Urteil des OVG Niedersachsen vom 18.03.2010

OVG Lüneburg: stand der technik, bebauungsplan, satzung, kontingentierung, genehmigung, planungsverfahren, grundstück, rückrechnung, schallschutz, gebäude

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Bestimmtheit, Verteilungsmaßstab und Abwägung
bei der Festsetzung immissionswirksamer
flächenbezogener Schallleistungspegel
1. Bei der Festsetzung flächenbezogener immissionswirksamer
Schallleistungspegel muss eindeutig erkennbar sein, auf welche
Immissionsorte abzustellen und nach welcher Berechnungsmethode
vorzugehen ist. Ergibt sich diese nicht unmittelbar aus einer zeichnerischen
oder textlichen Festsetzung, kann auf Angaben in der Planbegründung
sowie mit ihr verklammerten Dokumenten zurückgegriffen werden.
2. Die Entscheidung, wie die Schallkontingente verteilt werden, darf nicht
dem Lärmgutachter überlassen werden; sie obliegt vielmehr dem Rat.
3. In einer bebauten Gemengelage kann es - anders als im unbebauten
Gelände - abwägungsfehlerhaft sein, wenn ausgehend von den in Bezug auf
die benachbarte schutzwürdige Nutzung zulässigen Lärmwerten ohne
weitere Differenzierung im Wege der Rückrechnung Zonen mit ansteigenden
flächenbezogenen Schallleistungspegeln gebildet werden. Vielmehr kann es
das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit erfordern, auf bestehende
emittierende Nutzungen Rücksicht zu nehmen und diesen ein größeres
Schallkontingent zuzubilligen, als es ihrer Lage für sich betrachtet
entspräche.
OVG Lüneburg 1. Senat, Urteil vom 18.03.2010, 1 KN 94/06
§ 1 Abs 7 BauGB
Tenor
Der vom Rat der Antragsgegnerin am 1. März 2004 als Satzung beschlossene
Bebauungsplan O-664 "Nordstraße/Emsstraße" wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.
Das Urteil wird hinsichtlich der Kosten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages für vorläufig vollstreckbar
erklärt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich gegen die Festsetzung immissionswirksamer
flächenbezogener Schallleistungspegel im Bebauungsplan O-664
"Nordstraße/Emsstraße" für sein am 31. Mai 1978 ohne Lärmschutzauflagen
genehmigtes Aktions- und Kommunikationszentrum in der Hermannstraße 83
(Ecke Nordstraße) in Oldenburg.
Das Gebiet des am 1. März 2004 als Satzung beschlossenen
Bebauungsplans, der gegliederte Sondergebiete für großflächige
Einzelhandelsbetriebe ausweist, wird im Westen durch die Nordstraße und im
Süden durch die Hermannstraße und die Stedinger Straße begrenzt. Zuvor
waren die östlich an die Nordstraße angrenzenden Flächen - auch das
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Grundstück des Antragstellers - in dem vom Rat am 20. Dezember 1976 als
Satzung beschlossenen Bebauungsplan M-472 als Gewerbegebiet
festgesetzt. Westlich der Nordstraße schließt sich festgesetztes Mischgebiet
an. Dieses setzt sich nach Süden zwischen der Hermannstraße und der
Stedinger Straße und südlich der Stedinger Straße fort. In nicht beplanten
Bereichen schließen sich nach Nordosten größere, teilweise stark emittierende
Betriebe an, z.B. eine Gießerei.
In dem 1994 begonnenen Planungsverfahren sah die Antragsgegnerin nach
entsprechenden Äußerungen u.a. des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes
erstmals in der vierten von insgesamt fünf öffentlichen Auslegungen
Lärmschutzmaßnahmen vor. Grundlage war ein im eigenen Hause erstelltes
schalltechnisches Gutachten vom 23. September 1999 (98.21), das die
damals noch weniger geläufigen Möglichkeiten immissionswirksamer
flächenbezogener Schallleistungspegel auslotete. Die hier angewandten
Kontingentierungsansätze beschrieb es unter 1.2 wie folgt (etwas ausführlicher
auch unter Nr. 2.1.2):
"Hierfür ist das Plangebiet mit immissionswirksamen flächenbezogenen
Schallleistungspegeln (IFSP) zweckmäßig zu kontingentieren; d.h. in der
Nähe schutzwürdiger Nutzungen sind niedrige und in größerem Abstand
höhere Lärmkontingente festzusetzen."
Als Rechtsgrundlage benannte es unter 1.3 u.a. die DIN 18005; in der
entsprechenden Fußnote ist die Fassung vom Mai 1987 angegeben. Für die
Ausbreitungsberechnung nahm es auf die VDI-Richtlinie 2714 vom Januar
1988 Bezug; außerdem verwies es auf ein vom Landesamt für Ökologie
erarbeitetes Kontingentierungsverfahren. Für bestehende gewerbliche
Nutzungen zog es Nr. 3.2.1 der TA Lärm heran, wonach eine Genehmigung
nicht zu versagen sei, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende
Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte am maßgeblichen Immissionsort um
mindestens 6 dB(A) unterschreite. Dem Gutachten zufolge (Nr. 2.1.1)
schöpften die vorhandenen Betriebe die zulässigen Emissionskontingente
bereits aus.
Das Gutachten enthielt folgende Formulierungsvorschläge für den
Bebauungsplan:
"2.2.2
… Satzungstext …:
§ 1 Abs. 1: Die Schallemissionen der in den Sondergebieten zulässigen
Betriebe und Anlagen dürfen die in der Planzeichnung festgesetzten
immissionswirksamen flächenbezogenen Schalleistungspegel (IFSP)
nicht überschreiten.
§ 1 Abs. 2: Schallpegelminderungen, die bei konkreten Einzelvorhaben
durch Abschirmmaßnahmen geplant werden, können in der Höhe des
Schirmwertes bezüglich der relevanten Immissionsorte dem Wert des
immissionswirksamen flächenbezogenen Schalleistungspegels
zugerechnet werden.
§ 1 Abs. 3: Bei bereits teilweise oder ganz bebauten Flächen werden die
immissionswirksamen flächenbezogenen Schalleistungspegel nur bei
Sanierung, wesentlicher Änderung oder Neuerrichtung herangezogen.
§ 1 Abs. 4: Umverteilungen der immissionswirksamen flächenbezogenen
Schalleistungspegel zwischen den Teilflächen können gemäß
Berechnungsschema, das der Begründung beiliegt, vorgenommen
werden.
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2.2.3
… Begründung …:
Die Kontingentierungsflächen sind dem schalltechnischen Gutachten
98.21 … zu entnehmen. Das Berechnungsverfahren ist vom Landesamt
für Ökologie von Herrn Prof. Dr. Kötter erarbeitet worden. Für die
Ausbreitungsberechnung wurden nur das Abstandsmaß, das
Luftdämpfungsmaß und das Boden-Meteorologiemaß nach VDI-
Richtlinie 2714 herangezogen. Umverteilungen der Lärmkontingente
können nur im Einverständnis aller Beteiligten vorgenommen werden und
müssen als Grundlasteintragungen registriert werden."
Der jetzt streitige Bebauungsplan setzt ausgehend von den Einteilungen des
Gutachtens nunmehr in einem etwa 20 m tiefen Streifen am Südrand des
Plangebiets, d.h. entlang der Hermannstraße und sich dann an der Stedinger
Straße fortsetzend, einen zulässigen immissionswirksamen flächenbezogenen
Schallleistungspegel von 50/35 dB(A)/m² fest. Davon wird der vordere Teil des
Gebäudes des Antragstellers erfasst; der restliche Gebäudeteil steht in einem
ebenfalls etwa 20 m breiten Streifen entlang der Nordstraße, für den 55/40
dB(A)/m² festgesetzt sind. Ins Innere des Plangebiets schließt sich eine Fläche
mit 57/42 dB(A)/m² an, weiter zurückliegend eine Fläche mit 60/45 dB(A)/m².
§ 4 der textlichen Festsetzungen entspricht den beiden ersten Absätzen des
oben wiedergegebenen Formulierungsvorschlags aus dem schalltechnischen
Gutachten (abgesehen von einer offenbar versehentlich unterlaufenen
Verwendung des Wortes "Gewerbegebieten" anstelle von "Sondergebieten").
Die Begründung zum Bebauungsplan führt zu den festgesetzten
immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln u.a. aus:
"Die Schallimmissionsberechnungen zur Bestimmung der
immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel sind nach
DIN 18005 "Schallschutz im Städtebau" durchgeführt worden."
Der Antragsteller trug im Planungsverfahren wiederholt Einwendungen und
Anregungen vor. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 teilte die
Antragsgegnerin der damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers mit, die
Schallimmissionsberechnungen seien nach DIN 18005 "Schallschutz im
Städtebau" durchgeführt worden. Sie konnte ferner das schalltechnische
Gutachten 98.21 vom 23. September 1999 einsehen. In ihrer weiteren Eingabe
vom 7. Januar 2004 beanstandete sie, dass für das betroffene Gebäude nach
dem praktischen Ergebnis "Grenzwerte aus dem Kern- bzw. Wohngebiet
gelten, obwohl sich das Gebäude meiner Mandantschaft nicht in einem
solchen Gebiet befindet". Damit sei es im Vergleich zu allen anderen
Grundstücken im Plangebiet deutlich benachteiligt. Der Verfasser des
Gutachtens nahm hierzu unter dem 13. Januar 2004 noch einmal in
allgemeiner Form Stellung, u.a. mit folgenden Sätzen:
"Grundsätzlich ergibt eine Kontingentierung nur einen Sinn, wenn die
Flächen einander so zugeordnet werden, dass lärmintensive Nutzungen
einen möglichst großen Abstand zu schutzwürdigen Nutzungen erhalten.
Automatisch ergeben sich somit in den angrenzenden Gewerbeflächen
zur Misch- und Wohnnutzung die niedrigeren Lärmkontingente.
Bestehende Nutzungen haben grundsätzlich Bestandsschutz. Die im
Bebauungsplan O-664 durchgeführte Kontingentierung mit IFSP kann
erst bei einer Nutzungsänderung berücksichtigt werden."
Mit seinem am 2. Juni 2006 eingegangenen Normenkontrollantrag gegen den
am 4. Juni 2004 bekannt gemachten Bebauungsplan trägt der Antragsteller
vor:
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Die Festsetzung des flächenbezogenen Schallleistungspegels sei unwirksam.
Zwar sei sie nach BVerwG, Beschl. v. 27.1.1998 - 4 NB 3.97 -, DVBl. 1998,
891 grundsätzlich zulässig. Sie könne aber nicht zu Lasten bestandskräftig
genehmigter Vorhaben festgesetzt werden. Im Übrigen schränke sie die
Weiterverkäuflichkeit des Grundstücks erheblich ein.
Jedenfalls bedürfe die Festsetzung eines ISFP einer besonderen
Rechtfertigung, weil sie vom Grundsatz der Anlagenbezogenheit abweiche
(BVerwG, Urt. v. 16.5.2001 - 7 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1167). Hier sei ihre
Anlage jedoch singulär und dürfe nicht summarisch mit der Nachbarbebauung
beurteilt werden. Das habe die Antragsgegnerin nicht bedacht, sondern eine
Konfliktlage zwischen Wohn- und Gewerbenutzung zu Lasten einer
Drittnutzung zu lösen versucht.
Der maximale Schallleistungspegel sei zur Nachtzeit mit 35 dB(A) zu tief
angesetzt. Nach Nr. 2 der Nds. Freizeitlärmrichtlinie bestehe gegenüber
Geräuschen von kulturellen Veranstaltungen ein Schutzanspruch nach der TA
Lärm 1998. Der Sache nach sei hier von einem Gewerbegebiet auszugehen,
wonach ein Schutzniveau von 50 dB(A) gelte, das auch eingehalten werde.
Eine weitere Absenkung komme nur im Zusammenhang mit einer
Zwischenwertbildung in Betracht, hier also zwischen Gewerbe- und
Mischgebiet. Weniger als 45 dB(A) sei danach nicht angemessen.
Der Antragsteller beantragt,
den vom Rat der Antragsgegnerin am 1. März 2004 als Satzung
beschlossenen Bebauungsplan O-664 "Nordstraße/Emsstraße" für
unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor:
Die Antragsbefugnis sei fraglich, denn wie der Antragsteller selbst vortrage,
werde die genehmigte Nutzung nicht von den nachträglichen Festsetzungen
betroffen.
Im Übrigen sei der immissionswirksame flächenbezogene
Schallleistungspegel nach sachgerechten Kriterien festgesetzt worden. Der
Sache nach seien bereits bei dem Schallgutachten von 1999 die
Berechnungsverfahren eingesetzt worden, die im Zeitpunkt des
Satzungsbeschlusses nach der nunmehr einschlägigen Fassung 2001 der
DIN 18005 heranzuziehen gewesen seien. Die besondere Anlage des
Antragstellers sei ausdrücklich gewürdigt worden. Die Maximalwerte seien
auch nicht zu tief angesetzt worden. Ausgangspunkt sei, dass die Bebauung
jenseits der Nordstraße und der Stedinger Straße einer Mischnutzung
entspreche, für die nach DIN 18005 die Orientierungswerte von tags 60 dB(A)
und nachts 45 dB(A) nicht überschritten werden sollten. Die Kontingentierung
der Plangebietsflächen habe nach Nr. 3.2.1 TA Lärm so zu erfolgen, dass die
Immissionsrichtwerte der benachbarten Gebiete um mindestens 6 dB(A)
unterschritten würden. Das stelle die Festsetzung sicher. Rechnerisch ergebe
sich ein Gesamt-Emissionskontingent (= Emissionskontingent in dB(A)/m² + 10
x log von Fläche in m²) von tags 85,3 dB(A) und nachts 70,3 dB(A), das für ein
Aktions- und Kommunikationszentrum oder eine Nachnutzung auskömmlich
sei. Im Übrigen habe der Betrieb im Aktions- und Kommunikationszentrum
mittlerweile einen Charakter angenommen, der eine Einstufung als
Vergnügungsstätte nach sich ziehe; dies sei von der erteilten
Baugenehmigung nicht gedeckt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
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Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig.
Der Antragsbefugnis steht hier nicht entgegen, dass die angegriffene
Planfestsetzung den Antragsteller weniger belastet, als auch dieser selbst
offenbar zunächst angenommen hat. Auf Nachfrage des Senats vor der
mündlichen Verhandlung hat sich zwar geklärt, dass die Umrechnung der
festgesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegel auf ein
Emissionskontingent von tags 85,3 dB(A) und nachts 70,3 dB(A) allenfalls eine
moderate Einschränkung für das Grundstück des Antragstellers bedeutet. Eine
Verschlechterung gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage ist dadurch
jedoch nicht ausgeschlossen. Gerade bei der Änderung oder Ablösung eines
bestehenden Bebauungsplans - wie hier in Bezug auf die Fläche entlang der
Nordstraße - ist jedes mehr als geringfügige Interesse am Fortbestehen des
"alten" Bebauungsplanes abwägungsrelevant (vgl. BVerwG, Beschl. v.
20.8.1992 - 4 NB 3.92 -, DVBl. 1992, 1441; Beschl. v. 18.10.2006 - 4 BN 20.06
-, BauR 2007, 331).
Dem Antragsteller fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, obwohl die
Festsetzungen des Bebauungsplanes seinem genehmigten Betrieb nicht
entgegengehalten werden können. Sie werden sich jedenfalls dann nachteilig
auswirken, wenn er bauliche Änderungen vornehmen oder einen Neubau
errichten will. Will ein Plan benachbarten Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten
sichern, kann er nicht einzelne Grundstücke ohne besondere Begründung von
dieser Zielrichtung ausnehmen.
Soweit die Antragsgegnerin die Schutzwürdigkeit des Betriebes des
Antragstellers mit der Begründung in Abrede stellt, dieser halte sich nicht mehr
innerhalb der Variationsbreite dessen, was die hierfür erteilte Baugenehmigung
zulasse, sondern habe den Charakter einer Vergnügungsstätte angenommen,
greift dies nicht durch. Für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des
Satzungsbeschlusses hat die Antragsgegnerin keine entsprechenden
Unterlagen vorgelegt. Die vorgelegte Terminsübersicht aus März/April diesen
Jahres entstammt dem Internetauftritt des Antragstellers. Dieser enthält
insgesamt weitaus mehr Hinweise auf eine der Genehmigung entsprechende
Nutzung als auf eine Abweichung hiervon. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass
die Antragsgegnerin bislang den Versuch unternommen hätte, den
Antragsgegner zu einer aus ihrer Sicht genehmigungskonformen Nutzung
anzuhalten.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Grundsätzlich dürfen immissionswirksame flächenbezogene
Schallleistungspegel in der Bauleitplanung eingesetzt werden (BVerwG,
Beschl. v. 27.1.1998 - 4 NB 3.97 -, NVwZ 1998, 1067; Beschl. v. 12.6.2008 - 4
BN 8.08 -, BauR 2008, 1416; zu technischen Aspekten:
Tegeder/Heppekausen, BauR 1999, 1095; zur Geräuschkontingentierung
nach der späteren DIN 45691: Fischer/Tegeder, BauR 2007, 323). Auch ein
Sondergebiet kann in der hier vorgesehenen Art gegliedert werden. Dem
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1990 (- 4 N
6.88 -, DVBl. 1991, 442) ist zwar zunächst das Gegenteil entnommen worden
(vgl. Mayen, NVwZ 1991, 842, 843; Tegeder/Heppekausen, BauR 1999, 1095,
1096). § 11 Abs. 1 BauNVO ermöglicht jedoch schon unmittelbar die Bildung
von Teilflächen (BVerwG, Beschl. v. 20.5.2003 - 4 BN 57.02 -, BauR 2003,
1688; VGH Kassel, Urt. v. 21.2.2008 - 4 N 869/07 -, NuR 2008, 3523;
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Fischer/Tegeder, NVwZ 2005, 30, 31 und BauR 2007, 323, 326 mit
Nachweisen).
Die fragliche Festsetzung genügt jedoch nicht dem Bestimmtheitsgebot. Bei
immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln dürfen keine
Zweifel darüber bestehen, auf welche Immissionsorte abzustellen und nach
welcher Berechnungsmethode vorzugehen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
Urt. v. 10.12.2008 - 2 A 7.08 -, ZUR 2009, 429; VGH Kassel, Urt. v. 21.2.2008 -
4 N 867/07 -, NuR 2008, 352; VGH München, Urt. v. 26.1.2007 - 1 BV 02.2147
-, NVwZ-RR 2007, 736; OVG Koblenz, Urt. v. 4.7.2006 - 8 C 11709/05 -, NuR
2007, 31; VGH Mannheim, Urt. v. 24.3.2005 - 8 S 595/04 -, BauR 2005, 1743).
Mit anderen Worten muss sichergestellt sein, dass spätere Lärmgutachten im
Einzelgenehmigungsverfahren die gleiche Methodik verwenden wie das im
Bauleitplanverfahren verwendete Gutachten, damit die Ergebnisse
vergleichbar sind. Im Wesentlichen sichergestellt ist dies, wenn (ausdrücklich)
neuere Regelwerke zugrunde gelegt worden sind. Denn Ziff. 7.5 der DIN
18005 in ihrer Fassung vom Juli 2002 sieht eindeutig eine Berechnung nach
DIN ISO 9613-2 vor (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 4.7.2006 - 8 C 11709/05 -, NuR
2007, 31); ebenfalls eindeutig ist die Mitte Dezember 2006 eingeführte DIN
45691. Solange jedoch die DIN 18005 vom Mai 1987 zugrunde gelegt wurde,
kamen für die Schallausbreitungsberechnung drei grundsätzlich geeignete
Methoden in Betracht (VGH München, Urt. v. 21.1.1998 - 26 N 95.1632 -,
BayVBl. 1998, 436; Urt. v. 25.10.2000 - 26 N 99.490 -, BRS 63 Nr. 82), so dass
eine eindeutige Auswahl zwingend erforderlich war. Ergibt sich diese nicht
unmittelbar aus einer zeichnerischen oder textlichen Festsetzung, kann unter
Umständen auf Angaben in der Planbegründung sowie mit ihr
zusammenhängenden Dokumenten zurückgegriffen werden (vgl. Senat, Urt. v.
28.3.2008 - 1 KN 93/07 -, DVBl. 2008, 724; Beschl. v. 29.4.2009 - 1 MN 28/09 -
, RdL 2009, 137).
Diesen Anforderungen genügt die hier in Frage stehende Festsetzung nicht.
Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes selbst geben keine
Berechnungsmethode an. Die Begründung verweist zwar auf die DIN 18005,
jedoch ohne Angabe der Fassung. Grundsätzlich spricht in solchen Fällen viel
dafür, dass dann die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses "gültige" Fassung
der DIN 18005 gemeint ist (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 21.2.2008 - 4 N 869/07 -,
NuR 2008, 352). Das kann hier aber aus zwei Gründen nicht angenommen
werden: Zum einen besagt die Begründung nicht - sozusagen normativ -,
welches Rechenwerk maßgeblich ist, sondern gibt nur an, wonach die
Berechnungen faktisch durchgeführt worden seien. Sie kann also allenfalls die
Aussage enthalten, dass die Berechnungen nach der Fassung der DIN 18005
durchgeführt worden sind, die im Zeitpunkt der Berechnung bestand, d.h.
1999. Dafür, dass das Gutachten von 1999 nach Herausgabe der DIN 18005
in der Fassung vom Juli 2002 noch einmal auf neuer Grundlage
"durchgerechnet" worden ist, bestehen keinerlei Hinweise. Zum anderen steht
hier nach dem vorliegenden Gutachten aus dem Jahre 1999 fest, dass
tatsächlich die DIN 18005 in der Fassung vom Mai 1987 und die VDI-Richtlinie
2714 vom Januar 1988 verwendet worden sind. Unter diesen Umständen
kann auch nicht argumentiert werden, den Gutachtern seien regelmäßig auch
schon die Entwurfsfassungen kommender Fassungen der einschlägigen
Regelwerke bekannt. Zwar ist die DIN ISO 9613-2 schon im Oktober 1999,
also im Monat nach Erstellung des Gutachtens herausgegeben worden, die
neuere Fassung der DIN 18005 aber erst fast drei Jahre später im Juli 2002.
Außerdem ist anzunehmen, dass das Gutachten angesichts des seinerzeit
noch eher unausgereiften Erkenntnisstandes jede weitere von ihm verwendete
Erkenntnisquelle auch ausdrücklich benannt hätte, was ohnehin allein den
fachlichen Anforderungen an Gutachten entspricht. Dass hier die DIN 18005 in
der Fassung vom Mai 1987 zugrunde gelegt wurde, wird auch dadurch
bestätigt, dass das Gutachten auf eine Ausarbeitung von Dr. Kötter zu einem
Workshop Immissionsschutz vom 24./25. Februar 1999 verweist, das für die
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Ausbreitungsberechnung ebenfalls auf die VDI-Richtlinie 2714 abgestellt hatte.
Im Übrigen bestand auch in der Sache kein Anlass, bei Satzungsbeschluss
die neueste Fassung der DIN 18005 für maßgeblich zu erklären, bloß weil
ältere Fassungen der einschlägigen Regelwerke abgelöst oder
zurückgezogen worden waren. Denn von entscheidender Bedeutung ist in
diesem Zusammenhang nicht, dass der neueste Stand der Technik zugrunde
gelegt wird, sondern nur - als absolutes Ausschlusskriterium -, dass es bei den
Berechnungsmethoden bei der Aufstellung des Bebauungsplans und späteren
Einzelgenehmigung keine Diskrepanz gibt.
Warum bei der Begründung des Bebauungsplanes der
Formulierungsvorschlag des Gutachtens nicht übernommen worden ist, der
durch Bezugnahme auf die VDI-Richtlinie 2714 mehr Klarheit erbracht hätte, ist
nicht nachvollziehbar. Dieses Gutachten kann seinerseits mangels
"Verklammerungswirkung" (vgl. Senatsurt. v. 28.3.2008 - 1 KN 93/07 -, DVBl.
2008, 724) nicht zur Auslegung der Planfestsetzungen oder der Begründung
herangezogen werden. Es ist weder in der Begründung angesprochen worden
noch lag es den ausgelegten Unterlagen bei. Erst auf die Anfrage der
damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 28. November
2003, ob ein Schallgutachten erstellt worden sei, durfte sie dieses in den
Räumen der Antragsgegnerin einsehen. Auch dem Gericht ist es erst auf
gesonderte Anforderung vorgelegt worden. "Verklammert" sein können nur
ausdrücklich in Bezug genommene und unaufgefordert im Planungsverfahren
offen gelegte Dokumente. Es kann deshalb offen bleiben, ob bei der
Verweisung auf außerstaatliche Normen noch weitergehende Anforderungen
zu stellen sind, insbesondere dass die fragliche Regelung nach Inhalt, Datum
bzw. Ausgabe sowie der Stelle, an der sie eingesehen oder von der sie
bezogen werden kann, genau zu bezeichnen ist, wenn sie dem
Bebauungsplan nicht bereits als Anlage beigefügt ist (OVG Koblenz, Urt. v.
26.3.2009 - 8 C 10729/08 -, Langtext juris, Leitsatz in BauR 2009, 1014; siehe
auch OVG Münster, Urt. v. 23.10.2008 - 7 D 90/07.NE -, juris).
Darüber hinaus dürfte - worauf es danach nicht mehr ankommt, was aber bei
einer "Neuauflage" der Planung zu berücksichtigen wäre - die Abwägung nicht
mängelfrei gelungen sein.
Zunächst ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin zugunsten des
Antragstellers den Umstand in die Abwägung einbezogen hat, dass sein
Grundstück zuvor bereits beplant war. Bei der Änderung bestehender
Planfestsetzungen ist der Plangeber nicht so frei wie bei Neuplanungen; er
muss das berechtigte Interesse der Grundeigentümer im Plangebiet an einem
Fortbestand sie begünstigender Festsetzungen berücksichtigen, (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 -, DVBl. 1992, 1441; Beschl. v. 18.10.2006 - 4
BN 20.06 -, BauR 2007, 331), hier also die Möglichkeit einer
gewerbegebietstypischen Lärmentfaltung.
Darüber hinaus scheinen hier wesentliche Teile der Planung von dem zur
Entscheidung berufenen Rat faktisch auf den Lärmschutzgutachter verlagert
worden zu sein. Dieser hat - wie er selbst in der oben wiedergegebenen
Beschreibung seines Vorgehens ausgeführt hat und was bei einer neuen
Planung auf noch freiem Gelände regelmäßig die richtige Lösung ist -
ausgehend von den im benachbarten Gewerbegebiet zulässigen Lärmwerten
im Wege der "Rückrechnung" Zonen mit ansteigenden flächenbezogenen
Schallleistungspegeln gebildet, die dann so vom Rat zugrunde gelegt worden
sind. Das reicht in einer bereits bebauten Gemengelage für eine gelungene
Abwägung jedoch nicht ohne weiteres aus. Denn durch den Zuschnitt der
Zonen werden zugleich Ausnutzungs- und Entwicklungsmöglichkeiten
"vergeben"; der Zuschnitt selbst muss deshalb schon unter dem Blickpunkt der
"Verteilungsgerechtigkeit" vorgenommen werden. Dies kann unter Umständen
erfordern, dass eine bestehende bauliche Nutzung im Randbereich des
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Planes mit höheren Emissionskontingenten ausgestattet wird, als sie sie bei
einer "normalen" Abstufung erhalten würde, und dafür Vorhaben näher zum
Zentrum des Planes zum Ausgleich weniger Lärm entfalten dürfen. Mit
anderen Worten ist es nicht selbstverständlich, dass die näher an der
schutzwürdigen Bebauung gelegenen Grundstücke des Plangebiets das
größere Opfer bringen müssen, zumal dann, wenn sie auf das Fortbestehen
früherer Festsetzungen vertrauen durften. Die Vergabe höherer
Emissionskontingente an entferntere Grundstücke wäre daher besonders zu
begründen gewesen. Die Entscheidung hierüber kann und darf nicht allein der
Lärmgutachter treffen, sondern sie obliegt dem Rat selbst. Diesem muss auf
Grund der schalltechnische Begutachtung jedenfalls im Ansatz die Beurteilung
ermöglicht werden, welche Planungsalternativen ihm lärmtechnisch offen
stehen und welche Folgen es hat, wenn man zu Gunsten oder zu Lasten
Planungsbetroffener die im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren erörterten
Planungsvorgaben und -parameter variiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.