Urteil des OVG Niedersachsen vom 17.04.2013

OVG Lüneburg: eugh, aeuv, mitgliedstaat, gemeinschaftsrecht, klagebefugnis, meldung, stadt, anhörung, unterschutzstellung, niedersachsen

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Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie.
1. Es besteht kein Anhörungs- oder sonstiges Beteiligungsrecht einer
kommunalen Gebietskörperschaft im Rahmen der Erteilung des
Einvernehmens durch die Bundesrepublik Deutschland zu dem Entwurf der
Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung der Europäischen
Kommision nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie.
2. Gegen eine fachaufsichtliche Weisung der oberen Naturschutzbehörde
gegenüber einer kommunalen Gebietskörperschaft als untere
Naturschutzbehörde, mit dem Inhalt, bestimmte Umsetzungsakte zum Schutz
der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung vorzunehmen, kann diese
klagen, sofern die Weisung in ihr Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2
GG übergreift.
3. Das angerufene Gericht hätte dann zu prüfen, ob die fachaufsichtliche
Weisung zu Recht erfolgt ist, was die Gültigkeit der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung voraussetzt.
OVG Lüneburg 4. Senat, Urteil vom 17.04.2013, 4 LC 46/11
Art 267 AEUV, Art 4 EU, Art 4 EWGRL 43/92, Art 28 GG
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die beabsichtigte Erteilung des Einvernehmens
durch die Beklagte zu dem von der Europäischen Kommission erstellten Entwurf
einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung für die atlantische
Region nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild
lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) in Bezug auf das Gebiet Unterems
und Außenems.
Der Kläger zu 1. ist ein Landkreis, in dessen Gebiet die Hafenstadt Papenburg
mit dem Standort der Meyer-Werft an der Ems liegt. Die Stadt Papenburg und
die nördliche Kreisgrenze des Klägers zu 1. sind ungefähr 30 km von der
Nordsee entfernt. Nördlich des Gebietes des Klägers zu 1. liegt beidseits der
Ems das Kreisgebiet des Klägers zu 2.. Nordwestlich davon schließt sich an der
Ems das Gebiet der kreisfreien Stadt Emden an. Tideunabhängig ist die
Befahrbarkeit der Ems von Papenburg zur Nordsee bis zu einer Wassertiefe von
5,60 m gewährleistet. Zur Überführung großer Schiffe mit einem Tiefgang von
bis zu 7,30 m, insbesondere von Kreuzfahrtschiffen, auf deren Bau die genannte
Werft sich spezialisiert hat, wird die Ems durch sogenannte
Bedarfsbaggerungen vertieft. Der Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Nordwest vom 31. Mai 1994 gestattet es der Stadt
Papenburg, dem Kläger zu 1. und dem Wasser- und Schifffahrtsamt Emden, den
Fluss bei Bedarf entsprechend auszubaggern. Unter dem 11. und 13. Oktober
1996 haben die Beklagte, das Land Niedersachsen, die Kläger zu 1. und 2. und
die Stadt Papenburg vereinbart, dass die Beklagte die zur Herstellung der mit
dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Mai 1994 festgestellten Bedarfstiefe
von 7,30 m erforderlichen Wiederholungsbaggerungen ab dem 1. Januar 1997
durchführt und hierfür die Kosten trägt. Zur Überführung noch größerer Schiffe
mit einem Tiefgang von bis zu 8,50 m kann die Ems auf der Grundlage des
Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung Weser-Ems vom 31. August
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1998 durch das Emssperrwerk zwischen Gandersum und Nendorp aufgestaut
werden.
Die Beklagte meldete der Europäischen Kommission am 17. Februar 2006 ein
Gebiet mit der Bezeichnung “Unterems und Außenems“ (DE 2507-331) als
mögliches Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der FFH-
Richtlinie. Dieses Gebiet beginnt ungefähr auf der Höhe der Stadt Leer ca. 10
km nördlich der Stadt Papenburg und erstreckt sich bis in das Mündungsgebiet
der Ems hinein. Die Europäische Kommission nahm dieses Gebiet in ihren
Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung für die
atlantische Region auf und bat die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2007,
hierzu ihr Einvernehmen nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie zu
erteilen. Die Beklagte möchte dem nachkommen.
Dagegen haben die Kläger sich mit ihrer am 29. April 2008 erhobenen Klage
gewandt.
Das Verwaltungsgericht setzte das Klageverfahren durch Beschluss vom 2. Juni
2008 bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die ihm in
dem Parallelverfahren der Stadt Papenburg gegen die Bundesrepublik
Deutschland (1 A 510/08) vorgelegten Fragen aus. In diesem Verfahren hatte
das Verwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof durch Beschluss vom
13. Mai 2008 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
“1. Erlaubt es Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates
vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der
wildlebenden Tiere und Pflanzen einem Mitgliedstaat, sein Einvernehmen zu
dem von der Kommission erstellten Entwurf einer Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung im Hinblick auf ein oder mehrere Gebiete aus
anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern ?
2. Wenn Frage 1 bejaht wird: Zählen zu diesen Gründen auch Belange von
Gemeinden und Gemeindeverbänden, insbesondere deren Planungen,
Planungsabsichten und andere Interessen im Hinblick auf die weitere
Entwicklung des eigenen Gebiets ?
3. Wenn die Fragen zu 1 und 2 bejaht werden: Verlangen der 3.
Erwägungsgrund der Richtlinie 92/43/EWG oder Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie
oder andere Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sogar, dass derartige
Gründe von den Mitgliedstaaten und der Kommission bei der Erteilung des
Einvernehmens und bei der Erstellung der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung berücksichtigt werden ?
4. Wenn Frage 3 bejaht wird: Könnte – aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht –
eine von der Aufnahme eines bestimmten Gebiets in die Liste betroffene
Gemeinde nach der endgültigen Festlegung der Liste in einem gerichtlichen
Verfahren geltend machen, die Liste verstoße gegen Gemeinschaftsrecht,
weil ihre Belange nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden ?
5. Sind fortlaufende Unterhaltungsmaßnahmen in der Fahrrinne von
Ästuarien, die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie
92/43/EWG nach nationalem Recht endgültig genehmigt wurden, bei ihrer
Fortsetzung nach Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung einer Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs.
3 bzw. 4 der Richtlinie zu unterziehen ?“
Der Europäische Gerichtshof entschied daraufhin durch Urteil vom 14. Januar
2010 in der Sache “Stadt Papenburg gegen Bundesrepublik Deutschland“ (C-
226/08) Folgendes:
“1. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai
1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden
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Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom
20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es
einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein Einvernehmen zur Aufnahme eines
oder mehrerer Gebiete in einen von der Europäischen Kommission erstellten
Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aus
anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern.
2. Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2006/105
geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass fortlaufende
Unterhaltungsmaßnahmen in der Fahrrinne von Ästuarien, die nicht
unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür
nicht notwendig sind und die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der
Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2006/105 geänderten Fassung
nach nationalem Recht genehmigt wurden, bei ihrer Fortsetzung nach
Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 dieser Richtlinie einer
Verträglichkeitsprüfung nach diesen Vorschriften zu unterziehen sind, soweit
sie ein Projekt darstellen und das betreffende Gebiet erheblich
beeinträchtigen könnten.
Wenn diese Unterhaltungsmaßnahmen u. a. im Hinblick darauf, dass sie
wiederkehrend anfallen, auf ihre Art oder auf die Umstände ihrer Ausführung
als einheitliche Maßnahme betrachtet werden können, insbesondere, wenn
sie den Zweck haben, eine bestimmte Tiefe der Fahrrinne durch regelmäßige
und hierzu erforderliche Ausbaggerungen beizubehalten, können sie als ein
einziges Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 in der durch
die Richtlinie 2006/105 geänderten Fassung angesehen werden.“
Die zweite, dritte und vierte Vorlagefrage ließ der Europäische Gerichtshof im
Hinblick auf seine Antwort auf die erste Vorlagefrage unbeantwortet.
Am 5. Mai 2010 nahm das Verwaltungsgericht das Klageverfahren wieder auf.
Die Kläger haben zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen Folgendes
vorgetragen: Die Ems sei als ihr Zugang zur Nordsee und als
Bundesschifffahrtsstraße von erheblicher wirtschafts-und strukturpolitischer
Bedeutung. Für ihr Gebiet bestünden verschiedene kommunale und staatliche
Planungen und Vorhaben, die sich auf die Unterems und Außenems bezögen
und eine Nutzung der Ems als Wasserstraße und Zugang zur Nordsee sowie
die Nutzung der Seehäfen der Städte Emden, Leer und Papenburg vorsähen.
Die Unterschutzstellung des Gebiets Unterems und Außenems habe erhebliche
Auswirkungen auf diese Planungen und Vorhaben und damit auf ihre
kommunale Planungshoheit und ihr ebenfalls von der Selbstverwaltungsgarantie
des Art. 28 Abs. 2 GG geschütztes Recht auf Wirtschaftsförderung. Konkret
beabsichtigte oder bereits begonnene Projekte, wie etwa die Vertiefung der
Ems, der Bau eines neuen Anlegers am Emskai, der Umbau einer Mole in
Emden, Bauleitplanverfahren für Gewerbe-, Industrie- und Sondernutzungen in
unmittelbarer Nachbarschaft zum FFH-Gebiet, Planfeststellungsverfahren für die
bereichsweise Anpassung der Unterems, die Änderung des
Planfeststellungsbeschlusses zum Emssperrwerk und
Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zur Stärkung der Hafenwirtschaft und
Werftindustrie, würden durch die Aufnahme in die Gebietsliste wesentlich
eingeschränkt und oder sogar unmöglich gemacht. Das gelte unabhängig
davon, ob das beabsichtigte FFH-Gebiet sich auf ihr Gebiet erstrecke oder nur
daran angrenze, da die Wirkungen des Gebietsschutzes in jedem Falle auch
ihre Planungen betreffen würden. Denn die Nutzung der Ems als zentrale
Verkehrsachse der Region und insbesondere als Transportweg u. a. für die in
Papenburg gebauten Hochseeschiffe stehe im Zentrum ihrer wirtschaftlichen
Entwicklung und Wirtschaftsförderung. Sämtliche Maßnahmen, Planungen und
Projekte ließen sich nicht mehr oder nur unter erheblichen Einschränkungen
durchführen, wenn die Unterems und Außenems in die Gemeinschaftsliste nach
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Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie aufgenommen würden. Da ihre kommunalen
Belange bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach Art.
4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie durch die Beklagte zu berücksichtigen
seien, bestehe daher jedenfalls die Möglichkeit, dass ihr Selbstverwaltungsrecht
aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt werde. Daraus ergebe sich ihre Klagebefugnis
analog § 42 Abs. 2 VwGO. Daran ändere auch das Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 14. Januar 2010 (C-226/08) nichts. Denn den Mitgliedstaaten
verbleibe bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach Art.
4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie eine Entscheidungskompetenz mit einem
gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Insoweit habe
die Beklagte eigenverantwortlich zu entscheiden, ob naturschutzfachliche
Gründe der Einvernehmensherstellung entgegenstünden. Die Kriterien, die bei
dieser Entscheidung anzuwenden seien, bezögen sich u. a. auf den relativen
Wert des Gebietes auf nationaler Ebene. Dies setze einen Vergleich mit anderen
in Frage kommenden Gebieten voraus. Ein solcher Vergleich sei nicht möglich,
wenn dabei alle nicht naturschutzfachlichen Belange, die den Wert eines
solchen Gebietes relativieren könnten, ausgeblendet würden. Deshalb bestünde
weiterhin die auch verfassungsrechtlich gebotene Möglichkeit, bei der
naturschutzfachlichen Bewertung kommunale Belange einfließen zu lassen.
Hinzu komme, dass nach Art. 4 Abs. 2 EUV in der am 1. Dezember 2009 in Kraft
getretenen Fassung die Union die jeweilige nationale Identität zu achten habe,
die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen
einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck
komme. Damit sei die kommunale Selbstverwaltung erstmals auf der Ebene des
Primärrechts anerkannt. Sie hätten auch ein besonderes
Rechtsschutzinteresse, das für die Zulässigkeit einer vorbeugenden
Unterlassungsklage erforderlich sei. Denn es bestehe für sie keine Möglichkeit,
die Verletzung ihrer Rechte in einem nachträglichen Rechtsschutzverfahren
effektiv und in zumutbarer Weise zu rügen. Nach Aufnahme des Gebietes
Unterems und Außenems in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung könnten nämlich wesentliche Fragen nicht mehr gerichtlich geklärt
werden. Der grundgesetzlich gewährte Schutz der kommunalen
Selbstverwaltung sei in einem späteren Verfahren, das gemeinschaftsrechtlich
bestimmt werde, nicht mehr durchsetzbar. Effektiver Rechtsschutz könne ihnen
daher nur gewährt werden, wenn vor der Erteilung des Einvernehmens die
Verletzung ihrer Rechte verhindert werde. Ihre Klage sei auch begründet. Denn
mit der von der Beklagten beabsichtigten Einvernehmenserteilung gegenüber
der Europäischen Kommission werde ihr Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28
Abs. 2 GG verletzt. Es bestehe ein überragendes öffentliches Interesse an einer
fortgesetzten Nutzung der Ems als Wasserstraße für den Schiffsverkehr und für
die Überführung von Seeschiffen von Papenburg in die Nordsee.
Demgegenüber komme dem Interesse an einer Unterschutzstellung des
Gebietes Unterems und Außenems und an einer Einbindung dieses Gebietes in
das Natura 2000 - Netz allenfalls ein sehr geringes Gewicht zu. Deshalb sei jede
andere Entscheidung als die Versagung der Erteilung des Einvernehmens
gegenüber der Europäischen Kommission rechtswidrig.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen gegenüber der
Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 1 der FFH-
Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß
Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems
zu versagen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen gegenüber
der Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 1 der
FFH-Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen
gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und
Außenems nicht ohne vorherige förmliche Anhörung der Kläger und
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nicht ohne Berücksichtigung ihres kommunalen
Selbstverwaltungsrechts und ihrer insoweit zu berücksichtigenden
Belange zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei.
Den Klägern fehle bereits die Klagebefugnis. Sie hätten zwar eine Reihe von
Vorhaben benannt, deren Verwirklichung von der streitgegenständlichen
Einvernehmenserteilung betroffen sein soll. Unabhängig davon, ob all diese
Vorhaben bereits hinreichend konkret und verfestigt seien, hätten sie aber nicht
aufgezeigt, dass die Erteilung des Einvernehmens diese Planungen nachhaltig
störe bzw. kommunale Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich
beeinträchtige. Denn selbst wenn die benannten Vorhaben geeignet sein
sollten, das Gebiet Unterems und Außenems erheblich zu beeinträchtigen,
würde die Aufnahme dieses Gebietes in die Gemeinschaftsliste nach § 34 Abs.
1 BNatSchG zunächst lediglich die Pflicht zur Durchführung einer FFH-
Verträglichkeitsprüfung auslösen. Selbst wenn diese zu einem negativen
Ergebnis gelangen würde, könnten die Kläger ggf. aus zwingenden Gründen
des überwiegenden öffentlichen Interesses eine Ausnahmeentscheidung nach
§ 34 Abs. 3 BNatSchG erreichen. Dass dies keine fern liegenden Erwägungen
seien, zeige sich nicht zuletzt darin, dass zumindest zwei der von den Klägern
benannten Vorhaben, nämlich die Fahrwasseranpassung und der Ausbau der
Jann-Berghaus-Brücke sowie die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses
für das Emssperrwerk im Hinblick auf die Flexibilisierung des Sommerstaus,
zwischenzeitlich unter Zugrundelegung des FFH-Schutzregimes verwirklicht
worden seien. Letztlich könnten diese Fragen jedoch dahinstehen, da mit dem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Januar 2010 (C-226/08)
feststehe, dass Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der FFH-Richtlinie es einem
Mitgliedstaat nicht erlaube, sein Einvernehmen zur Aufnahme eines oder
mehrerer Gebiete in einen von der Europäischen Kommission erstellten Entwurf
einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Damit verdränge diese
Bestimmung einen etwaigen, nach nationalem Recht bestehenden Anspruch
der Kläger auf Berücksichtigung ihrer Interessen bzw. auf Abwägung dieser
Interessen mit den Interessen des Naturschutzes. Das Unionsrecht habe auch
Vorrang vor dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht
der Kommunen.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. November 2010 die Klage
abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt:
“Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrages
unzulässig, weil es den Klägern an der erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Die
deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit ist gegeben. Es ist unerheblich, ob die
Behörden aufgrund deutschen Rechts oder Gemeinschaftsrechts - hier Art. 4
Abs. 2 FFH-RL - handeln. Ob Gemeinschaftsrecht ausschließlich oder neben
nationalem Recht zur Anwendung kommt, ist Frage der Zulässigkeit oder der
Begründetheit, nicht aber des Zugangs zur nationalen Gerichtsbarkeit. Die
Klage ist als allgemeine Leistungsklage in Gestalt einer vorbeugenden
Unterlassungsklage statthaft. Auch die in der VwGO nicht ausdrücklich
geregelte allgemeine Leistungsklage setzt ebenso wie die anderen
Klagearten der VwGO eine Klagebefugnis voraus, d. h. die Verletzung
eigener Rechte muss möglich erscheinen. Deshalb kann eine - vorbeugende
- Unterlassungsklage nicht zur Klärung der objektiven Rechtslage, sondern
nur zum Schutz eigener Rechte erhoben werden. Dabei macht es keinen
Unterschied, ob Klägerin eine Person des Privatrechts oder eine Körperschaft
des öffentlichen Rechts ist. Letztere sind in ihrer Rechtsverteidigung
allerdings dadurch eingeschränkt, dass sie in der Regel nicht
grundrechtsfähig sind und eigene Rechte nur geltend machen können, soweit
sie ihnen - wie hier den Gemeinden und Landkreisen - durch Verfassung oder
Gesetz eingeräumt sind. Trotz der verfassungsrechtlich gewährleisteten
Selbstverwaltung fehlt es den Klägern an der erforderlichen Klagebefugnis,
weil die Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG hier nicht zum
Tragen kommt. Nach deutschem Recht ist das Selbstverwaltungsrecht einer
Gemeinde oder eines Landkreises als Gemeindeverband durch die
Entscheidung anderer Verwaltungsträger berührt, wenn die Erfüllung ihrer
eigenen Aufgaben unmöglich gemacht oder in konkreter Weise erheblich
erschwert wird oder wenn das sie betreffende Vorhaben hinreichend
konkrete, nicht notwendig bereits verbindliche gemeindliche Planungen
nachhaltig beeinträchtigt. Darüber hinaus sind die Gemeinden und
Gemeindeverbände unabhängig von einer Beeinträchtigung ihrer
Planungshoheit auch gegenüber solchen Maßnahmen überörtlicher
Verwaltungsträger rechtlich geschützt, die das Gemeindegebiet oder Teile
hiervon nachhaltig betreffen und die Entwicklung ihres Gebietes beeinflussen.
Dann steht der betroffenen Gemeinde - verfahrensrechtlich - ein Recht auf
Beteiligung am Entscheidungsprozeß des überörtlichen Verwaltungsträgers
durch Anhörung und - materiellrechtlich - ein Anspruch darauf zu, dass dieser
die zu ihrem Wirkungsbereich gehörenden Belange bei seiner Entscheidung
berücksichtigt (vergl. zur Beteiligung bei der Ausweisung von
Vogelschutzgebieten: VerfGH Rheinland-Pfalz, U. v. 11.07.2005, N 25/04,
NVwZ 2006, 206). Eine solche Mitwirkung der Gemeinden und
Gemeindeverbände an den Entscheidungen überörtlicher Verwaltungsträger
kommt namentlich dann in Betracht, wenn es um die Gestaltung ihrer
Infrastruktur geht (BVerwG, U. v. 14.12.1994, 11 C 18/93, BVerwGE 97, 203
Nr. 30). Dabei ist die Klagebefugnis bei Maßnahmen außerhalb des
Gemeindegebietes mit Fernwirkungen auf die klagende Gemeinde nur bei
einer möglichen nachhaltigen Betroffenheit gegeben, die nur bei
Auswirkungen gewichtiger Art anzunehmen ist (Nds. OVG, B. v. 13.09.2010,
12 LA 18/09, juris). Aus diesen Rechtsschutzgewährungen des nationalen
Rechts können weder die Kläger zu 1) und zu 2) als Landkreise noch die
Klägerin zu 3) als kreisfreie Stadt etwas zu ihren Gunsten herleiten. Hier geht
es um die Anwendung von Gemeinschaftsrecht, nämlich der Richtlinie
92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der
wildlebenden Tiere und Pflanzen vom 21. Mai 1992, die eine
Berücksichtigung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts, auch als Recht
auf Abwägung von gemeindlichen Planungsbelangen, nicht zulässt. Das
Gemeinschaftsrecht genießt nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG gegenüber
nationalem Recht einen Anwendungsvorrang, der auch die Berufung auf
Verfassungsrecht ausschließt, soweit es nicht den Grundrechtsteil oder das
Demokratieprinzip betrifft. Die in Art. 28 GG enthaltene kommunale
Selbstverwaltungsgarantie gehört nicht zu integrationsfesten Prinzipien (vergl.
VerfGH Rheinland-Pfalz, aaO). Die Kläger könnten also ihre Belange nur
einbringen und die Nichtberücksichtigung rügen, wenn ihnen
gemeinschaftsrechtlich derartige Rechte eingeräumt wären. Wenn jedoch
eine Norm in Übereinstimmung mit ranghöherem Recht Rechte des
Betroffenen ausdrücklich oder nach Sinn und Zweck ausschließt, kann eine
Klagebefugnis nicht gegeben sein, weil Rechte nicht verletzt sein können
(Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., Anm. 159 zu § 42 VwGO). Für
die von den Klägern eingeforderte Berücksichtigung ihrer kommunalen
Belange fehlt es an der erforderlichen Rechtsnorm. Zwar ist im nationalen
Fachplanungsrecht mit dem Abwägungsgebot ein Recht auf
Geltendmachung eigener Belange der von der Fachplanung betroffenen
Gemeinden und Landkreise verbunden. Bei dem gemeinschaftsrechtlichen
Verfahren zur Einvernehmenserteilung nach Art. 4 Abs. 2 UA1 FFH-RL fehlt
es gerade an dieser wehrfähigen Rechtsposition. Den Klägern steht deshalb
keine Klagebefugnis zu, weil die anzuwendende FFH-RL für das hier in Rede
stehende Verfahrenstadium Rechte der Gemeinden und Landkreise auf
Berücksichtigung ihrer Belange ausschließt. Bei Einleitung des Verfahrens
durch die Klägern war ungewiss, ob sich aus der FFH-RL ein Recht auf
Berücksichtung kommunaler Planungsbelange ergibt, das von den
nationalen Behörden bei der Einvernehmenserteilung nach Art 4 Abs. 2 UA 1
FFH-RL zu berücksichtigen ist. Die Kammer hat das für möglich gehalten und
deshalb mit Beschluss vom 13. Mai 2008 im Parallelverfahren 1 A 510/08
eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes eingeholt. Mit Urteil
vom 14. Januar 2010 (Rs. C-226/08) hat der EuGH dazu entschieden, dass
es einem Mitgliedsstaat nicht erlaubt ist, sein Einvernehmen aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Damit ist die Berücksichtigung
kommunaler Belange, die sich aus ihrer Planungshoheit und dem Recht auf
Gestaltung der gemeindlichen Entwicklung herleiten, ausgeschlossen. Für
die erste Phase der Gebietsausweisung nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL war
schon bei Klageerhebung gesicherte Rechtsprechung, dass Belange der
wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung sowie der kommunalen
Selbstverwaltung außer Betracht bleiben müssen (vergl. EuGH, U. v.
07.11.2000, Rs. C- 371/98, NVwZ 2001, 1147; BVerwG, U. v. 19.05.1998, 4 A
9/97, BVerwGE 107, 1, 24; U. v. 27.01.2000, 4 C 2/99, BVerwGE 110, 302 ff.).
Nach der Vorlage des erkennenden Gerichts an den Europäischen
Gerichtshof ist jetzt zusätzlich geklärt, dass auch in der hier in Rede
stehenden zweiten Phase für eine solche Prüfung kein Raum ist. Damit
dürfen die von den Klägern geltend gemachten Interessen nicht Gegenstand
der Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des Einvernehmens sein.
Die Klägern können deshalb nicht in ihren Rechten auf Berücksichtigung ihrer
Belange verletzt sein, weil die von ihnen für maßgeblich gehaltenen
Erwägungen gar nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung der
Beklagten sein dürfen. Die Kläger können mit ihren Einwendungen, dass die
Voraussetzungen der FFH-RL für eine Einbeziehung des Gebietes in den
Listenentwurf nicht gegeben seien, nicht gehört werden. Diese
naturschutzfachlichen Erwägungen können sie nicht geltend machen, weil sie
die Überlegungen zur Begründung der Verletzung ihrer kommunalen
Planungs- und Gestaltungsrechte einbringen, die aber gerade nicht
berücksichtigt werden dürfen. Die Kläger sind als
Selbstverwaltungskörperschaften nicht zur Wahrung naturschutzfachlicher
Belange berufen. Sie können nur ihr Selbstverwaltungsrecht geltend machen,
das aber gerade gemeinschaftsrechtlich nicht berücksichtigt werden darf. Die
Mitgliedstaaten dürfen ihr Einvernehmen nicht auf Grund regionaler oder
örtlicher Besonderheiten versagen (Urteil des EuGH, aaO, Abs. 32). Auf die
berufen sich aber die Kläger, auch wenn sie naturschutzfachliche
Einwendungen gegen die Unterschutzstellung erheben. Der EuGH hat
eindeutig zu erkennen gegeben, dass Planungsabsichten und
Entwicklungsinteressen der Gemeinden auf keinen Fall zu berücksichtigen
sind. Eine entsprechende Frage war im Vorlagebeschluss vom 13. Mai 2008
unter Nr. 3 formuliert worden, ist vom EuGH aber nicht beantwortet worden,
weil schon die vorangegangene Frage 1, von der Frage 3 abhängig war,
verneint worden war (Urteil d. EuGH, aaO, Abs. 34). Die Kammer teilt nicht die
Einschätzung der Kläger, sie habe im Vorlagebeschluss die erforderliche
Klagebefugnis angenommen und bleibe nunmehr hinter dieser
Rechtsposition zurück. Nach ihrer Beurteilung der Rechtslage hat es die
erkennende Kammer im Vorlagebeschluss lediglich für möglich gehalten, die
Beklagte könne berechtigt sein, die Erteilung oder Versagung des
Einvernehmens auch von Interessen vom Gemeinden und Landkreisen
abhängig zu machen und dem entsprechend eine Vorabentscheidung
eingeholt (Abs. 11 d. Vorlagebeschlusses; sowie B. v. 31.03.2008, 1 B
512/08 UA. 10-12). Die Kammer hat in dem Vorlagebeschluss die sich aus
dieser Einschätzung ergebenden Folgen dargelegt und damit die
Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen begründet. Wenn die Belange
von Gemeinden und Gemeindeverbänden aus ihrem gemeindlichen
Selbstverwaltungsrecht bei der Einvernehmenserteilung zu berücksichtigen
seien, dann stellte sich auch die Frage nach der Durchsetzbarkeit dieser
Rechte in den verschiedenen Phasen der Unterschutzstellung und bei der
Ausweisung des Schutzgebietes sowie bei den Maßnahmen zur
Verwirklichung der Schutzziele. Die Kammer hat dazu die Fragen Nr. 2 bis Nr.
4 gestellt. Der EuGH hat bereits die Frage 1 nach der
Berücksichtigungsfähigkeit der Selbstverwaltungsbelange verneint. Damit
waren die Fragen zu 2 bis 4 des Vorlageschlusses erledigt. Die Kammer hat
somit schon im Vorlagebeschluss vom 13. Mai 2008 keine Klagebefugnis
einer Gemeinde angenommen, und weicht deshalb nunmehr im vorliegenden
Urteil davon auch nicht ab. Im Vorlagebeschluss hat die Kammer sich mit den
möglichen Folgen befasst, die sich aus einer positiven Antwort auf die erste
Frage und aus unterschiedlichen Varianten für die Beantwortung der Fragen
2 bis 4 ergeben. In Absatz 28 des Vorlagebeschlusses hat die Kammer aber
keine Zweifel daran gelassen, dass Rechtsschutz nicht in Betracht kommt,
wenn der EuGH die erste Frage, von der die drei folgenden abhängen,
verneint. Diese Situation ist eingetreten. Ebenso wenig wie aus
gemeinschaftlichem Sekundärrecht können die Kläger ihre Klagebefugnis
aus gemeinschaftsrechtlichem Primärrecht herleiten, auch wenn die Verträge
durch den Vertrag von Lissabon (BGBl II 1223) erheblich geändert worden
sind. Durch die Aufnahme der lokalen Selbstverwaltung in das Primärrecht
hat sich gegenüber der Rechtslage beim Vorlagebeschluss vom 13. Mai
2008 (siehe dazu Abs. 26) eine Änderung des Gemeinschaftsrechts ergeben.
In Art. 4 Abs. 2 S 1 EUV ist bestimmt, dass die Union die jeweilige nationale
Identität der Mitgliedsstaaten achtet, die in ihren grundlegenden politischen
und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und
lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Für die Kläger ist aus dem
geänderten Primärrecht nichts zu gewinnen. Ob die kommunale
Selbstverwaltung durch Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV so gestärkt ist, dass von einer
Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung gesprochen werden kann,
aus der den Gemeinden und Gemeindeverbänden Ansprüche erwachsen
können, mag offen bleiben (vergl. Stern, Kommunale Selbstverwaltung in
europäischer Perspektive, Nds. VBl. 2010, 1 (6)). Wenn in Art. 4 Abs. 2 S. 1
EUV die Selbstverwaltung so geregelt wäre, wie die Kläger meinen, so bliebe
die Klage gleichwohl ohne Erfolg. Wenn es einen gemeinschaftsrechtlichen
Anspruch der Gemeinden auf Beachtung ihrer Selbstverwaltungsrechte gäbe,
dann wäre dieses Recht von den Europäischen Organen zu beachten und
könnte bei Verletzung auch vor dem Gerichtshof eingeklagt werden. Dann
bestünde aber gerade kein Anlass für nationalen vorbeugenden
Rechtsschutz, den die erkennende Kammer als Grundlage für ihren
Vorlagebeschluss nicht ausgeschlossen hat. Gerade die Argumentation im
Vorlagebeschluss, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht Inhalt des
Primärrechts sei, hat die Vorlage gerechtfertigt. Die Kammer ging nämlich
davon aus, das Selbstverwaltungsrecht sei nur nationalrechtlich
gewährleistet. Weil es deshalb nicht Gegenstand einer Entscheidung des
Gerichtshofes sein könne, sei zu überlegen, ob nationaler Rechtsschutz zu
gewähren sei. Wenn nun die kommunale Selbstverwaltung als subjektives
Recht Bestandteil der Verträge ist, könnte es auch vor dem Gerichtshof
geltend gemacht werden und nationaler vorbeugender Rechtsschutz wäre
dann nicht erforderlich. Wenn es sich aber in Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV lediglich
um einen Auftrag bzw. Programmsatz handeln sollte, hätte sich gegenüber
dem Vorlagebeschluss der erkennenden Kammer nichts geändert. Es bleibt
bei der Auffassung der Kammer, das Gemeinden gemeinschaftsrechtlich
keine eigenen Rechte geltend machen kann. Eine Vorlage an den EuGH zur
Vorabentscheidung über die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV kommt
nicht in Betracht. Das Urteil des EuGH zu den von der Kammer gestellten
Vorabentscheidungsfragen ist am 14. Januar 2010 und damit unter Geltung
des Art. 4 Abs. 1 S. 1 EUV ergangen, der am 1. Dezember 2009 in Kraft
getreten ist. Schon seit Mai 2008 war die offizielle Publikation des
Vertragstextes nach seiner Unterzeichnung durch die Mitgliedsstaaten im
Dezember 2007 bekannt. Obwohl also Änderungen des Primärrechts schon
länger diskutiert wurden und während des Vorabentscheidungsverfahrens in
Kraft traten, hat der Gerichtshof dennoch nicht das - geänderte - Primärrecht
angewandt, sondern ausschließlich unter Anwendung gemeinschaftlichen
Sekundärrechts Mitspracherechte der Gemeinden verneint. In dieser
Situation würde eine erneute Vorlage bedeuten, dass nach Ansicht des
vorlegenden Verwaltungsgerichts der Gerichtshof seiner Pflicht zur
Beachtung der Verträge nicht nachgekommen wäre. Eine (nochmalige)
Vorabentscheidung mit den Fragen aus dem Schriftsatz vom 5. Mai 2010 im
Parallelverfahren 1 A 510/08 ist nicht geboten. Der Rechtsstreit kann mit der
bisherigen Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der nationalen
Gerichte entschieden werden. Eine dem gemeinschaftsrechtlich geregelten
Verfahren vorgelagerte Entscheidungskompetenz der deutschen Behörden,
die nach nationalem Recht und damit unter Berücksichtigung auch der
kommunalen Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte gerichtlich zu überprüfen
wäre, kann nicht angenommen werden. Die verfahrensrechtliche Beteiligung
der nationalen Behörden ist in Art. 4 FFH-RL ebenso abschließend geregelt
wie die materiellrechtlichen Voraussetzungen, an denen sich die Behörden
der Mitgliedstaaten auszurichten haben. Selbst wenn die
Auswahlentscheidung und die Beurteilungskriterien des Art. 4 Abs. 2 FFH-RL
eine "zutiefst politische Wertung" erfordern, spricht nichts dafür, dass die
Ausfüllung dieser Entscheidungsräume nach nationalem Recht, und somit im
Falle der Bundesrepublik auch unter Berücksichtigung kommunaler Belange
erfolgen könnte oder müsste. Auch wenn man die Voraussetzungen des Art.
4 Abs. 1 und 2 FFH-RL für die Listung und Meldung von Gebieten als
"Eckpunkte" oder "Entscheidungsrahmen" versteht, führt das nicht zu einer
ergänzenden Anwendung nationalen Rechts, wie sie die Vorlagefragen aus
dem Schriftsatz vom 5. Mai 2010 voraussetzen. Komplexe Sachverhalte mit
wertenden Entscheidungen sind nicht nur im Naturschutzrecht durch
gemeinschaftliches Sekundärrecht zu bewältigen. Der EuGH hat den
Unionsorganen bei diesen Sachverhalten einen großen
Einschätzungsspielraum zugestanden, der außerhalb gerichtlicher
Überprüfung liegt. Anders als die deutsche Verwaltungsrechtsprechung
unterscheidet die Rechsprechung des Gerichtshofes nicht scharf zwischen
Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, Beurteilungsspielraum und
Ermessen. Das mag bei einer großzügigen Prüfung der Abwägungsfehler
und bei einer zu Gunsten der Unionsorgane ausgeübten
Verhältnismäßigkeitskontrolle zu einer nach deutschem
Verwaltungsrechtsverständnis geringen Kontrolldichte führen (vergl. M.
Herdegen, Europarecht, 12. Aufl. § 9 VII). Diese Methodik des Gerichtshofes
ist aber gemeinschaftsrechtlich bedingt und kann nicht zu einer ergänzenden
nationalen Kontrolle führen, wie sie die Klägerin wegen der aus der VwGO
herrührenden intensiveren Kontrolldichte für erforderlich hält. Im übrigen hat
der EuGH in seinem Urteil vom 14. Januar 2010 (Abs. 31) ausreichend klar
zum Ausdruck gebracht, dass wie auch immer geartete nationale
Erwägungen außerhalb der FFH-RL nicht zulässig sind. Der Gerichtshof will
der Gefahr begegnen, dass bei Zulassung anderer Kriterien, als sie in
Anhang III der FFH-RL aufgeführt sind, die Ziele der Richtlinie nicht erreicht
werden können. Damit ist für Erwägungen außerhalb der Richtlinie kein Platz.
Insbesondere wertende Beurteilungen der Mitgliedstaaten, wie sie etwa bei
der Entscheidung zur Ausweisung von Schutzgebieten nach deutschem
Naturschutzrecht anzustellen sind (vergl. Blum/Agena/Franke, NNatschG, §§
24-34 Rdnr. 14 und 15), sind nicht zulässig. Eine Vorlage gem. Art. 100 Abs.
1 GG an das BVerfG zur Überprüfung, ob Art. 4 Abs. 2 FFH-RL die
kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art 28 unzulässig einschränkt,
kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum Einen hat das BVerfG seine
Kompetenz zur Prüfung der Übereinstimmung von sekundärem
Gemeinschaftsrecht mit den Grundrechten eingeschränkt. Solange wirksamer
Grundrechtsschutz durch Gerichte der Gemeinschaft gesichert ist, wird das
BVerfG seine Gerichtsbarkeit über die Anwendung von abgeleitetem
Gemeinschaftsrecht nicht ausüben. Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG sind
somit unzulässig (BVerfG, B. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339
(387)). Deshalb müsste die Vorlage im Einzelnen darlegen, dass der jeweils
als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist
(BVerfG, B. v. 07.06.2000, 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (162); M. Herdegen,
Europarecht, 12. Aufl., § 10 Rdnr. 29). Abgesehen davon, dass eine solche
Begründung hier nicht gegeben worden ist, kommt eine Vorlage auch schon
deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger nicht Grundrechtsträger sind. Aber
auch eine Vorlage zur Gewährleistung der verfassungsgerichtlichen Ultra-
vires- und Identitätskontrolle kommt nicht Betracht. Erstere setzt voraus, dass
Unionsgewalt offensichtlich kompetenzwidrig ausgeübt wurde (BVerfG, B. v.
06.07.2010, 2 BvR 2661/06, NJW 2010, 3422). Davon kann hier nicht die
Rede sein. Die Identitätskontrolle durch das BVerfG ermöglicht die Prüfung,
ob infolge des Handelns europäischer Organe die in Art. 79 Abs. 3 GG für
unantastbar erklärten Grundsätze der Art. 1 und Art. 20 GG verletzt werden
und stellt damit sicher, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur
kraft und im Rahmen der fortbestehenden verfassungsrechtlichen
Ermächtigung gilt (BVerfG, U. v. 30.06.2009, 2 BvE 2/08, BVerfGE 123, 267,
Abs. 240). Ein derartiger Verstoß gegen Grundprinzipien ist in Art 4 Abs. 2 UA
1 FFH-RL nicht zu sehen, wenn dort die Einflussnahme von Gemeinden auf
Gebietsvorschläge ausgeschlossen wird. Die Selbstverwaltungsgarantie
gehört nicht zu den integrationsfesten Prinzipien aus Art. 23 Abs. 1 GG und
79 Abs. 3 GG (vergl. VerfGH Rheinland-Pfalz, U. v. 11.07.2005, N 25/04,
NVwZ 2006, 206). Gegen die sich aus der Ablehnung der Klagebefugnis
ergebende Versagung vorbeugenden Rechtsschutzes ist auch unter
Beachtung der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG nichts
einzuwenden, weil Rechte der Kläger als Gemeinde und Gemeindeverbände
in nachfolgenden Verfahren ausreichend geltend gemacht werden können.
Vorbeugender Rechtsschutz gegen drohende Verfahrensakte ist nur
ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn ein besonderes qualifiziertes
Rechtsschutzbedürfnis die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes mit
Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes
erfordert (BVerwG, B. v. 12.06.2008, 7 B 24/08, NVwZ 2008, 1011, Rdnr. 11;
vergl. Nds. OVG, B. v. 12.07.2000, 3 M 1605/00, juris; B. v. 21.03.2006, 8 LA
150/02, Vnb). Diese Ausnahmegründe liegen hier nicht vor. Nachteilige
Folgen für die Kläger entstehen nicht durch die Meldung des Gebietes,
sondern frühestens nach der Entscheidung der Kommission und Aufnahme
in die Gemeinschaftsliste. Ob schon gegen die Kommissionsentscheidung
nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL Rechtsschutz nach Gemeinschaftsrecht mit der
sog. Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV erreicht werden kann, mag offen
bleiben (vergl. dazu OVG Bremen, U. v. 31.05.2005, 1 A 346/02, NuR 2005,
654 ff; und B. des Präsidenten des Gerichts erster Instanz der Europäischen
Gemeinschaft v. 05.07.2005, T–117/05 R – Rodenbröker u.a., juris ).
Entscheidend sind die ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten nach
nationalem Recht gegen die mit der Umsetzung der
Kommissionsentscheidung verbundenen und sich ergebenden Maßnahmen
und Einschränkungen. Bis zur nationalen Ausweisung als Schutzgebiet treten
gem. Art. 4 Abs. 5 FFH-RL schon mit der Bekanntgabe der Gebiete
Rechtsfolgen ein (vergl. § 7 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG v. 29.07.2009, BGBl
2542, entspr. § 10 Abs. 6 BNatSchG v. 25.03.2002 - BNatschG a.F-). Bis zur
Unterschutzstellung sind Vorhaben, Maßnahmen, Veränderungen oder
Störungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für
die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen können, vorbehaltlich
einer ausnahmsweisen Zulassung verboten. Dieser Schutz ist nur
vorübergehend bis zur Unterschutzstellung der Gebiete durch die
Mitgliedsstaaten. Endgültiger Schutz wird dadurch gewährt, dass die
deutschen Behörden die in die Liste aufgenommen Gebiete gem. § 32 Abs. 2
BNatSchG (entspr. § 33 Abs. 2 BNatSchG a.F.) zu geschützten Teilen von
Natur und Landschaft zu erklären haben. Daraus folgen normative allgemeine
Gebote und Verbote nach § 33 Abs. 3 BNatSchG (§ 33 Abs. 3 BNatSchG
a.F) und einzelfallbezogene Verwaltungsakte. Für die Nutzung und
Inanspruchnahme des Schutzgebietes gilt dann § 33 BNatSchG. Die
Zulassung von Projekten bestimmt sich dann nach § 34 BNatSchG (entspr. §
34 BNatSchG a.F.). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für
Betroffene von Maßnahmen deutscher Behörden auf Grund der FFH-RL bzw.
auf Grund der Umsetzungsvorschriften des BNatSchG ausreichend
Rechtsschutz durch abstrakte oder inzidente Normenkontrolle erlangt werden
kann.( BVerwG, B. v. 12.06.2008, 7 B 24/08, NVwZ 2008, 1011; B. v.
07.04.2006, 4 B 58/05, NVwZ 2006, 822; OVG Münster, B. v. 23.01.2008, 8 A
154/06, juris; weitere Nachweise bei Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht,
§ 33 BNatschG Anm. 68 und bei Nds. OVG, B. v. 21.03.2006, 8 LA 150/02,
Vnb). Dabei kann vor nationalen Gerichten die Rechtswidrigkeit der
Kommissionsentscheidung geltend gemacht werden (OVG Münster, aaO).
Wenn der Schutz der Unterems und Außenems als gelistetes Gebiet durch
eine Gebietsausweisung gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG (§ 33 Abs. 2
BNatschG a. F.) erfolgt, kann die Rechtmäßigkeit durch einen
Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO i. V. m. § 7 Nds. AG -VwGO überprüft
werden, soweit die Kläger geltend machen können, durch die Ausweisung in
ihren Rechten als Gemeinde oder Landkreis verletzt zu sein. Auch
Kommunen sind antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 VwGO, wenn sie die
Verletzung von Selbstverwaltungsrechten geltend machen können
(Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. § 47 VwGO Anm. 79 mwN). Die
Planungshoheit ist wesentlicher Bestandteil des kommunalen
Selbstverwaltungsrechts und kann durch Maßnahmen beeinträchtigt sein,
wenn diese nachhaltige Auswirkungen auf das Gebiet haben. Auch bei
Maßnahmen außerhalb des eigenen Gebietes kann eine Rechtsverletzung
gegeben sein, wenn diese erhebliche Auswirkungen für die klagende
Selbstverwaltungskörperschaft haben (Nds. OVG, B. v. 13.09.2010, 12 LA
18/09, juris). Aber auch inzident kann die Unterschutzstellung von deutschen
Gerichten überprüft werden. Die Unterschutzstellung der Unterems und
Außenems wird Auswirkungen auf die Befahrbarkeit für große Seeschiffe
haben, deren Einschränkung besonders der Kläger zu 1) befürchtet und als
Beeinträchtigung oder gar als Verhinderung der wirtschaftlichen Entwicklung
eines Werftstandortes abwenden will. Die für die Werft und mittelbar für den
Kreis als Wirtschaftsraum erforderliche Baggerungen sind bereits durch
Planfeststellungen genehmigt. Zukünftig bedürfen sie einer Überprüfung als
Projekt nach der FFH-RL. Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 14. Januar
2010 auf die Vorlagefrage der erkennenden Kammer dahin geäußert, dass
Unterhaltungsmaßnahmen nach der Aufnahme des Gebietes in die
Kommissionsliste eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 und Abs. 4
FFH-RL erfordern könnten (Abs. 50 UA). Diese würde nach § 34 BNatSchG
(§ 34 BNatSchG a.F.) erfolgen. Soweit die Kläger zu 1) und zu 2) davon in
ihren Rechten auf Berücksichtigung ihrer Belange bei Planungen oder auch
in Ansprüchen aus behaupteten vertraglichen Abreden betroffen sind,
können sie gegen Nutzungsbeschränkungen des Fahrwassers der Ems oder
gegen die Versagung von Genehmigungen die Verwaltungsgerichte anrufen,
die bei entsprechender Entscheidungserheblichkeit auch zu klären haben, ob
die Aufnahme des Gebietes in die Gemeinschaftsliste mit den Bestimmungen
der FFH-RL, aber auch mit höherrangigem europäischem Recht zu
vereinbaren ist. Wenn nach Ansicht der Verwaltungsgerichte die Aufnahme
der Unterems und Außenems in die Gemeinschaftsliste mit der FFH-RL
und/oder höherrangigen europarechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist,
legen sie dem Europäischen Gerichtshof die Frage nach der Wirksamkeit der
Listung des betreffenden Gebiets im Vorabentscheidungsverfahren nach Art.
267 AEUV (ehem. Art. 234 EGV) vor. Der Gerichtshof prüft, ob das gelistete
Gebiet zu Recht auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) der FFH-
Richtlinie festgelegten Kriterien in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist (vergl. EuGH, Urt. v.
13. 1. 2005, Rs. C 117/03 (Dragaggi), NVwZ 2005, S. 311). Mit diesen
gestuften gerichtlichen Kontrollen ist ausreichender nachträglicher
Rechtsschutz gegen die Listung der Unterems und Außenems gegeben. Die
Effektivität dieses Rechtsschutzes wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass
die Prüfung der Liste von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung als
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sekundärem Gemeinschaftsrecht nicht nach deutschem Recht einschließlich
der Grundrechte stattfindet, sondern dem Gemeinschaftsrecht unterliegt. Es
ist unerheblich, wenn die "Ermittlungstiefe" des Europäischen Gerichtshofs
anders gestaltet ist als das Amtsermittlungsprinzip der deutschen
Verwaltungsgerichtsbarkeit, (Nds. OVG, B. v. 21.03.2006, 8 LA 150/02, Vnb).
Der Europäische Gerichtshof entwickelt auf Grund der ihn bindenden Normen
eine eigene Methodik und auch eine eigenständige Dogmatik, die sich nicht
am Prozessrecht oder Verfahrensrecht nur eines Mitgliedsstaates orientiert.“
Gegen dieses ihnen am 18. Januar 2011 zugestellte Urteil haben die Kläger am
15. Februar 2011 die vom Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs.
2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene
Berufung eingelegt. Zu deren Begründung haben die Kläger ausgeführt, dass
das Verwaltungsgericht ihre Klage keinesfalls als unzulässig hätte abweisen
dürfen, weil in ihrem Falle die Möglichkeit einer Verletzung ihres kommunalen
Selbstverwaltungsrechts durch die fehlende Berücksichtigung ihrer Belange bei
der beabsichtigten Einvernehmenserklärung und die fehlende Anhörung vor der
Erteilung des Einvernehmens gegeben sei. Das Verwaltungsgericht irre, wenn
es aus den Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs in dessen
Entscheidung vom 14. Januar 2010 (C-226/08) ableite, dass eine
Berücksichtigung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts bei der
Einvernehmenserteilung vollständig ausscheide und es insofern an der
erforderlichen Rechtsnorm fehle. Die Rechtsnorm, aus der sich nicht nur das
Recht, sondern die verbindliche Pflicht der Beklagten ergebe, ihr
Selbstverwaltungsrecht zu berücksichtigen, sei Art. 28 Abs. 2 GG. Der
Anwendung dieser Vorschrift würde das Gemeinschaftsrecht allenfalls dann
entgegenstehen, wenn das Gemeinschaftsrecht die Verfassung pauschal
verdrängen würde. Das sei jedoch nicht der Fall, wenn das Gemeinschaftsrecht,
wie hier, im konkreten Einzelfall einen nicht abschließend europarechtlich
determinierten Entscheidungsspielraum eröffne oder es um die Geltung eines
integrationsfesten Kerns des deutschen Verfassungsrechts gehe. Tatsächlich
erlaube es das Gemeinschaftsrecht, das Einvernehmen hinsichtlich der
Aufnahme des Gebietes Unterems und Außenems in die Gemeinschaftsliste
wegen ihres dem entgegenstehenden kommunalen Selbstverwaltungsrechts zu
versagen, jedenfalls aber die kommunalen Belange bei der Entscheidung zu
berücksichtigen. Wenn diese Handlungsoption aber europarechtlich erlaubt sei,
sei sie nach deutschem Verfassungsrecht für die Beklagte zwingend geboten.
Es sei durchaus denkbar, dass das europäische Recht bei ausschließlicher
Anwendung der Kriterien aus dem Anhang III, Phase 2, Nr. 2 FFH-Richtlinie
sowohl die Erteilung als auch die Versagung des Einvernehmens erlaube. In
einem solchen Fall, in dem das Gemeinschaftsrecht der nationalen Behörde
keine eindeutige Vorgabe mache, sondern einen Entscheidungsfreiraum
einräume, müssten verfassungsrechtliche Bindungen zum Tragen kommen, so
dass die Beklagte nicht ohne Berücksichtigung der Selbstverwaltungsgarantie
gemäß Art. 28 Abs. 2 GG über die Einvernehmenserteilung entscheiden dürfe.
Wäre demgegenüber davon auszugehen, dass unabhängig von der Frage, ob
in der konkreten Entscheidungssituation ein Entscheidungsfreiraum der
handelnden Behörde bestehe, jegliche verfassungsrechtliche Bindungen
ausgeschaltet und kommunale Belange in keinem Falle zu berücksichtigen
wären, würde das bedeuten, dass die FFH-Richtlinie sich über das nationale
Verfassungsrecht hinwegsetzt. Dies wäre jedoch mit dem Vorrang des
Gemeinschaftsrechts im Sinne des Art. 23 GG nur vereinbar, wenn wiederum
die aus dem Verfassungsrecht folgenden Grenzen des Anwendungsvorrangs
des Gemeinschaftsrechts eingehalten würden. Insoweit gelte jedoch nach wie
vor, dass die Grundprinzipien des deutschen Verfassungsrechts, nämlich die
Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG, die Menschenwürde gemäß Art. 1 GG
und die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unantastbar seien. Die
Auffassung, die kommunale Selbstverwaltung gehöre nicht zum europafesten
Kern des Grundgesetzes sei in Anbetracht der Lissabon-Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2009 zweifelhaft. Diese Frage hätte
das Verwaltungsgericht daher durch eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht klären lassen müssen. Das kommunale
Selbstverwaltungsrecht sei durch den durch den Vertrag von Lissabon neu
eingefügten Art. 4 Abs. 2 AEUV (gemeint ist offenbar Art. 4 Abs. 2 EUV)
erheblich gestärkt worden, was nicht ohne Einfluss auf die Auslegung des
Sekundärrechts bleiben könne. Die Frage, ob die kommunale Selbstverwaltung
hierdurch so gestärkt worden sei, dass von einer Anerkennung gesprochen
werden könne, aus der den Gemeinden und Gemeindeverbänden Ansprüche
erwachsen könnten, hätte durch eine erneute Vorlage an den Europäischen
Gerichtshof beantwortet werden können und müssen. Die für die Lösung des
anhängigen Rechtsstreits verkürzte Beurteilung der Rechtslage durch den
Europäischen Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Januar 2010 dürfte in
erster Linie durch die Formulierung der ersten Vorlagefrage, ob Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie es einem Mitgliedstaat erlaube, sein Einvernehmen
zu dem von der Kommission erstellten Listenentwurf aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern, bedingt sein. Jedenfalls das
Berufungsgericht sei nun aufgefordert, dem Europäischen Gerichtshof die Frage
zur Entscheidung vorzulegen, ob Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV die Rechte
kommunaler Gebietskörperschaften in der Weise stärke, dass bei Eröffnung
eines Entscheidungsspielraums durch das europäische Sekundärrecht in einer
Situation, in der mehrere Entscheidungsoptionen mit dem Sekundärrecht
vereinbar wären, die Pflicht bestehe, eine gemeindefreundliche Entscheidung zu
treffen, insbesondere die von der Entscheidung betroffenen Rechte und
Belange der kommunalen Gebietskörperschaften im Entscheidungsverfahren
mit zu berücksichtigen. Bei der Erteilung des Einvernehmens zu dem Entwurf
der Gebietsliste handele es sich auch nicht um ein bloßes Verwaltungsinternum
ohne Außenwirkung, da zum einen die deutsche Rechtsdogmatik auf diesen
Gemeinschaftsrechtsakt nicht anwendbar sei und zum anderen eine
Außenwirkung nur dann verneint werden könne, wenn gegen spätere
Maßnahmen hinreichender Rechtsschutz gewährleistet sei, was hier jedoch
nicht der Fall sei. Unzutreffend sei daher die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, dass sie ihre Rechte in nachfolgenden Verfahren
ausreichend geltend machen könnten. Bereits mit der Meldung eines Gebietes
an die Kommission liege ein potentielles FFH-Gebiet vor, für dessen
angemessenen Schutz die Mitgliedstaaten Sorge zu tragen hätten. Sie hätten
daher bereits jetzt ein legitimes Interesse an der endgültigen Beendigung dieses
vorläufigen Schutzstatus, was durch die endgültige Versagung des
Einvernehmens erreicht werden könne. Aber auch unabhängig davon wäre
nachfolgender Rechtschutz nicht in jedem Falle effektiv. Es sei zu befürchten,
dass sie ihr Selbstverwaltungsrecht und ihren daraus folgenden Anspruch auf
Beteiligung am Verfahren bzw. auf die Versagung des Einvernehmens nicht
mehr in effektiver Weise geltend machen könnten, sobald die Beklagte ihr
Einvernehmen, bei dem es sich um eine vorbereitende Verfahrenshandlung
handele, erklärt habe. Dies beruhe auf dem spezifischen Zusammenspiel
gemeinschaftsrechtlicher und mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften und dem
gestuften, aus mehreren Verfahrenshandlungen zusammengesetzten
Gebietsausweisungsverfahren. Sofern man unterstelle, dass ihre fehlende
Beteiligung vor Erteilung des Einvernehmens und die fehlende Berücksichtigung
ihrer kommunalen Belange einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG begründe,
wäre nachfolgender Rechtschutz nur effektiv, wenn genau diese
Rechtsverletzung in dem nachfolgenden Verfahren erfolgreich eingewandt und
abgewendet werden könnte. Dies sei jedoch höchst zweifelhaft. Nach Erteilung
des Einvernehmens durch den Mitgliedstaat erfolge nämlich automatisch die
endgültige Aufnahme des Gebietes in die Kommissionsliste, die die unmittelbare
Verpflichtung des Mitgliedstaates begründe, das Gebiet so schnell wie möglich
als Schutzgebiet auszuweisen. Ob dann noch in einem Rechtsschutzverfahren
die ordnungsgemäße Beteiligung der Gebietskörperschaften bei der
Einvernehmenserteilung geprüft werde, sei fraglich, weil zu diesem Zeitpunkt die
vorhergehenden Verfahrensschritte - die Erstellung der vorläufigen Liste durch
die Kommission und die Erteilung des Einvernehmens durch den Mitgliedstaat -
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unerheblich seien. Es handele sich nämlich nur um vorbereitende
Verfahrenshandlungen, deren Fehlerhaftigkeit nicht die Unwirksamkeit der
endgültigen Kommissionsliste nach sich ziehe. Sobald aber eine wirksame
Kommissionsliste vorliege, bestehe wiederum eine verbindliche Verpflichtung
des Mitgliedstaats, die darin aufgenommenen Gebiete unter Schutz stellen. Die
Kläger könnten in diesem Zeitpunkt die Rechtmäßigkeit der Gebietsliste
vermutlich nicht mehr wegen eines Verstoßes gegen nationales Recht in Frage
stellen. Es könne gegenüber der Kommission insbesondere nicht die fehlerhafte
Berücksichtigung nationalen Verfassungsrechts durch den Mitgliedstaat im Zuge
der Einvernehmenserteilung gerügt werden, da diese Verpflichtung eben nicht
der Kommission, sondern dem Mitgliedstaat obliege. Der Europäische
Gerichtshof wäre deshalb nicht befugt, die ordnungsgemäße Anwendung
nationalen Verfassungsrechts einschließlich Art. 28 Abs. 2 GG durch den
Mitgliedstaat im Zuge der Einvernehmenserteilung zu überprüfen. Andererseits
dürfte aber auch ein Verwaltungsgericht, sobald eine endgültige
Kommissionsliste vorliege, nicht mehr befugt sein, vorangehende
Verfahrensschritte am nationalen Verfassungsrecht zu messen und sich damit
über die verbindlichen Rechtswirkungen der Gebietsliste hinwegzusetzen.
Deshalb sei es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19
Abs. 4 GG zwingend erforderlich, ihnen vorbeugenden Rechtsschutz zu
gewähren und die gegen Art. 28 Abs. 2 GG verstoßende Erteilung des
Einvernehmens zu verhindern.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 22.
November 2010 zu ändern
und die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen gegenüber der
Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß
Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems
zu versagen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen gegenüber
der Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß
Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems
nicht ohne ihre vorherige förmliche Anhörung, die Berücksichtigung
ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts und ihrer insoweit zu
berücksichtigenden Belange zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die von den Klägern erhobene vorbeugende
Unterlassungsklage schon mangels Klagebefugnis unzulässig sei. Zum einen
fehle es an einer unmittelbaren tatsächlichen Betroffenheit der Kläger in einer
geschützten Rechtsposition. Das Einvernehmen zum Entwurf der Gebietsliste
habe als interne verfahrensrechtliche Verwaltungshandlung keine
Rechtswirkungen für die Kläger. Die Kläger seien auch nicht Adressaten der
beabsichtigten Einvernehmenserteilung. Die Kläger hätten eine unmittelbare
tatsächliche Betroffenheit durch das beabsichtigte Einvernehmen nicht
dargelegt. Zum anderen seien die Kläger durch die beabsichtigte
Einvernehmenserteilung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in eigenen
Rechten verletzt. Es sei bereits zweifelhaft, inwieweit das
Selbstverwaltungsrecht der Kläger als Gemeindeverbände im Sinne des Art. 28
Abs. 2 Satz 2 GG berührt sei, da die verfassungsrechtliche Stellung von
Landkreisen gegenüber den Gemeinden eingeschränkt sei. Diese Frage könne
jedoch offen bleiben, da das Unionsrecht Anwendungsvorrang vor dem
verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht der kommunalen
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Körperschaften genieße. Die hier einschlägige verfahrensrechtliche Norm des
Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie sehe die Berücksichtigung kommunaler
Belange nicht nur nicht vor, sondern schließe sie auch aus. Darüber hinaus
fehle den Klägern auch das für eine vorbeugende Unterlassungsklage
notwendige qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Verweis auf
nachträglichen Rechtsschutz sei für die Kläger nicht unzumutbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht nach den §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene und
auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn
die Klage der Kläger ist sowohl mit dem Hauptantrag (I.) als auch mit dem
Hilfsantrag (II.) unzulässig, weil die Kläger hinsichtlich beider Anträge nicht
klagebefugt sind und überdies kein besonderes schützenswertes Interesse an
der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes haben.
I.
Der Hauptantrag der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen
gegenüber der Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der
Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) im
Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-
Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems zu versagen, ist
unzulässig.
1. Die Kläger sind insoweit nicht klagebefugt.
Der Hauptantrag der Kläger ist auf die Unterlassung der Erteilung des
Einvernehmens gerichtet. Auf eine solche Unterlassungsklage ist § 42 Abs. 2
VwGO analog anwendbar (BVerwG, Urteile vom 26.1.1996 - 8 C 19.94 -,
BVerwGE 100, 262, 271, und vom 28.10.1970 - VI C 48.68 -, BVerwGE 36, 192,
199). Danach setzt die Klagebefugnis voraus, dass die Kläger geltend machen
können, durch ein behördliches Handeln in eigenen Rechten verletzt zu werden
(BVerwG, Urteil vom 27.5.2009 - 8 C 10.08 -, NVwZ 2009, 1305). Hierfür ist
erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine solche Rechtsverletzung
zumindest als möglich erscheint. Daran fehlt es nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27.5.2009 - 8 C
10.08 -, NVwZ 2009, 1305, vom 17.6.1993 - 3 C 3.89 -, BVerwGE 92, 313, 315,
vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86, und vom 23.3.1982 - 1 C
157.79 -, BVerwGE 65, 167; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9.1.1991 - 1 BvR
207, 87 -, BVerfGE 83, 182), wenn offensichtlich und eindeutig nach jeder
Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass eigene Rechte der Kläger verletzt
sein könnten.
Die Klagebefugnis ist danach bei einer auf Unterlassung eines
verwaltungsinternen Akts ohne Außenwirkung gerichteten allgemeinen
Leistungsklage in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage zu verneinen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2008 - 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011). Denn in
diesem Falle ist eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder
Betrachtungsweise ausgeschlossen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Die Erteilung des Einvernehmens zu dem Entwurf der Liste der Gebiete von
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gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie, die die Kläger verhindern wollen, stellt nämlich eine lediglich
vorbereitende verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung der Bundesrepublik
Deutschland an dem Zustandekommen eines Rechtsakts der Kommission dar,
die selbst keine Außenwirkung hat und deshalb für die Kläger keine
Rechtswirkungen entfaltet, die eine Rechtsverletzung begründen könnten. Denn
das Einvernehmen der Beklagten ist kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den
Klägern, sondern trägt als bloße Mitwirkungs- bzw. Vorbereitungshandlung
lediglich zu der Festlegung der Liste der GGB durch die Kommission bei, als das
Einvernehmen der Beklagten zur Erstellung des Entwurfs einer Liste der GGB
benötigt wird, auf deren Grundlage die Liste der GGB von der Kommission nach
dem Verfahren gemäß Art. 21 FFH-Richtlinie festgelegt wird. Das Einvernehmen
nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie ist deshalb nur ein
“Verwaltungsinternum“ ohne Außenwirkung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 1989 zur
EG-Richtlinie über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen (- 2 BvQ 3/89 -,
EuGRZ 1989, 339) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt, weil die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde unzulässig wäre. Die
Antragstellerinnen, die sich gegen die beabsichtigte Zustimmung der
Bundesregierung zu der von der Kommission vorgeschlagenen
Etikettierungsrichtlinie wendeten, könnten sich im Rahmen der ihnen eröffneten
Verfassungsbeschwerde nicht gegen die Mitwirkung der Bundesregierung an
der Entstehung sekundären Gemeinschaftsrechts wenden, weil die Zustimmung
der Bundesregierung zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates gemäß Art. 149
Abs. 2 Buchst. a) EWGV keinen sie unmittelbar beschwerenden Hoheitsakt
darstelle. Die Mitwirkung der Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt
gegenüber den Antragstellerinnen, sondern trage lediglich zum Entstehen einer
Richtlinie bei, die erst nach Inkrafttreten und nach ihrer Umsetzung in nationales
Recht die Antragstellerinnen beschwere. Möge auch die Zustimmung der letzte
von der deutschen Staatsgewalt gesetzte Mitwirkungsakt für eine
möglicherweise Grundrechte verletzende Richtlinie sein, so erreichten die
Regelungen der Richtlinie den Grundrechtsträger doch erst durch einen
selbständig angreifbaren Rechtsetzungsakt der deutschen Staatsgewalt: Die
Etikettierungsrichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, ihren Inhalt in nationales
Recht umzusetzen, und eröffne dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
Der nationale Gesetzgeber sei bei der Umsetzung an die Vorgaben des
Grundgesetzes gebunden. Die Frage, ob er bei der Umsetzung im Rahmen des
ihm von der Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraums Grundrechte oder
grundrechtsgleiche Rechte der Antragstellerinnen verletze, unterliege in vollem
Umfang verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Soweit die Richtlinie den
Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts verletzen sollte, gewähre der
Europäische Gerichtshof Rechtsschutz.
Diesen Standpunkt hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss
vom 9. Juli 1992 (- 2 BvR 1096/92 -, NVwZ 1993, 883) bekräftigt. Danach stellt
die Zustimmung der Bundesregierung zur Änderung einer EG-Richtlinie mit dem
Ziel tabaksteuerlicher Gleichstellung von Feinschnittrollen mit Zigaretten keinen
die Hersteller unmittelbar beschwerenden Hoheitsakt dar. Denn diese
Mitwirkung der Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den
Herstellern, sondern trage lediglich zum Entstehen der Richtlinie bei, die diese
erst nach deren Inkrafttreten und nach ihrer Umsetzung in nationales Recht
beschwere. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde
auch nicht im Hinblick darauf als zulässig angesehen, dass die Zustimmung der
Bundesregierung die bestimmende Ursache der geltend gemachten
Grundrechtsverletzung sein könnte. Denn auch wenn diese Zustimmung der
letzte von der deutschen Staatsgewalt gesetzte Mitwirkungsakt an einer
möglicherweise Grundrechte verletzenden Richtlinie sei, erreichten die
Regelungen der Richtlinie den Grundrechtsträger doch erst durch einen
selbstständig angreifbaren Rechtsetzungsakt der deutschen Staatsgewalt.
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Sollte die Richtlinie den Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts
verletzen, gewähre der Europäische Gerichtshof Rechtsschutz. Nur wenn auf
diesem Wege der vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene
Grundrechtsstandard nicht verwirklicht werden sollte, könne das
Bundesverfassungsgericht angerufen werden.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 16.
Oktober 2003 (- 1 BvR 2075/03 -, NVwZ 2004, 209) betreffend die
Energiesteuer-Richtlinie festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen durch die
Mitwirkung der Bundesregierung bei dem Erlass sekundären
Gemeinschaftsrechts nicht unmittelbar beschwert würden. Die Mitwirkung der
Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den
Beschwerdeführerinnen, sondern trage lediglich zum Entstehen einer Richtlinie
bei, die erst nach ihrem Inkrafttreten die Beschwerdeführerinnen beschweren
könne. Der Umstand, dass Grundrechtsschutz gegen sekundäres
Gemeinschaftsrecht grundsätzlich durch den Europäischen Gerichtshof und
nicht durch das Bundesverfassungsgericht gewährt werde, stelle auch keinen
hinreichenden Grund dafür dar, den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz auf
Mitwirkungsakte der Bundesregierung vorzuverlagern.
Diese Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sind zwar zu der Mitwirkung
der Bundesregierung an einer EG-Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV (jetzt Art.
288 Abs. 3 AEUV) ergangen, während das Einvernehmen zu dem Entwurf der
Liste der GGB zur Vorbereitung eines Beschlusses der Kommission nach Art.
288 Abs. 4 AEUV erforderlich ist. In beiden Fällen handelt es sich aber um
(nunmehr im Abschnitt I “Die Rechtsakte der Union“ des AEUV geregelte)
Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts (Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl.
2012, Art. 288 AEUV Rn. 23; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art.
288 AEUV Rn. 4), an deren Zustandekommen die Mitgliedstaaten mitwirken.
Insofern können die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze
für den hier zu entscheidenden Fall entsprechend herangezogen werden. Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze kann auch die Erteilung des
Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie nicht als ein die
Kläger unmittelbar beschwerender und in ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG
geschütztes Selbstverwaltungsrecht eingreifender Hoheitsakt mit Außenwirkung
angesehen werden. Die Erteilung des Einvernehmens ist vielmehr lediglich ein
vorbereitender verwaltungsinterner Mitwirkungsakt der Bundesrepublik
Deutschland an der Festlegung der Liste der GGB durch die Kommission.
Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie erstellt die Kommission jeweils im
Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten den
Entwurf einer Liste der GGB. Aufgrund dieses Entwurfs wird dann die Liste der
GGB von der Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 letzter Satz FFH-Richtlinie nach
dem Verfahren des Art. 21 FFH-Richtlinie i.V.m. Art. 5, 7 und 8 des Beschlusses
1999/468/EG und seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 am 1. März
2011 gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. 13 Abs. 1 c) und e) dieser
Verordnung i.V.m. Art. 5, 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011
festgelegt. Danach unterbreitet der Vertreter der Kommission dem Ausschuss
nach Art. 20 FFH-Richtlinie den Entwurf der zu treffenden Maßnahmen, zu dem
der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt. Ohne die (befürwortende)
Stellungnahme des Ausschusses kann die Kommission die beabsichtigte
Maßnahme gemäß Art. 13 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. b
und Art. 5 Abs. 2 und 3 Satz 1 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 nicht erlassen.
Dies zeigt, dass der Entwurf der Liste, an dem der Mitgliedstaat durch die
Erteilung seines Einvernehmens mitwirkt, noch keine Rechtswirkung gegenüber
den von einer möglichen späteren Schutzgebietsausweisung Betroffenen
entfaltet, sondern lediglich den an dem Verfahren nach Art. 21 FFH-Richtlinie
beteiligten Institutionen als Grundlage für die Festlegung der endgültigen Liste
dient. Selbst die von der Kommission auf der Grundlage ihres Entwurfs in dem
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Verfahren nach Art. 21 FFH-Richtlinie erstellte Liste stellt noch keinen Dritte
unmittelbar betreffenden Hoheitsakt im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV dar (vgl.
hierzu das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften -Erste
Kammer- in der Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und
Rechtlerverband Pfronten gegen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften“, Beschluss vom 22.6.2006 - T-136/04 -). Akte öffentlicher
Gewalt, die die Betroffenen unmittelbar beschweren, liegen vielmehr erst mit den
Maßnahmen vor, die der Mitgliedsstaat aufgrund der Erstellung der
Gemeinschaftsliste ergreift, wie die Ausweisung von Schutzgebieten nach Art. 4
Abs. 4 FFH-Richtlinie i.V.m. §§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG oder
Maßnahmen zum Schutz der in die Liste aufgenommenen Gebiete nach Art. 4
Abs. 5 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie und § 33 BNatSchG. Folglich
kann dem im Rahmen des mehrstufigen Verfahrens erteilten Einvernehmen zum
Entwurf der Liste der GGB erst recht keine unmittelbare rechtliche Wirkung
zukommen.
Diese Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit dem Beschluss des
Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste Kammer) vom
22. Juni 2006 in der Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und
Rechtlerverband Pfronten gegen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften“ (T-136/04), mit dem dieses eine Nichtigkeitsklage nach Art.
230 EGV gegen die Entscheidung der Kommission zur Verabschiedung der
Liste der GGB für die alpine biogeografische Region wegen fehlender
unmittelbarer Betroffenheit der klagenden Grundeigentümer als unzulässig
abgewiesen hat. In diesem Beschluss hat das Gericht ausgeführt, dass die
Entscheidung zur Verabschiedung der Liste der GGB sich nicht selbst auf die
Rechtsstellung des Klägers auswirke. Sie berühre weder die Rechte und
Pflichten der Grundeigentümer noch die Ausübung dieser Rechte, verpflichte
Wirtschaftsteilnehmer oder Private in keiner Weise und enthalte keine
Bestimmung über die Regelung zum Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung, wie etwa Erhaltungsmaßnahmen oder Genehmigungsverfahren.
Desgleichen träfen die Pflichten der Art. 4 und 6 FFH-Richtlinie, denen die
Mitgliedstaaten nachzukommen hätten, nachdem die Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesen worden seien, die
Wirtschaftsteilnehmer nicht unmittelbar, da sie eine Handlung des betreffenden
Mitgliedstaats erforderten, mit der dieser klarstelle, wie er ihnen nachzukommen
gedenke, ob es sich um die nötigen Erhaltungsmaßnahmen (Art. 6 Abs. 1 FFH-
Richtlinie), um die geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung der
Verschlechterung des Gebiets (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie) oder um die
erforderliche Zustimmung der zuständigen einzelstaatlichen Behörden zu einem
Projekt, das ein Gebiet erheblich beeinträchtigen kann (Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-
Richtlinie), handele. Der FFH-Richtlinie, auf deren Grundlage die angefochtene
Entscheidung ergangen sei, sei zu entnehmen, dass sie den Mitgliedstaat
hinsichtlich des zu erreichenden Zieles binde, den einzelstaatlichen Behörden
aber die Zuständigkeit belasse, was die zu treffenden Erhaltungsmaßnahmen
und die einzuhaltenden Genehmigungsverfahren angehe (ebenso das Gericht
erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache “Sahlstedt
u. a. / Kommission“, Beschluss vom 22.6.2006 - T-150/05 -). Damit geht auch
das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften davon aus, dass
selbst mit der Erstellung der Liste der GGB noch keine einen Grundeigentümer,
Wirtschaftsteilnehmer oder Privaten unmittelbar betreffende und von diesem
angreifbare Entscheidung vorliegt. Demzufolge kommt dem Einvernehmen zum
Entwurf der Liste der GGB erst recht keine unmittelbare rechtliche Wirkung -
auch nicht in Bezug auf die Kläger als kommunale Gebietskörperschaften - zu.
Weiterhin sprechen auch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in
seinem Beschluss vom 12. Juni 2008 (- 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011) für die
Richtigkeit der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung zu dem Fall der
“Rücknahme“ der Meldung eines bereits in die Liste der GBB aufgenommenen
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Gebiets nämlich Folgendes festgestellt:
“Jedenfalls wenn - wie hier - ein Gebiet durch Entscheidung der EU-
Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung
aufgenommen worden (und damit ein “FFH-Gebiet“) ist, stellt sich eine - über
das Bundesumweltministerium an die EU-Kommission weitergeleitete -
Gebietsmeldung als ein in der Vergangenheit liegender vorbereitender
verwaltungsinterner Akt dar, der keine über mögliche Wirkungen der
Veröffentlichung der Kommissionsliste hinaus reichenden Rechtswirkungen
herbeiführt (vgl. Beschluss vom 7. April 2006 - BVerwG 4 B 58.05 - Buchholz
406.400 § 33 BNatSchG 2002 Nr. 1). Deshalb hat das
Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung die Frage, ob eine
derartige Meldung ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem
meldenden Land und einem betroffenen Grundstückseigentümer begründet,
verneint. Für die Frage, ob die Meldung ein verwaltungsinterner Akt ist, ist es
ohne Bedeutung, ob ein privater Grundstückseigentümer oder eine
Gemeinde, die einen Eingriff in ihre kommunale Planungshoheit geltend
macht, Klage erhoben hat. Deshalb ist auch die Klage einer Gemeinde
unzulässig, mit der sie beantragt festzustellen, dass der Beschluss einer
Landesregierung, ein Gebiet zu melden, rechtswidrig ist. Ebenso wie die
Meldung ist auch deren “Rücknahme“ lediglich ein verwaltungsinterner Akt.
Mit einem Klageantrag, ein Land zu verurteilen, der Europäischen
Kommission über das Bundesumweltministerium mitzuteilen, dass ein -
gemeldetes und von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete
von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommenes - Gebiet den Kriterien
der FFH-Richtlinie nicht genügt, wird somit die Verurteilung zur Vornahme
eines verwaltungsinternen Akts begehrt. Eine auf Vornahme eines
verwaltungsinternen Akts ohne Außenwirkung gerichtete allgemeine
Leistungsklage ist unzulässig.“
Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die Meldung bzw. die Rücknahme
der Meldung eines “FFH-Gebiets“, sondern um die Einvernehmenserteilung
nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie. Diese stellt aber ebenso wie die
Meldung eines FFH-Gebiets lediglich einen vorbereitenden, verwaltungsinternen
Mitwirkungsakt dar, der mangels Außenwirkung keine Rechte der Kläger
tangiert. Für die Frage, ob die Erteilung des Einvernehmens ein lediglich
verwaltungsinterner Akt ist, ist nach dem oben wieder gegebenen Beschluss
des Bundesverwaltungsgerichts ohne Bedeutung, dass die Kläger kommunale
Gebietskörperschaften sind, die einen Eingriff u. a. in ihre kommunale
Planungshoheit geltend machen.
Eine Außenwirkung der Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie lässt sich ferner nicht damit begründen, dass die
Mitgliedsstaaten die in der nationalen Liste nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie
vorgeschlagenen Gebiete nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom
11.9.2012 (Große Kammer) - C-43/10 -, NVwZ-RR 2013, 18, vom 14.9.2006,
“Bund Naturschutz in Bayern u.a.“ - C-244/05 -, und vom 13.1.2005, “Dragaggi
u.a.“ - C-117/03 -) von dem Zeitpunkt der Meldung an schützen müssen, indem
sie Schutzmaßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie
verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung,
die diesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren. Diese
“Vorwirkung“ wird nämlich schon durch die Vorlage der nationalen Liste in der
Phase 1 nach Art 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie und nicht durch die Erteilung des
Einvernehmens in der Phase 2 nach Art 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie ausgelöst. Das
Einvernehmen selbst hat daher keine derartige “Vorwirkung“. Doch selbst wenn
das Einvernehmen eine solche rechtliche Vorwirkung hätte, würde diese allein
die Mitgliedstaaten betreffen, keineswegs jedoch unmittelbare
Verhaltenspflichten für den einzelnen Bürger oder eine Gemeinde, die - wie
jedenfalls der Kläger zu 1. - nicht selbst als Naturschutzbehörde zur Ergreifung
der genannten Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, bzw. Rechtsbeziehungen
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diesen gegenüber begründen. Soweit der Kläger zu 2. als eine der unteren
Naturschutzbehörden, in deren Zuständigkeitsbereich mögliche
Schutzmaßnahmen fallen könnten, eventuell selbst für derartige
Schutzmaßnahmen zuständig ist (vgl. §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 NAGBNatSchG), fehlt es auch an der Außenwirkung, weil der Kläger zu
2. dabei lediglich innerhalb des übertragenen Wirkungskreises und damit im
staatlichen Innenbereich tätig werden würde (vgl. BVerwG, Urteil vom
14.12.1994 - 11 C 4/94 -, NVwZ 1995, 910). Auch unter dem Gesichtspunkt der
“Vorwirkung“ besteht daher keine Außenwirkung der Erteilung des
Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie.
Eine Außenwirkung des Einvernehmens lässt sich schließlich auch nicht damit
begründen, dass vor der Erteilung des Einvernehmens eine Anhörung oder
sonstige Beteiligung der Kläger auch im Hinblick auf ihre Planungshoheit
erfolgen müsse. Denn Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie sieht ein Anhörungs- oder
sonstiges Beteiligungsrecht der Kläger vor der Erteilung des Einvernehmens
nicht vor; ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus anderen
europarechtlichen Vorschriften.
Da die Erteilung des Einvernehmens nach alledem ein Verwaltungsinternum ist
und keine Rechtswirkungen gegenüber den Klägern entfaltet, kommt es im
vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich darauf an, welche materiellen
Belange bei der Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des
Einvernehmens zu berücksichtigen sind.
Im Übrigen weist der Senat zur Klarstellung aber darauf hin, dass Belange der
Kläger bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4
Abs. 2 Unterabs. 1 FFH- Richtlinie keine Berücksichtigung finden können. Der
EuGH hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2010 (“Stadt Papenburg gegen
Bundesrepublik Deutschland“ - C-226/08 -) entschieden, dass Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein
Einvernehmen zur Aufnahme eines oder mehrere Gebiete in einen von der
Kommission erstellten Entwurf einer Liste der GGB aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Zur Begründung hat er
ausgeführt:
“Wäre es den Mitgliedstaaten in der in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der
Habitatrichtlinie geregelten Phase des Einstufungsverfahrens erlaubt, ihr
Einvernehmen aus anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu
verweigern, gefährdete dies die Erreichung des in Art. 3 Abs. 1 der
Habitatrichtlinie angestrebten Ziels der Errichtung des Netzes Natura 2000,
das aus Gebieten besteht, die die natürlichen Lebensraumtypen des
Anhangs I der Richtlinie sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der
Richtlinie umfassen, und das den Fortbestand oder gegebenenfalls die
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser natürlichen
Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen
Verbreitungsgebiet gewährleisten muss. Dies wäre insbesondere der Fall,
wenn die Mitgliedstaaten ihr Einvernehmen aufgrund wirtschaftlicher,
gesellschaftlicher und kultureller Anforderungen sowie regionaler und örtlicher
Besonderheiten verweigern könnten, auf die Art. 2 Abs. 3 der Habitatrichtlinie
verweist, der im Übrigen, wie die Generalanwältin in Nr. 38 ihrer
Schlussanträge ausgeführt hat, keine eigenständige Abweichung von der
durch diese Richtlinie aufgestellten allgemeinen Schutzregelung darstellt.“
Darf der Mitgliedstaat sein Einvernehmen demnach aber nur aus
naturschutzfachlichen Gründen verweigern, sind bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens Belange oder Rechte der Kläger wie etwa ihr in
Art. 28 Abs. 2 GG geschütztes Selbstverwaltungsrecht einschließlich des von
ihnen geltend gemachten Rechts auf Anhörung und Beachtung ihrer
kommunalen Belange nicht zu berücksichtigen. Ein Recht auf gerechte
Abwägung ihrer Belange können die Kläger im Übrigen auch ohnehin gar nicht
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für sich in Anspruch nehmen. Das Abwägungsgebot folgt aus dem Wesen einer
rechtsstaatlichen Planung, dient der Lösung der in der räumlichen Umgebung
eines Vorhabens auftretenden Probleme und Interessenkonflikte und begrenzt
die planerische Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.6.2000 - 11 C
13.99 -, BVerwGE 111, 276). Die hier streitige Erteilung des Einvernehmens
stellt jedoch keine Planungsentscheidung im Rahmen einer staatlichen
Planungsaufgabe dar, sondern die Mitwirkung bei der Vorbereitung einer
Entscheidung der Kommission.
Der hier vertretenen Rechtsauffassung, dass bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens nur naturschutzfachliche Gründe zu
berücksichtigen sind, können die Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass
es durchaus denkbar sei, dass das europäische Recht bei ausschließlicher
Anwendung der Kriterien aus dem Anhang III, Phase 2, Nr. 2 FFH-Richtlinie
sowohl die Erteilung als auch die Versagung des Einvernehmens erlaube, und
dass in einem solchen Fall, in dem das Gemeinschaftsrecht der nationalen
Behörde keine eindeutige Vorgabe mache, sondern einen
Entscheidungsfreiraum einräume, verfassungsrechtliche Bindungen zum
Tragen kommen müssten, so dass die Beklagte nicht ohne Berücksichtigung
der Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 GG über die
Einvernehmenserteilung entscheiden dürfe. Denn der EuGH hat in seinem Urteil
vom 14. Januar 2010 (C-226/08) eindeutig festgestellt, dass Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein
Einvernehmen zur Aufnahme eines oder mehrere Gebiete in einen von der
Kommission erstellten Entwurf einer Liste der GGB aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Die Berücksichtigung von
beispielsweise wirtschaftlichen und kommunalen Belangen (einschließlich der
Interessen der Kläger), also anderen als naturschutzfachlichen Gründen, kommt
daher bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens entgegen
der Auffassung der Kläger bei keiner möglichen Entscheidungskonstellation in
Betracht. Die Beklagte hat nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie
entweder das Einvernehmen zu erteilen oder dieses zu verweigern, darf sich
dabei aber nach der o. a. Entscheidung des EuGH ausschließlich auf
naturschutzfachliche Gründe stützen, wobei es ohne Belang ist, ob ihr hierbei
ein - naturschutzfachlicher - Beurteilungsspielraum zukommt.
Die Erteilung des Einvernehmens hat für die Kläger schließlich auch keine
mittelbaren faktischen Folgen, die geeignet sein könnten, eine Rechtsverletzung
im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, insbesondere eine Verletzung des
Selbstverwaltungsrechts der Kläger aus Art. 28 Abs. 2 GG zu begründen. In der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass auch die
von einem schlicht-hoheitlichen staatlichen Handeln ausgehende bloße
tatsächliche und mittelbare Betroffenheit eines Grundrechtsträgers einen
Grundrechtseingriff bedeuten und eine solche mittelbar-faktische
Grundrechtsbeeinträchtigung abgewehrt werden kann, wenn sie besonders
schwerwiegend ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27.3.1992 - 7 C 21.90 -, BVerwGE
90, 112, 121, und 18.10.1990 - 3 C 2.88 -, BVerwGE 87, 37, 42 m.w.N.). Der
Senat lässt dahinstehen, ob diese Erwägungen auch auf den vorliegenden Fall
der Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie
übertragen werden können. Denn selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, läge
ein solcher Fall hier im Hinblick auf das von den Klägern geltend gemachte
Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG jedoch nicht vor. Zunächst führt
die Erteilung des Einvernehmens durch den Mitgliedstaat nicht automatisch
dazu, dass das Gebiet in die Liste der GGB endgültig aufgenommen wird. Das
Einvernehmen ist zwar eine der Voraussetzungen dafür, dass ein Gebiet in den
Entwurf der Liste aufgenommen wird. Die Kommission kann sich aufgrund des
ihr zustehenden eigenen Beurteilungsspielraums aber gegen die Aufnahme des
Gebiets in die endgültige Liste entscheiden (EuGH, Urteil vom 13.1.2005,
“Dragaggi u.a.“ - C-117/03 - Rn. 24). Außerdem kann auch das weitere
Verfahren nach Art. 21 FFH-Richtlinie dazu führen, dass ein von der
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Kommission in den Entwurf der Liste aufgenommenes Gebiet nicht in der
endgültigen Liste der GGB enthalten ist, da der Ausschuss nach Art. 20 FFH-
Richtlinie von der Kommission zu beteiligen ist und die Kommission ohne eine
befürwortende Stellungnahme des Ausschusses die beabsichtigte Maßnahme
gemäß Art. 13 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. b und Art. 5 Abs.
2 und 3 Satz 1 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 nicht erlassen kann. Darüber
hinaus ist zu bedenken, dass die in die Liste aufgenommenen Gebiete nach Art.
4 Abs. 4 und 5 FFH-Richtlinie zwar vom Mitgliedstaat so schnell wie möglich -
spätestens binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet auszuweisen
sind und den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 FFH-Richtlinie
unterliegen. Wie sich diese Regelungen und die zu ihrer Umsetzung
ergehenden nationalen Regelungen im Einzelnen auf das
Selbstverwaltungsrecht der Kläger aus Art. 28 Abs. 2 GG auswirken, lässt sich
unabhängig von der Frage, ob der Kläger zu 2. insoweit möglicherweise selbst
als untere Naturschutzbehörde tätig werden wird, nicht im Voraus feststellen und
auch nicht abstrakt bestimmen. Denn es kann weder allgemein festgestellt
werden, welche konkreten Schutzmaßnahmen aufgrund der Aufnahme in die
Gemeinschaftsliste überhaupt getroffen werden noch wie sich solche
Schutzmaßnahmen auf das Selbstverwaltungsrecht der Kläger aus Art. 28 Abs.
2 GG und insbesondere ihre Planungshoheit auswirken werden. Durch die
Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste werden die darin zulässigen
Nutzungen nicht endgültig festgelegt. Den örtlichen Naturschutzbehörden
verbleibt vielmehr ein weites Spektrum an Maßnahmen zur Sicherung der
Schutzziele und deren Konkretisierung durch gebietsspezifische Ge- und
Verbote insbesondere im Hinblick auf situationsgebundene Gefährdungen und
Störungspotenziale. Das Gericht erster Instanz der Europäischen
Gemeinschaften hat in seinem Beschluss vom 22. Juni 2006 in der
Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und Rechtlerverband Pfronten
gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften“ (T-136/04) ausdrücklich
hervorgehoben, dass die FFH-Richtlinie “den Mitgliedstaat hinsichtlich des zu
erreichenden Zieles bindet, den einzelstaatlichen Behörden aber die
Zuständigkeit belässt, was die zu treffenden Erhaltungsmaßnahmen und die
einzuhaltenden Genehmigungsverfahren angeht.“ Welche Maßnahmen von den
nationalen Naturschutzbehörden im Einzelnen getroffen werden, wird häufig von
deren Beurteilungen und Zweckmäßigkeitserwägungen abhängen. Dies gilt
auch im Hinblick auf die Dispensmöglichkeiten nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie,
§§ 33 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG. Zudem ist durch die FFH-
Richtlinie keine bestimmte Handlungsform zur Gewährleistung des notwendigen
Schutzes vorgegeben. Der Schutz muss auch gar nicht zwingend durch
einseitige hoheitliche Maßnahmen, insbesondere durch Erklärung des
betroffenen Gebiets mit gemeinschaftlicher Bedeutung zu einem geschützten
Teil von Natur und Landschaft nach §§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG erfolgen.
Vielmehr lässt § 32 Abs. 4 BNatSchG in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 4 i.V.m.
Art. 1 Buchst. l FFH-Richtlinie ausdrücklich auch vertragliche Vereinbarungen
zu, soweit dadurch ein gleichwertiger Schutz gewährleistet wird. Es versteht sich
von selbst, dass Rechte nicht verletzt werden, wenn es zum einvernehmlichen
Abschluss einer Vereinbarung zum Gebietsschutz mit betroffenen Rechtsträgern
kommt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.3.2006 - 8 LA 140/02 -).
Mittelbar faktische Folgen der Erteilung des Einvernehmens ergeben sich auch
nicht daraus, dass die Mitgliedstaaten die Gebiete nach der Rechtsprechung
des EuGH (Urteile vom 11.9.2012 (Große Kammer) - C-43/10 -, NVwZ-RR 2013,
18, vom 14.9.2006, “Bund Naturschutz in Bayern u.a.“ - C-244/05 -, und vom
13.1.2005, “Dragaggi u.a.“ - C-117/03-) schon vor der Festlegung der Liste der
GGB nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-Richtlinie von dem Moment an
schützen müssen, in dem sie die Gebiete nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie in
der der Kommission zugeleiteten nationalen Liste vorschlagen. Denn die
genannte “Vorwirkung“ wird - wie oben ausgeführt - schon durch die Vorlage der
nationalen Liste in der Phase 1 nach Art 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie und nicht durch
die Erteilung des Einvernehmens in der Phase 2 nach Art 4 Abs. 2 FFH-
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Richtlinie ausgelöst. Das Einvernehmen selbst hat keine derartige “Vorwirkung“
und daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine mittelbar-faktische Folgen,
die geeignet sein könnten, eine Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2
VwGO zu begründen. Im Übrigen gilt hinsichtlich dieser Vorwirkung erst recht,
dass den nationalen Naturschutzbehörden ein weites Spektrum an Maßnahmen
zur Sicherung der Erhaltungsziele durch gebietsspezifische Ge- und Verbote
insbesondere im Hinblick auf situationsgebundene Gefährdungen und
Störungspotenziale verbleibt und daher unabhängig von der Frage, ob der
Kläger zu 2. selbst möglicherweise als untere Naturschutzbehörde tätig werden
wird, keineswegs absehbar ist, welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen
werden. Auch insoweit lässt sich daher nicht im Voraus feststellen und auch
nicht abstrakt bestimmen, ob überhaupt und gegebenenfalls wie sich solche
eventuellen Schutzmaßnahmen im Einzelnen auf das Selbstverwaltungsrecht
der Kläger aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und insbesondere ihre Planungshoheit
auswirken. Auch kann nicht festgestellt werden, dass sich aus dieser die
Mitgliedstaaten verpflichtenden “Vorwirkung“ der nach Art. 4 Abs. 1 FFH-
Richtlinie der Kommission zugeleiteten nationalen Liste unmittelbare
Verhaltenspflichten für den einzelnen Bürger oder eine Gemeinde, die - wie
jedenfalls der Kläger zu 1. - nicht selbst als Naturschutzbehörde zur Ergreifung
der genannten Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, bzw. Rechtsbeziehungen
diesen gegenüber ergeben.
2. Unabhängig von den Ausführungen zu 1. ist die Klage auch deshalb
unzulässig, weil den Klägern ein besonderes schützenswertes Interesse gerade
an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes fehlt.
Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachträglicher Rechtsschutz. Das
folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der der Gerichtsbarkeit nur die
Kontrolle der Verwaltungstätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet,
bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung
einzugreifen (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35/07 -, BVerwGE 132, 64).
Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt daher ein System nachgängigen - ggf.
einstweiligen - Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur
Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich
ausreicht (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35/07 -, BVerwGE 132, 64).
Vorbeugende Klagen sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes
schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden
Rechtsschutzes besteht, wenn also mit anderen Worten der Verweis auf den
nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen
verbunden wäre (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35.07 -, BVerwGE 132,
64, Beschluss vom 12.6.2008 - 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011, Urteil vom
7.5.1987 - 3 C 53.85 -, BVerwGE 77, 207, und Urteil vom 29.7.1977 - 4 C 51.75 -
, BVerwGE 54, 211).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Kläger können
zumutbarerweise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als
angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz
verwiesen werden, weil ihnen in ausreichendem Umfang nachträglicher
Rechtsschutz - auch nachträglicher vorläufiger Rechtsschutz - zur Verfügung
steht.
Die Kläger können nachträglichen Rechtsschutz gegen eventuelle der
Aufstellung der Liste der GGB nachfolgende nationale Umsetzungsakte anderer
Behörden zum Schutz der in der Liste aufgenommenen Gebiete in Anspruch
nehmen, der auch die Prüfung der Gültigkeit der Liste der GGB einschließt.
Gegen die Unterschutzstellung der Gebiete durch andere Naturschutzbehörden
nach §§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG ist die Normenkontrolle gemäß § 47
VwGO i.V.m. § 7 Nds. AG VwGO und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom
7.4.2006 - 4 B 58.05 -; OVG Bremen, Urteil vom 31.5.2005 - 1 A 346/02 -, NuR
64
2005, 654). Ebenso stünde den Klägern der Rechtsweg offen, wenn die
Aufnahme des Gebiets Unter- und Außenems in die Liste der GGB zu einer
sonstigen sie belastenden Einzelmaßnahme anderer Naturschutzbehörden
bzw. zur Ablehnung eines Antrages gemäß §§ 3 Abs. 2, 33 Abs. 1, 34 Abs. 3 bis
5 BNatSchG, 2 NNatG bzw. Art. 4 Abs. 5, 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie führen
würde; die Kläger können in diesen Fällen auch um vorläufigen Rechtsschutz
nachsuchen. Zudem ist anerkannt, dass im Rahmen solcher
verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Falle der Entscheidungserheblichkeit über
die Prüfung der streitgegenständlichen Maßnahme nach Maßgabe der
nationalen naturschutzrechtlichen Bestimmungen hinaus auch zu klären ist, ob
die betreffende nationale Umsetzungsmaßnahme mit dem nationalen
Verfassungsrecht und der FFH-Richtlinie und die Aufnahme des Gebiets in die
Gemeinschaftsliste mit den Bestimmungen der FFH-Richtlinie und
höherrangigem Unionsrecht zu vereinbaren ist (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom
29.9.2006 - 8 LC 217/04 - und 21.3.2006 - 8 LA 150/02 - m.w.N.; OVG Bremen,
Urteil vom 31.5.2005 - 1 A 346/02 -, NuR 2005, 654; OVG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 14.5.2003 - 8 A 4229/01 -, NuR 2003, 706). Das Verwaltungsgericht
hat dabei nicht nur die Rechtmäßigkeit der Listung unter formellen
Gesichtspunkten, sondern auch die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlich nach
Art. 4 i.V.m. den Anhängen I bis III FFH-Richtlinie vorgegebenen Maßstäbe und
damit die naturschutzfachliche Bewertung zu prüfen. Weiterhin ist vom
Verwaltungsgericht zu klären, ob die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste mit
sonstigem höherrangigem europäischem Recht zu vereinbaren ist. Letzteres
beinhaltet auch eine Prüfung anhand der europarechtlich geschützten
Grundrechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2005 - 7 C 26.04 -, BVerwGE 124,
47) und der Achtungspflicht des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV. Gelangt das
Verwaltungsgericht im Rahmen eines solchen Rechtsstreits zu der
Überzeugung, dass die Aufnahme des betroffenen Gebietes in die
Gemeinschaftsliste mit der FFH-Richtlinie und/oder höherrangigen
europarechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist, so kann es die
Kommissionsentscheidung zwar nicht selbst verwerfen, weil nach Art. 267
Buchst. b AEUV (vormals 234 Abs. 1 Buchst. b EGV) der EuGH im Wege der
Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der
Organe der Gemeinschaft und damit auch über die Gültigkeit der von der
Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-Richtlinie festgelegten Liste der
GGB entscheidet. Das Verwaltungsgericht kann dann jedoch die Frage nach der
Wirksamkeit der Listung des betreffenden Gebiets dem EuGH im
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EGV)
vorlegen und ist hierzu sogar verpflichtet, wenn seine Entscheidung selbst nicht
mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann.
Streitgegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Buchst. b
AEUV ist die “Gültigkeit“ und damit die Rechtmäßigkeit der Entscheidung
(Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 267 AEUV Rn. 23). Diese
Gültigkeitsprüfung entspricht einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle der
betreffenden Rechtshandlung des EU-Organs (Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6.
Auflage 2012, Art. 267 AEUV Rn. 11). Dies befugt und verpflichtet den EuGH zur
vollständigen sachlichen Überprüfung, ob das betreffende Gebiet zu Recht auf
der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang III (Phase 2) und Art. 2 FFH-
Richtlinie in die Liste der GGB aufgenommen worden ist (OVG Schleswig,
Beschluss vom 26.4.2002 - 1 L 162/01 -, NordÖR 2002, 317). Während eines
Vorabentscheidungsverfahrens bleiben im Übrigen die nationalen Gerichte
befugt, unter den vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen Eilrechtsschutz zu
gewähren (EuGH, Urteile vom 9.11.1995 - C-465/93 -, DVBl. 1996, 247, und
21.2.1991 - C-143/88, C-92/89 -, DVBl. 1991, 480).
Damit ist sowohl für den Kläger zu 1. als auch für den Kläger zu 2. effektiver
nachträglicher Rechtsschutz gegen nationale Umsetzungsakte anderer
Behörden zum Schutz der in die Liste der GGB aufgenommenen Gebiete
gewährleistet.
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Effektiver nachträglicher Rechtsschutz steht dem Kläger zu 2. aber auch dann
zur Verfügung, wenn er als eine der unteren Naturschutzbehörden, in deren
Zuständigkeit die der Aufstellung der Liste der GGB nachfolgenden nationalen
Umsetzungsakte zum Schutz der in die Liste aufgenommenen Gebiete fallen
könnten, nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 NAGBNatSchG
selbst für die betreffenden Schutzmaßnahmen zuständig sein sollte. Gelangt der
Kläger zu 2. nämlich zu der Auffassung, dass die Liste der GGB wegen
Verstoßes gegen höherrangiges Recht ungültig ist, soweit sie das Gebiet
Unterems und Außenems einschließt, unterlässt er deshalb Umsetzungsakte
zum Schutz dieses Gebiets und erhält er daraufhin eine fachaufsichtliche
Weisung der oberen Naturschutzbehörde, die nach § 32 Abs. 1 Satz 1
NAGBNatSchG die Fachaufsicht über die untere Naturschutzbehörde ausübt,
mit dem Inhalt, bestimmte Umsetzungsakte vorzunehmen, kann er gegen diese
Weisung klagen, sofern diese in sein Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2
GG übergreift, etwa weil eine Anordnung, das Gebiet Unterems und Außenems
als Schutzgebiet auszuweisen und/oder andere Schutzmaßnahmen zu
ergreifen, die Planungshoheit des Klägers zu 2. beeinträchtigt (vgl. BVerwG,
Urteil vom 14.12.1994 - 11 C 4.94 -, NVwZ 1995, 910; Bayerischer VGH, Urteil
vom 13.8.2001 - 11 B 98.1058 -, BayVBl 2002, 336). Das angerufene Gericht
hätte dann zu prüfen, ob die fachaufsichtliche Weisung zu Recht erfolgt ist, was
die Gültigkeit der Liste der GGB in Bezug auf das Gebiet Unterems und
Außenems voraussetzt. Folglich wäre die Gültigkeit der Liste der GGB im
Klageverfahren gegen eine fachaufsichtliche Weisung ebenso wie im Rahmen
von Klagen gegen nationale Umsetzungsakte zum Schutz der in die Liste
aufgenommenen Gebiete zu prüfen.
Damit ist effektiver nachträglicher Rechtsschutz gewährleistet, so dass für den
von den Klägern begehrten vorbeugenden Rechtsschutz kein besonderes
schützenswertes Rechtsschutzinteresse besteht.
Dieser Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass eine Überprüfung der Liste
der GGB als sekundäres Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht am Maßstab
des deutschen Rechts einschließlich der Grundrechte des Grundgesetzes
stattfindet und Grundrechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof und
nicht das Bundesverfassungsgericht gewährt wird (vgl. dazu BVerfG, Beschluss
vom 7.6.2000 - 2 BvL 1/97 -, BVerfGE 102, 147; BVerwG, Urteil vom 30.6.2005 -
7 C 26.04 -, BVerwGE 124, 47). Denn dieser Umstand stellt keinen
hinreichenden Grund dafür dar, den gerichtlichen Rechtsschutz auf
Mitwirkungsakte der Bundesregierung vorzuverlagern, weil der
Grundrechtsschutz im Hoheitsbereich der Europäischen Union nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach Konzeption, Inhalt und
Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen
gleich zu erachten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.2003 - 1 BvR 2075/03
-, NVwZ 2004, 208, Beschluss vom 7.6.2000 - 2 BvL 1/97 -, BVerfGE 102, 147,
Urteil vom 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92 -, BVerfGE 89,155, und
Beschluss vom 22.10.1986 - 2 BvR 197/83 -, BVerfGE 73, 339) und damit keine
Rechtsschutzlücke besteht, die eine derartige Vorverlagerung des
Rechtsschutzes rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2003 - 1
BvR 2075/03 -, NVwZ 2004, 208). Entsprechendes gilt für das von den Klägern
geltend gemachte kommunale Selbstverwaltungsrecht. Denn nach Art. 4 Abs. 2
Satz 1 EUV achtet die Union die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den
Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden
politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen
und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Demnach verpflichtet Art. 4
Abs. 2 Satz 1 EUV auch zur Achtung der kommunalen Selbstverwaltung als Teil
der nationalen Identität des Mitgliedstaats (Vedder / Heintschel von Heinegg,
Europäisches Unionsrecht, 1. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 11). Zwar kann dem
keine eigenständige unionsrechtliche Garantie der regionalen und kommunalen
Selbstverwaltung entnommen werden, doch wird durch Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV
die nationalverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung,
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wie beispielsweise in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, gegen unionsrechtliche
Übergriffe abgesichert (Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches
Unionsrecht, 1. Aufl. 2012, Art. 4 EUV Rn. 11; Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012,
Art. 4 EUV Rn. 15 f.). Die Einhaltung der Achtungspflicht des Art. 4 Abs. 2 Satz 1
EUV unterliegt der Kontrolle durch den EuGH (Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012,
Art. 4 EUV Rn. 19).
Eine andere Beurteilung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Kläger ergibt sich
auch nicht aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache “Dragaggi“ (C-117/03)
vom 13. Januar 2005. Zwar hat sich der EuGH in diesem Urteil nicht zu einer
Prüfungspflicht des Gerichtshofs in Bezug auf die von der Kommission
aufgestellte Liste der GGB geäußert. Daraus kann aber nicht geschlossen
werden, dass der EuGH eine solche Prüfungspflicht verneint. Abgesehen davon
ist dem Urteil des EuGH zu entnehmen, dass die Kommission nicht nur
berechtigt, sondern auch verpflichtet ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der
FFH-Richtlinie für die Aufnahme der von den Mitgliedstaaten gemeldeten
Gebiete in die Liste der GGB vorliegen. Der EuGH hat in der genannten
Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, wenn die Kommission
daran gehindert wäre, die Nichtaufnahme eines von einem Mitgliedstaat
gemeldeten Gebiets in den Entwurf der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung in Betracht zu ziehen, obwohl das Gebiet nach ihrer Ansicht keine
prioritären natürlichen Lebensraumtypen oder prioritären natürlichen Arten
beherbergt, dies gegen Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 2 Nr. 1
FFH-Richtlinie verstoßen würde. Da die Kommission ihre Entscheidung über die
Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste aufgrund von Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 2 FFH-Richtlinie trifft, ist sie demnach nicht
nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die darin festgelegten
Voraussetzungen zu überprüfen. Folglich ist geklärt, dass die Kommission auch
die Gebiete mit prioritären Bestandteilen einer eigenständigen Prüfung
unterzieht und insoweit nicht an die Vorschläge der Mitgliedstaaten gebunden
ist. Für die sonstigen von den Mitgliedstaaten gemeldeten Gebiete ergibt sich
ohnehin aus den Kriterien des Anhangs III Phase 2 Nr. 2 FFH-Richtlinie, die die
Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie bei der Erstellung der
Liste zu beachten hat, dass die Kommission anhand der dort festgelegten
Kriterien eine Auswahlentscheidung zu treffen hat.
Des Weiteren ist dem Urteil des EuGH vom 23. April 2009 in der Rechtssache
„Sahlstedt u. a. / Kommission“ (C-362/06) ohne Weiteres zu entnehmen, dass
der EuGH in einem entsprechenden Vorlageverfahren auch die Gültigkeit der
von der Kommission aufgestellten Liste der GGB prüfen wird. So hat der EuGH
in dieser Entscheidung betont, dass die Feststellung des Gerichts erster Instanz,
dass die Anträge der Kläger auf Nichtigerklärung der Entscheidung der
Kommission (Aufstellung der Liste der GGB) als unzulässig zurückzuweisen
seien, keiner Rechtsverweigerung gleichkomme. Der Einzelne müsse die
Möglichkeit haben, effektiven gerichtlichen Schutz seiner Rechte in Anspruch zu
nehmen; dies ergebe sich aus der Gemeinschaftsrechtsordnung. Natürliche und
juristische Personen könnten aber die Rechtswidrigkeit jeder nationalen
Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der eine Gemeinschaftshandlung
wie die hier streitige auf sie angewandt werde, gerichtlich geltend machen,
indem sie sich auf die Ungültigkeit dieser Handlung berufen und die nationalen
Gerichte dadurch veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen. Aus diesen Ausführungen des EuGH ergibt
sich nicht nur, dass die Anrufung der nationalen Gerichte gegen eventuelle der
Aufstellung der Liste der GGB nachfolgende nationale Umsetzungsakte zum
Schutz der in die Liste aufgenommenen Gebiete in Verbindung mit dem
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ausreichenden und
effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Aus ihnen ist vielmehr auch unschwer
herzuleiten, dass der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren bei
entsprechenden Vorlagefragen die Gültigkeit der Maßnahmen der Kommission
eingehend prüfen wird, weil ansonsten ein effektiver Rechtsschutz von Klägern,
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die sich auf die Ungültigkeit der Maßnahmen der Kommission berufen und die
nationalen Gerichte dadurch veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen, nicht gewährleistet wäre.
Bei dieser Prüfung im Vorlageverfahren handelt es sich auch nicht lediglich um
eine rudimentäre Überprüfung der Auswahlwürdigkeit des Gebiets durch den
EuGH gemessen an den Kriterien der FFH-Richtlinie. Denn die Entscheidung
über die Gültigkeit der Liste der GGB nach Art. 267 AEUV setzt eine eingehende
Prüfung der Liste voraus. Schließlich kann auch nicht angenommen werden,
dass nachgelagerter Rechtsschutz nicht ausreichend ist, weil davon
auszugehen ist, dass wegen des gestuften Verfahrens zur Ausweisung der
FFH-Gebiete in jedem einzelnen Verfahrensstadium den jeweiligen Institutionen
weitreichende Beurteilungsspielräume zugestanden werden, so dass am Ende
allenfalls eine bloße Unvertretbarkeitskontrolle erfolgt. Sollte nämlich der
Kommission bei der Erstellung der Liste der GGB - auf die Institutionen in den
vorherigen Verfahrensstadien kommt es nicht an, da die Kommission selbst zur
Prüfung der Schutzwürdigkeit der Gebiete verpflichtet ist - nach der FFH-
Richtlinie oder anderen europarechtlichen Rechtssätzen ein
Beurteilungsspielraum zustehen, müssten die Kläger dies hinnehmen, ohne
geltend machen zu können, dadurch werde ihnen effektiver Rechtsschutz
versagt. Im Übrigen ist es auch nach deutschem Recht nicht ungewöhnlich,
dass einer Behörde ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht, ohne
dass dadurch die Gewährung effektiven Rechtsschutzes der von der
Entscheidung der Behörde Betroffenen in Frage gestellt wird.
Nach alledem kann hier durch nachgelagerten Rechtschutz umfassender und
effektiver Rechtsschutz, der auch die Überprüfung der
Gemeinschaftshandlungen, wie die Aufstellung der Liste der GGB nach Art. 4
Abs. 2 FFH-Richtlinie, einschließt, gewährt werden. Für den von den Klägern
begehrten vorbeugenden Rechtsschutz besteht daher nicht das erforderliche
besondere Rechtsschutzinteresse.
II.
Der Hilfsantrag der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, das Einvernehmen
gegenüber der Europäischen Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1
FFH-Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4
Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems nicht ohne
ihre vorherige förmliche Anhörung, die Berücksichtigung ihres kommunalen
Selbstverwaltungsrechts und ihrer insoweit zu berücksichtigenden Belange zu
erteilen, ist ebenfalls unzulässig.
Auch der Hilfsantrag ist sinngemäß auf ein Unterlassen der Beklagten gerichtet,
nämlich die Erteilung des Einvernehmens gegenüber der Europäischen
Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie im Hinblick auf das
durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete
Gebiet Unterems und Außenems zu unterlassen, solange die Kläger nicht
vorher förmlich angehört worden sind und ihr kommunales
Selbstverwaltungsrecht einschließlich ihrer insoweit zu beachtenden Belange
berücksichtigt worden ist.
1. Auch hinsichtlich dieses Antrags fehlt eine Klagebefugnis der Kläger analog §
42 Abs. 2 VwGO. Auch insoweit besteht nämlich offensichtlich und eindeutig
nach jeder Betrachtungsweise kein Recht der Kläger, das durch eine
Einvernehmenserteilung gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie ohne
eine vorherige Anhörung der Kläger und die Berücksichtigung ihrer kommunalen
Belange verletzt werden könnte. Denn weil die Einvernehmenserteilung als bloß
verwaltungsinterner Mitwirkungsakt der Bundesrepublik Deutschland gegenüber
der Europäischen Kommission nach dem oben Gesagten auch im Verhältnis zu
den Klägern als kommunale Gebietskörperschaften keine Außenwirkung
entfaltet und mithin unter keinem Gesichtspunkt in ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG
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geschütztes kommunales Selbstverwaltungsrecht eingreift, kann dieses Recht
auch nicht durch eine Einvernehmenserteilung ohne eine vorherige Anhörung
der Kläger und die Berücksichtigung ihrer kommunalen Belange verletzt werden.
Im Übrigen kommt die Verletzung eines Anhörungs- oder sonstiges
Beteiligungsrechts vor der Erteilung des Einvernehmens auch deshalb nicht in
Betracht, weil Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie eine Anhörung oder sonstige
Beteiligung Dritter vor der Erteilung des Einvernehmens nicht vorsieht; ein
solches Recht ergibt sich nicht aus anderen europarechtlichen Vorschriften. Ein
Anhörungs- oder Beteiligungsrecht lässt sich im Übrigen auch nicht aus der Art
der Belange, die bei der Erteilung des Einvernehmens zu berücksichtigen sind,
herleiten. Denn da die Erteilung des Einvernehmens nach der Rechtsprechung
des EuGH (Urteil vom 14.1.2010 - C-226/08 -) nur aus naturschutzfachlichen
Gründen verweigert werden darf, besteht kein Grund für ein Anhörungs- oder
sonstiges Beteiligungsrecht der Kläger.
2. Den Klägern fehlt ferner auch hinsichtlich ihres Hilfsantrags das für eine
vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche besonders schützenswerte
Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes.
Denn soweit die Kläger durch eventuelle der Aufstellung der Liste der GGB
nachfolgende nationale Umsetzungsakte anderer Behörden zum Schutz der in
der Liste aufgenommenen Gebiete bzw. der Kläger zu 2. als untere
Naturschutzbehörde durch eine Anordnung der Fachaufsichtsbehörde, derartige
Schutzmaßnahmen zu ergreifen, in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht
aus Art. 28 Abs. 2 GG bzw. in einem aus ihrem kommunalen
Selbstverwaltungsrecht folgenden Anhörungs- bzw. Beteiligungsrecht verletzt
werden sollten, stünde ihnen dagegen nach dem oben Gesagten (siehe hierzu
die Ausführungen unter I. 2.) ausreichender nachträglicher Rechtsschutz zur
Verfügung. Ihr Hilfsantrag ist deshalb auch aus diesem Grunde unzulässig.
Da die Klage demnach bereits sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem
Hilfsantrag unzulässig ist, kommt es auf die Ausführungen der Beteiligten zur
Begründetheit der Klage nicht an.