Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.04.2008
OVG NRW: versorgung, scheidung, grammatikalische auslegung, juristische methodik, unterhaltspflicht, ehepartner, aussetzung, post, gesetzesmaterialien, härte
Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 2307/07
Datum:
09.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 2307/07
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der 1955 geborene Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen
dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Januar 2005 als Postbetriebsassistent
im Dienst der Beklagten.
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Durch Urteil des Amtsgerichts O. vom 23. April 1999 wurde die erste Ehe des Klägers
mit seiner jetzigen Ehefrau geschieden. Dabei waren zu Lasten der
Versorgungsanwartschaften des Klägers gemäß § 1587b BGB monatliche
Rentenanwartschaften von 277,73 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung der
geschiedenen Ehefrau bezogen auf den 31. Dezember 1998 (Ende der Ehezeit)
begründet worden. Am 22. Dezember 2004 heiratete der Kläger seine geschiedene
Ehefrau, die zwischenzeitlich ein weiteres Mal verheiratet gewesen war, erneut.
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Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 setzte die Beklagte die Versorgung des Klägers auf
1.266,42 EUR fest. Dieser Betrag ermittelte sich ausweislich einer dem Bescheid
beigefügten Berechnung aus dem erdienten Versorgungsbezug von 1.421,72 EUR
abzüglich eines Kürzungsbetrages von 155,30 EUR, der sich gemäß § 57 BeamtVG aus
dem vorgenommenen Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau
ergab.
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Am 4. März 2005 beantragte der Kläger die Aussetzung der Kürzung seiner
Versorgungsbezüge gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im
5
Versorgungsausgleich (VAHRG). Aufgrund der erneuten Eheschließung mit seiner
geschiedenen Ehefrau, die noch keine Rente beziehe, sei er gemäß § 1360 BGB dieser
gegenüber zum Familienunterhalt verpflichtet. Er trage zum Familienunterhalt in
größerem Umfang bei als seine Ehefrau. Da es sich beim Familienunterhalt um eine
Unterhaltsverpflichtung im Sinne des § 5 Abs. 1 VAHRG handele, habe die Kürzung zu
entfallen.
Mit Bescheid der Deutschen Post AG vom 12. April 2005 lehnte die Beklagte die
Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge nach Maßgabe des § 5 Abs. 1
VAHRG ab. Der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB werde von dem
Begriff des Unterhalts in § 5 Abs. 1 VAHRG nur dann erfasst, wenn - anders als hier -
zuvor ein nachehelicher Unterhaltsanspruch bestanden habe.
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Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid der Deutschen Post AG vom 28. Juli 2005 zurück. Begründend
führte sie aus, der Kläger sei im Zeitpunkt der Wiederheirat seiner Ehefrau gegenüber
nicht mehr zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet gewesen, da diese nach der
Scheidung vom Kläger jemand anderen geheiratet habe. Ausschließlich unter dieser
Voraussetzung komme aber ein Absehen von der Kürzung gemäß § 57 BeamtVG in
Betracht, wie sich auch aus einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-
Pfalz vom 31. März 2003 (10 A 11884/02) ergebe.
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Der Kläger hat am 26. August 2005 Klage erhoben und zur Begründung geltend
gemacht, § 5 Abs. 1 VAHRG differenziere bewusst nicht zwischen
Nachscheidungsunterhalt und Familienunterhalt im Sinne des § 1360 BGB. Auch unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich keine Notwendigkeit, die Vorschrift
entgegen ihrem Wortlaut dahingehend einschränkend auszulegen, dass nur der
nacheheliche Unterhalt erfasst werde. Dementsprechend wende auch der
Bundesgerichtshof (Urteil vom 9. Februar 1983 - IVb ZR 361/81 -) die Regelung des § 5
VAHRG auf Fälle der vorliegenden Konstellation an. Dies gelte jedenfalls dann, wenn
das Einkommen des Verpflichteten - wie hier - das Einkommen des Berechtigten nicht
unerheblich übersteige.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Deutschen
Post AG vom 12. April 2005 und des Widerspruchsbescheides der
Deutschen Post AG vom 28. Juli 2005 zu verurteilen, den Wegfall der
Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 57
Beamtenversorgungsgesetz in Verbindung mit § 5 VAHRG in Höhe von
155,30 EUR ab dem 4. März 2005 anzuordnen,
10
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie vorgetragen, maßgeblich sei hier, dass der Kläger weder
aufgrund des Scheidungsurteils noch aufgrund einer späteren familiengerichtlichen
Entscheidung seiner Ehefrau gegenüber zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet
gewesen sei. Das Nichtabsehen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge in einem
solchen Fall entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, auf denen die
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Einführung des § 5 Abs. 1 VAHRG beruhe. Eine verfassungswidrige Härte bestehe nur
dann, wenn der Ausgleichsverpflichtete dem Ausgleichsberechtigten zum
nachehelichen Unterhalt verpflichtet gewesen sei und die nacheheliche
Unterhaltsverpflichtung durch den Anspruch auf Familienunterhalt gleichsam abgelöst
werde.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage
stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Beklagten vorgenommene
Kürzung der Versorgungsbezüge sei zu Unrecht erfolgt. Die in § 5 Abs. 1 VAHRG
vorausgesetzte Unterhaltspflicht erfasse auch einen erstmals entstandenen
Unterhaltsanspruch in Gestalt des Anspruchs auf Familienunterhalt aus § 1360 BGB.
Ein solches Gesetzesverständnis entspreche sowohl dem Willen des Gesetzgebers, der
bewusst lediglich auf das Bestehen einer materiellen Unterhaltsverpflichtung abgestellt
und den Familienunterhalt nach § 1360 BGB ausdrücklich als Anwendungsfall der
Härtereglung des § 5 VAHRG angesehen habe, als auch den maßgeblichen
Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts. Danach entfalle in den Fällen einer
Unterhaltspflicht die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs, wenn einerseits beim
Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolge, ohne dass sich
andererseits für den Berechtigten der Erwerb eines selbständigen
Versicherungsschutzes angemessen auswirke. Vor diesem Hintergrund verbiete sich
eine Differenzierung nach der Art des geschuldeten Unterhalts. Jedenfalls die Höhe der
Unterhaltspflicht des vom Versorgungsausgleich Belasteten hänge sowohl in Bezug auf
den nachehelichen Unterhalt als auch hinsichtlich des Familienunterhalts von dessen
Leistungsfähigkeit ab. Die Leistungsfähigkeit werde jedoch in beiden Fällen durch die
Kürzung der Versorgungsbezüge beschnitten und der Unterhaltsanspruch entsprechend
gemindert.
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Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Sache zugelassene Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie im
Wesentlichen vorträgt: Der Familienunterhaltsanspruch habe keinen Niederschlag im
Gesetzestext des § 5 Abs. 1 VAHRG gefunden; jedenfalls lasse sich allein aus der
weiten Formulierung "Anspruch auf Unterhalt" nicht eindeutig auf die Berücksichtigung
des Anspruchs auf Familienunterhalt schließen. Der Gesetzgebungsgeschichte, die nur
unterstützend und soweit sie Rückschlüsse auf einen objektiven Gesetzesinhalt
zulasse, herangezogen werden dürfe, könne daher, anders als vom Verwaltungsgericht
gesehen, keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Im Übrigen sei schon
zweifelhaft, inwieweit den Gesetzesmaterialien überhaupt eine Aussage bezogen auf
den jetzigen § 5 VAHRG entnommen werden könne. Demgegenüber habe das
Bundesverfassungsgericht nur die Fälle durch ein Härteregelungsgesetz geregelt
wissen wollen, in denen der Ausgleichsberechtigte auf Unterhaltsleistungen des
Ausgleichspflichtigen "angewiesen" sei. Hieran fehle es aber beim Anspruch auf
Familienunterhalt, denn dieser bestehe zwischen den Ehegatten stets, also auch ohne
dass der eine Ehepartner der Unterhaltsleistungen des anderen bedürfe. Darüber
hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Versorgungsausgleich und eine hieraus
resultierende Kürzung durch eine erneute Heirat der geschiedenen Eheleute nicht
rückabgewickelt werde. Sofern sich aus der früheren Scheidung eine Kürzung der
Versorgungsbezüge ergebe, liege hierin also keine Schädigung der Ehe oder eine
Benachteiligung von Verheirateten. Ebenso handele es sich bei § 5 VAHRG um eine
Regelung für Geschiedene, als die der Kläger und seine Ehefrau hinsichtlich ihrer
ersten Ehe nach wie vor zu betrachten seien, und nicht für Verheiratete. Wenn vom
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Bundesverfassungsgericht lediglich Härten im Versorgungsausgleich für
verfassungswidrig erklärt würden, könne in einem ohne zeitlichen Zusammenhang mit
dem nachehelichen Unterhalt neu entstandenen Unterhaltsanspruch aus einer neuen
Ehe keine Härte im Versorgungsausgleich erblickt werden. Insofern verhalte es sich
gleich mit den häufigeren Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige eine andere Person
heirate und in denen die Anwendung des § 5 VAHRG unstreitig ausscheide. Daher sei
es sachgerecht, wenn die Geltung von § 5 VAHRG an das Bestehen eines
nachehelichen Unterhaltsanspruchs zur Zeit der Wiederheirat anknüpfe. Damit sei
sichergestellt, dass der Ausgleichsverpflichtete nur in gleichem Umfang von einer
Kürzung nach § 57 BeamtVG freigestellt werde wie der Ausgleichsverpflichtete in den
Fällen, in denen er nicht den geschiedenen Ehepartner erneut heirate. Nach der
Argumentation des Verwaltungsgerichts müsste § 5 VAHRG demgegenüber auch dann
Anwendung finden, wenn der Ausgleichsverpflichtete eine andere Frau oder einen
anderen Mann heirate. Schließlich seien hier nicht nur die Interessen der Ehegatten,
sondern auch die des Versorgungsträgers zu berücksichtigen. Wenn nach der
Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ohne vorherigen Anspruch auf
Scheidungsunterhalt ab der Wiederverheiratung § 5 VAHRG Anwendung finden solle,
entstünde so in einigen Fällen erstmals mit der Wiederheirat ein Anspruch auf
ungekürzte Versorgung. Hierdurch würde der Versorgungsträger zusätzlich belastet,
weil er in unverändertem Umfang gemäß § 225 SGB VI die Aufwendungen der
Rentenversicherer für die durch den Versorgungsausgleich begründeten Renten der
ausgleichsberechtigten Ehegatten erstatten müsste. Der Versorgungsträger dürfe jedoch
nicht mit den Kosten einer Scheidung belastet werden, wenn sich keine aus der
geschiedenen Ehe resultierende Härte ergebe. Hierbei handele es sich um private
Angelegenheiten der Ehegatten, für die Dritte nicht herangezogen werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
19
Zur Begründung verteidigt er das angegriffene Urteil und macht insoweit im
Wesentlichen geltend, bereits die sprachlich/grammatikalische Auslegung ergebe
eindeutig, dass auch der Anspruch auf Familienunterhalt von der Regelung des § 5
VAHRG erfasst werde. Der Gesetzgeber habe eine ihm mögliche Einschränkung
bewusst nicht vorgenommen. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift bestehe
vor diesem Hintergrund weder Anlass noch Raum.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (1 Heft) Bezug genommen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
23
Die auf die Gewährung ungekürzter Versorgungsbezüge gerichtete Verpflichtungsklage
ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte
nicht berechtigt ist, die Versorgungsbezüge des Klägers nach § 57 Abs. 1 Satz 1
24
BeamtVG zu kürzen.
Zwar sind die Voraussetzungen für eine Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57
Abs. 1 Satz 1 BeamtVG als solche erfüllt. Danach werden die Versorgungsbezüge des
aus einem Versorgungsausgleich verpflichteten (beamteten) Ehegatten dann um den
nach Absatz 2 oder 3 der Vorschrift berechneten Betrag gekürzt, wenn Anwartschaften
in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB durch
Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind. Zu den
Versorgungsbezügen im Sinne der Norm gehört auch das Ruhegehalt eines aus
gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den
Ruhestand versetzten Beamten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG). Der
ausgleichspflichtige Beamte erhält aufgrund dieser Regelung bei Eintritt in den
Ruhestand nur noch um den Versorgungsausgleich gekürzte Ruhestandsbezüge
ausgezahlt.
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Auch fällt der Kläger nicht unter das sog. Pensionistenprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 2
BeamtVG. Dieses greift ein, wenn sich der ausgleichspflichtige Ehegatte (der Kläger) im
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts (hier Juli 1999)
bereits im Ruhestand befindet. Der Kläger ist jedoch erst mit Ablauf des 31. Januar 2005
in den Ruhestand versetzt worden.
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Einer Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers steht aber § 5 Abs. 1 des Gesetzes
zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich - VAHRG - vom 21. Februar 1983
(BGBl. I S. 105), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I
S. 3242), entgegen. Nach dieser Bestimmung wird die Versorgung nicht aufgrund des
Versorgungsausgleichs gekürzt, solange der aus dem Versorgungsausgleich
Berechtigte aufgrund des erworbenen Anrechts keine Rente erhalten kann und er gegen
den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der
Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich
beruhenden Kürzung seiner Versorgung außer Stande ist. Diese Voraussetzungen für
eine Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers sind im
vorliegenden Fall erfüllt.
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Die Ehefrau des Klägers erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Rentenbezugs,
was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, derzeit noch nicht. Darüber hinaus hat sie in
Gestalt des ihr nach der Wiederheirat zustehenden Anspruchs auf Familienunterhalt
gemäß § 1360 BGB einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 1 VAHRG gegen
den Kläger.
28
Ein Unterhaltsanspruch in diesem Sinne ist nicht nur ein gesetzlicher
Unterhaltsanspruch nach Maßgabe der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
über den nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB),
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vgl. dazu, dass § 5 Abs. 1 VAHRG nur einen gesetzlichen
Unterhaltsanspruch oder einen Anspruch, der auf einer vertraglichen
Konkretisierung bzw. Ausgestaltung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs
beruht, erfasst: OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2000 - 12 A 5115/98 -, DÖD
2001, 130 m.w.N.,
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sondern auch ein solcher nach § 1360 BGB; dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier
der Fall - der Beitrag des Ausgleichsverpflichteten zum Familienunterhalt unter
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Berücksichtigung der ungekürzten Rente oder Versorgung höher ist als der des
Ausgleichsberechtigten. Darauf, dass der Anspruch auf den Familienunterhalt einen
nachehelichen Unterhaltsanspruch (unmittelbar) ersetzt, kommt es demgegenüber nicht
entscheidend an. Hierfür sind im Einzelnen folgende Erwägungen maßgeblich:
Ausgehend vom Wortlaut des § 5 Abs. 1 VAHRG ist zunächst festzustellen, dass dieser
nicht nach der Art oder dem Grund des erforderlichen Unterhaltsanspruchs differenziert,
sondern lediglich von einem "Anspruch auf Unterhalt" spricht. Die Vorschrift verwendet
damit einen Rechtsbegriff aus dem Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nach
der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuches ist neben dem nachehelichen
Unterhaltsanspruch aber auch der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB ein
"Anspruch auf Unterhalt". Gemäß § 1360 Satz 1 BGB sind die Ehegatten einander
verpflichtet, durch ihre Arbeit und ihr Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten.
Die Ehegatten sind hiernach ungeachtet der bestehenden individuellen
Gestaltungsmöglichkeiten und ihrer Bedürftigkeit - einander wechselseitig zum Unterhalt
verpflichtet, wobei sich der vom einzelnen Ehegatten zum Unterhalt beizusteuernde
Anteil nach dem Verhältnis bestimmt, in dem seine Arbeitskraft und sein Vermögen zu
Arbeitskraft und Vermögen seines Partners stehen.
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Vgl. dazu Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2000,
§ 1360 BGB Rn. 3, 5 f.
33
Der Sprachgebrauch der Norm bietet mithin keinen Anhalt dafür, die in § 5 Abs. 1
VAHRG vorausgesetzte Unterhaltsverpflichtung auf nacheheliche Unterhaltsansprüche
zu beschränken, sondern spricht im Gegenteil mit Blick auf die darin zum Ausdruck
kommende weite, sich an die Begrifflichkeit des Familienrechts anlehnende Fassung
eher dafür, dass auch aus einer bestehenden Ehe folgende Unterhaltsansprüche einen
Anspruch auf Zahlung der ungekürzten Versorgung begründen können.
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Dem Bedeutungszusammenhang des Gesetzes kann nichts anderes entnommen
werden. Zwar steht das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich im
Zusammenhang mit den Regelungen über den Versorgungsausgleich nach §§ 1587 ff.
BGB, die Teil des Titels "Scheidung der Ehe" sind und unmittelbar auf den Untertitel
"Unterhalt der geschiedenen Ehegatten" folgen. Die systematische Verknüpfung im
Kontext des Scheidungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches lässt jedoch, wie auch
bereits das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, keine Rückschlüsse auf die Art
des Unterhaltsanspruchs zu, der von § 5 Abs. 1 VAHRG erfasst wird. Unabhängig von
der Rechtsnatur des erfassten Unterhaltsanspruchs bleibt die Regelung als solche
Bestandteil der Bestimmungen über den Versorgungsausgleich zwischen
geschiedenen Eheleuten, indem sie den Versorgungsausgleich, der durch den Umstand
einer erneuten Eheschließung mit dem früheren Ehegatten nicht berührt wird, im
Hinblick auf mit dessen Durchführung verbundene Härten unter bestimmten
Voraussetzungen modifiziert.
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Schließen somit der Wortlaut der Vorschrift sowie gesetzessystematische
Betrachtungen eine Einbeziehung des Familienunterhalts in den Unterhaltsbegriff des
§ 5 Abs. 1 VAHRG nicht aus, legen sie vielmehr wie aufgezeigt Gegenteiliges nahe,
ohne dabei aber für sich genommen bereits zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis
zu führen, erweist es sich letztlich als entscheidend, dass auch Sinn und Zweck der
Regelung für ein solches (weites) Verständnis streiten.
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Welchen Zweck die Vorschrift verfolgt, lässt sich vorliegend, wovon auch das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, nur im Zusammenhang mit ihrer
Entstehungsgeschichte erkennen, der damit für die Auslegung des § 5 Abs. 1 VAHRG
wesentliche Bedeutung zukommt. Einem solchen Vorgehen kann - anders als die
Beklagte meint - nicht entgegengehalten werden, dass gesetzliche Regelungen nicht
nach dem subjektiven, sondern nach dem sich aus ihrem Wortlaut, ihrem
Sinnzusammenhang und ihrem Regelungszweck ergebenden objektivierten Willen des
Gesetzgebers auszulegen sind und die Gesetzesmaterialien, soweit sie Auskunft über
die Normvorstellungen des Gesetzgebers und die von ihm verfolgten Zwecke geben
können, nur "unterstützend" herangezogen werden sollen. Die sich insbesondere aus
der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien erschließenden subjektiven
Vorstellungen des Gesetzgebers gewinnen nämlich sehr wohl dann Bedeutung für die
Auslegung einer Norm, wenn sich aus ihnen - wie hier der Fall - dergestalt
Anhaltspunkte zur Erfassung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers
ergeben, dass sie der Verstärkung bzw. Präzisierung legitimer
Verständnismöglichkeiten innerhalb des durch den Gesetzwortlaut als äußerste Grenze
abgesteckten Auslegungsspielraums dienen. Unzulässig wäre es demgegenüber
allerdings, allein auf der Grundlage von Erwägungen im Rahmen der historischen oder
genetischen Auslegung ein sich aus der objektiven Gesetzesfassung bereits klar
erschließendes Auslegungsergebnis letztlich in sein Gegenteil zu verkehren.
37
Vgl. BVerfG, Urteile vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299, 312,
und vom 16. Februar 1983 - 2 BvE 1/83 u.a. -, BVerfGE 62, 1, 45; BGH,
Urteil vom 30. Juni 1966 - KZR 5/65 -, BGHZ 46, 74, 79 ff.; OVG NRW, Urteil
vom 13. Februar 2008 - 1 A 1981/07 -, Juris; sowie etwa Müller/Christensen,
Juristische Methodik, Band I, Grundlagen Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2002,
Rn. 362.
38
Hiervon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des
§ 5 Abs. 1 VAHRG an die Grundsätze anknüpft, die das Bundesverfassungsgericht in
der Entscheidung vom 28. Februar 1980 betreffend die Verfassungsmäßigkeit des
Versorgungsausgleichs nach §§ 1587 ff. BGB,
39
vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. -, BVerfGE 53,
257, 300 ff., 306,
40
zur Ergänzungsbedürftigkeit einzelner Fallgestaltungen im Rahmen des
Versorgungsausgleichs aufgestellt hat. Dies ergibt sich sowohl aus der Begründung des
Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 5. Dezember 1980,
41
vgl. BT-Drucks. 9/34, S. 1, 6,
42
als auch aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages vom 13. Dezember 1982.
43
Vgl. BT-Drucks. 9/2296, S. 1, 8.
44
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelungen des Versorgungsausgleichs im
Grundsatz für verfassungsgemäß erklärt und insbesondere auch deren Vereinbarkeit mit
Art. 33 Abs. 5 GG festgestellt. Zugleich hatte es den Gesetzgeber allerdings für
verpflichtet gehalten, in bestimmten Härtefällen zusätzliche Regelungen zu treffen, die
45
es ermöglichen, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirkungen des
Versorgungsausgleichs zu begegnen. Dessen Rechtfertigung durch Art. 6 Abs. 1 GG
und Art. 3 Abs. 2 GG ist in den Fällen einer Unterhaltspflicht nämlich dann nicht mehr
gegeben, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der
Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen
Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt. In einem solchen
Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den
geschiedenen Ehegatten dient, sondern ausschließlich dem Rentenversicherungsträger
und damit letztlich der Solidargemeinschaft der Versicherten zugute kommt.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980, a.a.O. S. 302 f., 306.
46
Die Regelung des § 5 Abs. 1 VAHRG soll der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen und in den dort angesprochenen
Fallgestaltungen grundrechtswidrige Auswirkungen des Versorgungsausgleichs
ausschließen. Ihrem im Lichte der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu
bestimmenden Sinn und Zweck nach soll sie daher als Härteregelung eine
Doppelbelastung des Versorgungsempfängers aufgrund Unterhaltspflicht und
gleichzeitiger Kürzung der Versorgungsbezüge während eines Zeitraums vermeiden,
innerhalb dessen der durch den Versorgungsausgleich Begünstigte aus der zu seinen
Gunsten begründeten Anwartschaft noch nicht leistungsberechtigt ist.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 25.98 -, BVerwGE 109, 231,
234.
48
Eine solche von Verfassungs wegen zu einer Korrektur des Versorgungsausgleichs
Anlass gebende "Doppelbelastung" liegt unabhängig von Art und Rechtsgrund des
geschuldeten Unterhalts - jedenfalls im Grundsatz - auch dann vor, wenn nach einer
Wiederheirat geschiedener Eheleute dem Ausgleichsberechtigten gegen den
Ausgleichsverpflichteten ein Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB zusteht.
Dies wird - von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt - augenscheinlich in den
Fällen, in denen bei einer erneuten Eheschließung der früheren Ehegatten der
Anspruch des Ausgleichsberechtigten auf Familienunterhalt unmittelbar an die Stelle
eines zuvor bestehenden und erst mit der Wiederheirat verlorenen (vgl. § 1586 BGB)
Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt tritt. Wollte man in dieser Situation § 5 Abs. 1
VAHRG dahingehend auslegen, dass unter einem Unterhaltsanspruch im Sinne der
Vorschrift nur der Anspruch auf Scheidungsunterhalt zu verstehen ist, so würde infolge
der erneuten Eheschließung ungeachtet einer in der Sache unverändert bestehenden
Unterhaltsverpflichtung der Anspruch des Ausgleichsverpflichteten auf Gewährung
ungekürzter Versorgungsbezüge entfallen. Dementsprechend erkennt die in
Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretene Meinung an, dass jedenfalls
in Konstellationen der vorstehend beschriebenen Art der Anwendungsbereich des § 5
Abs. 1 VAHRG eröffnet ist.
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Vgl. jeweils in einem obiter dictum BGH, Urteil vom 9. Februar 1983 - IVb
ZR 361/81 -, FamRZ 1983, 461, 463, und BVerwG, Urteil vom
13. September 1990 - 2 C 20.89 -, FamRZ 1991, 429; Gräper, in: Münchener
Kommentar zum BGB, a.a.O., § 5 VAHRG Rn. 28; Rehme, in: Staudinger,
Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2004, § 5 VAHRG Rn. 23;
Schmeiduch, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 5 VAHRG Rn. 14; Wick, in:
BGB - RGRK, 12. Aufl. 1999, § 5 VAHRG Rn. 9; Strötz, in: Fürst, GKÖD,
50
Stand: Februar 2008, § 57 BeamtVG Rn. 30, wobei in den zitierten
Kommentarstellen jeweils unklar bleibt, ob nur der Fall des unmittelbar an
die Stelle des Scheidungsunterhalts tretenden Anspruchs auf
Familienunterhalt gemeint ist; ausdrücklich nur diesen Fall betreffend
Wellenhofer, in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 5 VAHRG Rn. 2.
Im Ausgangspunkt Entsprechendes muss mit Blick auf den Normzweck des § 5 Abs. 1
VAHRG aber auch dann gelten, wenn nach einer Scheidung durch den Anspruch auf
Familienunterhalt gemäß § 1360 BGB ein Unterhaltsanspruch entweder - wie
vorliegend - erstmals oder nach einer Unterbrechung, etwa infolge einer
zwischenzeitlichen weiteren Eheschließung des ausgleichsberechtigten Ehepartners,
erneut begründet wird.
51
So auch VG Stade, Urteil vom 10. Juli 2003 - 3 A 1469/02 -, Juris; VG
Bayreuth, Urteil vom 28. Mai 1999 - B 5 K 97.863 -, FamRZ 2000, 960, 961;
unter Bezugnahme auf die letztgenannte Entscheidung Brudermüller, in:
Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 5 VAHRG Rn. 3; Heilemann, Erneute
Eheschließung mit dem früheren Ehegatten und § 5 VAHRG, FamRZ 1999,
1039.
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Auch in diesen Fällen führt der Anspruch auf Familienunterhalt jedenfalls unter der
Voraussetzung, dass der Beitrag des Verpflichteten zum Familienunterhalt unter
Berücksichtigung seiner ungekürzten Rente oder Versorgung den Beitrag des
Berechtigten übersteigt (dazu unten), zu einer Belastungskumulation des Verpflichteten
im Verhältnis zum Berechtigten durch Unterhalt einerseits und Versorgungsausgleich
andererseits.
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Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz demgegenüber den Anspruch auf
Familienunterhalt für die Anwendung des § 5 Abs. 1 VAHRG grundsätzlich als nicht
ausreichend erachtet und (im Ergebnis offen lassend) allenfalls in Betracht ziehen will,
wenn dieser gleichsam an die Stelle des nachehelichen Unterhalts tritt und jenen
ersetzt,
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vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 31. März 2003 - 10 A 11884/02 -,
IÖD 2003, 150,
55
folgt der Senat dem nicht. Entgegen der in der genannten Entscheidung vertretenen
Rechtsauffassung lässt sich ein solches Gesetzesverständnis nicht aus der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980, a.a.O., ableiten.
Die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, daraus, dass das
Bundesverfassungsgericht nur die Fälle des Versorgungsausgleichs durch ein
Härteregelungsgesetz geregelt wissen wollte, in denen der aus dem
Versorgungsausgleich Berechtigte auf Unterhalt "angewiesen" ist,
56
vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980, a.a.O., S. 303 f.,
57
folge, dass der Anspruch auf Familienunterhalt von § 5 Abs. 1 VAHRG grundsätzlich
nicht erfasst werde, weil dieser stets und somit auch ohne ein Angewiesensein auf
Unterhaltsleistungen bestehe, überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht. Zum einen setzt
das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung nach § 1360 BGB zwar, wie bereits oben
erwähnt, keine Bedürftigkeit des anderen Ehegatten voraus. Dies schließt jedoch nicht
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aus, dass in einer Vielzahl von Fällen gleichwohl, und sei es erstmals nach erneuter
Eheschließung der geschiedenen Ehegatten, mangels ausreichender eigener Einkünfte
eine Unterhaltsbedürftigkeit des ausgleichsberechtigten Ehegatten besteht und dieser
damit, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert, "auf Unterhaltsleistungen
angewiesen" ist. Die Situation eines erstmaligen Unterhaltsanspruchs im Rahmen des
Familienunterhalts unterscheidet sich insoweit nicht, jedenfalls nicht notwendigerweise,
von der Situation, dass Scheidungs- und Familienunterhalt unmittelbar aufeinander
folgen. Zum anderen übersieht das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dass der
Gesetzgeber - wie noch näher auszuführen sein wird - nicht daran gehindert war, zu
Gunsten der vom Versorgungsausgleich Betroffenen auf ihm mögliche
Differenzierungen zu verzichten und insoweit gegebenenfalls über das hinauszugehen,
was das Bundesverfassungsgericht selbst als unabdingbar regelungsbedürftig
betrachtet hat.
Die Beschränkung der in Betracht kommenden Unterhaltsansprüche auf nacheheliche
(gesetzliche) Ansprüche kann weiterhin auch nicht mit der Erwägung begründet werden,
dass sich der im Falle der Wiederheirat der geschiedenen Ehegatten erneut
entstehende Anspruch auf Familienunterhalt wesensmäßig von den nachehelichen
Unterhaltsansprüchen unterscheidet.
59
In diesem Sinne aber (in anderem Zusammenhang) VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 2. August 2004 - 4 S 399/03 -, Juris.
60
Zwar erfolgt der Familienunterhalt anders als der Scheidungsunterhalt, der
ausschließlich durch eine Geldleistung zu erbringen ist (§ 1585 BGB), grundsätzlich
unter Ausschluss einer Geldrente durch Naturalleistung.
61
Vgl. Wacke, a.a.O., § 1360a Rn. 14.
62
Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass die Versorgung des
Ausgleichsverpflichteten infolge seiner Unterhaltsverpflichtung zusätzlich durch die von
ihm zu finanzierenden Naturalleistungen belastet wird, so dass der Normzweck
unabhängig von der Art des zu erbringenden Unterhalts erfüllt ist. Dessen ungeachtet ist
der Familienunterhalt auch in der von der Beklagten als Anwendungsfall des § 5 Abs. 1
VAHRG anerkannten Konstellation, dass der Ausgleichspflichtige dem
Ausgleichsberechtigten unmittelbar vor der erneuten Eheschließung zum
nachehelichen Unterhalt verpflichtet war, nicht auf eine Geldrente gerichtet.
63
Anders als die Beklagte meint, ist auch nicht erkennbar, dass die maßgeblichen
Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in Wiederverheiratungsfällen nicht
greifen. Unabhängig davon, ob das Bundesverfassungsgericht selbst einen Fall wie den
vorliegenden im Blick hatte oder nicht, lassen sich der Entscheidung vom 28. Februar
1980, a.a.O., keine Gründe dafür entnehmen, die Notwendigkeit einer Härteregelung
deswegen prinzipiell auf die "Zeit der Nichtverheiratung" zu begrenzen, weil der
Versorgungsausgleich und die sich hieraus ergebenden Folgen an die frühere
Scheidung anknüpfen. Vielmehr spricht gerade der von der Beklagten in diesem
Zusammenhang angeführte Umstand, dass der Versorgungsausgleich durch eine
erneute Heirat nicht rückabgewickelt wird und die erneut miteinander verheirateten
Ehegatten hinsichtlich ihrer ersten Ehe versorgungsrechtlich daher nach wie vor als
Geschiedene zu betrachten sind, gegen eine solche zeitliche Einschränkung. Die
gegebenenfalls eine Korrektur erfordernden Auswirkungen des Versorgungsausgleichs
64
enden dann nämlich ebenfalls nicht mit der Wiederheirat der ehemals geschiedenen
Ehegatten, sondern wirken fort.
Vor dem Hintergrund der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts bestand daher
auch in Fällen der vorliegenden Art aus verfassungsrechtlichen Gründen Anlass für eine
Härteregelung. Allerdings hätte diese - wie die Überlegungen des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in dem o.g. Beschluss vom 31. März 2003,
a.a.O., zeigen - unter Umständen Raum für Differenzierungen, etwa im Hinblick auf die
Frage der Unterhaltsbedürftigkeit des ausgleichsberechtigten Ehepartners, bieten
können. Auf solche Differenzierung hat der Gesetzgeber jedoch bewusst verzichtet.
65
Der Gesetzgeber ist bei Erlass des § 5 Abs. 1 VAHRG davon ausgegangen, dass auch
die Verpflichtung zur Leistung von Familienunterhalt die Notwendigkeit begründen
kann, die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten nicht zu kürzen. Zugleich hat er von
der Normierung weiterer, diesen Fall gegebenenfalls einschränkend regelnder
Tatbestandsvoraussetzungen aber abgesehen. Dies erschließt sich für den Senat aus
den diesbezüglichen Ausführungen in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom
5. Dezember 1980, wonach sich der Minderungs- oder Kürzungsbetrag auch in solchen
Fällen nach einem zunächst geplanten § 1587r BGB (dem "Vorläufer" des § 5 Abs. 1
VAHRG) bestimmen sollte, in denen die geschiedenen Eheleute erneut miteinander die
Ehe eingehen, so dass der Berechtigte dem Verpflichteten nach wie vor aus § 1360
BGB unterhaltspflichtig ist.
66
Vgl. BT-Drucks. 9/34, S. 4, 9.
67
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann in diesem Zusammenhang aus der
Formulierung, dass der Berechtigte dem Verpflichteten "nach wie vor" zum Unterhalt
verpflichtet ist, nicht geschlossen werden, der Regierungsentwurf sei insoweit
einschränkend von einer durchgängigen, von Anfang an nach der Scheidung
gegebenen und ununterbrochen fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung ausgegangen,
bei der der Familienunterhalt den nachehelichen Unterhalt gewissermaßen "fortsetzt".
Gegen die Annahme einer solchen durchgängigen Unterhaltsverpflichtung spricht
bereits maßgeblich, dass die Bundesregierung ausweislich der amtlichen Begründung
von der Regelung des § 1587r BGB ausdrücklich etwa auch den Fall des erneuten
Auflebens eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Pflege oder Erziehung
eines Kindes aus der früheren Ehe gemäß § 1586a BGB erfasst wissen wollte.
68
Vgl. BT-Drucks. 9/34, S. 4, 9.
69
Dessen ungeachtet findet sich für die Annahme, der gesetzliche Unterhaltsanspruch
müsse seit der Scheidung durchgängig bestanden haben, auch im Wortlaut des § 5
Abs. 1 VAHRG kein Anhalt. Insbesondere kann die Verwendung der temporalen
Konjunktion "solange" nicht in diesem Sinne ausgelegt werden, da sie bei einem an der
grammatischen Funktion orientierten Verständnis lediglich die zeitliche Verknüpfung
des Vorliegens der beiden Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 1 VAHRG mit dem
daraus resultierenden Anspruch auf Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge
bewirkt.
70
Vgl. zur Bedeutung des Begriffs "solange" BVerwG, Urteil vom 22. Juli
1999, a.a.O., S. 234.
71
Dass schließlich der dem vorbezeichneten Gesetzentwurf beigelegten Normvorstellung
der Bundesregierung im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens die sie tragende
Grundlage womöglich dadurch entzogen worden sein könnte, dass die zunächst in
Aussicht genommene Bestimmung eines § 1587r BGB nachfolgend nicht unerhebliche
Modifikationen erfahren hat, erscheint fernliegend. Insbesondere bietet - anders als die
Beklagte meint - der Umstand, dass aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus
entgegen der Entwurfsfassung nicht lediglich eine Verringerung der Kürzung der
Versorgung des Verpflichteten um mindestens 20 v.H. des sonst maßgebenden
Minderungs- oder Kürzungsbetrages Gesetz geworden ist, sondern eine völlige
Freistellung von Kürzungen, für eine solche Annahme ersichtlich keinen Anlass. Auch
lässt sich hierfür weder der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU
vom 11. Juni 1981,
72
vgl. BT-Drucks. 9/562, S. 3, 5 f.,
73
auf den diese Änderung maßgeblich zurückging (vgl. § 2 diese Entwurfs), noch der
mehrheitlichen Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 13. Dezember 1982
zu § 5 des Gesetzes,
74
vgl. BT-Drucks. 9/2296, S. 5, 14 f.,
75
die der späteren Fassung des Gesetzes entsprach, etwas entnehmen.
76
Vielmehr zeigt die Begründung der mehrheitlichen Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses, a.a.O., S. 14 f., im Gegenteil, dass der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 1
VAHRG auch im Übrigen aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität des
Verfahrens eine pauschalierende Regelung schaffen wollte, indem er bewusst davon
abgesehen hat, etwa einen vollstreckbaren Titel zur Durchsetzung des
Unterhaltsanspruchs, eine bestimmte Höhe des geleisteten Unterhalts oder einen
Nachweis der tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen als Voraussetzung für die
Aussetzung der Kürzung zu normieren.
77
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1999, a.a.O., S. 233, unter Hinweis
auf Urteil vom 10. März 1994 - 2 C 4.92 -, ZBR 1994, 248.
78
Mit Blick auf diesen bewussten Verzicht auf weitere tatbestandliche Einschränkungen
kann es für die Anwendung des § 5 Abs. 1 VAHRG daher grundsätzlich nicht darauf
ankommen, ob die Unterhaltspflicht auf einem nachehelichen Unterhaltsanspruch oder
einem Anspruch auf Familienunterhalt beruht und ob letzterer ersteren ersetzt oder nicht.
79
Dieses Gesetzesverständnis führt im Ergebnis auch nicht zu einer ungerechtfertigten
Belastung des Versorgungsträgers in den Fällen, in denen erstmals mit der Wiederheirat
der geschiedenen Ehepartner ein Anspruch des ausgleichsberechtigten Beamten auf
ungekürzte Gewährung seiner Versorgungsbezüge entsteht. Vielmehr stellen sich die
Lasten, die ihm die Anwendung des § 5 Abs. 1 VAHRG auferlegt, auch dann lediglich
als die Folge einer sich aus nachträglich eintretenden Umständen gebotenen Korrektur
des Versorgungsausgleichs dar, die als solche vom Versorgungsträger nach dem Willen
des Gesetzgebers hinzunehmen ist.
80
Schon im Ansatz fehl geht im Übrigen die Auffassung der Beklagten, das hier in
Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung gewonnene
81
Auslegungsergebnis führe letztlich dazu, dass § 5 Abs. 1 VAHRG unter
Gleichbehandlungsgesichtspunkten auch dann Anwendung finden müsse, wenn der
Ausgleichsverpflichtete nach der Scheidung eine andere Person als seinen früheren
Ehepartner heirate. Diese Argumentation der Beklagten übersieht, dass der
ausgleichsverpflichtete Beamte einem anderen Ehepartner gegenüber nicht in
derselben Rechtsbeziehung einer doppelten Belastung durch Kürzung des Ruhegehalts
und der Unterhaltspflicht ausgesetzt wäre, wie dies dem ausgleichsberechtigten
geschiedenen Ehegatten gegenüber der Fall ist. § 5 Abs. 1 VAHRG bezweckt allein die
Vermeidung spezifischer verfassungswidriger Härten aus dem Versorgungsausgleich
zwischen den geschiedenen Ehegatten, will den geschiedenen
Ausgleichsverpflichteten jedoch nicht allgemein vor den versorgungsrechtlichen Folgen
einer Scheidung und den damit verbundenen finanziellen Einschränkungen in seiner
Lebensführung schützen, solange der Belastung durch seine Versorgungskürzung noch
kein aktueller Rentenanspruch des Ausgleichsberechtigten gegenübersteht. Für die
Notwendigkeit einer Gleichbehandlung der von der Beklagten angesprochenen
unterschiedlichen Fallgestaltungen besteht daher keine Grundlage.
Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG , Urteil vom 13. September 1990,
a.a.O.; Senatsurteil vom 15. Oktober 2007 - 1 A 3442/06 -, Juris.
82
Ob schließlich - entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht - eine
einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 1 VAHRG in Wiederverheiratungsfällen
(ausnahmsweise) dann geboten ist, wenn es bei wirtschaftlich saldierender Betrachtung
deswegen an einer Unterhaltsbelastung des Ausgleichsverpflichteten fehlt, weil der
Ausgleichsberechtigte seinerseits zu einem gleichwertigen oder sogar überwiegenden
Unterhaltsbeitrag verpflichtet ist,
83
so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. März 1998 - L 2 I 129/97 -, ZfS 1998,
273; Schmeiduch, a.a.O., Rn. 14; a.A. Heilemann, a.a.O., S. 1041, unter
Hinweis darauf, dass die Regelung des § 5 Abs. 1 VAHRG über die
Verhinderung einer Doppelbelastung des Ausgleichsverpflichteten hinaus
weiterhin verhindern solle, dass der Ausgleichsberechtigte infolge der
Kürzung der Versorgung des Ausgleichsverpflichteten mit einer Kürzung
seines Unterhaltsanspruchs belastet werde, solange er selbst aus dem
Versorgungsausgleich noch keine Rente erhalten könne,
84
bedarf vorliegend nicht der Entscheidung, weil ein solcher Fall hier nicht gegeben ist.
Nach den unbestritten Angaben des Klägers, an deren Richtigkeit zu zweifeln der Senat
keinen Anlass hat, übersteigt dessen Versorgung die Einkünfte seiner teilschichtig
berufstätigen Ehefrau.
85
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
86
Die Revision ist zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung von dem Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. März 2003, a.a.O., abweicht (§ 127
Nr. 1 BRRG).
87