Urteil des OVG Niedersachsen vom 26.02.2014

OVG Lüneburg: treu und glauben, grundstück, genehmigung, nachlass, zaun, verkehrswert, einzäunung, zustellung, firma, beseitigungsverfügung

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Bauordnungsrechtliche Verantwortlichkeit von Erben
bei Erbengemeinschaft, Testamentsvollstreckung und
Nachlassverwaltung
Nach § 61 NBauO 2003 (= § 56 Satz 1 NBauO 2012) ist bauordnungsrechtlich
Pflichtiger der Eigentümer einer Sache. Beschränkungen für Mitglieder einer
ungeteilten Erbengemeinschaft oder für Erben, wenn der Nachlass
Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung unterliegt, ergeben sich
weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Funktion der genannten
erbrechtlichen Institute.
Zur Privilegierung einer forstwirtschaftlichen Nutzung.
Zur Opfergrenze bei der Heranziehung eines Zustandsstörers zur
Beseitigung von Schwarzbauten.
OVG Lüneburg 1. Senat, Urteil vom 26.02.2014, 1 LB 100/09
§ 35 Abs 1 Nr 1 BauGB, § 2038 Abs 1 S 1 BGB, § 1975 BGB, § 2205 BGB, § 56 S 1
BauO ND 2012, § 61 BauO ND
Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16.
November 2006 auf die Berufung des Beklagten geändert. Die Klage wird
insgesamt abgewiesen.
Die Berufungen der Kläger werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung zur
Beseitigung diverser Baulichkeiten auf einem ehemaligen Militärgelände.
Die Kläger sind als Erben Eigentümer eines insgesamt 75,6 ha großen, im
Südosten an die B 75 grenzenden Geländes in der Gemeinde N. (Flurstücke
O. /1, P. /1-P. /6, Q. /1-Q. /7, R. /1-R. /3, S. /20-T. /20, Flur 1, Gemarkung N.,
postalische Anschrift U. 12-14). Das Areal stand zunächst im Eigentum des
Deutschen Reiches, später der Bundesrepublik, und wurde im 2. Weltkrieg von
der Marine zur Lagerung von Torpedosprengköpfen (Torpedolager „Elbe“)
genutzt; hierfür wurden dort diverse Baulichkeiten errichtet. Ein Teil dieser
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Baulichkeiten wurde nach dem Krieg von den britischen Besatzungstruppen
beseitigt oder gesprengt. Neben den Ruinen verblieben auf dem Gelände eine
Feuerwache/Verwaltung (im der angefochtenen Beseitigungsverfügung
beigefügten Plan: Nr. 1), ein Garagengebäude (Nr. 10), ein Magazin mit
Verwaltung bzw. eine Montagehalle mit Säurekocherei (Nr. 8), ein
Lokschuppen (Nr. 7), eine Maschinenwerkstatt bzw. Lager mit Werkstatt (Nr. 5)
und eine Baracke mit Kellergeschoss (Nr. 11), ferner eine Betonringstraße, die
diese Baulichkeiten verband (Nr. 12). Um eine Sprengung auch dieser
Baulichkeiten zu vermeiden, wurde nach einem Vermerk des Beklagten vom
30.6.1949 bei der Militärverwaltung ein Antrag auf Umbau zu Wohnzwecken
gestellt, tatsächlich war eine Nutzung als Filmstudio angedacht.
Im Jahr 1950 befürwortete der Beklagte stattdessen die Nutzung als
Obstplantage durch den Obstzüchter V. W.. Dieser schlug dazu u.a. vor, die
vorhandenen Gebäude, „Bewirtschaftungsnotwendigkeiten entsprechend“ zu
Wohnräumen, Ställen, Lagern etc. herzurichten. Diese Absicht wird auch im
Antrag des Finanzamts Harburg-Land an die Oberfinanzdirektion Hannover
(OFD) vom 24.5.1950 und im Antrag der OFD auf Genehmigung eines
Pachtvertrages mit Herrn W. vom 28.12.1950 wiedergegeben, dem das Nds.
Finanz- und Innenministerium zustimmten. Mit Schreiben vom 16.8.1951,
10.11.1951 und 17.7.1953 teilte Herr W. der Finanzverwaltung mit, dass das
Verwaltungsgebäude (1) zu 3 Wohnungen mit Nebenräumen, die Garage (10)
zu einer Obstsortier- und Lagerhalle mit einer - nicht genutzten - Wohnung, der
Lokschuppen (7) zu einem Kühlhaus mit einer Wohnung und die Montagehalle
(8) zu einem Obstlagerhaus umgebaut seien. In einem Vermerk des
Staatshochbauamtes vom 17.7.1953 wird dies im Wesentlichen bestätigt. Der
Pachtvertrag mit Herrn W. kam am 29.6./5.7.1954 zustande und wurde später
mit anderen Pächtern (W. junior, X., Firma stets: Obstbaubetrieb Y.) fortgesetzt.
Nach dessen § 8 Abs. 2 bedurften die Errichtung, der Ersatz, der Abbruch oder
die Veränderung von Gebäuden oder sonstigen Anlagen auf dem Gelände der
vorherigen Genehmigung der Verpächterin.
Ab 1.1.1959 verpachteten die Nachfolger des Pächters eine Teilfläche von
14,5 ha im Osten des Geländes an die Firma Z. -AA. Ruck & Co., die dort eine
Pflanzenschutz-Versuchsanlage betrieb. Spätestens zu diesem Zeitpunkt,
vermutlich schon während der Nutzung durch die Wehrmacht war das
gesamte Grundstück mit einem Zaun (Nr. 13-18) umgeben. Die Firma Z.
errichtete dort ein mit Bauschein vom 2.7.1959 genehmigtes, inzwischen
zumindest bis auf das Fundament beseitigtes Aufenthaltshäuschen (Nr. 19)
und einen mit Bauscheinen vom 2.8.1960 und 3.10.1960 genehmigten
Maschinen- und Geräteschuppen (Nr. 3). Unter dem 22.6.1962 erteilte der
Beklagte der Bundesvermögensstelle Lüneburg (für den Obstbaubetrieb Y.)
die Baugenehmigung für den Einbau eines Bades und einer Kläranlage in dem
Garagengebäude (10).
Mit Vertrag vom September 1972 kaufte der 1983 verstorbene Dr. h.c. AB. AC.
(nachfolgend: AD.) B. das Grundstück, auf dem er ein Sanatorium für
Krebspatienten errichten wollte. In § 5 wird auf den Pachtvertrag mit dem
Obstbaubetrieb und den Unterpachtvertrag mit der Firma Z. AA. hingewiesen.
Nach § 6 durfte der Käufer das Grundstück in den ersten zehn Jahren nach
dem Erwerb nur „weiterhin landwirtschaftlich“ oder als Sanatorium nutzen. Die
Pläne zur Errichtung des Sanatoriums wurden nicht umgesetzt, da AD. B.
diese zunächst von der Genehmigung eines Flugplatzes abhängig machte, die
ihm versagt wurde. Nach der Übernahme wurde der Obstbaubetrieb
eingestellt, der Pachtvertrag aufgehoben. Ab 1971 betrieb die Klägerfamilie
nach eigenen Angaben selbst Land-, ab 1976 Forstwirtschaft auf dem
Grundstück. Die Firma Z. AA. blieb noch bis zumindest 1979 Pächterin der
östlichen Teilfläche, ist dies inzwischen aber nicht mehr. Nach Angaben der
Klägerfamilie im Verfahren 1 L 1756/94 wurden 1972 Teile des Lokschuppens
(7), der Garage (10) und des Verwaltungsgebäudes (1) von den Pächtern des
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Obstbaubetriebs, deren Familien und Mitarbeitern bewohnt; nach Erwerb des
Geländes sei AD. B. in das Verwaltungsgebäude (1) eingezogen, nach dessen
Tod habe dort ein Verwalter gewohnt.
Im Frühjahr 1977 wurde auf dem Gelände eine (zumindest teilweise neue)
Einzäunung errichtet. Die Familie der Kläger ließ sich gegenüber dem
Beklagten damals dahingehend ein, der Zaun ersetze teils nur den
abgängigen Vorgängerzaun, entlang der B 75 würden junge Aufforstungen vor
Wildverbiss geschützt. Hinsichtlich der Zäune entlang nicht aufgeforsteter
Flächen kündigte der Beklagte Herrn AD. B. im Oktober 1977/Mai 1978 eine
Beseitigungsanordnung an, erließ diese jedoch nicht.
1983 wurde AD. B. von seinen vier Söhnen, dem Vater/Ehemann der Kläger
zu 1. - 4. - AB. AE. AC. (nachfolgend: AF.) B. -, den Klägern zu 5. und 6. sowie
AG. B. beerbt. Über den Nachlass wurde die Testamentsvollstreckung
angeordnet. Testamentsvollstrecker waren AF. B. und der Kläger zu 6. Der
Erblasser gab den Testamentsvollstreckern auf, das strittige Grundstück nach
einem beigefügten Plan aufzuteilen, nach dem AF. B. den West-, AG. B. den
Süd-, der Kläger zu 5. den Nord- und der Kläger zu 6. den Ostteil des
Geländes erhalten sollte. Tatsächlich blieb das Grundstück jedenfalls bis zum
Erlass der hier angefochtenen Widerspruchsbescheide Miteigentum der
Erben. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, wohl in den 1990er Jahren
errichtete die Familie zwischen dem Lokschuppen (7) und dem Lager-
/Werkstattgebäude (5) einen Pferdestall (Nr. 6 im der Beseitigungsverfügung
beigefügten Lageplan).
Unter dem 11.1.1991 beantragte AF. B. die Erteilung einer Baugenehmigung
für einen Umbau des ehemaligen Lokschuppens, der eine erhebliche
Erweiterung der dort bestehenden Wohnung beinhaltete. Nachdem der
Beklagte Ende 1991 die Ablehnung des Antrags angekündigt hatte, bat AF. B.
um Aussetzung der Verfahren, um zunächst die baurechtliche Legalität von
fünf auf dem Gelände vorhandenen Gebäuden sowie der Einfriedung klären
zu lassen. Im Februar 1992 erhob er eine Feststellungsklage mit dem Ziel, den
Bestandsschutz für diese Anlagen klären zu lassen. Die Klage blieb in allen
Instanzen erfolglos (Urt. d. VG vom 2.2.1994 - 2 A 106/92 -, des Senats vom
10.10.1995 - 1 L 1756/94 -, Beschl. d. BVerwG v. 7.2.1996 - 4 B 10/96 -);
tragende Begründung des Senats war, dass dem Kläger ein
Feststellungsinteresse fehle. Parallel dazu begann AF. B. mit den Bauarbeiten
für den Umbau des Lokschuppens (7). Mit Bescheid vom 5.4.1993 untersagte
der Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzuges die Fortführung von
Bauarbeiten. Ein dagegen eingeleitetes Eilrechtsschutzverfahren wurde nach
Abschluss der Bauarbeiten eingestellt. Mit Bescheid vom 11. Oktober 1995
lehnte der Beklagte einen Bauantrag auf Umbau und Erweiterung des
ehemaligen Lokschuppens (7) ab. Die dagegen erhobene Klage - 2 A 58/95 -
wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12.11.1997 ab, der Antrag auf
Zulassung der Berufung blieb erfolglos (Beschl. d. Senats vom 13.1.1998 - 1 L
208/98 -).
Ende 1998 verstarb AF. B. und wurde von den Klägern zu 1. - 4. beerbt. Über
den Nachlass wurde mit Beschluss vom September 1999 die
Nachlassverwaltung angeordnet.
Mit den hier streitgegenständlichen, zunächst den Klägern persönlich bekannt
gegebenen, gleichlautenden Verfügungen vom 7.9.2000 gab der Beklagte den
Klägern auf, folgende bauliche Anlagen zu beseitigen:
„1. Verwaltungsgebäude mit Carport (Nr. 1) - jetzt 2 Wohneinheiten
2. Kellergeschoss einer ehemaligen Baracke (Nr. 2)
3. Bunker (Nr. 4)
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4. Lager- und Werkstattgebäude (Nr. 5)
5. Pferdestall (Nr. 6)
6. Lokomotivschuppen (Nr. 7) - jetzt „Wohnhaus“
7. Montagehalle (Nr. 8)
8. Garagengebäude (Nr. 10) - jetzt mit 1 Wohnung
9. Kellergeschoss einer ehemaligen Baracke (Nr. 11)
10. Betonringstraße (Nr. 12)
11. Einfriedung mit Toranlage (Nr. 13-18)
12. Maschinenschuppen (Nr. 3)
13. Fundament eines entfernten Nebengebäudes (ca. 8,00 x 3,50 m) - Nr.
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14. alle auf den Grundstücken verlegten Pflasterungen, Gehwegplatten und
alle vorhandenen Kläranlagen, Innenzäune und sonstigen Toranlagen.“
Für die Beseitigung des Verwaltungsgebäudes (1), des Lokschuppens (7), der
Garage (10) und der Pflasterungen etc. setzte der Beklagte eine Frist von 3
Jahren, für die übrigen Anlagen von einem Jahr ab Bestandskraft der
Verfügung(en). Ferner drohte er für den Fall der Nichtbefolgung die
Ersatzvornahme an, wobei er die Beseitigungskosten auf 790.000 DM
schätzte. In der Begründung heißt es, die Beseitigungsanordnung stütze sich
auf § 89 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 4 NBauO. Die aufgeführten Anlagen
seien baurechtswidrig; teils sei ein früherer Bestandsschutz durch
Nutzungsaufgabe erloschen, teils seien auch Anlagen materiell illegal und
ohne Genehmigung erweitert worden; dies wird im Einzelnen ausgeführt. Herrn
AG. B. gab der Beklagte den Bescheid durch öffentliche Zustellung bekannt.
Bei Erlass der Bescheide waren auf dem Grundstück weitere 7 Personen
(Mieter der Klägerfamilie) gemeldet. Diesen gab der Beklagte
Duldungsverfügungen bekannt.
Die Kläger zu 1. - 6. erhoben fristgemäß Widersprüche, die der Beklagte mit
Widerspruchsbescheiden vom 27.12.2004 zurückwies. Zur Begründung
ergänzte und vertiefte er die Bescheidbegründung; insbesondere führte er aus,
die Eingriffsbefugnisse des Landkreises seien durch lange Untätigkeit nicht
verwirkt. Eine unbefristete Duldung der Bauten würde dem Errichten von
Schwarzbauten Vorschub leisten und Bauherren, die sich an die
Bauvorschriften hielten, unangemessen benachteiligen. Ein Gleichheitsverstoß
liege nicht vor; die verfügten Beseitigungsfristen seien angemessen, zumal sie
erst mit Bestandskraft der Bescheide zu laufen begännen.
Am 25.1.2005 haben die Kläger zu 1. - 6. Klage erhoben und zur Begründung
unter anderem geltend gemacht, die Beseitigungsverfügung habe an den
Testamentsvollstrecker, jedenfalls hinsichtlich der Kläger zu 1. - 4. an den
Nachlassverwalter gerichtet werden müssen. In der Sache sei eine
Innenbereichslage des Grundstücks denkbar. Eine Überplanung sei denkbar
und werde nur vom Beklagten verhindert. Hinsichtlich der Frage des
Bestandsschutzes sei eine Beweislastumkehr angebracht. Für die Anlagen im
Einzelnen gelte: Das Verwaltungsgebäude (1) werde seit 1950
ununterbrochen als Wohnhaus genutzt. Es greife eine Genehmigungsfiktion,
hilfsweise die Beweislastumkehr. Das „Kellergeschoss“ (2) sei seit 1950 ein
Pumpenraum für die Frischwasserversorgung und genieße Bestandsschutz.
Jedenfalls müsse die Beseitigungsfrist der der mit Wasser versorgten
Wohngebäude entsprechen. Der Bunker (4) und das Kellergeschoss (11)
seien zugewachsen, ein Abbruch zerstöre nur die Fauna und Flora. Das
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seien zugewachsen, ein Abbruch zerstöre nur die Fauna und Flora. Das
Lager- und Werkstattgebäude (5) werde bis heute als Lager genutzt und
genieße Bestandsschutz. Der Pferdestall (6) sei im Außenbereich privilegiert.
Für den Lokschuppen (7) müsse entsprechend dem Leitfaden des Beklagten
vom April 1999 zum Umgang mit Schwarzbauten eine Beseitigungsfrist von 10
Jahren gewährt werden. Die Montagehalle (8) werde zumindest seit 1950
unverändert als Lager genutzt und genieße Bestandsschutz. Das
Garagengebäude (10) sei genehmigt. Spätere Anbauten würden bestritten. Im
Übrigen griffe auch hier die 10-jährige Beseitigungsfrist. Die Betonringstraße
(12) genieße Bestandsschutz und sei für die forstwirtschaftliche Nutzung des
Grundstücks erforderlich. Die Einfriedung (13-18) sei seit Kriegsende allenfalls
ausgebessert worden, genieße Bestandsschutz und diene der Einhegung der
Pferde, der Abgrenzung zur Bebauung im Südwesten des Grundstücks sowie
der jagdlichen Nutzung des Grundstücks. Der Maschinenschuppen (3) sei als
gewerbliche Anlage genehmigt und genieße daher Bestandsschutz; auf eine
fortdauernde Nutzung für die Pflanzenschutzversuchsanlage komme es nicht
an. Das Fundament (19) existiere nicht und könne daher auch nicht beseitigt
werden.
Mit Beschluss vom 30.5.2005 hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek die
Nachlassverwaltung über den Nachlass des AF. B. aufgehoben. Mit
Anschreiben vom 15.8.2005 gab der Beklagte die Verfügung vom 7.9.2000
dem Kläger zu 6. auch in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker
bekannt, wogegen dieser fristgemäß Widerspruch erhob. Diesen Widerspruch
wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.4.2006 zurück. Das
hiergegen eingeleitete Klageverfahren 2 A 471/06 hat das Verwaltungsgericht
mit dem Verfahren 2 A 16/05 verbunden.
Mit Urteil vom 16.11.2006 hat das Verwaltungsgericht die gegen die Kläger zu
1. - 4. gerichteten Bescheide aufgehoben, im Übrigen aber die Klage
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide gegenüber den
Klägern zu 1. - 4. hätten nicht diesen persönlich, sondern dem
Nachlassverwalter zugestellt werden müssen. Nach § 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB
verliere der Erbe mit der Anordnung der Nachlassverwaltung die Befugnis,
über den Nachlass zu verfügen, an den Nachlassverwalter. Etwas anderes
gelte auch nicht, soweit der Beklagte geltend mache, er strebe eine
Vollstreckung in das Eigenvermögen der Erben an; denn die Voraussetzungen
der unbeschränkten Erbenhaftung gem. § 2013 Abs. 1 BGB, die allein die
Ausschlusswirkung des § 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB durchbreche, lägen hier
nicht vor. Aus der Aufhebung der Nachlassverwaltung ergebe sich nichts
anderes, da maßgeblich der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung(en) sei.
Die Bescheide gegen die Kläger zu 5. und 6. seien dagegen rechtmäßig.
Wenn, wie hier, Testamentsvollstreckung angeordnet sei, könne gem. § 2213
BGB ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richte, gegen den Erben
oder gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden. Die
fehlende Zustellung eines weiteren Bescheides an den Nachlassverwalter der
Kläger zu 1. - 4. oder eine u.U. fehlerhafte Zustellung an Herrn AG. B. führe
nicht zur Rechtswidrigkeit der Bescheide gegen die Kläger zu 5. und 6.,
sondern allenfalls zu einem Vollstreckungshindernis. Die Bescheide seien
auch materiell rechtmäßig. Die Baulichkeiten lägen im Außenbereich und
beeinträchtigten öffentliche Belange (Splittersiedlung, Flächennutzungsplan).
Sie genössen keinen Bestandsschutz; soweit dieser für die militärischen
Bauten, aber auch für die für Zwecke des Obstbaubetriebes oder der
Pflanzenschutzversuchsanlage einst bestanden habe, sei er mit Aufgabe
dieser Nutzungen erloschen; insoweit komme es auch nicht darauf an, ob
hinsichtlich der ursprünglichen Legalität dieser Anlagen eine
Beweislastumkehr greife. Jedenfalls im Widerspruchsbescheid fänden sich
auch hinreichende Ermessenserwägungen. Insbesondere sei die
Herbeiführung rechtmäßiger Zustände durch Umnutzung der Bauten zu
privilegierten Zwecken nicht möglich, da die Kläger nicht dargelegt hätten, eine
privilegierte Nutzung konkret aufnehmen zu wollen. Die Beseitigungsfristen
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seien ausreichend. Die Kläger könnten sich nicht auf Gleichbehandlung im
Rahmen des Leitfadens des Beklagten vom April 1999, der für selbstgenutzte
Wohnhäuser eine Beseitigungsfrist von 10 Jahren vorsehe, berufen. Der
Leitfaden gelte für Wohnbaugebiete aus der Nachkriegszeit; zudem stelle er
auf den Erlass, die streitgegenständlichen Bescheide dagegen auf die
Bestandskraft der Beseitigungsverfügungen ab.
Alle Beteiligten haben die Zulassung der Berufung beantragt. Im Laufe des
Berufungszulassungsverfahrens hat der Beklagte mit Schriftsatz vom
22.2.2007 seine Ermessenserwägungen hinsichtlich der Störerauswahl
ergänzt. Der Senat hat mit Beschluss vom 15.5.2009 sowohl die Berufung der
Kläger zu 5. bis 6. und des Testamentsvollstreckers, als auch des Beklagten
zugelassen. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 6. sein Amt
als Testamentsvollstrecker mit Schreiben vom 19.10.2009 niedergelegt. Unter
dem 16.6.2009 hat der Beklagte die Beseitigungsverfügung vom 7.9.2000 den
Klägern zu 1. - 4. „vorsorglich noch einmal“ „als Adressaten“ bekanntgegeben.
Die dagegen erhobenen Widersprüche hat er mit Widerspruchsbescheid vom
28.10.2009 zurückgewiesen, wogegen die Kläger zu 1. - 4. vor dem
Verwaltungsgericht Lüneburg unter dem 27.11.2009 Klage erhoben haben. Mit
notariellem Vertrag vom 10.11.2010 hat der Kläger zu 6. sein im Wesentlichen
noch aus einem ideellen Anteil an dem streitgegenständlichen Grundstück
bestehendes Erbteil zum Preis von 300.000,- € an die Firma U. AH. veräußert.
Zur Begründung der Berufung tragen die Kläger zu 5. - 6. und der inzwischen
aus dem Verfahren ausgeschiedene Testamentsvollstrecker im Wesentlichen
vor, die fehlende Zustellung der Bescheide an die Kläger zu 1. - 4. sowie eine
fehlerhafte Zustellung an Herrn AG. B. führten nicht nur zu einem
Vollstreckungshindernis, sondern zur Unwirksamkeit des angefochtenen
Bescheides. Zumindest ein Teil der Gebäude werde für die Jagd sowie land-
und forstwirtschaftlich genutzt; der Kläger zu 6. bewirtschafte - teils für den
Kläger zu 5. und AG. B. - den überwiegenden, nördlichen und östlichen Teil
des Geländes sowie eine weitere Fläche von 5,85 ha. Im Gebäude (1) lebe
sein Verwalter, den er auf 400-€-Basis für 10 Wochenstunden beschäftige; im
Gebäude (3) stelle sein Jagdaufseher Gerätschaften ab; zudem sei hier der für
die Forstwirtschaft benötigte Traktor und weiteres forstwirtschaftliches Gerät
untergestellt. Die Einfriedung (13-18) diene entlang der B 75 dem Schutz des
Verkehrs vor Wildunfällen; ferner schütze der Zaun vor Wildverbiss; zur Zeit
stehe eine Neuaufforstung von 10 ha im Nordosten an. Außerdem verhindere
der Zaun, dass Personen in den Bunkeranlagen zu Schaden kämen und das
Eigentum der Kläger störten. Die Betonringstraße sei für die Zugänglichkeit
des Waldes für Forstfahrzeuge erforderlich. Im Rahmen der Störerauswahl
habe der Beklagte ermessensfehlerhaft die Bundesrepublik als
Handlungsstörerin nicht berücksichtigt; diese sei als Rechtsnachfolgerin für die
Errichtung der Militäranlagen durch das Deutsche Reich verantwortlich; § 1
AKG schließe die Haftung nicht aus. Die vom Beklagten mit Schriftsatz vom
22.2.2007 ergänzten Ermessenserwägungen überzeugten nicht. Das
Beseitigungsverlangen verstoße gegen Treu und Glauben, da die öffentliche
Hand dem Erblasser der Kläger das Gelände mit dem Großteil der Bauten
übergeben habe, deren Beseitigung sie jetzt durch den Beklagten verlange.
Die Beseitigungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, eine
Nutzungsuntersagung sei ausreichend, da durch Umnutzung der Gebäude
oder Umplanung rechtmäßige Verhältnisse hergestellt werden könnten.
Zudem überschritten die Beseitigungskosten den Verkehrswert des
Grundstücks; dieser betrage maximal 305.000 €, die Beseitigungskosten lägen
bei 385.000 €.
Die Kläger zu 5. und 6. beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom
16. November 2006
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1. die Beseitigungsanordnung des Beklagten vom 7. September 2000
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung
Lüneburg vom 27. Dezember 2004 aufzuheben;
2. die Beseitigungsanordnung des Beklagten vom 7. September 2000,
bekannt gegeben mit Bescheid vom 15. August 2005, in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 24. April 2006
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. November 2006
abzuändern, soweit darin die angefochtenen Bescheide gegen die
Kläger zu 1) bis 4) aufgehoben worden sind, und die Klage auch
insoweit abzuweisen, sowie die Berufungen der Kläger
zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Bescheide auch gegen die Kläger zu 1. - 4. seien rechtmäßig.
Sie hätten trotz der bei Bescheiderlass bestehenden Nachlassverwaltung an
diese direkt gerichtet werden können. Die öffentlich-rechtliche
Zustandsverantwortlichkeit sei einer Nachlasserbenschuld vergleichbar, da der
Grund der Haftung in dem auf den Erben übergegangenen Eigentum liege und
keine vom Erblasser übernommene Verbindlichkeit darstelle. Für
Abwassergebühren und Grundsteuern sei dies anerkannt. Für
Nachlasserbenschulden hafteten Nachlass und Eigenvermögen der Erben
„gewissermaßen gesamtschuldnerisch.“ Allenfalls könne sich aus der
fehlenden Verfügungsbefugnis der Erben ein Vollziehungshindernis ergeben,
das aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
beseitigt sei. Die Bescheide gegen alle Kläger seien auch materiell
rechtmäßig, insbesondere gebe es selbst für das teilweise als Wohnhaus
genehmigte Garagengebäude (10) keinen Bestandsschutz, da dieses
nachträglich massiv erweitert worden sei. Die Begrenzung der
Zustandsverantwortung nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts greife hier nicht; zu berücksichtigen sei, dass Herr
AD. B. bei Erwerb des Grundstücks als Architekt die bauordnungsrechtlichen
Risiken kennen musste und Herr AF. B. den Lokschuppen illegal erweitert
hätte. Den Erben sei zudem über lange Zeit der Ertrag aus der Vermietung der
Häuser (1) und (10) zu Gute gekommen.
Die Kläger zu 1. - 4. beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. November 2006
abzuändern und die Beseitigungsanordnung vom 15. August 2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 24. April
2006 aufzuheben sowie die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie machen geltend, ihre Zustandsverantwortung für das Grundstück sei keine
Nachlasserbenschuld; diese erfordere ein aktives Handeln des Erben.
Anderes gelte bei einer Handlungspflicht, jedoch nur, wenn diese nicht vom
Erblasser auf den Erben übergegangen sei; dies sei hier der Fall. Sinn und
Zweck der Nachlassverwaltung sei es, die ausschließliche Regelung der
Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlassverwalter sicherzustellen.
Maßgeblich sei auch nicht die Verfügungsberechtigung der Erben zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern bei Geltendmachung
der Forderung; dies zeige der Vergleich mit dem Zivilrecht. Der Fehler führe
aufgrund seiner Schwere zur Nichtigkeit der Beseitigungsverfügung gemäß §
44 Abs. 2 VwVfG und könne nicht durch die Neubekanntmachung nach Ende
der Nachlassverwaltung geheilt werden. Die Neubekanntmachung stelle
vielmehr, wie der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2009 klarstelle, einen
Zweitbescheid dar, der einen etwaigen früheren Bescheid ersetze. In der
Sache sei hinsichtlich Baurechtswidrigkeit und Bestandsschutz unzureichend
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zwischen den einzelnen Anlagen auf dem Grundstück differenziert worden;
insoweit werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Auch der von
ihnen verwaltete Teil des Grundstücks - die Fläche innerhalb und westlich der
Betonringstraße - werde forstwirtschaftlich genutzt. Im Gebäude 10 lebe ihr
ebenfalls teilzeitbeschäftigter Verwalter, der größere Teil des Gebäudes diene
als Maschinengarage. Das Gebäude 5 diene etwa zur Hälfte als Holzlager, im
Gebäude 7 würden ein Büro und die Garage für den Forstbetrieb genutzt.
Hinsichtlich der Störerauswahl werde auf den Vortrag des
Testamentsvollstreckers verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 26.2.2014 hat der Beklagte die
angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit darin die Beseitigung des
Bunkers (Nr. 4 im Lageplan), des Kellergeschosses (Nr. 11) und des
Fundaments (Nr. 19) gefordert war. Außerdem hat er die Beseitigungsfristen
auf einheitlich 3 Jahre für alle Anlagen verlängert. Insoweit haben die
Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt haben, ist das Verfahren analog § 92 Abs. 3 VwGO
einzustellen.
Soweit die Berufungen der Kläger aufrechterhalten werden, haben sie keinen
Erfolg, während die Berufung des Beklagten erfolgreich ist.
Die Klagen sind zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger zu 1. - 4. ist
nicht dadurch entfallen, dass der Beklagte nach Wegfall der
Nachlassverwaltung gegen diese unter dem 16.6.2009 nochmals
Beseitigungsanordnungen erlassen und diese mit Widerspruchsbescheid vom
28.10.2009 bestätigt hat. Diese Bescheide heben, ungeachtet ihrer
Bezeichnung als „Zweitbescheide“ im Widerspruchsbescheid, die hier
angefochtenen Beseitigungsverfügungen nach dem erkennbaren Willen des
Beklagten nicht auf, so dass diese die Kläger zu 1. - 4. weiterhin beschweren.
Die Klagen sind jedoch unbegründet. Die angefochtenen
Beseitigungsverfügungen sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in
ihren Rechten i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die Beseitigungsverfügungen weisen keine formellen Fehler auf. Sie wurden
insbesondere den Adressaten ordnungsgemäß bekannt gemacht. Ein
Bekanntgabefehler liegt nur dann vor, wenn ein Bescheid nicht seinem
materiellen Adressaten, d.h. demjenigen, von dem die Behörde die
Beseitigung verlangt, zur Kenntnis gebracht wird; ob der materielle Adressat
hingegen zur ihm aufgegebenen Handlung verpflichtet werden konnte, ist eine
Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl. OVG Lüneburg,
Beschl. v. 11.10.2007 - 9 LC 345/04 -, juris-Rn. 12 f.). Auf die Entscheidungen
des Verwaltungsgerichts Potsdam (Urt. v. 24.4.1996 - 2 K 1532/94 -, NVwZ
1999, 214) und des VGH München (Urt. v. 16.10.1984 - 12 B 80 A.1790, NJW
1985, 2439) können sich die Kläger nicht berufen; in beiden Fällen wurde nicht
der formelle Adressat zu einem bestimmten Handeln verpflichtet, sondern der
Inhalt eines Rechts modifiziert.
II.
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Die Beseitigungsanordnungen sind, soweit der Beklagte sie in der mündlichen
Verhandlung nicht aufgehoben hat, auch materiell rechtmäßig. Ihre Adressaten
waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen
Widerspruchsentscheidungen baurechtlich Verantwortliche (1.), die von den
Bescheiden (noch) erfassten baulichen Anlagen sind materiell baurechtswidrig
(2.), nicht bzw. nicht mehr von einer Baugenehmigung gedeckt und genießen
auch sonst keinen Bestandsschutz (3.). Die Beseitigungsanordnungen weisen
auch keine Ermessensfehler auf (4.).
1. Die Kläger sowie der Testamentsvollstrecker waren zum jeweils
maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidungen baurechtlich
verantwortlich für das streitige Gelände.
Hinsichtlich der an die Kläger direkt gerichteten Bescheide gilt: Gemäß § 61
Satz 1 NBauO a.F. sind die Eigentümer dafür verantwortlich, dass bauliche
Anlagen und Grundstücke dem öffentlichen Baurecht entsprechen.
Einschränkungen hinsichtlich Mit-, Gesamthands-, oder
Verfügungsbeschränkungen unterworfenem Eigentum macht das Gesetz
seinem Wortlaut nach nicht. Auch aus der Funktion der gesamthänderischen
Bindung als Miterben, der Testamentsvollstreckung und der
Nachlassverwaltung ergeben sich keine Beschränkungen, die eine
teleologische Reduktion des § 61 Satz 1 NBauO a.F. gebieten.
Hinsichtlich der gesamthänderischen Bindung der Miterben ist hier eine
Einschränkung schon deshalb nicht geboten, weil allen Miterben eine
Beseitigungsverfügung wirksam zugestellt wurde. Die öffentliche Zustellung an
Herrn AG. B. war hier berechtigt, da eine Zustellung im Ausland hätte erfolgen
müssen, dort aber keinen Erfolg versprach (§ 1 Abs. 1 NVwZG i.V.m. § 15 Abs.
1 Buchst. c) VwZG a.F.). Eine Zustellung des Anhörungsschreibens an die
letzte bekannte, von ihm in einem Schreiben vom 16.6.1993 angegebene
Adresse in den USA (1514 AI., AJ.) scheiterte, da ein Nachsendeauftrag
abgelaufen sei („Forwarding order expired“). Das Finanzgericht Hamburg teilte
dem Beklagten mit, Herr AG. B. befinde sich „in den USA auf der Flucht vor
seinen Gläubigern“. Angesichts dessen waren weitere Adressrecherchen des
Beklagten nicht geboten.
Im Übrigen steht die gesamthänderische Bindung der Miterben der
Inanspruchnahme (nur) einzelner Miterben nicht entgegen (I.E. ebenso, freilich
ohne nähere Begründung, OVG Magdeburg, Beschl. v. 10.6.2004 - 2 M
278/04 -, juris). Wie bereits im Zulassungsbeschluss ausgeführt, ist die
Erbengemeinschaft als solche, anders als andere
Gesamthandsgemeinschaften nicht rechtsfähig (BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII
ZR 187/00 -, NJW 2002, 3389) und kann daher auch nicht
bauordnungsrechtlich in Anspruch genommen werden. Zu berücksichtigen ist
zwar, dass die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich
zusteht (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB - auf die Verfügungsbefugnis, d.h. die
Rechtsmacht, Nachlassgegenstände mit dinglicher Wirkung zu veräußern, vgl.
dazu §§ 2033 Abs. 2, 2040 BGB dürfte es weniger ankommen), so dass die
Ausführung des Rückbauverlangens einem einzelnen Miterben nur möglich ist,
wenn die übrigen Miterben zumindest Duldungsverfügungen erhalten; dies ist
allerdings erst auf der Ebene der Vollstreckung zu beachten. Die Wertung,
dass die gesamthänderische Bindung der Inanspruchnahme einzelner Erben
nicht entgegensteht, wird durch § 2058 BGB bestärkt; danach haften die Erben
für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner.
Die Haftung kann zwar gem. § 2059 BGB auf den Nachlass beschränkt
werden, dies ist jedoch nach der überzeugenden Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs ebenfalls erst auf der Vollstreckungsebene zu
berücksichtigen (Beschl. v. 24.6.1981 - I B 18/81 -, juris-Rn. 7). Die
Zustandshaftung ist zwar keine Nachlassverbindlichkeit, d.h. eine
Verbindlichkeit des Erblassers oder eine aus dem Erbfall herrührende Schuld,
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sondern eine Verbindlichkeit, die nach dem Erbfall, bedingt durch die (Mit-
)Eigentümerstellung neu entsteht (dazu unten); hinsichtlich dieser kann der
Erbe aber im Ergebnis nicht besser gestellt werden als hinsichtlich der
Nachlassverbindlichkeiten.
Ähnliches gilt für die Testamentsvollstreckung. Zwar steht dem
Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zu (§ 2205 BGB),
soweit diese Befugnis nicht beschränkt ist (§ 2208 Abs. 1 BGB), und eine
solche Beschränkung ist hier nicht ersichtlich. Auch dies bedeutet jedoch nur,
dass eine Rückbauanordnung ohne Duldungsverfügung an den
Testamentsvollstrecker nicht vollstreckbar ist. Wirtschaftlich zeigt sich auch
hier - in § 2213 Abs. 1 BGB -, dass der Erbe neben dem
Testamentsvollstrecker für die „Lasten“ des Nachlasses verantwortlich ist.
Auch hier ist zwar zu berücksichtigen, dass die Zustandshaftung keine
Nachlassverbindlichkeit ist; es gilt jedoch derselbe Erst-Recht-Schluss wie für
die Erbengemeinschaft. Dass die Zustandshaftung keine
Nachlassverbindlichkeit ist, bedeutet zwar auch, dass sich aus § 2213 Satz 1
BGB nicht ableiten lässt, dass der Testamentsvollstrecker wie ein Eigentümer
aus Zustandshaftung in Anspruch genommen werden kann. Allerdings ist
nach § 61 Satz 3 NBauO a.F. neben dem Eigentümer auch der Inhaber der
tatsächlichen Gewalt bauordnungsrechtlich verantwortlich.
Auch der Umstand, dass über den Nachlass des AF. B. Nachlassverwaltung
(§§ 1975 ff. BGB) angeordnet war, hinderte den Beklagten nicht, an die Kläger
zu 1. - 4. direkt Beseitigungsverfügungen zu richten. Die Handlungspflicht aus
Zustandshaftung entsteht, ähnlich wie die an das Grundeigentum
anknüpfenden Abgabenschulden, erst nach dem Erbfall und ist daher weniger
einer Nachlassverbindlichkeit, also einer Schuld des Erblassers oder einer
Schuld anlässlich des Erbfalls, z.B. einem Pflichtteilsanspruch oder
Vermächtnis, als einer Nachlasserbenschuld vergleichbar (vgl. OVG Lüneburg,
Beschl. v. 6.3.2008 - 9 ME 149/08 -, juris-Rn. 7 und zuletzt überzeugend OVG
Bautzen, Urt. v. 23.5.2012 - 4 A 499/09 -, juris-Rn. 19 ff. m.w.N., bestätigt durch
BVerwG, Beschl. v. 31.1.2013 - 9 B 32.12 -, juris). Auch der Einwand, dass
Abgaben von jedermann ohne Schaden für den Nachlass gezahlt werden
könnten, während die Beseitigung baulicher Anlagen dem Nachlassverwalter
die Möglichkeit nehme, über den betroffenen Nachlassgegenstand nach §
1985 BGB zur Befriedigung vermögensrechtlicher Ansprüche der Gläubiger zu
disponieren, rechtfertigt für die Zustandshaftung keine andere Sichtweise. Es
trifft zwar zu, dass eine Beseitigungsanordnung gegen den Erben nicht ohne
Duldungsverfügung gegenüber dem Nachlassverwalter durchgesetzt werden
kann. Das ist aber, wie bereits oben dargelegt, erst auf der
Vollstreckungsebene zu berücksichtigen. Entscheidend für die Bestimmung
des Trägers der Zustandshaftung ist der Gedanke, dass diese Ausfluss der
Sozialbindung des Eigentums ist, d.h. derjenige, der im Ergebnis von der
Sache profitieren kann, auch die Mühe haben soll, sie in Ordnung zu halten.
Wirtschaftlicher Profiteur des Nachlasses ist aber auch im Fall der
Nachlassverwaltung der Erbe (i.E. ebenso zur Altlastenhaftung nach dem
BBodSchG Schwartmann/Vogelheim, ZEV 2001, 101 <102>).
2. Die zu beseitigenden Anlagen sind materiell baurechtswidrig. Sie liegen im
unbeplanten Außenbereich und sind dort als nicht privilegierte Vorhaben nach
§ 35 Abs. 2, 3 BauGB zu beurteilen. Als solche berühren sie öffentliche
Belange; sie widersprechen den Darstellungen des Flächennutzungsplans der
Samtgemeinde N., der das Gelände als Fläche für die Land- und
Forstwirtschaft darstellt, und beeinträchtigen Belange des Naturschutzes und
der Landschaftspflege; die Wohngebäude lassen zudem die Entstehung einer
Splittersiedlung befürchten (vgl. zum Gebäude Nr. 7 den Senatsbeschl. v.
13.1.1998 - 1 L 208/98 -, S. 4).
Die Auffassung der Kläger, zumindest die Anlagen 1-3, 5-7, 10 und 12-18
seien als privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, trifft
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nicht zu.
Eine Privilegierung für eine jagdliche Nutzung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB
ist für keine der genannten Anlagen ersichtlich. Soweit der Kläger zu 6. geltend
macht, sein Jagdaufseher lagere in dem Gebäude Nr. 3 Tierfutter und Geräte,
die er für die Instandhaltung von Hochsitzen benötige, ergibt sich daraus nichts
anderes. Ein solcher Lagerraum kann nicht, wie es § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB
erfordert, wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung oder
wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt
werden; vielmehr ist es dem ohnehin knapp außerhalb des Geländes
lebenden Jagdaufseher ohne weiteres möglich, Futter und Werkzeug im
Innenbereich zu lagern und bei seinen Besuchen auf dem Grundstück
mitzubringen.
Eine Privilegierung als Vorhaben, die einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb dienen, kommt für keine der angeführten Anlagen in Betracht. Nach
ihrem eigenen Vortrag bewirtschaften die Kläger das Gelände in zwei
voneinander getrennten Einheiten - den vom Kläger zu 6. und dem von den
Klägern zu 1. - 4. verwalteten Flächen.
Für die vom Kläger zu 6. verwalteten Flächen fehlt es bereits an den
Voraussetzungen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes. Vor dem
Hintergrund, dass eine Privilegierung die Errichtung u.U. langlebiger Anlagen
rechtfertigen kann, verlangt die Rechtsprechung von einem solchen Betrieb,
dass es sich um ein auf Dauer gedachtes und auch so lebensfähiges
Unternehmen handelt, dass erwartet werden kann, er werde nach dem
Ausscheiden des jetzigen Inhabers von dessen Verwandten oder Dritten
fortgeführt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 - 4 C 7.04 -, BVerwGE 122,
308 = BRS 67 Nr. 95). Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit setzen dabei ein
Mindestmaß an Umfang der land- bzw. forstwirtschaftlichen Betätigung voraus
(BVerwG, Urt. v. 13.4.1983 - 4 C 62.78 -, DÖV 1983, 816 = juris-Rn. 19
m.w.N.). Diese Voraussetzungen kann auch ein Nebenerwerbsbetrieb erfüllen
(st. Rspr. seit BVerwG, Urt. v. 27.1.1967 - IV C 41.65 -, BVerwGE 26, 121 =
juris-Rn. 13 ff.); allerdings ist, soll auch hier die Ernst- und Dauerhaftigkeit mit
hinreichender Sicherheit gewährleistet sein, verschärftes Augenmerk auf
sonstige Indizien, insbesondere eine etwaige Gewinnerzielung, die Üblichkeit
der Betriebsform und, gerade bei einem älteren Unternehmer, die Sicherung
der Betriebsnachfolge zu richten.
Gemessen hieran bewirtschaftet der Kläger zu 6. seine Flächen nicht als land-
und forstwirtschaftlicher Betrieb. Der Umfang der von ihm genutzten land- und
forstwirtschaftlichen Flächen ist mit deutlich unter 100 ha zwar nicht schon für
sich geeignet, die Annahme eines (Nebenerwerbs-)Betriebes auszuschließen;
allerdings erreichen diese Flächen auch bei weitem nicht eine Größe, die eine
Fortnutzung als eigenständiger Betrieb gleichsam als selbstverständlich
erscheinen ließe. Vor diesem Hintergrund genügen die Angaben des Klägers
zu 6. zu Einnahmen und Betriebskosten, Bewirtschaftungsform und
Betriebsnachfolge nicht, um den Senat von einer dauerhaften Perspektive des
Betriebs zu überzeugen. Der Kläger zu 6. hat für das Jahr 2011/12 Einnahmen
aus Holzverkäufen in Höhe von ca. 70.000 € nachgewiesen; nach seinen
Angaben wird ein vergleichbarer Holzeinschlag etwa alle vier Jahre
durchgeführt, wobei er damit rechnet, diesen Betrag infolge gestiegener
Holzpreise und einer besseren Qualität des in den nächsten Jahren zur Ernte
anstehenden Holzes noch erhöhen zu können. Angaben zu Einnahmen aus
landwirtschaftlicher Tätigkeit hat der Kläger zu 6. nicht gemacht. Seine
Angaben zu den Ausgaben des Betriebes sind demgegenüber trotz
Nachfragen des Gerichts ersichtlich unvollständig geblieben. Sie umfassen die
Kosten eines Verwalters (400 €/Monat zzgl. 20% Steuern und Sozialabgaben),
Mitglieds- und Versicherungsbeiträge (ca. 630 €/Jahr). Es ist indes
offensichtlich, dass für den Betrieb zahlreiche weitere Kosten, etwa für
Neuanpflanzungen, wie sie eine nachhaltige Forstwirtschaft erfordert, ferner
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Treibstoff und zu gegebener Zeit Ersatz für den nach seinem Vortrag für den
Betrieb genutzten, aus den 1960er Jahren stammenden Traktor und die
angeblich aufwendige Instandhaltung der angeblich für den Betrieb
erforderlichen Betonringstraße, entstehen; hierzu hat sich der Kläger zu 6.
nicht geäußert. Die vom Senat erbetenen aussagekräftigen Gewinn- und
Verlustrechnungen hat er nicht vorgelegt. Selbst nach Abzug nur der geltend
gemachten Ausgaben verbliebe lediglich ein Reingewinn vor Steuern von
knapp 1000,- € im Monat, der auf die drei Flächeneigentümer - die Kläger zu 5.
und 6. sowie Herrn AG. B. - zu verteilen wäre. Der Vortrag des Klägers zu 6., er
werde die Investitionen in den Betrieb und damit auch den aus diesem zu
erzielenden Gewinn erheblich erhöhen, wenn nach Abschluss des
vorliegenden Verfahrens Planungssicherheit geschaffen sei, ist ebenfalls vage
geblieben. Der Fortbestand des Betriebs ist aber auch unabhängig von der
Frage der Gewinnerzielung nicht gesichert. Der Kläger zu 6. war jedenfalls
zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsbescheide nicht
Alleineigentümer der von ihm bewirtschafteten Flächen; vielmehr standen
diese im gesamthänderisch gebundenen Miteigentum aller Erben. Die
Aufteilung des Grundstücks mag zwar durch die Teilungsanordnung des AD.
B. (§ 2048 BGB) vorgezeichnet gewesen sein, doch selbst nach dieser stünde
dem Kläger zu 6. nur ein Teil der von ihm bewirtschafteten Fläche zu; darauf,
die Flächen seiner Brüder dauerhaft mitverwalten zu können, kann er nicht
vertrauen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der 1941 geborene Kläger zu
6. bei Erlass des Widerspruchsbescheides Vorkehrungen zur Sicherung der
Betriebsnachfolge getroffen habe, hat er trotz Nachfrage des Gerichts nicht
vorgebracht. Er hat insoweit lediglich angegeben, den Betrieb würden seine
Erben, nach derzeit absehbarem Stand seine Tochter, fortführen. Das reicht
nicht.
Jedenfalls für das Verwaltergebäude (Nr. 1) kommt hinzu, dass dieses einem
etwaigen forstwirtschaftlichen Betrieb nicht dienen würde. Ein Vorhaben „dient“
einem forstwirtschaftlichen Betrieb nicht erst, wenn es für diesen zwingend
erforderlich ist; andererseits genügt auch nicht jede Form der Nützlichkeit.
Maßgeblich ist vielmehr, ob ein vernünftiger Forstwirt - auch und gerade unter
Berücksichtigung des Grundsatzes größtmöglicher Schonung des
Außenbereichs - es mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa
gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb
errichten würde. Mit dem Begriff des „Dienens“ soll sichergestellt werden, dass
das Bauvorhaben zu dem privilegierten Zweck tatsächlich in einer funktionalen
Beziehung steht. Es muss dem Betrieb funktional zugeordnet und nach seiner
Gestalt und Ausstattung durch den betrieblichen Verwendungszweck
erschöpfend geprägt sein. Die eigentliche Zweckbestimmung des
Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu
können. Nicht der nur behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine
wirkliche Funktion soll entscheidend sein. Es sollen Vorhaben verhindert
werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb
zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden. Das
Merkmal des Dienens ist deshalb zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar
nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt sein mag, nach seiner
Gestaltung, Beschaffenheit, Ausstattung oder Größe aber nicht durch diesen
Verwendungszweck erschöpfend geprägt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.1972 -
4 C 9.70 -, BVerwGE 41, 138 <141>; Urt. v. 16.5.1991 - 4 C 2.89 -, juris-Rn. 17;
Urt. v. 19.6.1991 - 4 C 11.89 -, juris-Rn. 22 f. m.w.N.).
Der Wohnteil des Gebäudes Nr. 1 wird nach den Angaben des Klägers von
seinem Verwalter Herrn AK. als Wohnung genutzt. Dieser ist indes dem
vorgelegten Arbeitsvertrag zufolge lediglich in einem Umfang von 10
Wochenarbeitsstunden angestellt. Zu den nach der beigefügten
Tätigkeitsbeschreibung zu leistenden Aufgaben gehört keine, für die eine
ständige Präsenz vor Ort auch nur greifbare Vorteile brächte; einige der
Tätigkeiten - namentlich die Pflege von Tieren - weisen zudem keinen
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erkennbaren Bezug zur forstwirtschaftlichen Nutzung auf; eine ihrerseits
möglicherweise privilegierte Viehhaltung ist nicht vorgetragen. Angesichts
dessen ist nicht davon auszugehen, dass ein vernünftiger Forstwirt nur mit
Blick auf betriebliche Erfordernisse auf dem Gelände ein Verwalterwohnhaus
vorhalten würde. Mit der Privilegierung des Gebäudes Nr. 1 entfällt auch eine
mögliche Privilegierung des „Kellergeschosses“ Nr. 2, selbst wenn dieses, wie
vom Kläger zu 6. behauptet, diesem Gebäude als Pumpenraum für die
Trinkwasserversorgung diente. Dem zu dieser Behauptung gestellten
Beweisantrag musste der Senat daher nicht folgen.
Dass die Bewirtschaftung der von den Klägern zu 1. - 4. gehaltenen Flächen
die Merkmale eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes aufweist, ist
ebenfalls zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Jedenfalls würden die nach dem
Klägervortrag für diese genutzten Gebäude einem solchen Betrieb nicht in
dem obengenannten Sinne dienen.
Das gilt zunächst für das Gebäude Nr. 10. Die darin enthaltene
Verwalterwohnung wird ebenso wenig benötigt wie diejenige in dem Gebäude
Nr. 1. Auch die Kläger zu 1. - 4. beschäftigen ihren Verwalter, Herrn AL. in
Teilzeit - er erhält 200,- €/Monat netto und damit halb soviel wie Herr AK.. Dass
dieser für die Forstwirtschaft Arbeiten ausführte, für die eine ständige Präsenz
nennenswerte Vorteile mit sich brächte, ist nicht ersichtlich und von den
Klägern nicht dargelegt. Der „Wirtschaftsteil“ des Gebäudes Nr. 10 mit 150-200
m² Grundfläche ist für Lagerung und Wartung der für die Bewirtschaftung
weniger Dutzend Hektar Waldfläche erforderlichen Gerätschaften eindeutig
überdimensioniert, zumal das Holz ausweislich der vorgelegten
Steuererklärung „auf dem Stamm“ verkauft, also nicht selbst geerntet wird. Die
Kläger haben auch trotz gerichtlicher Aufforderung nicht konkret vorgetragen,
welche Gerätschaften sie nutzen. Hinzu kommt, dass bereits die fehlende
Privilegierung eines nicht unwesentlichen Teils des Gebäudes diesem
insgesamt die Privilegierung nimmt, da dieses dann nach seiner Gestalt und
Ausstattung durch den betrieblichen Verwendungszweck eben nicht
erschöpfend geprägt wird. Auch das Lager- und Werkstattgebäude Nr. 5 ist
nicht privilegiert. Die Kläger haben insoweit vorgetragen, dieses werde etwa
zur Hälfte zur Lagerung von Holz genutzt. Abgesehen davon, dass der Senat
erhebliche Zweifel daran hegt, ob ein vernünftiger Forstwirt Holz in einem
geschlossenen und damit nur eingeschränkt belüftbaren Raum lagern würde -
dies wäre jedenfalls ungewöhnlich -, haben die Kläger eingeräumt, die andere
Hälfte des Gebäudes werde nicht zu privilegierten Zwecken genutzt. Damit ist
auch hier eine Privilegierung des Gebäudes insgesamt ausgeschlossen.
Vergleichbares gilt für das Wohngebäude im ehemaligen Lokomotivschuppen
Nr. 7. Abgesehen davon, dass die angegebene Büronutzung eines Raums
nicht auf eine Außenbereichslage angewiesen ist, ist unstreitig, dass
zumindest wesentliche Teile des Gebäudes nicht privilegiert genutzt werden.
Nicht privilegiert ist entgegen der Auffassung der Kläger auch der Pferdestall
Nr. 6. Dass die Pferde - nach den vorliegenden Fotos Ponies - im Rahmen des
forstwirtschaftlichen Betriebes eingesetzt werden, machen die Kläger selbst
nicht geltend. Eine Hobbypferdehaltung begründet keine Privilegierung
(BVerwG, Beschl. v. 10.1.1995 - 4 B 2.95 -, juris-Rn. 5; 9.9.2004 - 4 B 58.04 -,
juris-Rn. 4 ff.). Auch für die Betonringstraße ist eine dienende Funktion
gegenüber einem etwaigen forstwirtschaftlichen Betrieb nicht erkennbar.
Forstfahrzeuge sind in der Lage, auch abseits von befestigten Straßen zu
fahren. Eine nach Angaben des Klägers zu 6. mit hohem
Unterhaltungsaufwand und einer beträchtlichen Flächenversiegelung
verbundene Betonstraße würde ein vernünftiger Forstwirt unter
Berücksichtigung des Gebots der größtmöglichen Schonung des
Außenbereichs nicht nutzen. Eine Beseitigung der unbefestigten Forstwege
auf dem Gelände ist den Klägern nicht aufgegeben.
Auch für die Einzäunung (Nr. 13-18) ist eine Privilegierung nicht ersichtlich.
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Soweit die Kläger geltend machen, diese diene als Wildschutzzaun für ihre
Neuanpflanzungen, widerspricht dies ihrem eigenen Vortrag, das Gelände
werde bejagt, wofür sich Wild bereits innerhalb der Einzäunung befinden
müsste; auch abgesehen davon würde dieser Zweck nur die Einzäunung einer
etwaigen zur Zeit der Beseitigungsverfügung bestehenden Neuanpflanzung
rechtfertigen; die bestehende Zaunanlage ist durch diesen Zweck jedenfalls
nicht gerechtfertigt. Soweit die Kläger sich darauf berufen, der Zaun diene dem
Schutz vor Holzdieben, haben sie selbst in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen, der Zaun halte die Diebe nicht effektiv ab; im Übrigen spricht alles
dafür, dass ein vernünftiger Forstwirt die möglichen Verluste durch
Holzdiebstahl geringer einschätzt als die Kosten einer Einzäunung, da die
Einzäunung ganzer Forsten im Außenbereich nicht üblich ist. Das Vorbringen
der Kläger, der Zaun sei erforderlich, um ihre Wohn- und Nutzgebäude vor
Eindringlingen zu schützen, führt schon deshalb nicht zu einer Privilegierung
des Zauns im Außenbereich, weil diese Gebäude ihrerseits, wie dargelegt,
nicht privilegiert sind; im Übrigen würde auch dieser Zweck keine Einzäunung
des gesamten Geländes rechtfertigen. Die Einlassung der Kläger, der Zaun
diene dazu, Wildunfälle auf der B 75 zu vermeiden, begründet ebenfalls keine
Privilegierung, die insoweit allenfalls auf Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 4
BauGB in Betracht käme. Es ist nicht ersichtlich und auch nichts dafür
vorgetragen, dass gerade im Bereich des klägerischen Grundstück ohne den
Zaun eine gegenüber sonstigen durch Wald führenden Straßen eine erhöhte
Unfallgefahr bestünde. Davon abgesehen ist auch die Einzäunung eine
einheitliche Anlage, die in dieser Form insgesamt einem privilegierten Zweck
dienen muss, um § 35 Abs. 1 BauGB zu unterfallen.
3. Keines der vorhandenen Gebäude ist mehr von einer Baugenehmigung
gedeckt. Nach Aktenlage wurde zum einen eine Baugenehmigung erteilt für
die Errichtung des Geräte- und Maschinenschuppens Nr. 3, zum anderen für
die Erweiterung des Garagengebäudes Nr. 10 um ein Bad und eine Klärgrube.
Ob letztere Änderungsgenehmigung implizit auch die Genehmigung des
gesamten Gebäudes, insbesondere der Wohnnutzung, einschließt, ist
zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn jedenfalls sind beide
Baugenehmigungen erloschen. Genehmigt ist stets nur das Gebäude in seiner
beantragten Nutzung; wird diese dauerhaft aufgegeben, so erlischt die
Genehmigung zwar nicht kraft Gesetzes, deckt das Vorhaben aber nicht mehr.
Zudem ist in diesem Fall in der Regel von einem konkludenten Verzicht
auszugehen.
Die der Firma Z. erteilte Genehmigung für die Erweiterung des Geräte- und
Maschinenschuppens bezog sich ersichtlich auf ein (nur) für
landwirtschaftliche Zwecke errichtetes Gebäude, nicht auf einen Schuppen zur
beliebigen Unterstellung von „zweckfreiem“ Gerät; das ergibt sich klar aus dem
Regelungskontext. Eine Wohnnutzung war definitiv nicht genehmigt. Nichts
anders ergibt sich auch hinsichtlich der der Bundesvermögensstelle Lüneburg
erteilten Genehmigung für den Einbau eines Bades und einer Klärgrube in das
Garagengebäude. Das Gebäude wurde damals vom Obstbaubetrieb genutzt.
Die im Gebäude vorhandene Wohnung wurde nach allen Anhaltspunkten in
den Verwaltungsvorgängen vom Obstbaubetrieb als Landarbeiterwohnung
genutzt. Wenngleich die Genehmigungsunterlagen selbst hierzu keine
ausdrückliche Beschränkung enthalten, ergibt sich aus diesem
Regelungskontext deutlich, dass auch die Änderungsgenehmigung -
unabhängig von ihrer Reichweite hinsichtlich der vorhandenen Wohnräume -
sich nur auf landwirtschaftsbezogenes, nicht auf allgemeines Wohnen bezog.
Weitere Baugenehmigungen sind in den Akten nicht vorhanden. Die
Beweislast für die Erteilung einer Genehmigung liegt bei den Klägern. Für eine
„Beweislastumkehr“, wie sie den Klägern zu 1. - 4. vorschwebt, besteht Anlass.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Baugenehmigungen jemals erteilt
worden sind. Aus den auch von der OFD zitierten Dokumenten aus den
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1940er/50er Jahren ergibt sich lediglich die Absicht, Wohnraum auf dem
streitgegenständlichen Gelände zu schaffen, wie der Senat bereits im Beschl.
v. 13.1.1998 - 1 L 208/98 - zum Gebäude Nr. 7 ausgeführt hat. Dass der
Fiskus sich seinerzeit um eine Genehmigung gekümmert hat, ist keineswegs
selbstverständlich.
Ein Bestandsschutz für rechtmäßig errichtete, aber nicht genehmigte Bauten
ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch er wäre davon abhängig, dass die
bestandsgeschützte Nutzung beibehalten wurde. Das trifft weder auf die
Anlagen aus der Zeit des 2. Weltkriegs zu, noch auf die sonstigen Anlagen, die
für Zwecke des Obstbaubetriebes und der Pflanzenschutzversuchsanstalt
materiell rechtmäßig, aber ungenehmigt errichtet bzw. geändert wurden -
unabhängig davon, ob diese einer Genehmigung bedurft hätten oder nicht. Die
Auffassung der Kläger zu 1. - 4., der militärische bzw. landwirtschaftliche
Zweck einzelner Bauten wie Wohnungen, Wirtschaftsgebäude, der Einfriedung
oder der Betonstraße könne insoweit ausgeblendet werden, ist unzutreffend.
4. Die Beseitigungsanordnungen sind frei von Ermessensfehlern.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat die Bauaufsichtsbehörde
gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein „Für und
Wider“ braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist,
dass ganz bestimmte Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme
vorliegen (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 17.10.2013 - 1 LA 199/11 -, Vnb; v.
9.3.2012 - 1 LA 231/09 -, juris-Rn. 36; v. 31.1.2002 - 1 MA 4216/01 -, BauR
2002, 772 - auch zum Begriff „intendiertes Ermessen“; Urt. v. 5.9.2007 - 1 LB
43/07 -, juris; Beschl. v. 19.5.2010 - 1 ME 81/10 -, ZfBR 2010, 585). Das ist
hinsichtlich der noch streitbefangenen baulichen Anlagen nicht der Fall.
b) Nicht zu beanstanden ist auch die Störerauswahl des Beklagten. Mit Blick
auf die Rüge der Kläger, vorrangig habe der Bund als teilidentisch mit dem
Deutschen Reich in Anspruch genommen werden müssen, da dieses den
Großteil der zu beseitigenden Anlagen errichtet habe und daher
Handlungsstörer (§ 61 NBauO a.F. i.V.m. § 6 Abs. 1 Nds. SOG, bzw. als
Bauherr § 57 NBauO a.F.) sei, ist zunächst klarzustellen, dass die Errichtung
des Torpedolagers rechtmäßig war; baurechtswidrige Zustände sind erst durch
dessen Nutzungsaufgabe - die allerdings auch noch in die Bestehensdauer
des Deutschen Reiches fällt - eingetreten. Die Inanspruchnahme des
Deutschen Reichs ist allerdings durch § 1 Abs. 1 AKG ausgeschlossen. Den
Gründen des Urteils des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 21.4.2004 (- 7 LC
98/02 -, Nds.VBl. 2004, 301 = juris) für die Gegenauffassung, auf die sich die
Kläger berufen, ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom
3.11.2005 (- 7 C 27.04 -, NVwZ 2006, 354 = DVBl. 2006, 186 = juris), auf die
hier zur Vermeidung unnötiger Längen verwiesen sei, überzeugend
entgegengetreten. Die Inanspruchnahme der Inhaber des Obstbaubetriebs Y.
oder der Firma Z. bzw. ihrer Rechtsnachfolger für die Beseitigung der von
diesen errichteten/veränderten Anlagen kommt schon deshalb nicht in
Betracht, weil eine (materiell) illegale Errichtung oder Nutzung von Anlagen
durch diese nicht ersichtlich ist. Beide übten auf dem Gelände privilegierte
Nutzungen aus, denen die von ihnen errichteten oder geänderten Bauten
offensichtlich dienten, z.B. als Wirtschaftsgebäude oder Betriebsleiter-
/Arbeiterunterkünfte. Dass sie nach Beendigung ihrer privilegierten Nutzungen
noch baurechtswidrig gehandelt hätten, ist nicht ersichtlich.
Die im Berufungszulassungsverfahren ergänzten Ermessenserwägungen des
Beklagten, die jedenfalls im Berufungsverfahren zu berücksichtigen sind, sind
damit unerheblich. Im Übrigen wären sie ebenfalls tragfähig. Das Argument,
die Kläger hätten die Anlagen so weitgehend verändert, dass der auf die
Bundesrepublik entfallende Verursachungsanteil nicht mehr „herausgerechnet“
werden könne, trifft zwar nur auf einige Gebäude zu, nicht aber auf die die
Betonringstraße. Tragfähig wäre aber das - selbständig angeführte - Argument,
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die Kläger hätten das Gelände mit den illegalen Anlagen seit 35 Jahren zum
eigenen Nutzen in Eigentum und Besitz. Hierauf kann man den Verzicht, ältere
„Störer“ in Anspruch zu nehmen, jedenfalls dann stützen, wenn die
Übernahme des Grundstücks wie hier in Kenntnis des baurechtswidrigen
Zustands erfolgte.
c) Die Inanspruchnahme der Kläger verstößt auch vor dem Hintergrund, dass
das Gelände ihnen vom Bund als Fiskus verkauft worden war, nicht gegen
Treu und Glauben. Zum einen ist der Bund nicht Bauaufsichtsbehörde; sein
Verhalten kann dem Beklagten nicht zugerechnet werden. Zum anderen
wurde das Gelände, als es noch vom Bund verpachtet wurde, vom
Obstbaubetrieb Y. privilegiert genutzt. Angesichts dessen konnten die Kläger
auch aus dem Umstand, dass sie das Gelände vom Bund erworben hatten,
kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln, gegen baurechtswidrige
Zustände auf dem Grundstück werde nicht eingeschritten. Ein solches
Vertrauen durften die Kläger namentlich nicht aus dem Umstand schöpfen,
dass der Beklagte lange Zeit gegen die baurechtswidrigen Zustände auf ihrem
Grundstück nicht eingeschritten ist und hinsichtlich der Einzäunung (13-18)
sogar von der Fortführung eines eingeleiteten bauaufsichtlichen Verfahrens
zunächst abgesehen hat. Selbst eine bewusste Duldung eines
baurechtswidrigen Zustandes steht, soweit sie passiv bleibt, einem späteren
bauaufsichtlichen Einschreiten nicht entgegen und kann auch keine
Verwirkung begründen (Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl., § 79 Rn.
62 m.w.N.).
d) Die Beseitigungsverfügung ist auch nicht nach den Grundsätzen, die das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.2.2000 - 1 BvR
242/91 u.a. -, BVerfGE 102, 1 ff., zit. n. juris, zur Zustandsverantwortlichkeit bei
Altlastensanierungen aufgestellt hat, unverhältnismäßig. Das
Bundesverfassungsgericht hat sich dabei an folgenden Grundsätzen orientiert:
Grundsätzlich begegnet es in Bezug auf Art. 14 Abs. 1 und 2 GG keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, die sicherheitsrechtlichen Vorschriften über
die Zustandsverantwortlichkeit dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer
eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden
kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, auch wenn
er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat; die
Zustandshaftung findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen
Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache.
Allerdings ergeben sich Beschränkungen aus dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Dabei ist ein erster Orientierungspunkt das Verhältnis des
Beseitigungsaufwands zum Restwert des Grundstücks nach Durchführung der
Maßnahme. Während eine den Restwert überschreitende Belastung
unzumutbar sein kann, wenn die zu beseitigende Gefahr auf Naturereignisse,
der Allgemeinheit oder nicht nutzungsberechtigten Dritten zuzurechnende
Ursachen zurückgeht und selbst eine geringere Belastung unverhältnismäßig
sein kann, wenn das Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des
Pflichtigen und die Grundlage seiner privaten Lebensführung bildet, kann
andererseits selbst eine den Restwert übersteigende Belastung im Falle
freiwilliger/ fahrlässiger Risikoübernahme zumutbar sein, zumal, wenn der
Betroffene Vorteile aus dem Risiko erzielt hat.
Hier übersteigt der Restwert des Grundstücks die Beseitigungskosten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beseitigungskosten sich vor
Aufhebung der Abbruchanordnungen hinsichtlich der Anlagen Nr. 4, 11 und 19
auf insgesamt ca. 384.500,- € beliefen; auch der Senat hat daran keinen
Zweifel. Dem diesbezüglichen Beweisantrag des Klägers zu 6. musste der
Senat nicht entsprechen. Die Kosten hinsichtlich der genannten 3 Anlagen hat
der Beklagte auf 27.000,- DM, also ca. 13.500 €, der Kläger zu 6. auf 13.000,-
€ geschätzt, so dass Beseitigungskosten i.H.v. maximal 371.500 € verblieben.
Den Verkehrswert nach Beseitigung der noch streitgegenständlichen Anlagen
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hat der Kläger zu 6. in seinem „Wertgutachten“ vom 15.8.2009 (Anlage zum
Schriftsatz vom 24.8.2009) auf 305.000,- € beziffert und in dieser Höhe in der
mündlichen Verhandlung zum Gegenstand eines Beweisantrages gemacht.
Der Senat musste diesem Beweisantrag schon deshalb nicht entsprechen, da
die Beweisbehauptung eine Behauptung „ins Blaue hinein“ ohne hinreichende
Tatsachengrundlage ist. Der Kläger zu 6. hat den Verkehrswert nach
Bodenrichtwerten für das Grundstück auf 405.000,- € geschätzt, von denen er
100.000,- € für die Überdeckung von (hier nicht streitgegenständlichen)
Bunkerresten mit bindigem Boden und Mutterboden abgezogen hat. Diesen
Verkehrswert hat er in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand eines
Beweisantrags gemacht. Die Annahme, der Verkehrswert ohne Überdeckung
der Bunkerreste betrage 405.000,- €, unterstellt der Senat zu seinen Gunsten
als wahr. Demgegenüber entbehrt die Behauptung, für die Beseitigung von
Bunkerresten sei vom Verkehrswert eine Summe von 100.000,- € in Abzug zu
bringen, einer Tatsachengrundlage. Grundsätzlich kann ein Wald auch dann
forstwirtschaftlich genutzt werden, wenn sich in diesem verstreut Hindernisse
wie Reste gesprengter Bunker befinden. Der Kläger hat dem Vorhandensein
solcher „belasteter“ Teilflächen im Übrigen für den Süden des Geländes - die
Flächen außerhalb eines Landschaftsschutzgebiets - bereits in seinem
Wertgutachten dadurch Rechnung getragen, dass er dort Flächen mit
gesprengten Bunkern/Beton als „Unland“ mit 0 € angesetzt hat. Auf Hinweis
des Gerichts hat der Kläger zu 6. zwar vorgetragen, er habe im Bereich der als
Landschaftsschutzgebiet mit 0,40 €/m² bewerteten Flächen Unlandflächen
„mitgezählt“. Betonteile/Bunkerreste befänden sich auch außerhalb der als
„Unland“ klassifizierten Flächen, verhinderten dort eine Bewirtschaftung und
hätten zu einer Ausweitung der „Unlandflächen“ um ca. 6 ha geführt. Das
würde es jedoch allenfalls rechtfertigen, von den 33 ha
Landschaftsschutzgebiet 6 weitere ha à 0,40 €/m², mithin 24.000 €
abzuziehen. In diesem Fall käme man auf einen Verkehrswert der Fläche von
381.000 €. Wäre es wirtschaftlich, die Betonreste zu beseitigen, so hätten die
Kläger dies im Laufe der Jahrzehnte ihrer forstwirtschaftlichen Nutzung im
Übrigen zweifellos getan. Zu berücksichtigen ist zwar über seinen Vortrag
hinaus zugunsten des Klägers zu 6., dass dieser in seinem „Wertgutachten“
die 1,2 ha Betonringstraße mit 1,20 €/ha bewertet hat. Nach der mit der
angefochtenen Verfügung verlangten Beseitigung wäre sie indes nur noch mit
0,70 €/ha zu berücksichtigen, woraus sich ein weiter Abzug von 6.000 €
ergäbe. Der Verkehrswert betrüge dann freilich immer noch 375.000 € und
läge damit oberhalb der unstreitigen Beseitigungskosten. Hinzu kommt, dass
der Kläger zu 6. sein Erbteil von 1/4 an dem im Wesentlichen aus dem
streitgegenständlichen Gelände und einer weiteren nahegelegenen Fläche
bestehenden Nachlass mit Erbschaftskaufvertrag vom 10.11.2010 der IdS für
300.000,- € verkauft hat, und zwar in Kenntnis des bestehenden
Prozessrisikos, das die Erbteilskäuferin tragen soll. Soweit er in der
mündlichen Verhandlung erklärt hat, in diesen Kaufpreis sei neben den
Bodenrichtwerten auch die Erwartung einer besonders lukrativen Holzernte in
den kommenden Jahren eingeflossen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht
auch den bei Prüfung der Opfergrenze relevanten Grundstückswert
beeinflussen soll. Soweit er erklärt hat, der Kaufpreis sei so hoch gewählt
worden, um die Miterben an der Ausübung ihres Vorkaufsrechts zu hindern,
deutet dies ebenfalls darauf hin, dass der Kläger bzw. die IdS das Grundstück
selbst unter Berücksichtigung des erheblichen Prozessrisikos noch als ein Gut
betrachtet, das es unbedingt zu halten gilt.
Aber auch wenn die Beseitigungskosten den Verkehrswert um 80.000,- €
überschritten, wäre die Beseitigung zumutbar; der Beweisantrag zur Höhe der
Beseitigungskosten konnte daher auch als rechtlich unerheblich abgelehnt
werden. Ein Gutteil der vorhandenen Baulichkeiten ist erst durch das Verhalten
des AD. B. - die Aufgabe der privilegierten landwirtschaftlichen bzw.
gartenbaulichen Nutzung des Geländes - materiell baurechtswidrig geworden;
soweit ehemalige Militärbauten bereits vor Übernahme des Geländes durch
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ihn baurechtswidrig waren, hat er jedenfalls das Risiko, diese beseitigen zu
müssen, mit dem Erwerb der Fläche freiwillig übernommen. Dass seinerzeit die
konkrete Aussicht bestand, das Gelände mit dem Großteil der vorhandenen
Baulichkeiten als Sanatorium einer legalen Nutzung zuzuführen, ändert daran
nichts, denn auf die Verwirklichung dieser Pläne konnte er nicht vertrauen.
Weitere baurechtswidrige Veränderungen auf dem Gelände hat AF. B.
vorgenommen. Die Kläger selbst waren hieran zwar, soweit sie das Gelände
mit illegalen Bauten „belastet“ geerbt haben, nicht beteiligt. Sie waren aber, das
ist im schriftlichen Verfahren und nochmals in der mündlichen Verhandlung
deutlich geworden, mit seiner Geschichte vertraut, wussten also, dass es sich
bei den darauf befindlichen Baulichkeiten um illegale Bauten handelte oder
haben diese Möglichkeit fahrlässig ausgeblendet. Sie hätten das Erbe nach
AD. B. bzw. AF. B. ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB) oder - im Falle einer
zunächst unverschuldeten Unkenntnis - die Annahme des Erbes anfechten
(§§ 1954 fff. BGB) können. Soweit das Erbteil der Kläger zu 5. und 6. durch die
Bautätigkeit des AF. B. mit weiteren Beseitigungspflichten „belastet“ wurde,
hätten diese das gerichtlich verhindern lassen können; zwar war AF. B. einer
der Testamentsvollstrecker und als solcher zur Verwaltung des Nachlasses
befugt; die Errichtung formell und materiell baurechtswidriger Anlagen auf dem
Grundstück widerspricht indes § 2216 BGB. Alle Kläger haben also das Risiko
einer Inanspruchnahme zur Beseitigung sehenden Auges in Kauf genommen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sie das Gelände seit langem für ihre
Zwecke nutzen und dabei nach eigenem Vortrag erheblich vom
Vorhandensein der illegalen Bauten profitieren.
e) Auch die vom Beklagten gesetzten Beseitigungsfristen in der Gestalt der
Teilabhilfe in der mündlichen Verhandlung sind frei von Ermessensfehlern. Die
Ansicht der Kläger, zumindest für das von der Klägerin zu 1. bewohnte
Gebäude Nr. 7 müsse nach dem „Leitfaden für die bauordnungs- und
bauplanungsrechtliche Behandlung ungenehmigter Bauten im Landkreis
Harburg“ des Nds. Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom April
1999 eine Beseitigungsfrist von 10 Jahren eingeräumt werden, überzeugt
nicht. Der Leitfaden entfaltet als verwaltungsinterne Handlungsanleitung keine
unmittelbare Außenwirkung. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der
Selbstbindung der Verwaltung war er hier vom Beklagten nicht zu beachten;
denn der vorliegende Sachverhalt ist, wie bereits das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, der dem Leitfaden zugrunde liegenden Situation
nicht vergleichbar. Zwar wurde nach Ziff. 2.3. des Leitfadens für die
Beseitigung rechtswidriger eigengenutzter Wohngebäude eine
Beseitigungsfrist von 10 Jahren ab Erlass der Beseitigungsanordnung
gewährt. Der Leitfaden bezieht sich indes auf die im Landkreis teils vor dem
zweiten Weltkrieg, teils infolge der Kriegsereignisse entstandenen, über
Jahrzehnte von den Bauaufsichtsbehörden zumindest passiv geduldeten
Wohn- und Wochenendhaussiedlungen. Die Zurückhaltung, in diesen
Siedlungen mit der Strenge vorzugehen, die das Bauordnungsrecht
grundsätzlich zulässt, beruht darauf, dass die Bauaufsichtsbehörden dort ein
in Ansätzen schutzwürdiges Vertrauen auf eine fortbestehende
Nutzungsmöglichkeit infolge ihrer langjährigen Untätigkeit anerkennen (vgl.
z.B. Senatsurteile v. 11.2.2014 - 1 KN 15/12, 67/12, 141/12 -, juris; Senatsurt.
v. 8.9.2012 - 1 KN 129/07 -, DVBl. 2010, 1381 = juris). Dem ist der Fall des
Gebäudes Nr. 7, das Herr AF. B. in Kenntnis einer sofort vollziehbaren
Untersagungsverfügung des Beklagten zu seiner heutigen Gestalt ausgebaut
hat und in dem bis zur Anhörung zu den hier streitigen
Beseitigungsanordnungen keiner der Kläger mit erstem Wohnsitz gemeldet
war, nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 2, 159 Satz 1, 161 Abs. 2
Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.
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V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor.