Urteil des OVG Niedersachsen vom 22.09.2014

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Krankentransportgenehmigung -
Streitwertbeschwerde
Zum Erfordernis der Beschwer für die Erhebung einer Streitwertbeschwerde
und zum Streitwert für die Zulassung qualifizierten Krankentransports.
OVG Lüneburg 13. Senat, Beschluss vom 22.09.2014, 13 OA 147/14
§ 52 Abs 1 GKG, § 32 Abs 2 RVG
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Hannover vom 6. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; die Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die ausdrücklich namens und in Vollmacht der Klägerin eingelegte
Beschwerde mit dem Ziel, den vom Verwaltungsgericht festgesetzten
Streitwert von 15.000 Euro auf 30.000 Euro zu erhöhen, ist zulässig aber
unbegründet.
Die Beschwerde ist zulässig.
Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Streitwertbeschwerde eine Beschwer
des Rechtsmittelführers voraus. Da sich die Höhe der Gerichtsgebühren (§ 3
Abs. 1 GKG) und der Rechtsanwaltskosten (§§ 2 Abs. 1, 32 Abs. 1 RVG) nach
dem festgesetzten Streitwert richten, kann ein Verfahrensbeteiligter durch die
Streitwertfestsetzung grundsätzlich nur dann beschwert sein, wenn er
kostenpflichtig und der Streitwert zu hoch festgesetzt ist. Sein
Beschwerdebegehren kann im Allgemeinen schutzwürdig nur auf eine
Herabsetzung des Streitwertes gerichtet sein, um die ihm auferlegte Kostenlast
zu mindern, nicht jedoch darauf, den Prozessgegner mit höheren Kosten zu
belasten. Bei einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung ist regelmäßig nur der
Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert, der dann aus
eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Beschwerde führen kann.
Ein schutzwürdiges Interesse des nicht kostenpflichtigen Verfahrensbeteiligten
an einer Streitwerterhöhung kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise
dann vorliegen, wenn der im Verfahren obsiegende und daher
kostenerstattungsberechtigte Beteiligte mit seinem Prozessbevollmächtigten
eine Honorarvereinbarung getroffen hat, die von einem höheren als dem
gerichtlich festgesetzten Streitwert ausgeht. In diesem Fall kann er nämlich bei
einer höheren Streitwertfestsetzung von seinem Prozessgegner einen höheren
Betrag liquidieren und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der
Vergütungsvereinbarung mindern (vgl. OVG LSH, Beschl. v. 16. Januar 2014 -
1 O 2/14 -; juris, Rdnrn. 3 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 24. Mai 2011 - 10 OA 32/11 -
, juris, Rdnr. 7; jew. m. w.N.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat mit
ergänzendem Schriftsatz vom 19. September 2014 dargelegt, dass sie unter
dem 16. Januar 2013 mit ihren Prozessbevollmächtigten eine schriftliche
Vergütungsvereinbarung nach § 4 Abs. 1 RVG getroffen hat, die für das
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Klageverfahren eine Abrechnung nach dem RVG auf Basis eines Streitwertes
vorsieht, der über dem beantragten Wert von 30.000 Euro liegt.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert
nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der
Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das
Verwaltungsgericht sich an Nr. 16.5 des Streitwertkatalogs 2013 orientiert hat
und von einem Streitwert von 15.000 Euro je Fahrzeug ausgeht, für das eine
Zulassung zum qualifizierten Krankentransport beantragt wird. Der
Rettungsdienst umfasst die Notfallrettung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 NRettDG), den
Intensivtransport (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 NRettDG) und den qualifizierten
Krankentransport (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 NRettDG). Mithin ist von Nr. 16.5 des
Streitwertkatalogs auch der Streit um die Zulassung zum qualifizierten
Krankentransport erfasst. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt
hat, lässt sich ein höherer Streitwert aus der in § 19 Satz 1 NRettDG
vorgesehenen Zulassung zu lediglich einem Teilbereich des Rettungsdienstes
jedenfalls nicht ableiten.
Wie aus Nr. 3 der Vorbemerkungen zum Streitwertkatalog 2013 ersichtlich
wird, enthält dieser lediglich Empfehlungen, denen das Gericht bei der
Festsetzung des Streitwertes folgt oder nicht folgt. Dem Vortrag der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin lassen sich aber keine hinreichend
tragfähigen Gesichtspunkte entnehmen, die eine andere
Bemessungsgrundlage nahelegten. Wie die Prozessbevollmächtigten der
Klägerin zutreffend feststellen, richtet sich das Interesse der Klägerin abstrakt
nach dem mit der Zulassung eines weiteren Fahrzeugs zum qualifizierten
Krankentransport erzielbaren Gewinn. Diese Annahme liegt auch der
pauschalen Festlegung eines Streitwertes von 15.000 Euro in Nr. 16.5 des
Streitwertkatalogs 2013 zugrunde. Das Verwaltungsgericht hat in diesem
Zusammenhang zu Recht auf die teilweise unüberwindlichen Schwierigkeiten
bei der Ermittlung des tatsächlichen Gewinns pro Fahrzeug hingewiesen, die
nicht zuletzt auf der fehlenden Bereitschaft der jeweiligen Beteiligten beruhen,
aussagekräftige Angaben zu dieser Frage zu machen und entsprechende
Unterlagen herauszugeben. Der Verweis auf die Internetseite
www.unternehmensregister.de führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, da
der Bilanzgewinn des gesamten Unternehmens - von verzerrenden
Bilanzierungsmöglichkeiten wie Gewinn- oder Verlustvortrag einmal
abgesehen - für den je Fahrzeug erzielbaren Gewinn keine hinreichende
Aussagekraft besitzt. Im Hinblick auf die häufig - wie auch im vorliegenden Fall
- bestehenden weiteren Geschäftsbereiche und wirtschaftlichen Betätigungen
eines am qualifizierten Krankentransport beteiligten Unternehmens lässt sich
der zu erzielende Gewinn insbesondere nicht durch das Teilen des
Gesamtgewinns durch die Anzahl der bereits vorhandenen
Krankentransportfahrzeuge ermitteln. Stehen aber keine alternativen
tragfähigen Methoden zur verlässlichen Ermittlung der sich aus dem Antrag
ergebenden Bedeutung der Sache für den jeweiligen Kläger zur Verfügung, so
ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung und der Vorhersehbarkeit des
Kostenrisikos eine Orientierung an den auf Umfragewerten beruhenden
Empfehlungen des Streitwertkatalogs geboten. Die von der Klägerin
angeführten kritischen Stellungnahmen des Deutschen Anwaltsvereins und
der Bundesrechtsanwaltskammer zur Neufassung des Streitwertkatalogs
betreffen nicht in erster Linie die Zulassung zum Rettungsdienst in Nr. 16.5 des
Streitwertkatalogs, sondern den Zugang zu freien Berufen. Entscheidend ist
zudem, dass bei der Festlegung sachgerechter Streitwerte nicht allein das
Gebühreninteresse der betroffenen Rechtsanwälte in Betracht zu ziehen ist.
Anhaltspunkte für eine tatsächlich höhere wirtschaftliche Bedeutung der
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Zulassung zum qualifizierten Krankentransport für die beteiligten Mandanten
lassen sich auch diesen Stellungnahmen nicht entnehmen. Es bleibt den
betroffenen Rechtsanwälten unbenommen, bei einer erneuten Überarbeitung
des Streitwertkatalogs durch entsprechende detaillierte Stellungnahmen
neuerlich auf eine Erhöhung der Werte hinzuwirken. Der Hinweis auf die
Streitwertfestsetzungspraxis anderer Gerichtsbarkeiten ist hingegen schon
wegen der unterschiedlichen Streitgegenstände nicht zielführend.
Auch die hilfsweise begehrte Anpassung des Wertes von 15.000 Euro an die
Preisentwicklung seit 2004 durch Berücksichtigung der Inflationsrate oder der
seitherigen Steigerung der Grundlohnsumme kommt nicht in Betracht. In
diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Streitwertkatalog erst 2013 überarbeitet worden ist und der bereits im
Streitwertkatalog 2004 unter Nr. 16.5 enthaltene Wert von 15.000 Euro nach
Anhörung der beteiligten Verkehrskreise keine Änderung erfahren hat. Der
Streitwertkatalog enthält zudem bewusst an keiner Stelle eine
Wertsicherungsklausel. Entsprechende Anpassungen sollen im Wege der
regelmäßig stattfindenden Überarbeitungen erfolgen. Die allgemeine
Preisentwicklung hinsichtlich eines definierten Warenkorbes ist für die
Ermittlung des Wertes des Streitgegenstandes auch nicht aussagekräftig,
handelt es sich bei der Durchführung qualifizierten Krankentransports doch um
eine spezielle Leistung die einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung
unterliegt. Soweit die Prozessbevollmächtigten des Klägers als alternative
Berechnungsgrundlage auf die durch die Grundlohnsumme beeinflusste
Entgeltentwicklung des qualifizierten Krankentransports abstellten,
berücksichtigen sie nur die Einnahmenseite der wirtschaftlichen Betätigung
des Klägers. Da von 2004 bis 2013 aber auch Arbeits- und Kraftstoffkosten
teilweise erheblich angestiegen sind, ist sogar eine rückläufige
Gewinnentwicklung denkbar. Die isolierte Betrachtung der Entwicklung der
Grundlohnsumme rechtfertigt mithin ebenfalls keine Ansetzung eines höheren
Streitwerts.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).