Urteil des OVG Niedersachsen vom 13.08.2013

OVG Lüneburg: bekanntmachung, tierhaltung, gemeinde, bebauungsplan, tageszeitung, satzung, erlass, abstimmung, verfügung, niedersachsen

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Veränderungssperre zum Erhalt verbliebener
Außenbereichs-Freiflächen
Ausfertigungsmängel können im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4
BauGB geheilt werden.
Die Bekanntmachungsanordnung muss der Bürgermeister nicht
unterzeichnen; seine Paraphe oder die seines Vertreters genügt.
Eine auf die Bewahrung von Freiräumen für Natur und Erholung ausgerichtete
Bauleitplanung für den Außenbereich kann mit dem Verbot der
Negativplanung vereinbar sein. Eine solche, weite Teile des Gemeindegebiets
erfassende Planung muss den im Außenbereich privilegierten Nutzungen
noch substantiell Raum lassen. Dem ist für landwirtschaftliche und
gewerbliche Tierhaltungsanlagen in jedem Fall dann genügt, wenn die
Viehdichte in der Gemeinde bereits vor der Planung weit überdurchschnittlich
ist.
Das Sicherungsbedürfnis kann in Frage gestellt sein, wenn sich absehen
lässt, dass die Gemeinde - etwa, weil sie sich "zu viel vorgenommen" hat -
auch unter Inanspruchnahme von § 17 Abs. 2 BauGB nicht mit der
Maximalzeit auskommen wird/kann, die eine Veränderungssperre dauern darf.
OVG Lüneburg 1. Senat, Urteil vom 13.08.2013, 1 KN 69/11
§ 14 Abs 1 BauGB, § 17 Abs 1 BauGB, § 17 Abs 2 BauGB, § 214 Abs 4 BauGB, § 35
Abs 1 Nr 1 BauGB, § 35 Abs 1 Nr 4 BauGB, § 6 Abs 3 GemO ND, § 11 Abs 1
KomVerfG ND
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen
eine Veränderungssperre der Antragsgegnerin, durch die sie sich an der
Errichtung eines Schweinestalles mit 1.440 Plätzen gehindert sieht.
Aus Anlass dieses Vorhabens beschloss der Rat der Antragsgegnerin in seiner
Sitzung vom 16. Februar 2011 die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans
Nr. 47 "Tierhaltung I" für eine unregelmäßig zugeschnittene, einzelne
Baugrundstücke auch inselartig auslassende Fläche östlich um E. herum. Nach
einem zugrunde liegenden Vorentwurf soll der Plan bestimmte Flächen mit
einem Baufenster umgeben. Nach den textlichen Festsetzungen dieses
Vorentwurfs ist vorgesehen, außerhalb der hierfür festzusetzenden Baugrenzen
nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB bauliche Anlagen im Wesentlichen für unzulässig
zu erklären; bestimmte Anlagen werden ausdrücklich ausgenommen. In der
Ratsvorlage hierfür ist ausgeführt, dass die überbaubaren Bereiche bei
bestehender landwirtschaftlicher Bebauung und zur Erweiterung bestehender
Tierhaltungsanlagen bzw. Hofstellen in Abstimmung mit den betroffenen
Landwirten festgesetzt würden.
Zum Planungsanlass heißt es, der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe in
der Gemeinde B. ebenso wie in der gesamten Region F. zu einer Konzentration
der landwirtschaftlich genutzten Flächen auf immer weniger Betriebe geführt.
Gleichzeitig habe sich die Tierhaltung/-mast als wesentlicher Teil der
landwirtschaftlichen Produktion ausgeweitet und damit einhergehend die
Tierzahl pro Stall bzw. pro Betrieb stark erhöht. Wegen der höheren
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Wertschöpfung würden dabei immer größere Stallanlagen mit arbeitssparender
Betriebstechnik angestrebt. Gleichzeitig bestehe Nachfrage für die Errichtung
von Biogasanlagen. Städtebaulich ließen sich solche Anlagen in vielen Fällen
nicht mehr auf den bisherigen Hofstellen im dörflichen
Bebauungszusammenhang errichten. Mit dem Bebauungsplan solle eine
weitere Zersiedelung der noch vorhandenen freien Landschaft dieses Teils des
Gemeindegebiets unterbunden werden. Insbesondere im Bereich östlich der
Ortslage von B. zwischen den Ortslagen G. im Westen, H. und I. im Süden, dem
Naturschutzgebiet "J. K. " im Osten und der L. Straße (L 831) im Nordwesten sei
die Zersiedelung noch gering. Diese Bereiche sollten als Erholungslandschaft
gesichert werden. Im Bereich vorhandener landwirtschaftlicher Hofstellen bzw.
bestehender Tierhaltungsanlagen sollten jedoch Erweiterungsmöglichkeiten für
die vorhandenen Betriebe berücksichtigt werden. Der Entwicklungsbedarf werde
mit jedem Betrieb abgestimmt. Es komme nicht darauf an, dass die
freizuhaltenden Flächen aus naturschutzfachlicher oder landespflegerischer
Sicht besonders schutzwürdig seien. Auch der "profane" Außenbereich stelle
einen wichtigen Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen dar. Der
Aufstellungsbeschluss wurde durch Veröffentlichung in der Münsterländischen
Tageszeitung vom 21. Februar 2011 und durch Aushang bekannt gemacht.
Ebenfalls in der Sitzung vom 16. Februar 2011 beschloss der Rat der
Antragsgegnerin anschließend die hier angegriffene Veränderungssperre, die
durch Veröffentlichung in der Münsterländischen Tageszeitung 25. Februar und
1. März 2011 (letztere mit zusätzlichen Hinweisen) und durch Aushang bekannt
gemacht wurde. Auf Rüge der Antragstellerin fertigte der Bürgermeister der
Antragstellerin die Satzung über die Veränderungssperre am 21. Oktober 2011
erneut aus und ordnete mit Verfügung vom 24. Oktober 2011 die
Bekanntmachung mit rückwirkender Inkraftsetzung zum 1. März 2011 an, die in
der Münsterländischen Tageszeitung vom 26. Oktober 2011 erfolgte.
Am 16. März 2011 hat die Antragsgegnerin Aufstellungsbeschlüsse für die
Bebauungspläne „Tierhaltung II“, „Tierhaltung III“ und „Tierhaltung IV“ gefasst
und sie am 11. Juli 2012 durch Veränderungssperren abgesichert. Zusammen
erfassen die vier Bebauungspläne einen Großteil des Gemeindegebiets der
Antragsgegnerin außerhalb geschlossener Ortslagen.
Gegen die Veränderungssperre zum Bebauungsplan Nr. 47 hat die
Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung
führt sie aus: Die Veränderungssperre sei vor der Bekanntmachung nicht
ausgefertigt worden. Eine Heilung dieses Mangels nach § 214 Abs. 4 BauGB
komme nicht in Betracht, da diese Norm keine Verstöße gegen Landesrecht
erfasse und das Erfordernis der Ausfertigung im Landesrecht geregelt sei. Die
Bekanntmachungsanordnung sei unzureichend gewesen, weil sie nur
paraphiert gewesen sei und Zeitpunkt sowie Art der Bekanntmachung offen
gelassen habe. Die Veränderungssperre sei auch materiell rechtswidrig. Der mit
ihr abgesicherte Plan sei eine unzulässige Negativplanung ohne klar
umrissenes Planungsziel. Es sei nicht erkennbar, welche Art baulicher Anlagen
in den Baufenstern zugelassen werden sollten. Unterbleibe die Festsetzung der
Nutzungsart, richte sich die Zulässigkeit nach § 35 BauGB, so dass der
vorgesehene Plan keine Steuerungskraft entfalte. Hinsichtlich der Flächen
außerhalb der Baufenster fehle eine konkrete Planungsabsicht. Insoweit gleiche
die Planung derjenigen, welche der Senat in seinem Beschluss vom 6. April
2009 (1 MN 289/08) für unzureichend gehalten habe. Soweit die Absicht
ausgedrückt werde, die erforderlichen Festsetzungen in Abstimmung mit den
betroffenen Landwirten zu treffen, werde die Planung in Wahrheit in die Hände
der Betriebe gegeben. Schließlich sei auch keine städtebauliche
Fehlentwicklung erkennbar, die ein Gegenwirken erfordere. Der bloße Hinweis
auf die Viehdichte sei unzureichend, die Betroffenheit der Antragsgegnerin
durch eine Massierung von Tierhaltungsanlagen zu belegen, denn für diese
fehle es an belastbaren Kriterien.
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Einen gleichzeitig mit dem Normenkontrollantrag gestellten Antrag nach § 47
Abs. 6 VwGO hat der Senat mit Beschluss vom 28. November 2011 - 1 MN
70/11 - abgelehnt.
Im Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin Fragebögen an die in ihrem
Gemeindegebiet ansässigen Landwirte versandt, um deren
Erweiterungsabsichten zu erfragen, und eine nachfolgend zum 31. Dezember
2011 verlängerte Abgabefrist gesetzt. Bis März 2012 hat sie diese ausgewertet.
Im Mai bzw. Juli 2012 hat sie die Fragebögen an die Landwirtschaftskammer mit
der Bitte übergeben, landwirtschaftliche Fachbeiträge zu den vorgetragenen
Erweiterungswünschen zu erstellen. In seiner Sitzung am 12. Februar 2013 hat
der Rat der Antragsgegnerin die Verlängerung der hier angegriffenen
Veränderungssperre beschlossen. Zur Begründung wiederholt die Ratsvorlage
vom 8. Februar 2013 teils die Erwägungen zum Aufstellungsbeschluss.
Ergänzend macht sie Angaben zu den in bei der Ausweisung der bebaubaren
Flächen anzuwendenden Kriterien: Grundsätzlich werde die vorhandene
Hofstelle ausgewiesen. Bei Betrieben, die einen in maximal 5 Jahren akuten
Bedarf nachwiesen, der auch von der Landwirtschaftskammer bestätigt werde,
sei eine Erweiterungsfläche grundsätzlich im Anschluss an den vorhandenen
Bestand auszuweisen. Sei dies aus immissionsschutzrechtlichen Gründen nicht
möglich, so solle eine Entwicklungsfläche im Anschluss an einen vorhandenen
anderen Standort oder an einem Standort, der den Zielen der Planung nicht
widerspreche, ausgewiesen werden. Verpachtete Betriebe erhielten nur den
Bestand ausgewiesen. Falls erforderlich, werde die Immissionslage vorab
geprüft, damit keine Baufenster ausgewiesen würden, die nicht genutzt werden
könnten. Erste Ergebnisse der Befragung seien im Entwurf bereits
berücksichtigt; im Wesentlichen sei lediglich für die Betriebe, die sich nicht
angrenzend zum vorhandenen Bestand entwickeln könnten, noch eine weitere
Bearbeitung und Abstimmung erforderlich. Angesichts der Vielzahl vergleichbar
planender Gemeinden habe die Landwirtschaftskammer ihr Gutachten noch
nicht abschließen können. Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 47 werde
aber nun vorrangig bearbeitet, damit in der 2. Jahreshälfte die frühzeitige Bürger-
und Behördenbeteiligung durchgeführt werden könne. Die Antragsgegnerin hat
die Verlängerung der Veränderungssperre in der Münsterländischen
Tageszeitung vom 21. Februar 2013 bekannt gemacht.
Die Antragstellerin hat hierzu ergänzend geltend gemacht, die
Landwirtschaftskammer sei erst im Frühjahr 2013, nach Ablauf der
Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre auf sie zugekommen,
um ihre Entwicklungsabsichten zu ermitteln. Nach ihrer Kenntnis befinde sich
das Aufstellungsverfahren im Hinblick auf die Beschlusslage weiterhin auf dem
Stand des Abschlusses des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens.
Die Antragstellerin beantragt,
die vom Rat der Antragsgegnerin am 16. Februar 2011 beschlossene und
am 12. Februar 2013 verlängerte Satzung über eine Veränderungssperre
für den Geltungsbereich des Bebauungsplans der Antragsgegnerin Nr. 47
„Tierhaltung I“ für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Antragstellervorbringen entgegen. Unter anderem verweist sie
darauf, dass die Viehdichte in ihrem Bereich schon im Mai 2010 mit 3,72 GV pro
ha landwirtschaftlicher Nutzfläche wesentlich höher als der Bundesdurchschnitt
gelegen habe und seitdem weiter angestiegen sei. Sie treibe das
Aufstellungsverfahren mit dem möglichen Nachdruck voran. Am 28. August
2013 sei ein Abstimmungsgespräch mit dem Landkreis F. und der
Landwirtschaftskammer vorgesehen, im September 2013 die frühzeitige Bürger-
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und Behördenbeteiligung, im November 2013 der Erlass des
Auslegungsbeschlusses, im Dezember 2013 die öffentliche Auslegung und im
März 2014 die Beschlussfassung über den Bebauungsplan.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag, der ohne Klageänderung auf die Verlängerung der
Veränderungssperre zu erstrecken war (BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 C 13.03 -,
juris-Rn. 9), ist unbegründet. Die angegriffene Veränderungssperre ist
rechtmäßig.
Sie leidet nicht unter Verfahrensfehlern. Der geltend gemachte
Ausfertigungsmangel liegt nicht vor. Die Ausfertigung einer kommunalen
Satzung liegt in der - datierten -Unterzeichnung eines Satzungsexemplars durch
den Bürgermeister nach Beschlussfassung und vor Bekanntmachung (vgl. § 6
Abs. 3 Satz 1 der hier noch anwendbaren NGO i.d.F. vom 28.10.2006). Eine
ausdrückliche Bezeichnung als „Ausfertigungsexemplar“ oder ähnliches ist nicht
erforderlich. Diesen Anforderungen genügen bereits die in den
Verwaltungsvorgängen enthaltenen, vom Bürgermeister unter dem Datum des
23.02.2011 unterzeichneten Aushangexemplare des gemeindlichen
Satzungsbeschlusses. Die Reihenfolge zwischen Ausfertigung und
Bekanntmachung war daher bereits vor der erneuten Bekanntmachung im
ergänzenden Verfahren eingehalten. Fehler liegen auch nicht hinsichtlich der
Bekanntmachungsanordnung vor. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss
vom 28. November 2011 - 1 MN 70/11 - ausgeführt:
„Im Übrigen sei angemerkt, dass sich besondere Anforderungen an die
Bekanntmachungsanordnung in Niedersachsen weder aus dem Gesetz noch
aus der bisherigen Rechtsprechung ergeben. Soweit die Antragsgegnerin für
den "ersten Durchgang" gerügt hat, die Bekanntmachungsanordnung sei nur
paraphiert worden und gebe weder Zeitpunkt noch Art der Bekanntmachung
an, dürfte dies entbehrlich sein, weil sich die Art der Bekanntmachung aus der
Hauptsatzung ergibt und der Zeitpunkt im Zweifel immer der (unter
Berücksichtigung der Zeitabläufe im Geschäftsgang) nächstmögliche ist. Hier
hatte die Bekanntmachungsanordnung dies durch den Zusatz "nach
Bekanntgabe des Bebauungsplans" eingegrenzt. Das reicht; der
Bürgermeister muss die zeitlichen Abläufe nicht selbst im Detail
durchkalkulieren. Auch für eine "volle Unterschrift" im Unterschied zu einer
Paraphe ergibt sich keine Notwendigkeit. Der Senat hat in seinem
(inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht nach Pressemeldungen aus
anderen Gründen aufgehobenen) Urteil vom 8. September 2010 (- 1 KN
129/07 -, BauR 2011, 1131) nur ausgeführt, dass die Bekanntmachung vom
Bürgermeister selbst im Einzelfall "anzustoßen" ist, damit die richtige zeitliche
Reihenfolge zwischen Ausfertigung und Bekanntmachung gewährleistet ist.
Auch der 12. Senat hat dies in seinem Urteil vom 21.12.2010 (- 12 KN 71/08 -,
BauR 2011, 1140) nur durch die Wendung ergänzt, der Bürgermeister müsse
die Ausfertigung selbst veranlassen, ohne insoweit förmliche Anforderungen
zu stellen. Hintergrund war in diesem Fall der Umstand, dass die
Bekanntmachung fehlerhaft nicht unter dem Bürgermeister "firmierte" und
auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, dass der Bürgermeister
dabei eine Rolle gespielt hatte. Demgegenüber sähe der Senat bei richtiger
zeitlicher Reihenfolge zwischen Ausfertigung der Satzung und deren
Bekanntmachung und richtiger Bezeichnung des Urhebers im
Bekanntmachungskopf regelmäßig auch bei Schweigen der Akten keinen
Anlass, im Detail aufzuklären, in welcher Weise der Bürgermeister den
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erforderlichen Anstoß gegeben hat.“
Hieran hält der Senat fest. Im Übrigen ist ein ergänzendes Verfahren, wie es hier
durchgeführt wurde, nach § 214 Abs. 4 BauGB auch zur Heilung von Verstößen
gegen Landesverfahrensrecht wie Ausfertigungsmängeln möglich (OVG
Münster, Urt. v. 20.4.2007 - 7 D 83/06.NE, juris-Rn. 48; VGH Kassel, Urt .v
.17.6.2010 - 4 C 713/09.N - juris-Rn. 36; Kalb/Külpmann, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblatt § 214 Abs. 4 Rn. 220; Quaas/Kukk,
in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 214 Rn. 56; Dürr, in: Brügelmann, BauGB,
Loseblatt, § 214 Rn. 77), und zwar unabhängig davon, ob das Landesrecht
auch selbst ein Fehlerbehebungsverfahren vorsieht. Die Norm selbst spricht nur
von „Fehlern“ und unterscheidet sich damit von § 214 Abs. 1 BauGB, der von
einer „Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs“
spricht. Sie steht zudem in der Nachfolge des § 215a Abs. 2 BauGB 2001 bzw.
des § 215 Abs. 3 BauGB 1987, in denen jeweils von „den in § 214 Abs. 1
bezeichneten Vorschriften oder sonstigen Verfahrens- oder Formfehlern nach
Landesrecht“ die Rede war; hiervon waren auch Ausfertigungsmängel erfasst
(BVerwG, Beschl. v. 7.4.1997 - 4 B 64.97 -, juris-Rn. 7; Beschl. v. 24.5.1989 - 4
NB 10.89 -, juris-Rn. 3). Es ist nicht erkennbar, dass § 214 Abs. 4 BauGB 2004
insoweit eine inhaltliche Änderung hätte bewirken sollen. Ein Verstoß gegen die
Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist damit nicht verbunden. § 214 Abs. 4
BauGB ändert nichts an der Beachtlichkeit eines Ausfertigungsfehlers nach
Landesrecht, sondern stellt lediglich - für das bauplanungsrechtliche
Normsetzungsverfahren -, ein nachträgliches Fehlerbehebungsverfahren zur
Verfügung. Das ist von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG gedeckt.
Die Veränderungssperre ist auch materiell rechtmäßig. Der Senat hatte hierzu in
seinem Beschluss vom 28. November 2011 a.a.O. ausgeführt:
„Die Antragsgegnerin durfte das Bauvorhaben der Antragstellerin zum Anlass
für den Erlass einer Veränderungssperre nehmen. Ebenso wie ein
bestimmter Bauantrag Anstoß sein darf, eine Planung in Angriff zu nehmen
oder eine bestehende Planung zu ändern (vgl. dazu z.B. BVerwG, Beschl. v.
8.1.2002 - 4 BN 61.01 -, BauR 2002, 1358), darf die Gemeinde einen
konkreten Bauantrag zum Anlass nehmen, diese Planung mit dem
Sicherungsinstrument zu flankieren, welches die §§ 14 ff. BauGB
bereithalten. Gerade Bauanträge machen Gemeinden häufig erst bewusst,
was das geltende Bauplanungsrecht zulässt. Der Bauantrag muss nach § 71
Abs. 1 NBauO bei ihnen eingereicht und um ihr Einvernehmen nach § 36
BauGB gerade deshalb bei der Gemeinde nachgesucht werden, damit sich
diese schlüssig werden kann, ob sie die planungsrechtliche Lage zum Vor-
oder Nachteil des Vorhabens verändert. Ein konkretes Baugesuch rechtfertigt
daher den Erlass einer Veränderungssperre (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v.
18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ 1991, 875; Beschl. v. 26.6.1992 - 4 NB 19.92
-, NVwZ 1993, 475).
Inhaltlich muss sich die Veränderungssperre grundsätzlich nicht dem
Abwägungsgebot stellen. Der in Aussicht genommene Bebauungsplan wird
namentlich nicht nach Art einer vorgezogenen Normenkontrolle geprüft (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 30.9.1992 - 4 NB 35.92 -, NVwZ 1993, 473). Die
Veränderungssperre wird materiell daraufhin untersucht, ob ihr - erstens - ein
Mindestmaß an konkretisierten Planungsabsichten zugrunde liegt und ob sie
- zweitens - im Rechtssinne erforderlich ist (Sicherungsbedürfnis) oder ob sie
eine reine Verhinderungsmaßnahme darstellt; im letztgenannten Fall ist sie
unwirksam.
Die Antragsgegnerin hatte ihre Planungsvorstellungen im maßgeblichen
Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre hinreichend konkretisiert
(vgl. zu diesem Tatbestandserfordernis grundlegend BVerwG, Urt. v.
10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = NJW 1977, 400; siehe auch
Beschl. v. 12.2.1990 - 4 B 191.89 -, NVwZ 1990, 558). Ohne hinreichend
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konkretisierte Planungsabsichten können einem Bauherrn die mit der
Veränderungssperre verbundenen Nachteile nicht zugemutet werden.
Außerdem sind solche Vorstellungen erforderlich, um sachgerecht
Ausnahmeanträge nach § 14 Abs. 2 BauGB bescheiden zu können (vgl.
BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 13.03 -, BauR 2004, 1256).
Diesen Anforderungen wird die Planung gerecht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Planungsabsichten im
Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hinreichend konkretisiert. Die in dem
Planentwurf eingetragenen Baufenster waren räumlich beschränkt und ließen
vergleichsweise wenig Spielraum. Zwar war die Festsetzung der Art der
Nutzung in diesen Baufenstern nicht vorgesehen, so dass sich die
Zulässigkeit letztlich aus § 35 BauGB ergäbe. Das stellt hier aber keinen
Mangel dar, weil es sich um Standorte handelt, die durch Tierhaltung
vorgeprägt sind. Ernstlich in Betracht kommen deshalb vor dem Hintergrund
immissionsschutzrechtlicher Restriktionen nur bauliche Anlagen, die
üblicherweise in Verbindung mit einer Hofstelle oder einer gewerblichen
Tierhaltung stehen. Auch für die freizuhaltenden Flächen ergibt sich aus dem
Entwurf der textlichen Festsetzungen recht genau, was noch zulässig sein
soll. Aus bisherigen Entscheidungen des Senats zu Veränderungssperren für
Bebauungspläne, mit denen im Ergebnis die Zulässigkeit von
Tierhaltungsbetrieben beschränkt wird, lässt sich nichts anderes herleiten; die
planerischen Ansätze sind zu unterschiedlich.
Für die Beurteilung der Verlängerung der Veränderungssperre gilt nichts
anderes. Die Ratsvorlage zur Veränderungssperre vom 8. Februar 2013 lässt
zwar erkennen, dass neben den bereits in den Planentwurf eingetragenen
Baufenstern weitere Fenster nach Maßgabe der abgefragten
Erweiterungswünsche der Landwirte hinzukommen können. Die Ratsvorlage
vom 8. Februar 2013 enthält jedoch einen Kriterienkatalog, anhand dessen die
Lage der möglichen zusätzlichen Flächen zumindest näherungsweise bestimmt
werden kann.
Auch ein Sicherungsbedürfnis liegt vor. Die planerische Konzeption der
Antragsgegnerin ist mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht schlechthin
unerreichbar (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C
105.66 -, BVerwGE 34, 301 und v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, BVerwGE 81, 111).
Die Antragsgegnerin verfolgt insbesondere keine reine Negativplanung. Ihr
Anliegen, wie es in der Ratsvorlage zum Planaufstellungsbeschluss vom 16.
Februar 2011, aber auch zum Beschluss über die Verlängerung der
Veränderungssperre formuliert ist, ist nicht die Verhinderung bestimmter
Vorhaben, sondern der Erhalt einer noch bestehenden, relativ freien - wenn
auch "profanen" - Fläche als Erholungsgebiet und als Rückzugsraum für Tiere
und Pflanzen. Dies ist ein legitimes Planungsziel, auch wenn es mehr auf
Bewahrung des Vorhandenen denn auf Veränderung abzielt (Senat, Beschluss
vom 7.10.2005 - 1 KN 297/04 -, jurisRn. 33). Es beinhaltet nicht den Ausschluss
nur bestimmter Nutzungen, ohne Regelungsabsicht, welche Nutzungen positiv
gewünscht sind; vielmehr werden gerade diese - Erholung und Naturentfaltung
durch Schaffung eines unzersiedelten „Freiraums“ bezeichnet. Der vorliegende
Planentwurf bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ziel nur
vorgeschoben sein könnte. Die Antragsgegnerin verfolgt das genannte Ziel
vielmehr konsequent dadurch, dass sie nicht nur Stallanlagen der
Intensivtierhaltung (und Biogasanlagen) verbietet, auch wenn deren
Vermehrung nach Lage der Dinge im Gemeindegebiet Planungsanlass war.
Vielmehr werden in Ziff. 1 der textlichen Festsetzungen des Vorentwurfs zum
Bebauungsplan (BA A Bl. 27) gerade die allgemein und ausnahmsweise
zulässigen Nutzungen, ausgewählt nach ihrer Verträglichkeit mit der
Freiraumwirkung, aufgezählt. Das Freihaltungsziel wird auch nicht durch das
Bestreben konterkariert, Entwicklungsabsichten der ansässigen Landwirte in
Abstimmung mit diesen zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin hat in der
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Begründung der Ratsvorlage zur Verlängerung der Veränderungssperre deutlich
gemacht, dass sie diese nur zu berücksichtigen gedenkt, soweit sie dem
Freihaltungsziel nicht entgegenstehen.
Die Planungskonzeption der Antragsgegnerin wird sich voraussichtlich auch
nicht aufgrund des Erfordernisses als undurchführbar erweisen, dass
bestimmten, mit dem Plan weitgehend ausgeschlossenen Nutzungen noch
„substantiell“ Raum verbleiben muss. Diesem, vom Senat im „Erst-Recht-
Schluss“ aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur
Festsetzung von Konzentrationszonen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB
abgeleiteten Erfordernis (vgl. Senat, Urt. v. 13.9.2011 - 1 KN 56/08 -, juris-Rn. 77
ff.) ist hier Genüge getan. Zwar würde mit den Bebauungsplänen „Tierhaltung I-
IV“ voraussichtlich fast im gesamten Gemeindegebiet die
Außenbereichsnutzung eingeschränkt. Selbst wenn, worauf alles hindeutet, die
Bebauungspläne „Tierhaltung II-IV“ demselben Muster folgen sollen wie der
Bebauungsplan „Tierhaltung I“, wäre dies aber unschädlich. Im Gebiet der
Antragsgegnerin ist bereits eine sehr hohe Tierhaltungsdichte vorhanden. Den
diesbezüglichen tatsächlichen Angaben der Antragsgegnerin ist die
Antragstellerin nach wie vor nicht substantiiert entgegen getreten. Diese sind -
ungeachtet der vom Senat in seinem Urteil vom 13. September 2011 - 1 KN
56/08 - (ZfBR 2011, 780) gegen die Aussagekraft der Tierdichte im Allgemeinen
angesprochenen Vorbehalte hier verwendbar. Die im Normenkontrolleilverfahren
angegebene Dichte von 3,72 GV je ha landwirtschaftliche Nutzfläche in der
Gemeinde liegt deutlich über dem bundes- und niedersachsenweiten
Durchschnitt. Da die Antragsgegnerin eine stark landwirtschaftlich geprägte
Gemeinde mit einem verhältnismäßig geringen Anteil an Siedlungsfläche ist,
entspricht die hohe Viehdichte auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche
zwangsläufig auch einer hohen Viehdichte bezogen auf die Gemeindefläche.
Auf die im o.g. Urteil angesprochenen Schwierigkeiten, eine Vergleichbarkeit
zwischen beiden Begriffen der Viehdichte herzustellen, kommt es somit nicht an.
Die Möglichkeit, die vorhandenen Betriebe weiterzuführen und ggf. sogar an den
vorhandenen Standorten zu erweitern, wird durch die Planung nicht angetastet.
Bereits hierdurch wird der Viehhaltung - landwirtschaftlich oder gewerblich - im
Gebiet der Antragsgegnerin in einer landes- und bundesweg
überdurchschnittlichen, also jedenfalls hinreichenden Weise Raum verschafft.
Da die Baufenster bereits jetzt für Viehhaltung genutzt werden, ist auch an ihrer
Eignung für diesen Zweck nicht zu zweifeln; eine detaillierten Standortsuche, wie
sie dem Senat in seinem Urteil vom 13.9.2011 - 1 KN 56/08 -, juris-Rn. 77 ff. in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 35
Abs. 3 Satz 3 BauGB vorschwebte, ist daher in diesem Zusammenhang
entbehrlich.
Anhaltspunkte dafür, dass die beabsichtigte Planung anderen außerhalb der
Bau-fenster ausgeschlossenen, sonst im Außenbereich privilegierten
Nutzungen in unzureichender Weise Raum ließe, hat der Senat nicht.
Namentlich für Windenergieanlagen besteht nach den unwidersprochenen
Angaben des Bürgermeisters der Antragsgegnerin in der mündlichen
Verhandlung bereits ein Sondergebiet im Bereich eines anderen
Bebauungsplans.
Aus dem Ablauf des Planaufstellungsverfahrens nach Erlass der ursprünglichen
Veränderungssperre lässt sich auch nicht entnehmen, dass - zum für die
Beurteilung der Verlängerung maßgeblichen Zeitpunkt des
Verlängerungsbeschlusses - die Sicherungsabsicht der Antragsgegnerin
nachträglich entfallen oder der Sicherungszweck unerreichbar geworden wäre.
Zwischen den einzelnen Verfahrensschritten, die im Verwaltungsvorgang
dokumentiert sind, bestehen keine Lücken eines solchen Ausmaßes, dass sie
den Schluss zuließen, die Antragsgegnerin habe vom Schutz des status quo
durch die Veränderungssperre profitieren wollen, ohne die geschützte Planung
indes noch ernsthaft zu verfolgen. Dass zwischen einzelnen außenwirksamen
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Verfahrensschritten der Antragsgegnerin selbst mitunter mehrere Wochen
liegen, ist mit dem Erfordernis interner Abstimmungsvorgänge unter
Berücksichtigung möglicher Urlaubs- und Krankheitszeiten noch erklärbar. Die
lange Dauer der an die Landwirtschaftskammer abgegebenen
Ermittlungstätigkeit (von Juli 2012 bis in den gegenwärtigen Sommer) hat die
Antragsgegnerin in der Ratsvorlage zur Verlängerung der Veränderungssperre
sowie in der mündlichen Verhandlung mit einer Überlastung der
Landwirtschaftskammer infolge ähnlicher Planungsabsichten benachbarter
Gemeinden plausibel erklärt. Eine Obliegenheit, die Ermittlungen angesichts
dessen einer anderen Institution zu überlassen oder selbst durchzuführen,
bestand angesichts der für die anstehende Aufgabe sich aufdrängenden
fachlichen Eignung der Landwirtschaftskammer nicht. Möglicherweise hätte die
Antragsgegnerin die Ermittlungen beschleunigen können, hätte sie nicht
gleichzeitig Untersuchungen für drei weitere gleichartige Bebauungspläne
anstellen lassen. Als Indiz für eine fehlende Verwirklichungsabsicht genügt dies
indes nicht; die bloße sachwidrige Verzögerung der Planung durch die
Gemeinde steht der Zulässigkeit der Verlängerung einer Veränderungssperre
nicht entgegen (BVerwG, Beschl. v. 8.1.1993 - 4 B 258.92 -, juris-Rn. 9).
Dass der von der Antragsgegnerin vorgelegte, auf Abschluss des
Planaufstellungsverfahrens bis zum Ablauf der verlängerten
Veränderungssperre angelegte Zeitplan realistisch ist, ist fraglich, aber nicht von
vornherein unmöglich. Zudem ist die erste Verlängerung einer
Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB auch dann
grundsätzlich zulässig, wenn das Bauleitplanungsverfahren innerhalb ihrer
Geltungsdauer voraussichtlich nicht abgeschlossen werden kann (BVerwG
a.a.O., juris-Rn. 8). Zwar wird der Sicherungszweck in Frage gestellt, wenn
feststeht, dass zwischen dem Ablauf der letzten möglichen Verlängerung einer
Veränderungssperre und dem Beschluss eines Bebauungsplans eine Lücke
entsteht, in der Vorhaben, die die Gemeinde mit der Veränderungssperre
vorläufig verhindern möchte, genehmigt werden müssen. Eine solche Situation
liegt aber wenigstens dann nicht vor, wenn es als möglich erscheint, dass mit
Ablauf der ersten Verlängerung die Voraussetzungen einer weiteren
Verlängerung nach § 17 Abs. 2 BauGB vorliegen werden. Das ist hier mit Blick
auf die angesprochenen Bearbeitungsschwierigkeiten der
Landwirtschaftskammer, die nicht im Verantwortungsbereich der
Antragsgegnerin liegen, nicht ausgeschlossen.