Urteil des OVG Niedersachsen vom 12.06.2013

OVG Lüneburg: innere medizin, niedersachsen, chirurgie, treu und glauben, implantation, schiedsstelle, auskunft, ausweisung, erwerb, herzschrittmacher

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Vergütungsfähigkeit von Defibrillatoren-Implantationen
in einem Krankenhaus
Einzelfall, in dem der sich aus dem Feststellungsbescheid zum
Krankenhausplan ergebende Versorgungsauftrag für Chirurgie auch
Implantationen von Defibrillatoren umfasst.
OVG Lüneburg 13. Senat, Urteil vom 12.06.2013, 13 LC 175/10
§ 14 Abs 1 KHEntgG, § 8 Abs 1 S 4 KHEntgG, § 8 Abs 1 S 3 KHEntgG, § 8 Abs 1 S 3
KHG ND
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 26.
März 2009, mit dem dieser den Beschluss der Schiedsstelle für die Festsetzung
der Krankenhauspflegesätze vom 20. November 2008 für das von der
Beigeladenen geführte Krankenhaus in D. für das Jahr 2008 genehmigte. Im
Streit stehen - wie im Budgetjahr 2007, das Gegenstand des gemeinsam
verhandelten und parallel entschiedenen Verfahrens 13 LC 173/10 ist - die
Berücksichtigung von Leistungen (Wirbelsäulenoperationen) eines als
Honorararzt hinzugezogenen Neurochirurgen im Erlösbudget, zusätzlich aber
noch Implantationen von Defibrillatoren, die von fest angestellten
Kardiologen/Chirurgen des Krankenhauses D. durchgeführt wurden.
Am 20. Dezember 2007 erließ der Beklagte einen neuen Feststellungsbescheid
mit "Krankenhausblatt", in dem u. a. 100 Betten der Fachrichtung Chirurgie, 85
Betten der Fachrichtung Innere Medizin sowie 30 Betten der Fachrichtung
Neurologie ausgewiesen waren. Den im Krankenhausblatt formularmäßig
vorgesehen Feldern "Neurochirurgie", "Orthopädie" und "Herzchirurgie" waren
jeweils keine Betten zugeordnet.
Die Klägerin hielt hinsichtlich der von einem Neurochirurgen erbrachten
Leistungen die Einhaltung des Versorgungsauftrags sowie die
Leistungsfähigkeit des Krankenhauses nicht für gegeben. Die von der Klägerin
angerufene Schiedsstelle, der Beklagte und die Beigeladene vertraten die
gegenteilige Auffassung. Hinsichtlich der Argumentation im Einzelnen wird auf
den Tatbestand des Urteils des Senats vom gleichen Tage in der Sache 13 LC
173/10 Bezug genommen.
Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren zusätzlich streitigen
vergütungsmäßigen Berücksichtigungsfähigkeit der Implantationen von
Defibrillatoren verhält es sich wie folgt:
Die von der Klägerin am 23. September 2008 angerufene Schiedsstelle vertrat
im Beschluss vom 20. November 2008 die Auffassung, dass die durchgeführten
Implantationen von Defibrillatoren im Erlösbudget berücksichtigungsfähig seien,
auch wenn das Krankenhaus nicht über eine herzchirurgische Fachabteilung
verfüge. Ob die Bedenken der Kostenträger im Ergebnis durchgriffen, könne
unentschieden bleiben. Da die Klägerin ihren Antrag auf Entscheidung der
Schiedsstelle erst nachträglich - unter dem 13. November 2008 - um diesen
Punkt ergänzt habe und eine Stellungnahme der Ärztekammer nicht mehr
rechtzeitig habe eingeholt werden können, sei es gerechtfertigt, diese bereits für
das Jahr 2008 fast vollständig erbrachten Leistungen zu berücksichtigen, zumal
diese Behandlungen jedenfalls seit 2005 als kardiologische Leistungen mit
niedersächsischen Krankenhäusern vereinbart und von den Kostenträgern
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bezahlt worden seien. Es sei daher vertretbar, dem Beschleunigungsgebot den
Vorrang vor einer abschließenden Klärung einzuräumen.
Der Beklagte bejahte im Genehmigungsbescheid vom 26. März 2009 auf der
Grundlage einer im Genehmigungsverfahren eingeholten Stellungnahme der
Ärztekammer Niedersachsen den Versorgungsauftrag des Krankenhauses der
Beigeladenen in D. für die Implantationen von Defibrillatoren durch einen Arzt im
Gebiet der Inneren Medizin/Kardiologie. Die Ärztekammer Niedersachsen habe
in ihrer Stellungnahme vom 18. Februar 2009 klargestellt, dass Defibrillatoren
"sowohl von Fachärzten für Herzchirurgie sowie von Fachärzten für Allgemeine
Chirurgie als auch von Fachärzten für Innere Medizin und Kardiologie" operativ
eingesetzt werden könnten. Die Ärztekammer Niedersachsen sei dazu berufen,
ihr eigenes Satzungsrecht und somit ihre Weiterbildungsordnung auszulegen.
Da das Krankenhaus der Beigeladenen sowohl mit Planbetten der Fachrichtung
Chirurgie als auch mit Planbetten der Inneren Medizin im Krankenhausplan
aufgenommen sei, werde der Versorgungsauftrag nicht überschritten.
Die Klägerin hat am 15. April 2009 Klage erhoben. Sie will für das Budgetjahr
2008 eine um 912.695,77 EUR niedrigere Festsetzung des Erlösbudgets auf
insgesamt 29.887.277,04 EUR erreichen. Sie hat hinsichtlich der Implantation
von Defibrillatoren die Auffassung vertreten, dass das Krankenhaus seinen
Versorgungsauftrag überschreite, wenn es diese Eingriffe von Fachärzten im
Gebiet der Inneren Medizin/Kardiologie durchführen lasse. Nach Auskunft der
Bundesärztekammer vom 30. Juni 2008 seien die Eingriffe nach der von ihr
beschlossenen Muster-Weiterbildungsordnung, die von Niedersachsen
übernommen worden sei, nur den Fachgebieten der Chirurgie, der
Kinderchirurgie und der Herzchirurgie zuzuordnen. Die entgegenstehende
Auskunft der Ärztekammer Niedersachsen sei unzutreffend. Schließlich habe
die Schiedsstelle verfahrensfehlerhaft entschieden, weil sie sich mit dieser Frage
nicht inhaltlich auseinandergesetzt und den Beschleunigungsgrundsatz als
vorrangig angesehen habe. Diesen Verfahrensfehler habe der Beklagte nicht
"heilen" dürfen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2009 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat im Klageverfahren die eingeholte Auskunft der Ärztekammer
Niedersachsen als "verlässlich" eingestuft, weil diese nach Beteiligung der
zuständigen Mitglieder des Weiterbildungsausschusses und in Kenntnis der
Stellungnahme der Bundesärztekammer abgegeben worden sei.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beigeladenen ist der Versorgungsauftrag für die
Implantation von Defibrillatoren gegeben, da diese Eingriffe nicht nur der
Herzchirurgie, sondern auch den Fachrichtungen Chirurgie und Innere Medizin
(Kardiologie) zuzuordnen seien. Im Übrigen gehe auch die Bundesärztekammer
davon aus, dass Fachärzte für Chirurgie diese Eingriffe vornehmen dürften. Da
das Krankenhaus über chirurgische Betten verfüge, sei der Versorgungsauftrag
in jedem Fall gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Juli 2010 abgewiesen.
Hinsichtlich der von einem hinzugezogenen Neurochirurgen erbrachten
Leistungen hat es die Einhaltung des Versorgungsauftrags und die
Leistungsfähigkeit des Krankenhauses der Beigeladenen bejaht. Wegen der
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Einzelheiten der Begründung wird auf die Darstellung im Tatbestand des Urteils
des Senats vom gleichen Tage in der Sache 13 LC 173/10 Bezug genommen.
Der Versorgungsauftrag in Bezug auf die Implantation von Defibrillatoren sei von
der Schiedsstelle ebenfalls zu Recht bejaht worden. Ob dieser dabei ein
Verfahrensfehler unterlaufen sei, weil sie zu dieser Entscheidung gelangt sei,
ohne eine Auskunft der Ärztekammer einzuholen, könne dahinstehen, da der
Beklagte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens diese Sachaufklärung
durch Einholung einer amtlichen Auskunft der Ärztekammer Niedersachsen
nachgeholt habe. Der Beklagte habe auch nicht die Grenzen der ihm
zustehenden Rechtskontrolle überschritten, weil er lediglich ein
Begründungselement hinzugefügt habe und der Schiedsstelle im Ergebnis
gefolgt sei. Der Feststellungsbescheid enthalte keine Einschränkungen in
Bezug auf bestimmte Leistungen in den ausgewiesenen Fachrichtungen. Es sei
schon fraglich, ob es auf die unterschiedlichen Aussagen der
Bundesärztekammer und der Ärztekammer Niedersachsen überhaupt
ankomme. Denn auch die Bundesärztekammer gehe davon aus, dass
Fachärzte für Chirurgie diese Eingriffe vornehmen dürfen. Da das Krankenhaus
über chirurgische Betten verfüge, sei der Versorgungsauftrag gegeben, auch
wenn das Krankenhaus diese Eingriffe ersichtlich (auch) durch Kardiologen
durchführen lasse. Der Beklagte habe die Auskunft der Ärztekammer
Niedersachsen zutreffend als verlässlich eingestuft, weil diese nach Beteiligung
der zuständigen Mitglieder des Weiterbildungsausschusses und in Kenntnis der
Stellungnahme der Bundesärztekammer abgegeben worden sei. Die
Ärztekammer Niedersachsen sei berechtigt, "ihre" Weiterbildungsordnung
auszulegen. Demgegenüber stelle die Bundesärztekammer eine
Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern dar und sei deshalb nicht in
erster Linie berufen, verbindliche Aussagen zu den teilweise unterschiedlichen
Weiterbildungsordnungen zu machen. Auch die in der Weiterbildungsordnung
enthaltene Differenzierung zwischen "Applikation" und "Implantation" dürfte eher
auf sprachliche Abweichungen in den einzelnen Weiterbildungsordnungen als
auf inhaltliche Unterscheidungen zurückgehen.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zugelassen. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen die
Beteiligten ihre bisherigen Argumente in Bezug auf die Leistungserbringung
durch einen hinzugezogenen Neurochirurgen entsprechend ihrem Vorbringen
im Verfahren 13 LC 173/10. Das Thema "Implantation von Defibrillatoren" ist
hingegen in den im Berufungsverfahren erstellten Schriftsätzen nicht vertieft
behandelt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7.Kammer - vom 22. Juli
2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2009
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang
des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die
Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 26. März 2009 zu
Recht abgewiesen. Der angegriffene Genehmigungsbescheid stellt sich
hinsichtlich der streitigen Leistungen als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin
daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in § 14 Abs. 1
Satz 2 KHEntgG geregelten Voraussetzungen für die Genehmigung der
Festsetzungen der Schiedsstelle lagen insoweit vor. Nach dieser Bestimmung
erteilt die zuständige Landesbehörde - das ist in Niedersachsen das beklagte
Ministerium - die Genehmigung, wenn die Vereinbarung (zwischen dem
Krankenhausträger und den Sozialleistungsträgern) oder die Festsetzung (der
Schiedsstelle) den Vorschriften des Krankenhausentgeltgesetzes sowie
sonstigem Recht entspricht.
1. Die Genehmigungsvoraussetzungen hinsichtlich der erfolgten
Berücksichtigung von Leistungen eines Neurochirurgen
(Wirbelsäulenoperationen) im Erlösbudget waren gegeben; der
Genehmigungsbescheid stellt sich insofern als fehlerfrei dar. Entgegen der
Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Bescheid nicht schon deshalb
aufzuheben, weil der Beklagte die Grenzen der ihm nach § 14 Abs. 1 Satz 2
KHEntgG zustehenden Rechtskontrolle überschritten hätte. Die
Berücksichtigungsfähigkeit der von einem Neurochirurgen im Krankenhaus D.
erbrachten Leistungen scheitert auch nicht bereits daran, dass der
Versorgungsauftrag nicht eingehalten worden wäre. Es handelt sich bei diesen
Leistungen trotz der maßgeblichen Beteiligung eines nicht im Krankenhaus fest
angestellten Kooperationsarztes um vergütungsfähige allgemeine
Krankenhausleistungen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung kann auf
die Entscheidungsgründe des Urteils des Senats vom gleichen Tage in der
Sache 13 LC 173/10 Bezug genommen werden. Die dort für das Budgetjahr
2007 angestellten Erwägungen gelten für das Budgetjahr 2008 entsprechend.
2. Auch die durchgeführten Implantationen von Defibrillatoren wurden zutreffend
im Erlösbudget berücksichtigt, so dass sich der Genehmigungsbescheid
insofern ebenfalls als fehlerfrei darstellt. Der Versorgungsauftrag des
Krankenhauses der Beigeladenen in D., der seitens der Klägerin für die
Implantation von Defibrillatoren in Abrede gestellt wurde, ist eingehalten worden.
a) Die konkrete Reichweite des Versorgungsauftrags eines Plankrankenhauses
ergibt sich aus dem Inhalt des Bescheides nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG, da
allein diesem im Verhältnis zum Krankenhausträger Außenwirkung zukommt
(vgl. OVG NRW, Beschl. v. 17.01.2013 - 13 A 1196/12 -, juris Rdnr. 7). Der
Bescheid unterliegt der Auslegung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 11.03.2011 - 13 A
1745/10 -, juris Rdnrn. 11, 16). Bei der im öffentlichen Recht entsprechend
anzuwendenden Auslegungsregel des § 133 BGB (i. V. m. § 157 BGB) ist der
wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des
Ausdrucks zu haften, wobei von dem objektiven Erklärungswert des
Verwaltungsakts unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der
Erklärung auszugehen ist. Bei der Auslegung ist weiterhin zu berücksichtigen,
wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben verstehen darf
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.01.2008 - 7 B 48/07 -, juris Rdnr. 6). Hinsichtlich der
Ausweisung von Gebieten und Teilgebieten ist im Rahmen der Auslegung
regelmäßig auf die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer in der zum
Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheides geltenden Fassung
abzustellen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurden zum Umfang des
Versorgungsauftrags bei Ausweisung von bloßen Gebieten ohne Teilgebiete
indessen unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, ob dadurch ein
Teilgebiet mit umfasst sein kann: So hat etwa das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen entschieden, dass die Ausweisung des Gebiets "Chirurgie"
auch das Teilgebiet der "Gefäßchirurgie" umfassen kann und sich nicht lediglich
auf die "Allgemeinchirurgie" bezieht (OVG NRW, Beschl. v. 11.03.2011 - 13 A
1745/10 -, juris). Demgegenüber hat das Landessozialgericht Nordrhein-
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Westfalen die Zugehörigkeit der "Gefäßchirurgie" zur "Chirurgie" unter Hinweis
darauf verneint, dass der Krankenhausplan eine Beplanung von Gebieten und
Teilgebieten vorsehe (LSG NRW, Urt. v. 26.06.2008 - L 5 KR 19/07 -, juris).
Überwiegendes spricht nach Auffassung des Senats für die weitergehende und
somit für die Krankenhäuser "günstigere" Sichtweise, dass bei Ausweisung
eines Gebiets ohne Teilgebiete der Versorgungsauftrag in der ganzen Breite
und Tiefe des Gesamtgebiets besteht (so etwa: Sodan: Der Versorgungsauftrag
des Plankrankenhauses, GesR 2012, S. 641 (644 f.)). Dafür spricht, dass nach
den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern, die auf einer
Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer beruhen, regelmäßig
bestimmt ist, dass die "Gebietsdefinition" die Grenzen für die Ausübung der
fachärztlichen Tätigkeit bestimmt, wobei die zum Erwerb der Facharzt- oder
Schwerpunktkompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte allerdings
nicht die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeiten im Gebiet beschränken. Ein
"Teilgebietsspezialist" soll also auch im gesamten Gebiet tätig sein dürfen. Das
spricht umgekehrt dafür, bei einer expliziten Ausweisung nur eines Gebiets im
Feststellungsbescheid keine Beschränkungen für die Tätigkeit des
Krankenhauses in diesem Gesamtgebiet anzunehmen. Diese für das Verhältnis
von Gebieten und Teilgebieten skizzierten Erwägungen gelten bei
einschränkungsloser Ausweisung eines Gebiets entsprechend, wenn dieses
aus medizinisch-fachlicher Sicht Schnittmengen mit einem anderen in der
Weiterbildungsordnung geregelten (selbständigen) Gebiet aufweist.
b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe dürfte nach Auffassung des Senats
die Implantation von Defibrillatoren zwar nicht vom Versorgungsauftrag für die
Innere Medizin umfasst sein, wohl aber von demjenigen für die Chirurgie. In
medizinisch-technischer Hinsicht sind Defibrillatoren nicht identisch mit
Herzschrittmachern: Automatische implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren
(AICD), um die es bei den von der Klägerin gerügten Fallpauschalen allein geht,
sind keine Herzschrittmacher, sondern ersetzen bei Kammerflimmern bzw.
Herzrhythmusstörungen den Einsatz eines externen Defibrillators, um den
plötzlichen Herztod durch eine Schockabgabe mit hoher Energie abzuwenden.
Ein AICD enthält daher einen Diagnostik- und einen Therapieteil. Ein
Herzschrittmacher kann allerdings auch zusätzlich mit einer Defibrillatorfunktion
ausgestattet sein. Als definiertes Untersuchungs- und Behandlungsverfahren
sind "transvenöse Schrittmacherimplantationen/Defibrillatoren (AICD)" in der
Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 27. November
2004 (www.aekn.de/weiterbildung/weiterbildungsordnung) explizit der
Facharztkompetenz eines Herzchirurgen zugewiesen, nicht aber der Kardiologie
oder der Allgemeinchirurgie. Die Ärztekammer Niedersachsen und dem folgend
der Beklagte nehmen indessen gleichwohl an, dass auch Defibrillatoren "sowohl
von Fachärzten für Herzchirurgie sowie von Fachärzten für Allgemeine Chirurgie
als auch von Fachärzten für Innere Medizin und Kardiologie" operativ eingesetzt
werden könnten.
aa) Dem dürfte hinsichtlich der Zuordnung zur Facharztkompetenz für Innere
Medizin und Schwerpunkt Kardiologie (Abschnitt B Nr. 12.2.5 der
Weiterbildungsordnung) eher nicht zu folgen sein. Die Ärztekammer
Niedersachsen setzt zunächst Herzschrittmacher und Defibrillatoren gleich und
stützt ihre Argumentation hinsichtlich der Zuordnung zur Kardiologie dann
wesentlich darauf, dass für die Kardiologie der Erwerb von Kenntnissen,
Erfahrungen und Fertigkeiten in der "Schrittmachertherapie und -nachsorge"
sowie als Behandlungsverfahren die "Applikation von Schrittmachersonden"
vorgesehen ist. Dies ist kaum nachvollziehbar, da die AICD in Bezug auf
Kardiologen sehr wohl auch geregelt sind, wobei sich der Weiterbildungsinhalt
aber gerade auf die "Indikationsstellung und die Nachsorge" von AICD
beschränkt und als definiertes Behandlungsverfahren gerade nur "Kontrollen"
von AICD vorgesehen sind. Es geht also bei den Weiterbildungsinhalten und
den Behandlungsverfahren letztlich nur um Bereiche vor und nach sowie ggf.
während der Implantation, nicht aber um die Implantation selbst. Die
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transvenöse Implantation ist vielmehr ausdrücklich nur der Herzchirurgie
zugeordnet. Dies kann nach Auffassung des Senats auch nicht dadurch
relativiert werden, dass die Weiterbildungsordnung nur Mindestanforderungen
für den Erwerb der Facharztkompetenz regelt. Wollte man annehmen, dass für
den Umfang des Versorgungsauftrags auch auf die jeweiligen
Weiterbildungsinhalte und die definierten Untersuchungs- und
Behandlungsverfahren gleichsam beliebig weitere Untersuchungen und
Behandlungen "aufgesattelt" werden könnten, für die sich ein Facharzt aufgrund
seiner nach Erwerb der Facharztkompetenz gesammelten Erfahrungen
kompetent fühlt, wäre die Weiterbildungsordnung als maßgeblicher
Bezugspunkt für die konkrete Ausgestaltung des Versorgungsauftrags kaum
noch geeignet. Es ist deshalb nach Auffassung des Senats als überzeugender
anzusehen, dass die Bundesärztekammer im Gegensatz zur Ärztekammer
Niedersachsen die "Implantationskompetenz" von Kardiologen verneint hat.
Dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht demgegenüber die Auskunft der
Ärztekammer Niedersachsen für "verlässlich" halten, weil diese - wie der
Beklagte ausgeführt hat - als Satzungsgeber der auf § 34 Abs. 2 Satz 1 HKG
beruhenden Weiterbildungsordnung zu deren Auslegung berufen sei, ist
hingegen schon im Ansatz wenig einleuchtend. Dass die Ärztekammer
Niedersachsen Satzungsgeber der Weiterbildungsordnung ist, rechtfertigt es
keineswegs, im Genehmigungsverfahren bei der Frage des Umfangs des
Versorgungsauftrags gleichsam "blind" der Einschätzung der Kammer zu folgen
und eigene Überlegungen erst gar nicht anzustellen. Dies gilt auch dann, wenn
seit 2005 offenbar nunmehr erstmals ein Kostenträger die Frage problematisiert
hat, ob Defibrillator-Implantationen überhaupt von Kardiologen vorgenommen
werden können. Die Einschätzung der Ärztekammer Niedersachsen als
maßgeblich anzusehen hätte zur Folge, dass letztlich der Umfang des
Versorgungsauftrags in deren Hände gelegt und die dem Beklagten obliegende
Rechtskontrolle im Genehmigungsverfahren verkannt würde. Zwar wird man in
Rechnung stellen müssen, dass die begrifflichen Zuordnungen in der
Weiterbildungsordnung in erster Linie medizinisch und nicht juristisch
ausgestaltet sind, so dass es verfehlt sein könnte, eine Auslegung derselben
"mit strenger juristischer Elle" unter Zugrundelegung der anerkannten
Auslegungsmethoden trennscharf vorzunehmen. Allerdings dürften Defibrillator-
Implantationen gerade aufgrund der skizzierten Erwägungen wohl nicht auch
der Facharztkompetenz eines "Facharztes für Innere Medizin und Schwerpunkt
Kardiologie" zugeordnet sein, so dass der Versorgungsauftrag für die Innere
Medizin solche Eingriffe nicht umfassen dürfte.
bb) Eine abschließende Klärung ist hier jedoch entbehrlich, weil nach
Einschätzung des Senats der Versorgungsauftrag für die Chirurgie die
Implantationen von Defibrillatoren im Grundsatz ermöglicht. Das Gebiet der
Chirurgie ist als einschränkungslos ausgewiesen anzusehen. Das
"Krankenhausblatt" des Feststellungsbescheides des Beklagten vom
20. Dezember 2007 ist zwar als Vordruck so ausgestaltet, dass in einer
tabellarischen Übersicht die landesweit beplanten Fachrichtungen aufgezählt
werden. So enthält es insbesondere auch ein Feld für "Herzchirurgie", bei dem
indessen gerade keine Planbetten eingetragen sind. Dies sperrt aber nach
Auffassung des Senats die Erbringung der hier streitigen Leistungen im
Ergebnis nicht. Die Erstreckung des Versorgungsauftrags für die Chirurgie auf
das Gebiet in seiner ganzen Breite und Tiefe bleibt vielmehr erhalten. Der
Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass mit der
formularmäßigen Verwendung des Krankenhausblatts, in dem die beplanten
Fachrichtungen wiedergegeben werden, nicht zum Ausdruck gebracht werden
soll, dass mit der Nichtaufführung von Betten bei einzelnen Fachrichtungen eine
Sperre für die Fachrichtungen verbunden sein soll, denen Betten zugeordnet
sind. Eine derartige "negative Beplanung" war nicht gewollt. So ist der
Feststellungsbescheid nebst Krankenhausblatt von der Beigeladenen auch
verstanden worden. Es wäre daher nicht überzeugend, herzchirurgische
Leistungen aus dem umfassenden Versorgungsauftrag für das Gebiet der
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"Chirurgie" herauszunehmen. Da nach Abschnitt B Nr. 6.3 der
Weiterbildungsordnung die "Herzchirurgie" ein Teilgebiet der "Chirurgie"
darstellt, greift vielmehr die Regelung in Abschnitt A § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der
Weiterbildungsordnung, wonach die "Gebietsdefinition" die Grenzen für die
Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit bestimmt und die zum Erwerb der
Facharzt- oder Schwerpunktkompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte
nicht die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeiten im "Gebiet" beschränken. Vor
diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass die Bundesärztekammer eine
Befugnis von Fachärzten für Chirurgie zur Vornahme der streitigen Eingriffe
letztlich bejaht hat. Die Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 30. Juni
2008, die sich zunächst explizit nur mit Herzschrittmacherimplantationen befasst
und insoweit neben der Facharztkompetenz der Herzchirurgie auch diejenige
der Allgemeinen Chirurgie und der Gefäßchirurgie bejaht hat, ist durch eine E-
Mail vom 1. April 2009 dahingehend ergänzt worden, dass diese Wertungen für
die Implantation von Defibrillatoren analog gelten sollen. Da das Krankenhaus
über chirurgische Betten verfügt, kann eine Überschreitung des
Versorgungsauftrags deshalb letztlich nicht angenommen werden, obwohl die
streitigen Leistungen offenbar von der Inneren Medizin als bettenführender
Fachabteilung des Krankenhauses der Beigeladenen durchgeführt worden sind.
Ob in Anbetracht dieses Umstandes die Abrechnungsfähigkeit einzelner
Leistungen trotz des an sich gegebenen Versorgungsauftrags in Frage steht,
weil etwa im Einzelfall (ausschließlich) ein Kardiologe operiert hat oder eine
einzelne Operation so komplex war, dass die von der Bundeärztekammer
vorgenommene Gleichstellung mit der Implantation von Herzschrittmachern
nicht mehr greifen kann, ist im Budgetverfahren nicht zu klären. Eine
Betrachtung nach den im Budgetjahr tatsächlich abgerechneten Fallpauschalen
scheidet nach Auffassung des Senats im Budgetverfahren aus. Dies ergibt sich
schon daraus, dass das Erlösbudget nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG für
einen zukünftigen Zeitraum zu vereinbaren bzw. von der Schiedsstelle
festzusetzen ist. Nach der gesetzlichen Konzeption ist also eine Prognose
anzustellen, bei der notwendig die einzelnen Abrechnungsfälle noch gar nicht
eingetreten sind. Dies muss nach Auffassung des Senats auch auf den Umfang
der gerichtlichen Kontrolle der Genehmigung des Budgets fortwirken. Die
Betrachtung der tatsächlichen Einzelfälle muss vielmehr ggf. der
sozialgerichtlichen Klärung vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil
diese die Zurückweisung der Berufung beantragt und sich damit einem
Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.
V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S.
d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Reichweite des Versorgungsauftrags hängt
von zahlreichen Einzelfaktoren ab, die einer fallübergreifenden Klärung nicht
zugänglich erscheinen. Der Frage der Vergütungsfähigkeit von
Krankenhausleistungen bei Hinzuziehung eines Honorararztes kann schon
deshalb keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommen, weil diese jedenfalls
seit dem 1. Januar 2013 als geklärt anzusehen ist. Dem Rechtsstreit liegt mithin
insoweit ausgelaufenes Recht zu Grunde.