Urteil des OVG Niedersachsen vom 21.02.2013

OVG Lüneburg: aufschiebende wirkung, ersatzvornahme, androhung, betroffene person, auflage, anforderung, verwaltungskosten, vwvg, zustellung, anwendungsbereich

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Entfall der aufschiebenden Wirkung bei
Verwaltungskosten und Kosten einer Ersatzvornahme
1. Ein Leistungsbescheid, der sowohl die Erstattung von Verwaltungskosten
als auch der Kosten der Ersatzvornahme anordnet, ist nur hinsichtlich der
Verwaltungsgebühren und Auslagen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO
sofort vollziehbar.
2. Kosten der Ersatzvornahme sind keine sofort vollziehbaren öffentlichen
Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
3. Die Anforderung von Kosten der Ersatzvornahme auf der Grundlage des §
89 Abs. 4 NBauO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG fällt nicht unter § 80 Abs.
2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.
4. Eine Frist von 2,5 Werktagen ist jedenfalls unangemessen im Sinne des §
80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO. Das gilt auch dann, wenn die Begründung des
Aussetzungsantrages im Wesentlichen auf mehrere - der Antragsgegnerin
bekannte - Schriftsätze verweist.
OVG Lüneburg 1. Senat, Beschluss vom 21.02.2013, 1 ME 6/13
§ 89 BauO ND, § 64 Abs 4 SOG ND, § 66 Abs 1 SOG ND, § 80 Abs 2 S 1 Nr 3
VwGO, § 80 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO, § 80 Abs 6 VwGO
Gründe
Der Antragsteller wendet sich gegen den Leistungsbescheid der
Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2012, mit dem er wegen der im Wege der
Ersatzvornahme vorgenommenen Beseitigung diverser Nebenanlagen auf
seinem Grundstück C. 8 in B. zur Erstattung von Kosten, Gebühren und
Auslagen in Höhe von insgesamt 8.791,95 Euro herangezogen wird. Die
Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren vornehmlich um die Frage, ob der
hiergegen erhobene Widerspruch des Antragstellers vom 10. Dezember 2012
aufschiebende Wirkung entfaltet.
Laut des angegriffenen Leistungsbescheides vom 3. Dezember 2012 setzt sich
der vom Antragsteller zu erstattende Gesamtbetrag aus Kosten von drei Firmen
in Höhe von insgesamt 7.240,00 Euro, Verwaltungskosten (Abrechnung der
geleisteten Stunden gemäß § 1 NVwKostG i.V.m. § 6 BauGO) in Höhe von
1.472,00 Euro, Gebühren für diesen Bescheid (§ 6 BauGO) in Höhe von 76,00
Euro und Auslagen (Zustellkosten/ § 13 NVwKostG) in Höhe von 3,45 Euro
zusammen. Die Antragsgegnerin ist ausweislich der Rechtsmittelbelehrung
davon ausgegangen, dass „der Widerspruch gegen die Kostenentscheidung
gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung [hat]“. Sie hat den
Antragsteller aufgefordert, den Betrag innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung
des Bescheides zu überweisen. Für den Fall der Nichtzahlung „werde [sie] den
festgesetzten Betrag im Wege der Verwaltungsvollstreckung bei ihm beitreiben“.
Der Antragsteller stellte per Fax am Samstag, den 8. Dezember 2012 um 21.35
Uhr, einen Aussetzungsantrag und setzte der Antragsgegnerin eine
Bescheidungsfrist bis zum 12. Dezember 2012 (24 Uhr). Die Antragsgegnerin
lehnte seinen Antrag mit Bescheid vom 13. Dezember 2012, der dem
Antragsteller am 17. Dezember 2012 zugestellt worden ist, ab.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung
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vorläufigen Rechtsschutzes vom 13. Dezember 2012 mit dem angefochtenen
Beschluss (vollumfänglich) abgelehnt, weil sich der Leistungsbescheid der
Antragsgegnerin voraussichtlich als rechtmäßig erweise. Hiergegen richtet sich
die Beschwerde, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat.
a) Der (Haupt-)Antrag des Antragstellers, unter Änderung der erstinstanzlichen
Entscheidung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, hat
keinen Erfolg.
Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Leistungsbescheid vom 3.
Dezember 2012 hat hinsichtlich der von der Antragsgegnerin darin geltend
gemachten Verwaltungskosten, der Gebühr für diesen Bescheid und der
Auslagen keine aufschiebende Wirkung. Die Antragsgegnerin hat
„Verwaltungskosten“ und „Gebühren“ nach Zeitaufwand auf der Grundlage des
§ 1 NVwKostG i.V.m. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BauGO in Höhe von 1.548,50
Euro und „Auslagen“ für Kosten der Zustellung nach § 13 NVwKostG in Höhe
von 3,45 Euro, insgesamt 1.551,95 Euro, in Rechnung gestellt. § 1 Abs. 1 Satz 1
NVwKostG bestimmt, dass der Begriff der Kosten die für Amtshandlungen nach
diesem Gesetz zu erhebenden Gebühren und Auslagen umfasst.
Bei den von der Antragsgegnerin geforderten Gebühren und Auslagen handelt
es sich um eine Anforderung von öffentlichen Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 VwGO, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift entfällt.
Öffentlich-rechtliche Kosten sind grundsätzlich alle Gebühren und Auslagen, die
dem Betroffenen wegen der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens
auferlegt werden. Hierunter sind - nach Maßgabe der einschlägigen
kostenrechtlichen Bestimmungen - die in einem Verwaltungsverfahren nach
tariflichen Vorgaben oder doch leicht erkennbaren Merkmalen erhobenen
(Verwaltungs-)Gebühren nebst den mit ihnen verbundenen Auslagen zu
verstehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Juni 1989 - 21 M 82/89 -, NVwZ
1989, 1095; OVG Münster, Beschluss vom 6. Juni 1988 - 18 B 2224/87 -, NVwZ
1989, 84; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 62; Eyermann,
VwGO, 13. Auflage 2010, § 80 Rn. 23). Da die Antragsgegnerin mit dem
angegriffenen Leistungsbescheid für einzelne Amtshandlungen im Sinne des §
66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG nach bestimmten Gebührentatbeständen des
Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes und der Verordnung über die
Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Bauaufsicht Gebühren und
Auslagen abgerechnet hat, unterfallen diese Kosten dem Anwendungsbereich
des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
Eine wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die rechtzeitig geltend gemachten
Beschwerdegründe zu beschränkende Prüfung rechtfertigt es nicht, hinsichtlich
der Verwaltungskosten, Gebühren und Auslagen die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat
den Eilantrag insoweit daher im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Der Antrag des Antragstellers ist nicht statthaft, weil er bereits nicht die
Zugangsvoraussetzung gemäß 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt. Danach ist in den
Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 (Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten)
der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das heißt, dass
die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO insgesamt erfüllt sein müssen,
wenn bei Gericht ein Eilantrag gestellt wird (ständige Senatsrechtsprechung:
Beschluss des Senats vom 3. Januar 2011 - 1 ME 146/10 -, BRS 78 Nr. 174 =
BauR 2011, 787; Beschluss vom 8. Juli 2004 - 1 ME 167/04 -, BauR 2004, 1596;
s. schon Beschluss vom 31. Januar 1994 - 1 M 5091/93 -, NVwZ 1994, 698 =
BauR 1994, 358 = BRS 56 Nr. 188). Die obligatorische Befassung der Behörde
mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz nach § 80 Abs. 6 VwGO vor
der Anrufung des Gerichts soll den Vorrang der verwaltungsinternen Kontrolle
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stärken und die Gerichte entlasten (vgl. d. Entwurf d. 4. VwGO-ÄndG, BT-
Drucks. 11/7030 zu Nr. 13, S. 24; vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2004 - 1 ME
167/04 -, a.a.O.). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil der
Antragsteller seinen Eilantrag bereits am 13. Dezember 2012 beim
Verwaltungsgericht gestellt hat. An diesem Tag wurde der Ablehnungsbescheid,
der vom 13. Dezember 2012 datiert, erst gefertigt. Er ist ausweislich des
Verwaltungsvorgangs erst am Folgetag, d.h. dem 14. Dezember 2012,
abgesandt und dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am
17. Dezember 2012 zugestellt worden. Damit kam der Eilantrag des
Antragstellers zu früh.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegen Gründe nach § 80 Abs. 6
Satz 2 Nrn. 1 und 2 VwGO, wonach er die Bescheidung des per Fax am
Samstag, den 8. Dezember 2012 um 21.35 Uhr, gestellten Aussetzungsantrags
nicht hätte abzuwarten brauchen, nicht vor.
Nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO ist die vorherige Ablehnung des
Aussetzungsantrags entbehrlich, wenn die Behörde über den Antrag ohne
Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht
entschieden hat. Was angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des
Einzelfalles. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2008 - 1 ME
270/07 - zur Angemessenheit der Frist zur Bescheidung eines
Aussetzungsantrags festgestellt, dass diese in der Regel etwa einen Monat
beträgt (juris Rn. 9 = NVwZ-RR 2008, 594-597; ebenso Kopp/Schenke, VwGO,
18. Auflage 2012, § 80 Rn. 186 Fn. 379 „Faustregel 1 Monat“ m.w.N.). Die der
Antragsgegnerin gesetzte Frist bis zum 12. Dezember 2012 - 24 Uhr - ist
jedenfalls nicht angemessen. Damit hatte die Antragsgegnerin faktisch nur 2 ½
Werktage Zeit, um über den Aussetzungsantrag sachlich zu entscheiden. Diese
Frist ist selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller zur
Begründung seines Antrags auf die - der Antragsgegnerin bekannten -
Schriftsätze vom 28. und 30. September 2012 sowie vom 12. November 2012
Bezug genommen hat, viel zu kurz bemessen.
Ferner drohte keine Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO.
Im Hinblick auf den Zweck des nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO
vorgeschriebenen behördlichen Aussetzungsverfahrens, die Gerichte von
Aussetzungsanträgen zu entlasten, ist bei der Auslegung der
Ausnahmeregelung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ein strenger Maßstab
anzulegen. Bei einer weiten Auslegung dieser Regelung könnte dieses Ziel nicht
mehr erreicht werden und sie würde ihren Charakter als Ausnahmeregelung
verlieren, weil in einem weiten Sinne nahezu bei jedem auf die Anforderung von
öffentlichen Abgaben und Kosten gerichteten Verwaltungsakt im Falle der
Nichtbefolgung der Zahlungsaufforderung die Vollstreckung "droht". Nach
ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
droht eine Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO daher erst
dann, wenn der Beginn konkreter Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde
für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt worden ist, konkrete
Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung getroffen worden
sind oder die Vollstreckung bereits begonnen hat (Beschluss des 4. Senats vom
9. Juli 2009 - 4 ME 163/09 - m.w.N., NordÖR 2009, 355; Beschlüsse vom 23.
September 2008 - 4 ME 279/08 -, vom 4. September 2008 - 4 ME 278/08 -, vom
27. August 2008 - 4 ME 252/08 - und vom 10. November 2006 - 4 ME 188/06 -;
ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2006 - 9 S 4.06 -;
OVG Saarlouis, Beschluss vom 22. Juni 1992 - 1 W 29/92 -, NVwZ 1993, 490;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 186).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Vortrag des Antragstellers, er
habe davon ausgehen müssen, dass unmittelbar nach Ablauf von zwei Wochen
die Vollstreckung eingeleitet werde, trifft nicht zu. Zwar hat die Antragsgegnerin
den Antragsteller mit dem Leistungsbescheid vom 3. Dezember 2012
aufgefordert, die Kosten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des
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Leistungsbescheides zu überweisen, und für den Fall, dass er der
Zahlungsaufforderung nicht nachkomme, angekündigt, den festgesetzten
Betrag im Wege der Verwaltungsvollstreckung bei ihm beitreiben zu wollen.
Doch stellt die bloße Ankündigung, die Vollstreckung einzuleiten, sollte die
festgesetzte Gebührenschuld nicht innerhalb von zwei Wochen bezahlt sein,
keine drohende Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO dar.
Denn nach Ablauf dieser Frist wird lediglich allgemein die Einleitung der
Vollstreckung, deren Kosten der Antragsteller zu tragen hat, angekündigt, ohne
bereits eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme für einen unmittelbar
bevorstehenden Termin anzudrohen. Ferner ergeben sich daraus keine
konkreten Vorbereitungen der Antragsgegnerin für eine alsbaldige Vollstreckung
(vgl. Beschluss des 4. Senats vom 9. Juli 2009 - 4 ME 163/09 - m.w.N., a.a.O.).
b) Der im Beschwerdeverfahren gestellte (Hilfs-)Antrag des Antragstellers, unter
Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts festzustellen, dass sein
Widerspruch aufschiebende Wirkung besitzt, hat hinsichtlich der durch die
Beauftragung von drei Firmen entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt
7.240,00 Euro Erfolg.
Der Hilfsantrag des Antragstellers ist in entsprechender Anwendung von § 80
Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und zulässig, insbesondere hat der Antragsteller
ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Denn der Adressat
eines Leistungsbescheids kann die gerichtliche Feststellung begehren, dass
sein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, wenn die Behörde fälschlich
annimmt, die aufschiebende Wirkung des dagegen erhobenen Widerspruchs sei
kraft Gesetzes ausgeschlossen und der Leistungsbescheid sofort vollziehbar
(vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, Bd. 1 § 80 Rn. 354
ff., 449, Stand: August 2012). So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin geht
unter Verweis auf die Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO davon aus,
dass der Widerspruch gegen den Kostenbescheid keine aufschiebende
Wirkung hat und der Antragsteller deshalb trotz Einlegung seines Rechtsbehelfs
sogleich zur Zahlung verpflichtet ist.
Der Hilfsantrag ist auch begründet. Der Widerspruch des Antragstellers hat nach
§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die Antragsgegnerin macht
mit dem Kostenbescheid vom 3. Dezember 2012 auf der Grundlage des § 89
Abs. 4 NBauO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG Kosten für die im Wege der
Ersatzvornahme vorgenommene Beseitigung von Nebenanlagen auf dem
Grundstück des Antragstellers geltend.
Diese Kosten stellen - wovon nunmehr auch die Beteiligten ausgehen - keine
sofort vollziehbaren öffentlichen Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2
Nr. 1 VwGO dar. Diese Regelung ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.
Zu den öffentlichen Abgaben gehören Steuern, Gebühren, Beiträge und auch
sonstige öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die von allen erhoben werden,
die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen und zur Deckung des
Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben
dienen (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 57). Die insoweit für
den Wegfall des Suspensiveffekts tragende Erwägung, im Interesse der
Sicherung einer geordneten Haushaltsführung der öffentlichen Hand die
Stetigkeit des Mittelflusses zu gewährleisten (vgl. Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, Bd. 1, § 80 Rn. 132, Stand: August 2012),
erfassen die von der Antragsgegnerin verauslagten Kosten in Höhe von
insgesamt 7.240,00 Euro nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 27.
November 2006 - 1 S 1925/06 -, zitiert nach juris m.w.N).
Die von der Antragsgegnerin geforderte Kostenerstattung gehört auch nicht zu
den öffentlichen Kosten im Sinne der genannten Vorschrift. Öffentlich-rechtliche
Kosten sind - nach Maßgabe der einschlägigen kostenrechtlichen
Bestimmungen - die in einem Verwaltungsverfahren nach tariflichen Vorgaben
oder doch leicht erkennbaren Merkmalen erhobenen (Verwaltungs-)Gebühren
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nebst der mit ihnen verbundenen Auslagen (s.o.). Hierzu zählen nicht die durch
die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls geprägten
Kostenerstattungsansprüche, mit denen die Behörde den Ersatz von finanziellen
Aufwendungen fordert, mit denen sie der Sache nach für den Schuldner in
Vorleistung getreten ist. Deshalb unterfallen dem Kostenbegriff nicht
Geldleistungen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung, also auch nicht
Kosten der Ersatzmaßnahme (OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Juli 1970 - VI
B 38/70 -, DÖV 1970, 789 und im Ergebnis auch Senatsbeschluss vom 21. Juli
2005 - 1 ME 131/05 -; Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 80 Rn. 24;
Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 63). Da es bei den von der
Antragsgegnerin geltend gemachten Aufwendungen für drei Firmen in Höhe von
7.240,00 Euro an der für Kosten kennzeichnenden Verknüpfung mit einem
Gebührentatbestand fehlt, handelt es sich bei diesem Erstattungsbetrag nicht
um Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
Die aufschiebende Wirkung entfällt ferner nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO. Denn die Antragsgegnerin hat den Sofortvollzug des
Leistungsbescheides nicht im Sinne dieser Vorschrift besonders angeordnet
und begründet.
Die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Kostenbescheids ergibt sich
auch nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, zweite Alternative VwGO, weil der
Entfall der aufschiebenden Wirkung im Fall der Geltendmachung von Kosten der
Ersatzvornahme auf der Grundlage des § 89 Abs. 4 NBauO i.V.m. 66 Abs. 1
Satz 1 Nds. SOG nicht durch Landesgesetz vorgeschrieben ist.
Nach § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG haben nur Rechtsbehelfe gegen die
Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln keine aufschiebende Wirkung.
Nach diesem Wortlaut beinhaltet der Anwendungsbereich der Vorschrift - anders
als in der Mehrzahl der übrigen Länder (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd.
I, Stand: August 2012, § 80 Rn. 184 f.) - nicht einen umfassenden Ausschluss
der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen (in) der
Verwaltungsvollstreckung. Vielmehr hat der Niedersächsische
Landesgesetzgeber den Entfall der aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs ausdrücklich nur auf die Androhung der Ersatzvornahme nach §
70 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG und die - gesetzlich gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nds.
SOG nur noch für das Zwangsgeld vorgeschriebene - Festsetzung der
Ersatzvornahme erstreckt. Aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift und des
Umstandes, dass es sich bei ihr um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist sie
restriktiv anzuwenden, so dass die mit Leistungsbescheid vom 3. Dezember
2012 geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme nicht unter § 64 Abs. 4
Satz 1 Nds. SOG fallen (vgl. VGH München, Beschluss vom 25. Februar 2009 -
2 CS 07.1702 -, NVwZ-RR 2009, 787 = juris Rn. 14; OVG Weimar, Beschluss
vom 12. März 2008 - 3 EO 283/07-, juris Rn. 10f.; OVG Magdeburg, Beschluss
vom 22. Oktober 2012 - 2 M 22/12 -, juris Rn. 35 und Beschluss vom 4.
September 2003 - 2 M 519/02 -, juris Rn. 6; OVG Bautzen, Beschluss vom 21.
Februar 2003 - 4 BS 435/02 -, NVwZ-RR 2003, 475; OVG Koblenz, Beschluss
vom 28. Juli 1998 - 1 B 11553/98 -, NVwZ-RR 1999, 27 = juris Rn. 7; vgl. im
Ergebnis schon Senatsbeschluss vom 21. Juli 2005 - 1 ME 131/05 -, V.n.b.;
Saipa, Nds. SOG, Stand: Dezember 2012, § 64 Rn. 5; Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, Bd. I, Stand: August 2012, § 80 Rn. 190, Kopp/Schenke, VwGO, 18.
Auflage 2012, § 80 Rn. 70; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.
Dezember 2011 - 20 GrS 1.11 -, juris Rn. 13 ff., Beschluss vom 23. Dezember
2005, - 2 S 122.05 -, BRS 69 Nr 196 = NVwZ-RR 2006, 376, = juris Rn. 8 und
Beschluss vom 3. März 1997 - 2 S 24.96 -, NVwZ-RR 1999, 156 = juris Rn. 10;
unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OVG Berlin vom 3. März 1997,
Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Auflage 2006, § 89 Rn.
135).
Zwar gehört nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG die Ersatzvornahme gemäß § 66
Nds. SOG zu den Zwangsmitteln. Nach § 66 Abs. 1 kann die
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Verwaltungsbehörde „auf Kosten der betroffenen Person“ die Handlung selbst
ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen, wenn die
Verpflichtung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung nicht erfüllt wird. Doch
handelt es sich bei den mit Leistungsbescheid vom 3. Dezember 2012 geltend
gemachten Kosten der Ersatzvornahme weder um eine Androhung noch um
eine Festsetzung der Ersatzvornahme, sondern (nur) um die nachträgliche
Geltendmachung der durch die bereits durchgeführte Ersatzmaßnahme
entstandenen Beseitigungskosten. Der Umstand allein, dass der
Vollstreckungserfolg erst eingetreten und die Zwangsvollstreckung
abgeschlossen ist, wenn der Pflichtige die von ihm zu tragenden Kosten der von
der Vollstreckungsbehörde an seiner Stelle vorgenommenen Handlung
ausgeglichen hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2011
- 20 GrS 1.11 -, juris Rn. 13 ff.; OVG Berlin, Beschluss vom 3. März 1997 - 2 S
24.96 -, NVwZ-RR 1999, 156 = juris Rn. 10), ändert nichts daran, dass § 64 Abs.
4 Satz 1 Nds. SOG nicht einen einheitlichen Zwangsvollstreckungsvorgang
umfasst, sondern der Wortlaut klar hinsichtlich einzelner „Stufen“ (Androhung
und Festsetzung) der Zwangsvollstreckung differenziert.
Darüber hinaus ist es nach Sinn und Zweck des § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG
nicht gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen die
Anforderung Kosten der Ersatzvornahme entfallen zu lassen. Denn die
Vorschrift soll verhindern, dass der Pflichtige allein mit der Einlegung von
Rechtsbehelfen gegen die Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln
deren - meist zur Gefahrenabwehr erforderliche - Vollziehung praktisch lahm legt
und diese Maßnahmen ihren Beugecharakter verlieren. Der Niedersächsische
Gesetzgeber geht laut LT-Drs. 12/4140 (Seite 87) davon aus, dass
„die betroffene Person unter dem Druck der [Androhung und]
bevorstehenden Festsetzung eines Zwangsmittels bewogen werden [soll],
innerhalb der gesetzten Frist auch tatsächlich zu handeln (OVG Lüneburg,
Urteil vom 11. Februar 1985 - 6 OVG A 95/82 -). Dem stünde grundsätzlich
entgegen, wenn sie sich allein durch Einlegen eines Widerspruchs einen
zeitlichen Aufschub verschaffen könnte.“
Die gesonderte und nachträgliche Anforderung der Kosten der Ersatzvornahme
setzt den Pflichtigen im Gegensatz zur Androhung und Festsetzung eines
Zwangsmittels nicht mehr unter „psychischen Zwang“ (OVG Lüneburg, Urteil
vom 11. Februar 1985 - 6 OVG A 95/82 -, BRS 44, Nr. 208), die Handlung
auszuüben. Vielmehr ist er aufgrund des nach Durchführung der
Ersatzvornahme ergehenden Leistungsbescheides zur Vornahme der
verlangten Handlung nicht mehr zu motivieren. Da diese schon ersatzweise
vorgenommen worden ist, kann sein Wille nicht mehr dahingehend gebeugt
werden, die Handlung selbst vorzunehmen und damit die kostenpflichtige
Ersatzvornahme abzuwenden. Der Grund allein, „dass die Beugewirkung von
Androhung und Festsetzung der Ersatzvornahme schwächer sein könnte, wenn
die nachträgliche Kostenanforderung nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar
wäre“ (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 20 GrS
1.11 -, juris Rn. 17), rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Senat hat
bereits Zweifel, ob diese Annahme überhaupt zutrifft. Jedenfalls wird sie nicht
durch den Wortlaut des § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG und den Sinn und Zweck
dieser Vorschrift bestätigt.
Es kann ferner offen bleiben, ob es sich bei dem Kostenvorschuss gemäß § 66
Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG um ein Beugemittel handelt (Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, Bd. I, Stand: August 2012, § 80 Rn. 190 m.w.N.). Denn diese
Verpflichtung, die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Voraus zu
zahlen, hat einen mit der nachträglichen Anforderung der Kosten nicht
vergleichbaren Regelungsgehalt. Sie ist nämlich - anders als die hier mit
Leistungsbescheid erfolgte Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme -
grundsätzlich geeignet, den Willen des Pflichtigen vor Durchführung der
Ersatzvornahme zu beugen.
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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch die
Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg keine abweichende Beurteilung.
Zwar hat dieses wiederholt entschieden, dass die nachträgliche Anforderung
von Kosten der Ersatzvornahme durch Leistungsbescheid eine Maßnahme der
Verwaltungsvollstreckung darstelle und aufgrund der landesgesetzlichen
Regelung des § 39 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land
Brandenburg - VwVG BB - (i.V.m § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 zweite Alternative) die
aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfalle (vgl.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2011 - 20 GrS 1.11 -
und Beschluss vom 23. Dezember 2005, - 2 S 122.05 -,a.a.O.). Doch ist diese
Entscheidung nicht auf § 64 Abs. 4 Nds. SOG übertragbar. Denn § 39 VwVG BB
und § 64 Abs. 4 Nds. SOG sind - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist
- eben nur „fast wortgleich“. In § 39 VwVG BB heißt es:
„Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden
(§ 2) und der Vollzugsbehörden (§ 16) in der Verwaltungsvollstreckung
richten, haben keine aufschiebende Wirkung.“
Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist mit der Formulierung „gegen
Maßnahmen […] in der Verwaltungsvollstreckung“ deutlich weiter als § 64 Abs. 4
Nds. SOG, der nur die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen die
Androhung bzw. die Festsetzung von Zwangsmitteln entfallen lässt. Dem
entgegen schließt § 39 VwVG BB die aufschiebende Wirkung von
Rechtsbehelfen umfassend, d.h. ohne inhaltliche Restriktionen, aus. Die
Rechtslage in Berlin unterscheidet sich von der in Niedersachsen geltenden
daher in so hohem Maße, dass es keiner weiteren inhaltlichen
Auseinandersetzung mit der Begründung der Entscheidungen des OVG Berlin-
Brandenburg bedarf. Insbesondere kann dahinstehen, ob die nach der
Durchführung der Ersatzvornahme vorgesehene Kostenbeitreibung im
Verwaltungszwangsverfahren „Teil der Verwaltungsvollstreckung“ im Sinne des
§ 39 Abs. 1 VwVG BB ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.
Dezember 2011 - 20 GrS 1.11 -, juris Rn. 17).