Urteil des OVG Niedersachsen vom 02.04.2013

OVG Lüneburg: wohnung, winterdienst, widmung, gemeingebrauch, dienstort, tgv, niedersachsen, personenverkehr, gleichbehandlung, genehmigung

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Umzugskostenvergütung - Antrag auf Zulassung der
Berufung -
1. Die auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BUKG gestützte Begründung für die
Entscheidung, Umzugskostenvergütung nicht zuzusagen, kann nicht
selbstständig angefochten werden.
2. Ob eine Strecke als üblicherweise befahren i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c )
BUKG anzusehen ist, richtet sich allein nach der objektiven Befahrbarkeit.
Einschränkungen der Nutzbarkeit, die sich aus selten stattfindenden
Sperrungen, einer Mitbenutzung durch bevorrechtigte Fahrzeuge oder einem
begrenzten Winterdienst ergeben, stellen die objektive Befahrbarkeit nicht in
Frage.
3. Vor § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c ) BUKG ist es unerheblich, ob es sich um eine
öffentliche oder private Straße handelt, ob eine Widmung erfolgt ist und ob ein
Gemeingebrauch besteht, ob sich die Straßenbenutzung nach öffentlichem
oder privatem Recht richtet und welches Haftungsregime besteht.
OVG Lüneburg 5. Senat, Beschluss vom 02.04.2013, 5 LA 57/12
§ 1 Abs 3 Nr 1 TGV, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst c BUKG
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Begründung der Entscheidung der Beklagten,
ihm Umzugskostenvergütung aus Anlass einer Versetzung zu versagen.
Der Kläger, der in C. wohnt, steht als Hauptmann im Dienst der Beklagten. Unter
dem 7. Juni 20... versetzte ihn die Beklagte von D. nach E..
Umzugskostenvergütung versagte die Beklagte mit der Begründung, der neue
Dienstort liege im Einzugsbereich der privaten Wohnung. Die Entfernung
betrage bei Nutzung der für den öffentlichen Verkehr freigegebenen, über
Truppenübungsplätze führenden Privatstraßen des Bundes weniger als 30 km.
Gegen diese Begründung, nicht gegen die Versagung der
Umzugskostenvergütung als solche, wandte sich der Kläger mit seiner
Beschwerde und seiner von dem Verwaltungsgericht als unzulässig
abgewiesenen Klage. Mit seinem Zulassungsantrag verfolgt er sein Begehren
weiter.
II.
Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.
Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im
Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages
und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige,
gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus
denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso
wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner
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tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel
müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur
Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der
Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung
auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner
Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. Nds. OVG,
Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Nach diesen Maßgaben ist es dem Kläger nicht gelungen, das Urteil des
Verwaltungsgerichts ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat
die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Begründung für die
Versagung von Umzugskostenvergütung nicht an der Regelungswirkung der
Entscheidung teilnimmt und demnach keinen tauglichen Gegenstand der
erhobenen Anfechtungsklage darstellt.
Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, die Begründung wirke sich unmittelbar auf
die Gewährung von Trennungsgeld aus, sodass in ihr eine materiell-rechtliche
Regelung liege. Richtig ist zwar, dass Trennungsgeld gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1
TGV nur gewährt wird, wenn die Wohnung nicht im Einzugsgebiet liegt, und die
Vorschrift mit dieser Regelung auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BUKG verweist. Ist
mithin die Wohnung auf einer üblicherweise befahrenen Strecke weniger als 30
Kilometer von der neuen Dienststätte entfernt oder liegt sie im neuen Dienstort
(Einzugsgebiet), ist weder Umzugskostenvergütung noch Trennungsgeld zu
gewähren. Aus diesem inhaltlichen Gleichlauf der Regelungen folgt jedoch nicht,
dass die Begründung für die Entscheidung der Beklagten, keine
Umzugskostenvergütung zu gewähren, eine spätere Entscheidung über einen
Antrag auf Gewährung von Trennungsgeld präjudiziert. Begehrt ein Soldat
Trennungsgeld, ist die Frage des Einzugsgebietes vielmehr erneut zu prüfen.
Soweit der Kläger demgegenüber meint, die über die Gewährung von
Trennungsgeld entscheidende Stelle verfüge nicht über die Kompetenz, die
Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Umzugskostenvergütung zu
überprüfen, mag das zutreffen. Ein Einwand gegen die Richtigkeit des
verwaltungsgerichtlichen Urteils folgt daraus jedoch nicht. In Streit steht nämlich
nicht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten, die
Umzugskostenvergütung zu versagen, sondern allein die Begründung. Auf
deren inhaltliche Richtigkeit kommt es für die Rechtmäßigkeit eines als
gebundene Entscheidung ergangenen Verwaltungsaktes nicht an. § 39 Abs. 1
VwVfG regelt nur die formelle Begründungspflicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG,
13. Aufl. 2012, § 39 Rn. 2). Weitergehende rechtliche Vorgaben bestehen nicht.
Die Berufung ist auch weder wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher
Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Es liegt
nach den obigen Ausführungen auf der Hand, dass es sich bei den
Ausführungen der Beklagten zur Nutzbarkeit der Privatstraßen des Bundes um
die bloße Begründung eines Verwaltungsaktes handelt und diese Begründung
nicht mit einer Klage angefochten werden kann.
Nur ergänzend merkt der Senat an, dass der Klage - anders als das
Verwaltungsgericht meint - auch in der Sache kein Erfolg beschieden wäre. Die
Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger weder
Umzugskostenvergütung noch Trennungsgeld beanspruchen kann, weil seine
Wohnung auf einer üblicherweise befahrenen Strecke weniger als 30 Kilometer
von seiner neuen Dienststätte entfernt liegt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BUKG).
Zur Ermittlung der Entfernung ist auf die kürzeste üblicherweise befahrene
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Strecke abzustellen, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um die am
häufigsten befahrene und/oder verkehrsgünstigste Strecke handelt. Erfasst
werden alle Verkehrswege, die entweder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder
aber - zulässigerweise - von privaten Kraftfahrzeugen genutzt werden, also bei
objektiver Betrachtung befahrbar sind. Ob die so ermittelte kürzeste
Verkehrsverbindung tatsächlich genutzt wird, ist aus Gründen der
Gleichbehandlung und der Praktikabilität unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom
15.7.1977 - BVerwG VI C 57.76 -, ZBR 1977, 402 <403>, zur
Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 6 BUKG; ebenso Nds. OVG, Beschluss vom
8.7.1999 - 2 L 869/98 -, juris Rn. 6). Außer Betracht bleiben daher nur Strecken,
die - wie beispielsweise Feld- und Wirtschaftswege - üblicherweise für den
Personenverkehr nicht bestimmt sind oder nicht benutzt werden (vgl.
Meyer/Fricke, Umzugskosten im öffentlichen Dienst, § 3 BUKG Rn. 79
der Bearbeitung: Februar 2004>). In Betracht kommen mag es im Einzelfall
ferner, solche Strecken außer Betracht zu lassen, deren Benutzung nach
allgemeinen Maßstäben offensichtlich unzumutbar ist, sodass es an der
objektiven Befahrbarkeit fehlt (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 11.10.2010 - Au 2 K
09.1448 -, juris Rn. 29, zu einer mit Schlaglöchern übersäten und bloß
geschotterten Straße ohne jeden Winterdienst).
Legt man dies zugrunde, sind die für den öffentlichen Verkehr freigegebenen
Privatstraßen des Bundes auf den Truppenübungsplätzen im Raum E. als
üblicherweise befahrene Strecken anzusehen und demzufolge bei der
Bestimmung des Einzugsgebietes gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BUKG zu
berücksichtigen. Es handelt sich um Straßen mit festem Oberbau, die sich - wie
die von dem Kläger gefertigten Fotos belegen - zum Befahren mit
Kraftfahrzeugen eignen und die ausweislich der zwischen den betroffenen
Landkreisen und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen auch zu einem
solchen Befahren bestimmt sind. Dass die Strecken in seltenen Fällen bei
Übungen gesperrt werden, ist ebenso unerheblich wie etwaige
Einschränkungen aufgrund der Nutzung durch Militärfahrzeuge oder beim
Winterdienst. Vergleichbare Einschränkungen sind auch bei Nebenstrecken im
ländlichen Raum etwa bei einer starken Nutzung durch den landwirtschaftlichen
Verkehr und einer geringen Verkehrsbedeutung durchaus üblich. Die objektive
Befahrbarkeit stellen sie nicht in Frage (vgl. Kopicki/Irlenbusch,
Umzugskostenrecht, § 3 BUKG Rn. 32
2003>).
Kommt es mithin allein auf die objektive Befahrbarkeit an, ist es unerheblich, ob
es sich um eine öffentliche oder private Straße handelt, ob eine Widmung erfolgt
ist und ob ein Gemeingebrauch besteht, ob sich die Straßenbenutzung nach
öffentlichem oder privatem Recht richtet und welches Haftungsregime besteht.
Die entsprechenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts sind mit den oben
beschriebenen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).