platz in der
Einrichtung wartenden Kinder vorgenommen wird, begegnet keinen grundsätzlichen
Bedenken. Dies schließt nicht aus, dass darüber hinaus weitere Kriterien berücksichtigt
werden können und im Einzelfall möglicherweise auch berücksichtigt werden müssen.
Selbst wenn letzteres etwa in Bezug auf die Berufstätigkeit der Eltern des Antragstellers
der Fall sein sollte - wozu allerdings nichts vorgetragen ist -, folgt daraus allein nicht
ohne weiteres, dass die Belange der Eltern der nach der Warteliste der vorgenannten
Tageseinrichtung vorrangig zu berücksichtigen Kinder zwingend zurückzustehen haben
und aus diesem Grund das insoweit bestehende Auswahlermessen zugunsten des
Antragstellers auf Null reduziert ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Aufhebung der
Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren erfolgt von Amts wegen gemäß
§ 63 Abs. 3 GKG.
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Der Senat hat mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung zur Einordnung der
Streitigkeiten betreffend Elternbeiträge nach § 17 GTK,
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vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2002 - 16 B 2228/02 -,
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die Frage geprüft, ob die Verfahren betreffend die Zuweisung eines Kindergartenplatzes
von der Geltung des § 188 Satz 2 VwGO auszunehmen sind. Der Wortlaut der
genannten Bestimmung, der allgemein die Gerichtskostenfreiheit für Verfahren der
Jugendhilfe anordnet, lässt jedoch mit Blick auf die Anknüpfung der Tageseinrichtungen
an die jugendhilferechtliche Regelung in § 22 SGB VIII und den Anspruch auf Besuch
einer Tageseinrichtung in § 24 SGB VIII keinen Raum für eine Ausgliederung der
diesbezüglichen gerichtlichen Verfahren aus dem Geltungsbereich des § 188 Satz 2
VwGO.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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