Urteil des OVG Niedersachsen vom 02.07.2014

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Teilstilllegungsanordnung nach § 20 Abs. 2 BImschG
Zur Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; hier: Bestimmung der
zulässigen Lagermenge.
OVG Lüneburg 12. Senat, Beschluss vom 02.07.2014, 12 LA 182/13
§ 20 Abs 2 BImSchG, § 4 BImSchG
Tenor
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer (Einzelrichter) - vom 9. Juli 2013
zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche
Teilstilllegungsanordnung des Beklagten.
Die Klägerin betreibt an ihrem Anlagenstandort in G., H. (Flur I., Flurstück J.),
aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Januar
2005 eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und sonstigen Behandlung von
nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen. Nachdem der Beklagte im
Februar 2012 festgestellt hatte, dass auf dem Betriebsgelände ca. 13.300
Tonnen ungebrochenen Bauschuttmaterials lagerten, gab er der Klägerin nach
Anhörung mit Bescheid vom 21. August 2012 unter Fristsetzung auf, die
Lagermenge des ungebrochenen Bauschuttmaterials an dem bezeichneten
Standort auf die genehmigte Lagermenge (5.000 Tonnen) zu reduzieren. Den
dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 9. November 2012 zurück.
Die gegen die ergangenen Bescheide erhobene Klage, zu deren Begründung
die Klägerin weiter die Auffassung vertrat, die im Rahmen des
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens in dem Lageplan
angegebene Lagermenge ungebrochenen Bauschutts sei lediglich als
Momentaufnahme zu verstehen und nicht als verbindliche Obergrenze in der
Genehmigung festgeschrieben, hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor
bezeichneten Urteil unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe in den
angefochtenen Bescheiden abgewiesen und ergänzend ausgeführt: Ein
Einschreiten gegen den teilweise illegalen Betrieb im Bereich Lagerung des
ungebrochenen Bauschutts sei gerechtfertigt gewesen, soweit die durch die
eindeutige Fassung der Nebenbestimmungen, insbesondere in Nr. 5.1 und 5.5
der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12. Januar 2005, auf
5.000 Tonnen begrenzte Lagermenge überschritten werde. Es entspreche
nicht nur den hiesigen Nebenbestimmungen, sondern auch der gängigen
Auslegung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen, den
Genehmigungsinhalt im Zusammenhang mit den Antragsunterlagen zu
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bestimmen, die Art, Kapazität und Betriebsweise einer
immissionsschutzrechtlich zu bewertenden Anlage vorgäben. Der Klägerin sei
es möglich (gewesen), einen Antrag auf Genehmigung des geänderten
Betriebs zu stellen, damit die Bewältigung möglicher Immissionskonflikte mit
den Nachbarn im dafür vorgesehenen Verfahren geprüft werden könne.
II.
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, hat
keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des allein in Anspruch genommenen
Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, dass ihre Anlage nicht ohne die
erforderliche Genehmigung betrieben werde, denn mit der Genehmigung sei,
wie deren Auslegung ergebe, die zulässige Lagermenge nicht auf maximal
5.000 Tonnen beschränkt worden. Vielmehr dürfe sie - die Klägerin - aufgrund
der Genehmigung so viele Rohmaterialien und Wertstoffe lagern, wie auf der
genehmigten Fläche möglich sei. Dieses Vorbringen begründet ernstliche
Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht.
Inhalt und Umfang auch der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung
ergeben sich vornehmlich aus dem Genehmigungsbescheid. Bei der
Auslegung ist auf den objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus der
Sicht des Adressaten abzustellen, dabei sind auch die Antragsunterlagen
heranzuziehen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 7 C 35.87 -,
BVerwGE 84, 220; Jarass, BImSchG, 10. Aufl., § 6 Rdnr. 56).
Das Verwaltungsgericht hat bereits im Tatbestand des angefochtenen Urteils
zutreffend berichtet, dass nach den Nebenbestimmungen zu dem
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 12. Januar 2005 -
dort unter (Auflagen: A) Allgemein) Nr. 4 - die Anlage nach Maßgabe der im
Anlagenverzeichnis aufgeführten Beschreibungen und Zeichnungen zu
errichten und zu betreiben ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist.
Zu den im Anlagenverzeichnis aufgeführten Unterlagen gehört auch der
Werkslage- und Gebäudeplan vom Oktober 2004, in dem sich zu der
Einzeichnung der „Halde Rohmaterial“ der Zusatz findet: „ca. 3000 bis 5000
to“. In der ebenfalls zu den Antragsunterlagen gehörenden und im
Genehmigungsbescheid in Bezug genommenen „Beschreibung der zum
Betrieb erforderlichen technischen Einrichtungen und Nebeneinrichtungen,
sowie der vorgesehenen Verfahren“ (Anlage 3.1) heißt es ferner, vorgesehen
seien separate Lagerflächen für Betonbruch, Ziegelbruch und Schotter; die
Lagerflächen seien für eine Gesamtkapazität von ca. 3.000 Tonnen ausgelegt.
Die in dem Lage- und Gebäudeplan größenordnungsmäßig angegebenen
Lagermengen konnte der Beklagte in Verbindung mit der
Betriebsbeschreibung nur als konkrete Bezeichnung der geplanten und zur
Genehmigung gestellten Lagermengen und nicht lediglich als unverbindliche
„Momentaufnahme“ verstehen. Auf diese beantragten Lagermengen stellt die
Genehmigung unter den Nebenbestimmungen Nr. 4 und 5 ab. Zwar hätte es
der unmittelbaren Verständlichkeit und Klarheit gedient, wenn die maximal
zulässige Lagermenge ausdrücklich in den Genehmigungsbescheid
aufgenommen worden wäre, aus dem Fehlen einer konkret bezifferten
Lagermenge im Genehmigungsbescheid selbst kann aber bei verständiger
Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts des Genehmigungsbescheids
unter Einbeziehung der Antragsunterlagen nicht geschlossen werden, dass
der Beklagte die in dem Lage- und Gebäudeplan bezeichnete maximale
Lagermenge nicht zum Inhalt der Genehmigung habe machen wollen.
Soweit nachfolgend unter den Nrn. 5.1 bis 5.5 die beantragten Lagermengen
beschränkt werden, handelt es sich um ergänzende Bestimmungen auf der
Grundlage der beantragten und genehmigten Mengen. Daraus lässt sich
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jedoch nicht ableiten, dass es der Klägerin gestattet wäre, über die in den
Antragsunterlagen eingegrenzte und mit maximal 5.000 Tonnen beschriebene
Lagermenge hinaus so viele Materialien wie räumlich möglich zu lagern. Das
gilt insbesondere auch mit Blick auf die Nebenbestimmung Nr. 5.5. Die
Bezugnahme in dieser Auflage auf die Zeichnung - Werkslage- und
Gebäudeplan - hat nicht nur, wie die Klägerin meint, Bedeutung für den
Standort der Anlage. Der Sinn dieser (wie auch der vorstehenden)
Nebenbestimmungen unter Nrn. 5.1 ff. besteht - wie gesagt - nicht darin, den
sich aus Nr. 4 und 5 der Nebenbestimmungen in Verbindung mit den
Antragsunterlagen ergebenden Genehmigungsumfang zugunsten der Klägerin
zu erweitern. Bei den Nebenbestimmungen gemäß Nrn. 5.1 bis 5.5 handelt es
sich vielmehr um Regelungen, die an die beantragten und genehmigten
Lagermengen anknüpfen und Beschränkungen vorsehen, die sich aus
sonstigen Anforderungen in der Genehmigung ergeben. Davon unberührt
bleibt die Bezugnahme auf den zur Prüfung und Genehmigung gestellten
Anlagenumfang, der durch die eingegrenzte Kapazität der Lagerflächen für
das angelieferte Rohmaterial bestimmt wird.
Entgegen ihrer Auffassung musste die Klägerin aufgrund der von ihr
eingereichten Antragsunterlagen auch davon ausgehen, dass sich die erteilte
Genehmigung nicht auf Lagermengen von mehr als 5.000 Tonnen erstreckt.
Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung gestattet nur das, was vom
Antragsteller beantragt und worüber folglich von der zuständigen Behörde
positiv entschieden worden ist. Hier hatte die Klägerin ausweislich der
Antragsunterlagen die Errichtung und den Betrieb der beantragten Anlage mit
einer Lagerkapazität von 3.000 bis 5.000 Tonnen Rohmaterial zur
Genehmigung gestellt. Sie hatte unter diesen Umständen keinen berechtigten
Grund zu der Annahme, dass die Behörde mit ihrer auf die Antragsunterlagen
bezogenen Genehmigungsentscheidung über diesen Rahmen hinausgehen
wollte. Dagegen spricht auch, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit nicht
nur auf die Anlage als solche, sondern auch auf ihre Lage, ihre Beschaffenheit
und ihren Betrieb im Einzelnen, also etwa auch auf Art und Menge der
Einsatzstoffe, bezieht. Derartige Einzelheiten können für die Frage der
Genehmigungsfähigkeit der Anlage von wesentlicher Bedeutung sein, denn es
ist vor Erteilung der Genehmigung insbesondere zu prüfen, ob und unter
welchen Voraussetzungen die Anlage aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres
Betriebs geeignet ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen (§ 4 Abs.
1 Satz 1 BImSchG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und
folgt der von den Beteiligten nicht angegriffenen Wertbemessung des
Verwaltungsgerichts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.
V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).