Urteil des OVG Niedersachsen vom 25.08.2014

OVG Lüneburg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, dienstverhältnis, vollziehung, dienstzeit, arglistige täuschung, bundesamt, soldat, strafbefehl, verfügung, drucksache

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Streitwert bei Statusstreitigkeiten im öffentlichen
Dienst
Maßgebender Bezugspunkt einer nach § 52 Abs. 5 GKG in den seit dem 1.
August 2013 geltenden Fassungen vorzunehmenden Streitwertberechnung
ist wie bisher das Endgrundgehalt (vgl. ebenso OVG Rh. Pf., Beschluss vom
23.12.2013 - 2 B 11209/13 -, juris; a. A. OVG NRW, Beschluss vom 11.7.2014 -
6 B 1381/13 -, juris).
OVG Lüneburg 5. Senat, Beschluss vom 25.08.2014, 5 ME 116/14
§ 52 GKG
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer - vom 19. Juni 2014 wird
zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der
Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf
jeweils 7.728,27 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 25. Dezember 19.. geborene Antragsteller war acht Jahre lang vom 1.
April 20.. bis 31. März 20.. Soldat auf Zeit.
Mit Strafbefehl vom 11. Mai 20.. verurteilte ihn das Amtsgericht C. (Az. )
wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-- EUR.
Am 31. Oktober 20.. bewarb sich der Antragsteller um Wiedereinstellung als
Soldat auf Zeit. Im Bewerbungsbogen verneinte er die Frage, ob er in einem
Strafverfahren rechtskräftig verurteilt oder mit einer anderen Maßnahme (z. B.
Strafbefehl) belegt worden sei.
Am 20. Februar 20.. gab der Antragsteller die Verpflichtungserklärung ab, 16
Jahre Wehrdienst zu leisten. Mit Mitteilung vom 12. September 20.. setzte das
Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Dienstzeit auf 8
Jahre und sechs Monate ab dem 18. Oktober 20.. fest. Hierauf rechnete es die
Zeit, die er bis zur Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit
geleistet habe, an, nämlich acht Jahre (1. April 20.. bis 31. März 20..) und die
Zeit vom 1. bis zum 17. Oktober 20... Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die
Dienstzeit des Antragstellers demnach mit Ablauf des 31. März 20.. ende.
Der Antragsteller trat am 1. Oktober 20.. als gedienter Freiwilliger für die
Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes in die Bundeswehr
ein. Die Ernennung zum Soldaten auf Zeit erfolgte ohne Prüfung von
Eintragungen im Bundeszentralregister.
Im Januar 20.. erlangte das Bundesamt für das Personalmanagement der
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Bundeswehr nach Einholung einer Auskunft aus dem Bundeszentralregister
Kenntnis von dem rechtskräftigen Strafbefehl.
Mit Verfügung vom 28. Februar 20.. entließ das Bundesamt für das
Personalmanagement der Bundeswehr den Antragsteller mit Ablauf des Tages
der Aushändigung dieser Verfügung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten
auf Zeit, weil er seine Einstellung durch arglistige Täuschung herbeigeführt
habe. Die Verfügung wurde dem Antragsteller am 10. März 20.. ausgehändigt.
Der Antragsteller legte am 11. März 20.. Beschwerde ein.
Mit Beschwerdebescheid vom 23. April 20.. wies das Bundesamt für das
Personalmanagement der Bundeswehr die Beschwerde zurück und ordnete
die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung vom 28. Februar 20.. an.
Der Antragsteller hat hiergegen am 27. Mai 2014 Klage erhoben und
gleichzeitig beantragt, „die Aufhebung der Vollziehung des
Beschwerdebescheides vom 23. April 20.. gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO
anzuordnen“.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Anordnung
der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung vom 28. Februar 20.. im
Beschwerdebescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der
Bundeswehr vom 23. April 20.. aufgehoben. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die Begründung des Sofortvollzugs sei unzulänglich, weil nicht
berücksichtigt worden sei, dass das Dienstverhältnis des Antragstellers als
Soldat auf Zeit mit dem 31. März 20.., also schon vor der Anordnung der
sofortigen Vollziehung, geendet habe.
II.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der
Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine
Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antrag des Antragstellers
nicht unzulässig. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass
der Antragsteller sinngemäß die Aufhebung der sofortigen Vollziehung der
Entlassungsverfügung vom 28. Februar 20.. im Beschwerdebescheid vom 23.
April 20.. begehrt, entspricht dies dem erkennbaren Willen des Antragstellers in
dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. auch § 88
VwGO).
Die Antragsgegnerin wendet ohne Erfolg ein, „Zielsetzung eines Antrags auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines
Entlassungsbescheides“ liege darin, für die Zeit bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens zunächst im Dienst zu verbleiben und alimentiert zu
werden, und dieses Ziel könne nicht mehr erreicht werden, weil das
Dienstverhältnis des Antragstellers regulär mit dem 31. März 20.. geendet
habe. Das Verwaltungsgericht hat geprüft, ob die Anordnung der sofortigen
Vollziehung des Entlassungsbescheides in dem Beschwerdebescheid vom
23. April 20.., deren Aufhebung der Antragsteller im vorliegenden Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes begehrt, rechtmäßig gewesen ist, und ist zu
der Einschätzung gelangt, der Antragsteller sei wegen Ablaufs der
festgesetzten Dienstzeit unabhängig von der Entlassung seit dem 1. April 20..
aus dem Dienstverhältnis auf Zeit ausgeschieden, so dass die Anordnung der
sofortigen Vollziehung im Beschwerdebescheid vom 23. April 20.. nicht damit
begründet werden könne, es sei mit dem Verteidigungsauftrag der
Bundeswehr nicht vereinbar, ihn im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zu
belassen. Diese Einschätzung hat die Antragsgegnerin mit ihrem Vortrag, in
dem sie ebenfalls davon ausgeht, dass das Dienstverhältnis vor Anordnung
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der sofortigen Vollziehung bereits regulär beendet war, nicht in Frage zu
stellen vermocht.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht
zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller wegen Ablaufs der
festgesetzten Dienstzeit unabhängig von der Entlassung seit dem 1. April 20..
aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit ausgeschieden ist, da der
Antragsteller keinen - erfolgreichen - Antrag auf Weiterverpflichtung gestellt hat.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SG endet das Dienstverhältnis eines Soldaten auf
Zeit kraft Gesetzes mit Ablauf der Zeit, für die er in das Dienstverhältnis
berufen ist. Die Dienstzeit des Antragstellers war mit Bescheid des
Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 12.
September 20.. auf 8 Jahre und 6 Monate und das Ende der Dienstzeit auf den
31. März 20.. festgesetzt worden. Dem steht nicht entgegen, dass in der
Eröffnung der Einplanungsentscheidung des Karrierecenters der Bundeswehr
vom 20. Februar 20.. die Verpflichtungszeit von 16 Jahren angegeben ist. Dies
entspricht der vom Antragsteller abgegebenen Erklärung, durch die er sich auf
die erklärte Verpflichtungszeit von 16 Jahren gebunden hatte. Eine
Festsetzung der Dienstzeit ist in dieser Einplanungsentscheidung aber ebenso
wenig erfolgt wie in dem Schreiben des Bundesamtes für das
Personalmanagement der Bundeswehr vom 12. September 20.., in dem dem
Antragsteller mitgeteilt worden ist, dass er die nächsthöhere Stufe am 1. März
20.. erreichen würde. Wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 4.
August 20.. ausgeführt hat, stellt die stufenweise Festsetzung der Dienstzeit
eines Soldaten auf Zeit mit einer Bewährungszeit von sechs Monaten die
regelmäßige Vorgehensweise dar.
Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung im Einzelnen
vorträgt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung
sei aufgrund der darin vorgenommenen Interessenabwägung mit Blick auf die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache hinreichend begründet, vermag sie
wiederum nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu entkräften,
wonach die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht mit dieser
Interessenabwägung begründet werden könne, weil der Antragsteller wegen
Ablaufs der festgesetzten Dienstzeit bereits seit dem 1. April 20.. aus dem
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit ausgeschieden sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 5 Satz
1 Nr. 2 GKG in der vom 1. Januar 2014 bis zum 15. Juli 2014 geltenden
Fassung. Nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG ist Streitwert in Verfahren, die die
Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die
Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder
Amtsverhältnisses betreffen, die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden
Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen, wenn Gegenstand
des Verfahrens nicht ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist.
Hierbei sind nach Auffassung des Senats nicht die individuellen Bezüge eines
Antragstellers mit seinen konkreten Dienstalters- bzw. Erfahrungsstufen
heranzuziehen, sondern wie bisher das Endgrundgehalt des begehrten Amtes
(so auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 23.12.2013 - 2 B 11209/13 -, juris Rn.
15; a. A. OVG NRW, Beschluss vom 11.7.2014 - 6 B 1381/13 -, juris Rnrn. 18
ff.). Zwar nennt § 52 Abs. 5 GKG in der hier maßgeblichen Fassung - anders
als § 52 Abs. 5 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung - nicht
mehr ausdrücklich das Endgrundgehalt, sondern maßgebend ist nunmehr für
die Berechnung das laufende Kalenderjahr (§ 52 Abs. 5 Satz 2 GKG in der hier
maßgeblichen Fassung; siehe auch Gesetzesbegründung BT-Drucksache
17/11471, S. 246). Im Hinblick auf das Gesetzesziel, den Kostendeckungsgrad
in verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren zu verbessern (siehe hierzu
im Einzelnen OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 23.12.2013, a. a. O., Rnrn. 20 ff.;
vgl. auch BT-Drucksache 17/11471, S. 245), und aus Praktikabilitätsgründen
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hält der Senat jedoch an der Zugrundelegung des jeweiligen
Endgrundgehaltes fest (s. a. Nds. OVG, Beschluss vom 6.3.2014 - 5 OA 37/14
-; Beschluss vom 27.2.2014 - 5 OA 20/14 -; Beschluss vom 19.9.2013 - 5 ME
195/13 -). Der Senat legt bei der Streitwertberechnung deshalb anders als das
Verwaltungsgericht nicht die für das Kalenderjahr 20.. zu zahlenden Bezüge,
sondern das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 6 BBesO zugrunde.
Etwas anderes gilt im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil ein
Soldatenverhältnis auf Zeit im Streit ist. Diesem Umstand wird dadurch
Rechnung getragen, dass gemäß § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG in der hier
maßgeblichen Fassung bei Streitigkeiten über die Beendigung eines Dienst-
oder Amtsverhältnisses, die nicht ein solches Verhältnis auf Lebenszeit
betreffen, der Streitwert bereits um die Hälfte reduziert wird. Der Streitwert ist
hier nochmals um die Hälfte zu reduzieren, weil es sich um ein Verfahren zur
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handelt. Nach alledem war die
Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 GKG zu
ändern und der Streitwert für beide Rechtszüge auf 7.728,27 EUR
( : 2) festzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).