Urteil des OVG Niedersachsen vom 05.11.2013

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Prozesskostenhilfe: Ergänzende Erklärungen zur
Hilfebedürftigkeit in der Beschwerdeinstanz
Ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i. V. m. § 118
Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt worden, kann eine dagegen gerichtete
Beschwerde zulässigerweise nur darauf gestützt werden, dass die
Ablehnung auf Grundlage dieser Bestimmungen zu Unrecht erfolgt sei. Für
eine Beschwerde, mit der lediglich die vom Gericht geforderten
Ergänzungen nach Ablauf der ordnungsgemäß gesetzten Frist nachgeholt
werden sollen, fehlt hingegen das Rechtsschutzbedürfnis.
OVG Lüneburg 13. Senat, Beschluss vom 05.11.2013, 13 PA 185/13
§ 166 VwGO, § 56 Abs 1 VwGO, § 118 Abs 2 S 4 ZPO, § 571 Abs 2 S 1 ZPO
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen die mit Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 28. August 2013 erfolgte Ablehnung der Bewilligung
von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg; sie stellt sich bereits als unzulässig
dar.
Das Verwaltungsgericht hat Prozesskostenhilfe zu Recht unter Hinweis auf §
166 VwGO i. V. m. 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO versagt. Nach dieser Regelung
lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab, als der
Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder
bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Diese
Voraussetzungen lagen hier zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des
Verwaltungsgerichts vor, weil der Kläger innerhalb der bis zum 22. August
2013 laufenden Frist auf die vorangegangene Aufklärungsverfügung vom
4. Juni 2013 nicht reagiert hatte. Die Verfügung ist dem Kläger auch
ordnungsgemäß nach § 56 Abs. 1 VwGO und unter Hinweis auf die aus der
Nichteinhaltung der Frist resultierende Ablehnungsfolge zugestellt worden. Ist
die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - wie hier - nach
Fristablauf auf § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gestützt worden,
kann eine dagegen gerichtete Beschwerde zulässigerweise nur darauf
gestützt werden, dass die Ablehnung auf Grundlage dieser Be-stimmungen zu
Unrecht erfolgt sei. Für eine Beschwerde, mit der - wie hier - lediglich die
geforderten Ergänzungen nach Ablauf der ordnungsgemäß gesetzten Frist
nachgeholt werden sollen, fehlt hingegen das Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar handelt es sich bei der Regelung des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht um
eine Ausschlussfrist, vielmehr bewirkt sie im Falle einer erst nach Fristablauf
erfolgenden Vervollständigung der Unterlagen oder der genügenden
Beantwortung der auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
bezogenen Fragen lediglich, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
frühestens ab diesem Zeitpunkt erfolgen kann. Dies folgt schon unmittelbar
aus dem Gesetzeswortlaut, der mit der Formulierung "insoweit" auf eine
zeitliche und sachliche Begrenzung der Ablehnungsentscheidung abstellt (vgl.
dazu auch Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 118 Rdnr. 17). Es spricht indessen
Überwiegendes dafür, dass im Falle einer zwischenzeitlich unter Bezugnahme
auf § 118 Abs. 2 Satz 4 VwGO getroffenen Versagung von Prozesskostenhilfe
eine spätere Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur auf Grundlage eines
neuen Prozesskostenhilfeantrags, nicht aber auch in einem
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Beschwerdeverfahren erfolgen kann. Hielte man den Erfolg einer Beschwerde
(allein) auf der Basis von nachgereichten Unterlagen oder neuen Erklärungen
für möglich, würde dies letztlich eine "Erstbewilligung durch die zweite Instanz"
unter gleichzeitiger Korrektur einer an sich zutreffenden erstinstanzlichen
Entscheidung bedeuten. Schon dies spricht nach Auffassung des Senats
dagegen, dem Rechtsschutzsuchenden ein Wahlrecht dahingehend
einzuräumen, ob er ein neues Prozesskostenhilfegesuch anbringen oder eine
Beschwerde erheben will (so aber: OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2012 - 4 W
212/12 -, juris Rdnr. 3 m. w. N.). Bei einer solchen Betrachtungsweise würde
zudem die spezielle Fristenregelung des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO unter
Hinweis auf die Möglichkeit neuen Sachvortrags im Beschwerdeverfahren (§
173 VwGO i. V. m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nahezu vollständig ausgehöhlt
(vgl. zum Verhältnis dieser Bestimmungen auch: BAG, Beschl. v. 03.12.2003 -
2 AZB 19/03 -, juris Rdnr. 13).
Auch eine differenzierende Betrachtung, welche die Möglichkeit einer
inhaltlichen Befassung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens daran
orientiert, ob die Nachreichung von Unterlagen bzw. die Beantwortung der
Fragen vor oder nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Abhilfeverfahren
nach § 148 Abs. 1 VwGO erfolgt ist (so etwa: OVG Bremen, Beschl. v.
22.12.2008 - 1 S 97/09 -, juris Rdnr. 4), hält der Senat letztlich nicht für
überzeugend. Die Zulässigkeit der Beschwerde könnte dann nämlich aus
Sicht des Rechtsschutzsuchenden von Zufällen abhängen. Hat er etwa eine
Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist schon "auf den Weg gebracht", es
aber noch nicht sogleich geschafft, fehlende Unterlagen beizubringen, wäre
bei einer Nachreichung die Zulässigkeit der Beschwerde davon abhängig, ob
das erstinstanzliche Gericht die Akte mit einer auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
gestützten Nichtabhilfeentscheidung - die zudem keiner besonderen Form
bedarf und auch nicht gesondert bekanntzugeben ist - bereits an das
Beschwerdegericht weitergeleitet hat oder nicht. Man wird auch nicht etwa
verlangen können, dass das erstinstanzliche Gericht nach Eingang einer -
wiederum ohne Unterlagen oder hinreichende Erklärungen eingereichten -
Beschwerde gegen seine unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
ablehnende Entscheidung zunächst weiterhin abzuwarten oder gar eine
erneute Frist zu setzen hat, bevor es das Verfahren nach § 148 Abs. 1 VwGO
abschließen darf. Hielte man dies für richtig, würde es letztlich dem
Rechtsschutzsuchenden offenstehen, durch die Einlegung einer Beschwerde,
die mit einer bloßen Ankündigung der Vorlage weiterer Unterlagen oder
Erklärungen verbunden wird, die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist
faktisch zu verlängern. Darüber hinaus bliebe selbst bei einer vor Abschluss
des Verfahrens nach § 148 Abs. 1 VwGO erfolgten Vervollständigung von
Unterlagen oder Erklärungen unklar, ob eine sachliche Befassung der
Beschwerdeinstanz mit diesen Ergänzungen auch dann zu erfolgen hat, wenn
das erstinstanzliche Gericht eine gleichwohl nicht vorgenommene Abhilfe nicht
näher begründet hat. Konsequent ist aufgrund dieser Erwägungen nach
Auffassung des Senats allein, eine Beschwerde gegen eine zu Recht auf §
118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gestützte Ablehnung der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe - unabhängig vom Zeitpunkt des Eingangs der zunächst
fehlenden Unterlagen oder der ausstehenden Erklärungen - mangels
Rechtsschutzbedürfnis als nicht zulässig anzusehen und die Frage einer
späteren Bewilligung nach entsprechender Ergänzung (zunächst) einem
neuen erstinstanzlichen Prozesskostenhilfegesuch vorzubehalten.
Die Beschwerdemöglichkeit bleibt dann auf die Fälle beschränkt, in denen der
Rechtsschutzsuchende geltend macht, die auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO
gestützte Ablehnungsentscheidung sei zu Unrecht erfolgt. Dies betrifft
Situationen, in denen aus Sicht des Rechtsschutzsuchenden die sich aus
dieser Bestimmung ergebende Ablehnungsfolge nicht eingetreten ist, etwa weil
es nach seiner Auffassung an einer ordnungsgemäßen Zustellung der
Aufklärungsverfügung fehlt oder Fragen des Gerichts bereits genügend
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beantwortet oder schon zu Unrecht gestellt worden sind.
Es bedarf daher im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keiner inhaltlichen
Befassung mit den vom Kläger zusammen mit der Beschwerde eingereichten
Dokumenten und den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts
in seinem am 8. Oktober 2013 gefassten Nichtabhilfebeschluss. Vielmehr wird
das Verwaltungsgericht eine erneute Erstentscheidung zu treffen haben, wenn
der Kläger unter Bezugnahme auf seine nunmehr eingereichten Unterlagen
einen neuen Prozesskostenhilfeantrag stellt. Sogleich in der nachträglichen
Einreichung von Unterlagen als solcher einen neuen Prozesskostenhilfeantrag
zu erblicken (vgl. dazu: BAG, Beschl. v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 -, juris Rdnr.
13), dürfte ausgeschlossen sein, wenn ein anwaltlich vertretener
Rechtsschutzsuchender ausdrücklich Beschwerde einlegt und zu deren
Begründung auf neue Unterlagen oder Erklärungen zur Hilfebedürftigkeit
verweist.