Urteil des OVG Niedersachsen vom 07.07.2014
OVG Lüneburg: altes recht, quelle, meinung, gewässer, grundstück, öffentlich, wild, austritt, beweisregel, erlöschen
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Entnahme von Wasser in einem Quellhäuschen
aufgrund behaupteten alten Rechts
1. Die Ableitung von Wasser in einem Quellhäuschen erfüllt je nach
konkreter Ausgestaltung entweder den Benutzungstatbestand des § 9 Abs.
1 Nr. 1 WHG oder den des § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG.
2. Auch ein auf der Grundlage des Instituts der unvordenklichen Verjährung
vermutetes Recht zur Wasserbenutzung bedarf der Aufrechterhaltung durch
eine irgendwie geartete öffentlich rechtliche Überprüfung und unterliegt der
Regelung durch später geschaffene Erlöschensvorschriften.
OVG Lüneburg 13. Senat, Beschluss vom 07.07.2014, 13 LA 203/13
§ 32 Abs 1 WasG ND, § 379 PrWG, § 20 Abs 1 WHG, § 9 Abs 1 WHG
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 25. Juni 2013 wird
abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000
Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt u.a. die Feststellung, dass er ohne Erteilung einer
Erlaubnis oder Bewilligung u.a. zur Entnahme von Quellwasser aus einem
nicht auf seinem Grundstück stehenden Quellhäuschen sowie zum Transport
des Wassers zu und dessen Benutzung auf seinem Grundstück, auf dem sich
ein altes Forsthaus befindet, berechtigt sei. Zur Begründung trägt er vor, diese
Handlungen stellten keine erlaubnis- bzw. bewilligungspflichtige Benutzung im
Sinne des § 9 Abs. 1 WHG dar. Zudem stehe ihm unter dem Gesichtspunkt
der unvordenklichen Verjährung ein entsprechendes Nutzungsrecht zu. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der
Kläger mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus,
dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt
ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und
Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des
Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte
Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen
zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden,
welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer
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unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise
erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR
378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR
382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR
2125/97 -, jeweils zit. nach juris). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins
Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den
jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich
mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen
Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.
1.) Eine Zulassung der Berufung im Hinblick auf die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts über die vom Kläger bestrittene Erforderlichkeit einer
Erlaubnis oder Bewilligung für die von ihm beabsichtigte Gewässernutzung
kommt nicht in Betracht.
Der in diesem Zusammenhang zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund
der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts
(§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a
Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann
bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das
ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder
eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in
Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl.
2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris). Ist das Urteil
auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich
aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-
Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl. § 124a Rdnr. 82).
Nach diesen Grundsätzen lassen sich dem klägerischen Vorbringen keine
Gesichtspunkte entnehmen, die ernstliche Zweifel an der erstinstanzlich
angenommenen Erlaubnis- bzw. Bewilligungspflicht begründen könnten.
Nach § 8 Abs. 1 WHG bedarf die Benutzung eines Gewässers grundsätzlich
einer Erlaubnis oder Bewilligung. Das Verwaltungsgericht begründet dieses
Erfordernis im vorliegenden Fall damit, dass die Handlungen, die der Kläger
vornehmen wolle, den Tatbestand des Entnehmens und Ableitens von Wasser
aus oberirdischen Gewässern und damit den Benutzungstatbestand des § 9
Abs. 1 Nr. 1 WHG erfülle. Dem tritt der Kläger im Zulassungsverfahren mit
umfangreichen Ausführungen entgegen. Das Verwaltungsgericht hat
allerdings zugleich festgestellt, dass selbst dann, wenn man der Auffassung
des Klägers folge, die Quelle sei im Quellhäuschen noch nicht zutage getreten,
mithin nicht als oberirdisches Gewässer anzusehen, der
Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG (Entnehmen, Zutagefördern,
Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser) erfüllt sei. Dieser selbständig
tragenden Begründung ist der Kläger im Rahmen der Begründung seines
Zulassungsantrages nicht entgegengetreten. Die erstinstanzlich vertretene
Auffassung (Bl. 10 der GA), dass nicht wild abfließendes Quellwasser weder
oberirdisches noch Grundwasser sei, die nach Kenntnis des Senats in
Rechtsprechung und Literatur bislang keine Verbreitung gefunden hat (vgl.
Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 142;
Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 3 Rdnr. 33; Faßbender in
Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 WHG, Rdnr. 26, Loseblatt, Stand
Dezember 2011; jew. m.w.N.), hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht
wiederholt. Damit hat er sich mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts
nicht hinreichend auseinandergesetzt und ernstliche Zweifel an dessen
Entscheidung schon nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
Unabhängig davon bestehen derartige Zweifel auch in der Sache nicht. Es
spricht bereits vieles dafür, dass die Quelle im Quellhäuschen zutage tritt, die
beabsichtigte Nutzung mithin ein Entnehmen und Ableiten aus einem
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oberirdischen Gewässer im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 WHG darstellt. So steht
es dem Austritt an der Erdoberfläche gleich, wenn das Wasser in begehbaren
Bergwerksstollen, in einer Höhle oder in einem Keller zutage tritt (vgl.
Czychowski/Reinhardt, a.a.O., Rdnr. 32 m.w.N.; enger: Faßbender, a.a.O.,
Rdnr. 25). Nichts anderes gilt für den Austritt in einem Quellhäuschen. Zu
Recht hat das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, dass anderenfalls
jedenfalls der Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG erfüllt wäre.
Den Regelungen des WHG unterfällt sämtliches Wasser des natürlichen
Wasserkreislaufs, das der wasserwirtschaftlichen Lenkung nach Menge und
Güte zugänglich ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 2 Rdnrn. 2 f.). Nach
dem Regelungszweck des Wasserrechts soll eine Wasserführung erst dann
aus dem wasserrechtlichen Regelungsregime entlassen werden, wenn eine
Absonderung vom natürlichen Wasserhaushalt erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urt. v.
27.01.2011 - 7 C 3.10 -, juris, Rdnr. 18). Mit diesem Regelungszweck wäre es
nicht vereinbar, wenn der Eigentümer eines Quellgrundstücks in der Lage
wäre, das aus der Quelle austretende Wasser den Regelungen des
Wasserrechts durch den Bau eines Quellhäuschens vollständig zu entziehen.
Dementsprechend gelten - je nach konkreter Ausgestaltung - § 9 Abs. 1 Nr. 1
oder Nr. 5 WHG auch dann, wenn das Wasser unmittelbar bei seinem Austritt
gefasst wird (vgl. Breuer, a.a.O., Rdnrn. 141 ff.; Czychowski/Reinhardt, a.a.O.,
§ 3, Rdnrn. 32 f.; Faßbender, a.a.O., Rdnrn. 25 ff.). Welcher der beiden
Benutzungstatbestände im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten
Ausgestaltung des Quellhäuschens erfüllt ist, bedarf keiner weiteren
Aufklärung, da der Kläger in beiden Fällen nach § 8 Abs. 1 WHG für sein
Vorhaben einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedarf.
Die Zulassung der Berufung kommt in diesem Zusammenhang auch nicht
wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten im Sinne des
§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht. Besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie mit einem
Schwierigkeitsgrad verbunden ist, der signifikant über dem Durchschnitt
vergleichbarer verwaltungsgerichtlicher Fälle liegt. Zwar dürfen insoweit die
Darlegungserfordernisse nicht überspannt werden, weil sich ein nicht auf das
jeweilige Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand
Erkenntnisse über das in vergleichbaren Streitverfahren übliche Maß an
Komplexität nicht beschaffen kann, während sie dem angerufenen Gericht
ohne weiteres zugänglich sind (BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v.
23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rdnr. 17). Andererseits reicht aber eine
nochmalige Darstellung der Argumente nicht aus, die bereits zur Begründung
ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils vorgebracht
worden sind, eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indes gerade
nicht zur Folge haben.
Nach diesen Grundsätzen und dem oben Ausgeführtem begründet die
Herleitung der Erlaubnis- bzw. Bewilligungspflicht keine rechtlichen oder
tatsächlichen Schwierigkeiten. Wie bereits ausgeführt, kann dieses Erfordernis
alternativ auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5 WHG gestützt werden. Einer weiteren
Inaugenscheinnahme des Quellhäuschens bedurfte es dazu nicht. Soweit der
Kläger in diesem Zusammenhang eine nicht ausreichende Aufklärung des
Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht bemängelt, ist dies überdies nicht
geeignet, eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen tatsächlicher
Schwierigkeiten zu begründen. Die insoweit einschlägige Rüge eines
Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) hat der durch einen
Fachanwalt für Verwaltungsrecht vertretene Kläger hingegen nicht erhoben.
Eine solche führte zudem ebenfalls nicht zu einer Zulassung der Berufung, da
der Sachverhalt zur Prüfung des Erlaubnis- bzw. Bewilligungserfordernisses
aus den genannten Gründen keiner weiteren Aufklärung bedurfte.
Auch rechtliche Schwierigkeiten treten im Zusammenhang mit der
Beantwortung dieser Frage nicht auf. Soweit der Kläger in diesem
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Zusammenhang den Begriff des „aus Quellen wild abfließenden Wassers“ des
§ 3 Nr. 1 WHG problematisiert, kommt es darauf nicht entscheidend an. Sofern
aufgrund der Fassung der Quelle im Quellhäuschen nicht mehr von „wild
abfließendem Wasser“ ausgegangen werden könnte, läge - wie bereits
mehrfach ausgeführt - nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG eine Benutzung des
Grundwassers im Sinne des § 3 Nr. 3 WHG vor. Die Frage, ob der Teil des
Quellwassers, der dem Grundstück des Klägers unterirdisch zugeleitet wird,
vom natürlichen Gewässerhaushalt abgesondert wird und damit nicht mehr zu
den oberirdischen Gewässern gerechnet werden kann, begründet ebenfalls
keine Schwierigkeiten bei der Lösung des vorliegenden Falles. Diese
Ableitung erfolgt erst nach dem Zutagetreten des Quellwassers und ist damit
für die allein entscheidende Frage, ob dieses Ableiten an der Quelle einen
Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 WHG erfüllt, ohne Bedeutung. Ihr kommt
lediglich Relevanz für die hier nicht interessierende Abgrenzung der
Tatbestände des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 WHG gegeneinander zu (vgl. dazu:
Breuer, a.a.O., Rdnrn. 141 ff.; Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 3, Rdnrn. 32 f.;
Faßbender, a.a.O., Rdnrn. 25 ff.; jew. m.w.N.).
Der vom Kläger weiterhin geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird
ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO
genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Eine Rechtssache ist nur
dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder
obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner
Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich wäre
und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der
Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem
Berufungsverfahren bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
ist nur dann im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine
derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist,
warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich
und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über
den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern
oder die Rechtseinheit zu wahren.
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.
Die von ihm in diesem Zusammenhang als grundsätzlich klärungsbedürftig
aufgeworfenen Fragen,
- „ob das Fassen von Quellwasser in einem Leitungssystem mit
anschließender unterirdischer Zuleitung auf ein Privatgrundstück dessen
Gewässereigenschaft entfallen lässt, wenn ein Teil des zugeleiteten
Wassers in einem Privathaushalt verbraucht wird, ein weiterer Teil für die
Speisung eines privat betriebenen Brunnens dient und er ein Überlauf aus
dem Brunnentrog dem natürlichen Gewässerhaushalt zugeführt wird;
- ob es für die Aufrechterhaltung der Gewässereigenschaft ausreicht, dass
ein Teil des abgeleiteten und dem Privatgrundstück zugeführten Wassers
dem natürlichen Gewässerhaushalt zugeführt wird, weil er auf dem
Grundstück nicht verbraucht wird“,
lassen keine Fragestellung erkennen, die einer Klärung über den konkreten
Einzelfall hinaus bedürfte. Sie sind ersichtlich auf die konkret vorliegende
Fallgestaltung zugeschnitten und tragen daher zur Rechtsfortbildung oder
Wahrung der Rechtseinheit nichts bei. Überdies ist es für die Entscheidung
des vorliegenden Falls nicht von Bedeutung, ob die Eigenschaft als
oberirdisches Gewässer durch die konkrete Ausgestaltung der Fassung der
Quelle entfällt, da in diesem Fall der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG
wegen Benutzung des Grundwassers eingriffe.
2.) Im Hinblick auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe
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kein Nutzungsrecht unter dem Gesichtspunkt der unvordenklichen Verjährung
zu, hat der Antrag auf Zulassung der Berufung ebenfalls keinen Erfolg.
Es bestehen auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
angefochtenen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, der Kläger sei
nicht Inhaber eines alten Rechtes im Sinne des § 20 Abs. 1 WHG. Da er kein
tituliertes Recht im Sinne des § 19 Abs. 1 NWG (i.d.F.v. 19. Februar 2010)
habe, sei das NWG a.F. anzuwenden. Der einschlägige § 32 Abs. 1 Nr. 3
NWG a.F. helfe dem Kläger nicht, da er weder über ein nach dem PrWG
erteiltes Recht verfüge, noch über ein Recht, das in einem durch das PrWG
geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sei. Das ergebe sich schon
aus § 379 PrWG, wonach ein aufrechterhaltenes Recht mit Ablauf von 15
Jahren erlösche, wenn nicht vorher seine Eintragung in das Wasserbuch
beantragt worden sei. Überdies sei ein solches Recht, wenn es denn
bestanden hätte, nach § 35 Abs. 2 NWG a.F. mit Ablauf des 15. Juli 1972
erloschen, da es nicht binnen einer Frist von drei Jahren nach einer
öffentlichen Aufforderung, die bis zum 15. Juli 1962 habe erfolgen müssen,
angemeldet worden sei. Bei der vom Kläger beanspruchten unvordenklichen
Verjährung handele es sich nicht um einen selbständigen Erwerbsgrund,
sondern um eine unwiderlegliche Vermutung, dass das geltend gemachte
Recht einst gewährt worden sei. Ob davon ausgegangen werden könne, dass
nach diesen Grundsätzen ein solches Recht im 19. Jahrhundert entstanden
sei, könne dahinstehen, da solche Rechte nur dann fortgälten, wenn sie
aufrechterhalten worden seien. Das setze eine öffentlich-rechtliche
Einzelfallprüfung in wasserrechtlicher Hinsicht voraus, an der es im
vorliegenden Fall fehle.
Dagegen wendet der Kläger ein, für Rechte, die nicht durch konstitutive
Verwaltungsakte entstanden seien, sei weder § 20 Abs. 1 Satz 1 WHG noch §
379 PrWG anwendbar, da diese Vorschriften lediglich alte Rechte regelten, die
„erteilt“ worden seien. Eine Rechtsposition, die durch das Rechtsinstitut der
unvordenklichen Verjährung entstanden sei, sei kein tituliertes Recht. Sie
beruhe auf Gewohnheitsrecht, also auf unmittelbarer Rechtsanwendung. Sie
schaffe lediglich die unwiderlegliche Vermutung, dass das geltend gemachte
Recht einst gewährt worden sei. Auf diese unwiderlegliche Vermutung seien
die neuen und alten Bestandsschutz-/Erlöschensregelungen des Bundes- und
Landesrechts nach „herrschender Meinung“ nicht anzuwenden.
Diese Argumentation vermag die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung
nicht in Zweifel zu ziehen. Sie ist bereits in sich widersprüchlich. Wie der Kläger
zutreffend hervorhebt, handelt es sich bei der sog. unvordenklichen
Verjährung nicht um einen eigenständigen Erwerbsgrund, sondern um eine
Vermutung, dass zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ein Recht
entstanden ist (vgl. OVG Berlin-Bbg., Beschl v. 30.08.2007 - OVG 2 N 34.06 -,
juris, Rdnr. 6; Bay. VGH, Urt. v. 05.08.2003 - 22 B 00.2918 -, juris, Rdnr. 20;
Reffken/Elsner, Niedersächsisches Wassergesetz, § 18, Rdnr. 2, Loseblatt,
Stand Februar 2011). Mit diesem Ausgangspunkt ist es nicht vereinbar, ein auf
diese Weise angenommenes Recht späteren Regelungen über seinen
Fortbestand bzw. sein Erlöschen zu entziehen. Auf diese Weise entstünde ein
eigenständiges Rechtsregime für nicht titulierte Rechte, die einen stärkeren
Schutz gegen nachträgliches Erlöschen genössen als ausdrücklich und
nachweisbar erteilte Rechte. Dies ginge nicht nur über den Zweck einer
Beweisregel weit hinaus, sondern widerspricht auch der vom Kläger für sich in
Anspruch genommenen „herrschenden Meinung“.
§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG betrifft ebenso wie § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. NWG
a.F. nicht nur die nach vorangegangenen Gesetzen erteilten, sondern auch die
von diesen aufrechterhaltenen Rechte. § 379 Abs. 1 PrWG bestätigt die auf
besonderen Titel beruhenden Rechte, Abs. 2 dieser Vorschrift regelt die
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Aufrechterhaltung bestehender, nicht auf besonderen Titeln beruhender
Rechte. Schon der Wortlaut zeigt mithin, dass der Regelungsgehalt der
genannten Vorschriften nicht auf die ausdrücklich erteilten Rechte beschränkt
ist, sondern alle alten Rechte betrifft, auch solche, deren Bestehen nach der
Beweisregel der unvordenklichen Verjährung lediglich vermutet werden.
Entsprechend ist etwa in § 35 Abs. 2 NWG a.F. lediglich von alten Rechten
und alten Befugnissen die Rede.
Nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend herangezogenen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine wasserrechtliche
Benutzung zudem nur dann erlaubnis- oder bewilligungsfrei, wenn sie auf
Grund von Rechten ausgeübt wurde, bei deren Erteilung oder
Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der
Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat (vgl. Urt. v.
22.01.1971 - IV C 94.69 -, juris, Rdnrn. 23 f.). Es bestand und besteht ein
öffentliches Interesse, die auf alten Rechten beruhenden Benutzungen der
Gewässer dem Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren der öffentlich-rechtlichen
Benutzungsordnung zu unterstellen. Das WHG und in seiner Ausfüllung die
Wassergesetze der Länder verfolgen das berechtigte Anliegen, für die Zukunft
eine geordnete Bewirtschaftung des zur Verfügung stehenden
Wasserschatzes und eine Verminderung der für das Wasser bestehenden
Gefahren sicherzustellen. Dieses für die Bevölkerung und die
Gesamtwirtschaft lebenswichtige Ziel hätte kaum erreicht werden können,
wenn die bis dahin weder registrierten noch auf ihre wasserwirtschaftliche
Unbedenklichkeit geprüften Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Dauer hätten
fortgeführt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 - 7 C 16.04 - juris,
Rdnr. 25). Dieser Rechtsprechung hat sich auch das Oberverwaltungsgericht
Lüneburg angeschlossen (vgl. Urt. v. 06.06.1985 - 3 OVG A 213/81, ZfW 1987,
111; s. auch Reffken/Elsner, a.a.O. m.w.N.). Sie gilt insbesondere und gerade
für diejenigen Altrechte, deren Bestand sich - wie hier - nur auf das
Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung und damit nicht auf einen
besonderen Titel stützt (vgl. Bay. VGH, a.a.O, Rdnr. 24 m.w.N., OVG NRW, Urt.
v. 02.07.1976, - XI A 629/75 -, ZfW, Schrifttum und Rechtsprechung des
Wasserrechts 1976, 43).
Eine Zulassung der Berufung wegen rechtlicher Schwierigkeiten bei der
Beantwortung der Frage der Fortgeltung des vom Kläger geltend gemachten
alten Rechts kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zur Begründung trägt der
Kläger lediglich vor, das Verwaltungsgericht weiche mit seiner Auffassung von
der „herrschenden Meinung“ ab. Das ist jedoch - wie gerade aufgezeigt - nicht
der Fall. Dementsprechend führt der Kläger für die in Anspruch genommene
„herrschende Meinung“ auch keinen einzigen Nachweis aus Rechtsprechung
oder Literatur an.
Schließlich scheidet auch in diesem Zusammenhang eine Zulassung der
Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung aus. Die vom Kläger insoweit als
grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, „ob eine aufgrund
unvordenklicher Verjährung entstandene wasserrechtliche Rechtsposition als
erteiltes altes Recht im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG; § 32 Abs. 1
NWG a.F. und/oder § 379 PrWG zu behandeln ist oder nicht“, würde sich in
einem Berufungsverfahren nicht stellen, da die genannten Vorschriften nicht
nur die erteilten, sondern auch die aufrechterhaltenen bzw. die nicht auf
besonderen Titel beruhenden Rechte in ihren Anwendungsbereich
einbeziehen. Die Einbeziehung der auf der Beweisregel der unvordenklichen
Verjährung vermuteten Rechte in den Geltungsbereich der genannten
Vorschriften ist auf dieser Grundlage nach den oben stehenden Ausführungen
in der Rechtsprechung bereits seit langer Zeit abschließend geklärt. Der
Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es dazu nicht.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.