Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2001

OVG NRW: stadt, gesetzlicher vertreter, verwaltung, rechtsgeschäft, enteignung, konzentration, eigentümer, zweckumwandlung, mitgliedschaft, gemeindeordnung

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2823/01
Datum:
11.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 A 2823/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 15 K 622/97
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht
vorliegen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen
nicht, weil es nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Klage in einem
durchzuführenden Berufungsverfahren aus den in der Antragsschrift genannten
Gründen stattzugeben wäre.
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Der Grundstücksveräußerung vom 17. Januar 1984 steht entgegen der Auffassung der
Kläger § 181 BGB nicht entgegen. Die Vorschrift ist unmittelbar nicht einschlägig, da sie
voraussetzt, dass ein und derselbe Vertreter gleichzeitig für den Vertretenen und für sich
selbst (Selbstkontrahieren) oder gleichzeitig als Vertreter für beide Geschäftspartner
(Mehrfachvertretung) auftritt. Das war bei dem in Rede stehenden Vertrag nicht der Fall,
wie die Kläger selbst vortragen. Die Kläger wurden durch den Stadtdirektor der Stadt ,
diese aber durch Stadtbaurat und Stadtbauoberamtsrat vertreten. Also wurden die
Geschäftspartner, nämlich die Kläger einerseits und die Stadt andererseits, durch
unterschiedliche Vertreter vertreten.
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Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt kommt nicht
in Betracht. Allerdings wird verbreitet eine analoge Anwendung des Verbots der
Selbstkontrahierung für möglich gehalten, wenn der Vertreter einen Untervertreter für
den von jenem Vertretenen bevollmächtigt und sodann in eigenem Namen mit dem
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Untervertreter das Rechtsgeschäft tätigt,
vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1990 - II ZR 167/89 -, NJW 1991, 691 (692);
Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 181 Rn. 12,
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oder wenn der Vertreter eines Vertretenen für sich selbst einen Vertreter bestellt und mit
diesem im Namen des Vertretenen ein Rechtsgeschäft tätigt,
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vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Oktober 1980 - 15 W 117/80 -, NJW 1982, 1105 f.
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Daher ist zu erwägen, ob ein analoger Fall unzulässiger Mehrvertretung vorliegt, wenn
ein Hauptvertreter für den von ihm Vertretenen einen Untervertreter bestellt und mit
diesem für einen vom Hauptvertreter ebenfalls vertretenen Dritten ein Rechtsgeschäft
zwischen den vom Untervertreter Vertretenen und dem Dritten abschließt. So liegt der
Fall aber nicht. Die für die Stadt handelnden Personen, nämlich Stadtbaurat und
Stadtbauoberamtsrat , können nicht in diesem Sinne als Untervertreter des
Stadtdirektors in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Stadt angesehen
werden. Zwar war der Stadtdirektor Dienstvorgesetzter dieser beiden Personen, auch
leitete sich ihre Befugnis, für die Stadt rechtsgeschäftlich auftreten zu können, wohl
letztlich aus dem ihnen vom Stadtdirektor verliehenen konkreten Amt im funktionellen
Sinne mit der damit verbundenen Zeichnungsbefugnis ab. Jedoch liegt der
entscheidende Unterschied zwischen den beiden Beamten zu bloßen Untervertretern
darin, dass der Stadtbaurat und der Stadtbauoberamtsrat als Beamte in einem öffentlich-
rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis unmittelbar zur Stadt, nicht aber zum
Stadtdirektor als Organ der Stadt standen. Sie haben daher ihre Vertretungsaufgabe in
eigener beamtenrechtlicher Verantwortung, wenngleich unter der Anordnungsgewalt
des Stadtdirektors, gegenüber der Stadt erfüllt.
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Eine analoge Anwendung der Mehrvertretungsregelung des § 181 BGB auf Fälle der
Untervertretung setzt voraus, dass der bestellte Untervertreter nicht in einem
unmittelbaren Rechtsverhältnis zum letztlich Vertretenen, sondern nur zum
Hauptvertreter steht. Erst dies schafft die von § 181 BGB missbilligte Identität des
Vertreterhandelns auf beiden Seiten.
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Vgl. zu der ähnlichen Konstellation, dass ein GmbH-Gesellschafter für einen Dritten
auftritt und der vom Geschäftsführer bestellte Prokurist die GmbH vertritt, BGH, Urteil
vom 13. Juni 1984 - VIII ZR 125/83 -, BGHZ 91, 334.
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Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das
Recht der Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten nach § 3 Abs. 1 des
Gesetzes über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten
gemeinschaftlichen Angelegenheiten vom 9. April 1956 (SGV 7815) - Gesetz - umfasse
auch die Veräußerung von Grundstücken. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat, sind für die Verwaltung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes die
Rechtsvorschriften der Gemeindewirtschaft in Gemeindeangelegenheiten anzuwenden.
Damit ist vom Begriff der Verwaltung auch die Veräußerung von Grundstücken umfasst
(vgl. heute § 90 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen). Entgegen
der Auffassung der Kläger ist nicht erkennbar, dass diese Befugnis dem Zweck des
Gesetzes entgegenläuft, denn auch für eine Grundstücksveräußerung entspricht die
vom Gesetz bezweckte Konzentration der Verwaltungsbefugnis beim
Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde dem Zweck des Gesetzes.
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In der Anordnung der gesetzlichen Vertretung in gemeinschaftlichen Angelegenheiten
letztlich durch den Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde in § 3 Abs. 1 des Gesetzes
liegt keine unzulässige Enteignung. Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn ist die
vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. März 1986 - 1 BvL 81/79 -, BVerfGE 72, 66 (76);
BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 47.89 -, BVerwGE 84, 361 (366).
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Das ist durch das Gesetz nicht geschehen, da die Eigentumspositionen ungeschmälert
bei den Klägern liegen, lediglich die Wahrnehmung dieser Rechte für die Eigentümer
auf einen gesetzlichen Vertreter verlagert wurde. Unabhängig davon kann die Art und
Weise der Wahrnehmung dieser Vertretungsaufgabe rechtswidrig sein. Dafür haben die
Kläger in der Antragsschrift nichts Substantiiertes dargetan.
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Der geltend gemachte Zulassungsgrund tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten
der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Die Bestimmung der
Mitgliedschaft in der Interessentengemeinschaft konnte offen bleiben, da die Klage
ohnehin abzuweisen war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend auf S. 7 des
Urteilsabdrucks ausgeführt hat. Die Fragen der Zweckumwandlung einzelner
Grundstücke hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen behandelt, ohne dass danach
noch rechtlich oder tatsächlich schwierige Fragen zu beantworten wären.
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Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die als klärungsbedürftig
angesprochene Rechtsfrage der Reichweite der Vertretungsbefugnis nach dem Gesetz
beantwortet sich ohne weiteres im oben dargelegten Sinne. Die aufgeworfene Frage ist
damit nicht klärungsbedürftig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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