Urteil des OVG Niedersachsen vom 22.08.2014

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Berücksichtigung von Zeiten als ruhegehaltfähige
Dienstzeit - zum Begriff des ausländischen
öffentlichen Dienstes
Zur Auslegung des in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und § 11 Nr. 2
BeamtVG verwendeten Rechtsbegriffs ausländischer öffentlicher Dienst.
OVG Lüneburg 5. Senat, Beschluss vom 22.08.2014, 5 LA 238/13
§ 116 Abs 1 Nr 2 BBG, § 11 Nr 2 BeamtVG, § 11 Abs 1 S 1 Nr 2 BeamtVG ND
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer (Einzelrichter) - vom 20.
August 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf
7.887,12 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger, der derzeit als Studienrat im niedersächsischen Landesdienst
beschäftigt ist, begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die Zeit vom 1. August
19.. bis zum 31. August 19.., während der er als Lektor an der deutschen
Abteilung der C. in D. tätig war, sowie die Zeit vom 15. April 19.. bis zum 6. Juli
19.., während der er zur Vorbereitung der Tätigkeit Seminare besucht hat,
gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit
anzuerkennen. Während der Zeit seiner Tätigkeit in D. stand der Kläger zu der
genannten Universität in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die
Beschäftigung als Lektor habe keine Tätigkeit im ausländischen öffentlichen
Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG dargestellt.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des §
124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind erst
dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also
aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen
Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der
Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass
ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie
ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder
eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in
Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis
der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der
angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
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des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der
Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung
auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner
Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der
die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das
angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt,
müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend
dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht
zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das
Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die
Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG nicht erfüllt sind,
weil die Beschäftigung als Lektor in D. keine Tätigkeit im ausländischen
öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG
dargestellt hat. Der Kläger hat im Zulassungsverfahren keine gewichtigen,
gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden
Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten
Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.
Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger
während der Zeit seiner Tätigkeit als Lektor an der deutschen Abteilung der C.
in D. nicht im ausländischen öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 NBeamtVG gestanden hat.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG stimmt hinsichtlich des
hier streitigen Tatbestandsmerkmals mit der Regelung des § 11 Nr. 2
BeamtVG und deren Vorgängerregelung - § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a. F. -
überein (vgl. dazu Fürst, GKÖD, § 11 BeamtVG Rn 2; Schütz/Maiwald,
Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 11 BeamtVG Rn 1; Kümmel,
BeamtVG, § 11 Rn 3).
Die Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2
BeamtVG erfassen insbesondere Beschäftigungen im Beamtenverhältnis
eines ausländischen Staates (Plog/Wiedow, BBG, Band 2, § 11 BeamtVG Rn
50; Fürst, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 35; Schütz/Maiwald, a. a. O., § 11
BeamtVG Rn 19; Kümmel, a. a. O., § 11 Rn 54).
Vom öffentlichen Dienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG und
des § 11 Nr. 2 BeamtVG ist allerdings, wie das Bundesverwaltungsgericht
schon zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a. F. entschieden hat, nicht
begriffsnotwendig ein bei einem anderen Staat auf privatrechtlicher Grundlage
geleisteter Dienst ausgeschlossen. Denn auch im Geltungsbereich des
Grundgesetzes kann öffentlicher Dienst sowohl in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis als auch in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis geleistet
werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.11.1961 - BVerwG VI C 181.58 -, Buchholz
232 § 116 BBG Nr. 2 S. 5 und 8; vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow,
a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 50; Fürst, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 35;
Schütz/Maiwald, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 19; Kümmel, a. a. O., § 11 Rn 54).
Die Berücksichtigung eines bei einem anderen Staat auf privatrechtlicher
Grundlage geleisteten Dienstes im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG setzt jedoch voraus, dass der Dienst
in der Bundesrepublik Deutschland herkömmlich in einem öffentlich-rechtlichen
Verhältnis ausgeübt wird (vgl. zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a. F. BVerwG, Urteil
vom 8.11.1961, a. a. O., S. 8; vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a.
a. O., § 11 BeamtVG Rn 50; Fürst, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 35;
Schütz/Maiwald, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 19; Kümmel, a. a. O., § 11 Rn 54).
Es kommt hinzu, dass Zeiten nur dann nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 NBeamtVG und des § 11 Nr. 2 BeamtVG als ruhegehaltfähig anerkannt
werden können, wenn die im Ausland ausgeübte Tätigkeit als mit der
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Beamtentätigkeit gleichwertig anzusehen ist oder doch ihr sehr nahe kommt
(vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a. a. O., § 11 BeamtVG Rn 7; vgl.
auch BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 38.03 -, juris Rn 19).
Tätigkeiten, die nach deutschen Gepflogenheiten niemals in einem öffentlich-
rechtlichen Verhältnis, sondern in einem Vertragsverhältnis ausgeübt werden,
kommen nicht in Betracht (vgl. ebenso zu § 11 BeamtVG Plog/Wiedow, a. a.
O., § 11 BeamtVG Rn 50).
Ausgehend von diesen Grundsätzen, die auch das Verwaltungsgericht seiner
Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist es nicht möglich, die Tätigkeit, die der
Kläger in D. ausgeübt hat, von der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
NBeamtVG zu erfassen. Denn Lektoren, die im maßgeblichen Zeitraum in
Niedersachsen vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt haben, wurden in einem
außertariflichen Angestelltenverhältnis beschäftigt und waren vom
Geltungsbereich des früheren Bundes-Angestelltentarifver-trages (BAT)
ausgenommen (vgl. Nr. 4 des RdErl. des MWK vom 23.11.1982, Nds. MBl. S.
2179).
Der Kläger kann demgegenüber nicht mit Erfolg unter Hinweis auf die Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1995 (- BVerwG 9 C 8.95 -, juris
Rn 9) und 28. Juli 2011 (- BVerwG 2 C 42.10 -, juris Rn 10) geltend machen,
dass die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der
Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG, die auch der Senat
vorstehend ebenso wie das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, die
Grenzen einer zulässigen Gesetzesauslegung überschreitet. Das
Verwaltungsgericht und - ihm folgend - der Senat haben nicht in unzulässiger
Weise den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG korrigiert und ihn
auch nicht in unzulässiger Weise einschränkend ausgelegt. Sowohl in dem
angefochtenen Urteil als auch in dieser Entscheidung des Senats ist vielmehr
auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur eine
zulässige Gesetzesinterpretation, nämlich die Auslegung eines in einer
Ermessensnorm verwendeten Rechtsbegriffs, vorgenommen worden (vgl.
ebenso zu § 116 Abs. 1 Nr. 2 BBG a. F. BVerwG, Urteil vom 8.11.1961, a. a.
O., S. 5; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 7.5.2014 - BVerwG 2 B 75.12 -,
juris Rn 5).
2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des §
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender
Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und
im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu
verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch die Formulierung
mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit
ergebenden Frage dargelegt werden. Dabei ist substantiiert zu begründen,
warum die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, das heißt
worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen
soll, weshalb die Frage entscheidungserheblich und ihre Klärung im
Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014,
§ 124 a Rn 54).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die von dem Kläger
aufgeworfene Frage, "ob die Entscheidung des BVerwG vom 08.11.1961, die,
zumindest nach heutigem Verständnis, im klaren Widerspruch zum Wortlaut
des § 11 Abs. 1 Nr. 2 NBeamtVG steht, noch Geltung für sich beanspruchen
kann", lässt sich - wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund des
§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt - schon im Zulassungsverfahren ohne
weiteres beantworten.
Es kommt hinzu, dass der Kläger nicht substantiiert begründet hat, warum er
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die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält. Der Kläger hat auch nicht
dargelegt, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
bestehen soll. Er hat sich vielmehr auf die Behauptung beschränkt, dass die
Frage klärungsbedürftig sei und über den Einzelfall in
verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden könne.
3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des §
124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind schließlich ebenfalls nicht erfüllt.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine
Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder
rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß
nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die besonderen
Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall
und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (vgl. Kopp/Schenke,
a. a. O., § 124 Rn 9).
Aus den obigen Ausführungen des Senats zum Zulassungsgrund des § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich, dass entgegen der Ansicht des Klägers die sich
in rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall stellenden Fragen überschaubar
sind und in dem Grad ihrer Schwierigkeit nicht über das gewöhnliche Maß
hinausgehen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).