Urteil des OVG Niedersachsen vom 11.11.2013

OVG Lüneburg: verfassungskonforme auslegung, standort der anlage, windenergieanlage, mangel, gemeinde, ausweisung, bebauungsplan, verfügung, ortschaft, vorbescheid

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Immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid für
Windkraftanlage
Die Vorschrift des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i. d. bis zum 19.7.2004 geltenden
Fassung v. 27.8.1997 unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken allenfalls
insoweit, als nach dem Wortlaut der Norm auch ein schwerer Mangel im
Abwägungsergebnis nach rügelosem Ablauf der Sieben-Jahres-Frist
unbeachtlich wird.
Die Annahme eines schwerwiegenden Mangels i. d. Sinne ist nur
gerechtfertigt, wenn der Plan selbst derart fehlerhaft ist, dass das Vertrauen
auf die Gültigkeit einer Rechtsnorm nicht schutzwürdig sein kann. Der
Mangel im Abwägungsergebnis muss sich einem verständigen Beobachter
geradezu aufdrängen.
OVG Lüneburg 12. Senat, Urteil vom 11.11.2013, 12 LC 257/12
§ 1 Abs 3 BauGB, § 215 Abs 1 Nr 2 BauGB, § 35 Abs 1 Nr 5 BauGB, § 35 Abs 3 S 3
BauGB, § 9 Abs 1 BImSchG, Art 14 Abs 1 S 2 GG
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheides für die Errichtung und
den Betrieb einer Windenergieanlage auf dem Flurstück L. der Flur M.,
Gemarkung N.. Das genannte Flurstück liegt im Außenbereich der
Beigeladenen. Die 12. und 18. Änderung des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen sehen Vorrangflächen für Windenergie an anderer Stelle vor.
Mit der seit dem 20. Januar 1999 rechtsverbindlichen 12. Änderung des
Flächennutzungsplans wies die Beigeladene in ihrem Gemeindegebiet
erstmals eine Sonderbaufläche für Windenergie aus. Diese etwa 10,4 ha
große Fläche liegt nördlich der Bundesautobahn (BAB) O. zwischen den
Ortsteilen P. und Q.. Die südliche Grenze des Vorranggebiets grenzt
unmittelbar an die Kreisstraße R.. In dem Erläuterungsbericht führte die
Beigeladene aus, dass Windenergieanlagen außerhalb des dargestellten
Sondergebiets nicht zulässig seien. Der Bestimmung dieser Vorrangfläche lag
ausweislich der Begründung des Erläuterungsberichts u. a. folgendes
methodisches Vorgehen zugrunde: Zunächst ermittelte die Beigeladene durch
den Ausschluss von „Restriktionsbereichen“ und „Tabubereichen“ potenzielle
Suchbereiche. Als „Tabubereiche“ bezeichnete die Beigeladene alle
naturschutzrechtlich definierten Bereiche (z. B. Naturschutzgebiete,
Landschaftsschutzgebiete, geschützte Landschaftsbestandteile und
Gewässer), innerhalb derer Vorrangstandorte für Windkraftanlagen nicht
ausgewiesen werden sollten, um Nutzungskonflikte zu vermeiden. Die
„Restriktionsbereiche“ ergäben sich im Wesentlichen aus den zu Ortslagen
und Einzelgehöften (einschließlich der in Planung befindlichen
Siedlungserweiterungen) und zur Bundesautobahn einzuhaltenden
Abständen. Bei der Ermittlung der Restriktionsbereiche seien die für das Land
Niedersachsen geltenden Abstandsregelungen weitgehend berücksichtigt
worden. Zu Siedlungsbereichen habe sie jedoch einen um 450 m größeren
Abstand (950 m) in Ansatz gebracht. Aufgrund der Gesamterscheinung von
Windkraftanlagen könnten so die Belange des Immissionsschutzes (Lärm),
des Landschaftsschutzes und die Belange der allgemeinen
Siedlungsentwicklung der jeweils angrenzenden Ortsteile angemessener
berücksichtigt werden. Es sei davon auszugehen, dass bei einem Abstand
von rund 950 m zur nächsten Siedlung eine Entwicklung der der
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Windkraftanlage zugewandten Ortslage möglich bleibe. Gleichzeitig könnten
auftretende Lichtreflexe und Lärmimmissionen im Hinblick auf benachbarte
Siedlungsbereiche deutlich gemindert werden. Insbesondere werde dabei
berücksichtigt, dass eine Höhenbegrenzung der Windkraftanlagen nicht
beabsichtigt sei. Mittels des u. a. für das Gebiet des Beklagten von der Uni S.
erarbeiteten Windatlasses habe sie - die Beigeladene - (in einem weiteren
Arbeitsschritt) die lokale Windhäufigkeit ermittelt. Sie gehe davon aus, dass ab
einer mittleren Ausnutzungsdauer von 1.300 - 1.800 Stunden im Jahr mittlere
bis gute Voraussetzungen für den Betrieb von Windkraftanlagen vorlägen. Die
Bereiche mit einer entsprechenden Windhäufigkeit seien mit den ermittelten
Suchbereichen abgeglichen worden. Danach verblieben zwei potenzielle
Standorte für Windkraftanlagen (Konzentrationszonen). Auf die südlich der
Bundesautobahn gelegene Potenzialfläche verzichtete die Beigeladene u. a.
aus Gründen des Landschaftsschutzes insgesamt. Von dem verbleibenden
potenziellen Suchbereich wies die Beigeladene nur einen Teil als
Vorrangfläche für die Windenergie aus. Die Vorrangfläche erstreckt sich auf
einer Länge von knapp 900 m in ost-westlicher Richtung entlang der
Kreisstraße R.. Zu der Standortauswahl stellte die Beigeladene fest, dass
aufgrund der Lage ihres Gemeindegebiets und ihrer Ortsteile zueinander nur
eine eher kleine Vorrangfläche für Windkraftanlagen geeignet sei. Größere
zusammenhängende Flächen, die nicht in naturschutzrechtlich geschützten
Bereichen lägen, seien nicht vorhanden.
Am 5. April 2001 beantragte die T. Gbr.mbH, vertreten durch den heutigen
Geschäftsführer der Klägerin, die Genehmigung der Errichtung und des
Betriebs einer Windenergieanlage außerhalb des ausgewiesenen
Vorranggebiets. Die Beigeladene nahm diesen Antrag zum Anlass, den
Flächennutzungsplan zu ändern. Mit der 18. Änderung des
Flächennutzungsplans wies die Beigeladene eine weitere etwa 2,4 ha große
Fläche als Vorranggebiet für die Windenergie aus. Diese Fläche schließt im
Westen unmittelbar an das bereits ausgewiesene Vorranggebiet an. In dem
Erläuterungsbericht führte die Beigeladene zu der Standortausweisung u. a.
aus, der zu überplanende Bereich sei Gegenstand des (auch im
Zusammenhang mit der 12. Änderung des Flächennutzungsplans) ermittelten
(potenziellen) Suchbereichs gewesen und daher für die Darstellung von
Vorrangflächen für die Windkraftnutzung gleichermaßen geeignet. Die hier in
Rede stehende Fläche habe sie - die Beigeladene - seinerzeit mangels
Flächenverfügbarkeit nicht in die 12. Änderung des Flächennutzungsplans
einbezogen. Die 18. Änderung des Flächennutzungsplans trat am 5.
Dezember 2001 in Kraft. In der Folgezeit sind insgesamt drei
Windenergieanlagen in dem ausgewiesenen Vorranggebiet genehmigt und
errichtet worden.
Die Klägerin beantragte unter dem 7. August 2009 bei dem Beklagten die
Erteilung eines Vorbescheides für die Errichtung einer Windenergieanlage des
Typs U. mit einem Rotordurchmesser von 100 m, einer Nabenhöhe von 100 m
und einer Gesamthöhe von 149,9 m. Der vorgesehene Standort befindet sich
etwa 200 m nordwestlich der ausgewiesenen Vorrangfläche. Der Beklagte
lehnte den Antrag nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 8. Oktober
2009 ab. Das Vorhaben widerspreche gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB den
Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie bat den Beklagten, die Träger
öffentlicher Belange vor einer Entscheidung über den Widerspruch zu
beteiligen, sowie um Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung
entbehrlich sei. Daraufhin teilte u. a. das Naturschutzamt des Beklagten mit,
dass die Antragsunterlagen um naturschutzfachliche Untersuchungen und
Aussagen entsprechend der Hinweise des Niedersächsischen Landkreistags
zu ergänzen seien. Die vorliegenden Ausarbeitungen und Untersuchungen zu
den innerhalb der Vorrangfläche bereits errichteten Windenergieanlagen
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schlössen den nunmehr beantragten Standort nicht oder nur unzureichend ein.
Die untere Landesplanungsbehörde führte aus, dass das Vorhaben als
raumbedeutsames Projekt von überörtlicher Bedeutung im Sinne des § 13
Abs. 2 NROG (a. F.) zu werten sei, für das ein Raumordnungsverfahren in
Betracht komme. Auch ohne weitere Prüfung der Tatbestände, die für die
Erforderlichkeit eines Raumordnungsverfahrens sprechen könnten, könne auf
die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens verzichtet werden, weil das
Vorhaben (jedenfalls) den Darstellungen des Flächennutzungsplans der
Beigeladenen widerspreche.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 14. März 2011 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass
dem Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentliche Belange
entgegenstünden, weil durch Darstellungen im Flächennutzungsplan der
Beigeladenen eine Ausweisung (von Vorrangflächen für Windenergie) an
anderer Stelle erfolgt sei. Die Konzentrationsflächenplanung sei wirksam. Dem
Flächennutzungsplan mangele es nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit
im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Eine Verhinderungsplanung liege nicht
vor. Die Beigeladene verfolge mit der 12. und 18. Änderung des
Flächennutzungsplans unzweifelhaft das Ziel, in dem ausgewiesenen
Vorranggebiet die Windenergienutzung zu ermöglichen. Das Vorranggebiet
biete hinreichend Raum für den technisch und wirtschaftlich sinnvollen Betrieb
von Windenergieanlagen. Der Ausweisung liege ein schlüssiges
gesamträumliches Planungskonzept zugrunde. Die Anforderungen, die das
Abwägungsgebot an eine wirksame Konzentrationsflächenplanung stelle,
seien hier erfüllt. Gründe für die behauptete Unwirksamkeit der
Konzentrationsflächenplanung habe die Klägerin nicht vorgetragen und seien
auch sonst nicht ersichtlich. Mit Kostenbescheid vom selben Tag setzte der
Beklagte gegenüber der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf
485,40 EUR fest.
Die Klägerin hat am 15. April 2011 Klage erhoben und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Die Konzentrationsflächenplanung der
Beigeladenen sei unwirksam. Die mit der 12. und 18. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen dargestellte Sonderbaufläche
erstrecke sich ohne Abstand entlang der Kreisstraße R.. Zeichne man eine
50 m-Abstandslinie in die so dargestellte Sonderbaufläche ein, dann
verkleinere sich die Fläche bereits auf die Hälfte. Zeichne man, wie im
Zeitpunkt der Planaufstellung geboten, eine 100 m-Abstandslinie parallel zur
Kreisstraße ein, dann verkleinere sich die Fläche auf etwas mehr als ein Viertel
und sei allenfalls noch durch eine einzelne 100 m hohe Windenergieanlage
ausnutzbar. Im Ergebnis handele es sich bei der Planung daher um eine
Verhinderungsplanung, auch wenn es mit Gutachten und der Verwendung von
Gittermasten gelungen sei, die Baugenehmigung für die drei bereits errichteten
Windenergieanlagen zu erwirken. Eine Ausnutzung durch andere
Windenergieanlagen oder gar die Ersetzung durch moderne leistungsfähigere
Windenergieanlagen sei wegen der geringen Tiefe der Fläche nicht möglich.
Die Planung sei schon aufgrund des Auseinanderfallens von Plan und
Begründung unwirksam. Die Beigeladene habe den gewollten und gebotenen
sowie angeblich berücksichtigten Abstand zur Kreisstraße („Kipphöhe der
Windkraftanlage, mind. jedoch 50 m“) in der Planzeichnung nicht dargestellt.
Die Erhöhung des empfohlenen Abstands zu Siedlungsbereichen von 500 m
auf 950 m sei nicht gerechtfertigt. Der Gesichtspunkt des vorbeugenden
Immissionsschutzes habe differenzierte Abstände zu Wohnnutzungen
geboten. Selbst zu einem Allgemeinen Wohngebiet sei ein Vorsorgeabstand
von 950 m nicht gerechtfertigt. Erst recht habe dies im Zeitpunkt der Planung in
den Jahren 1996 bis 1998 gegolten. Alle verfügbaren Windenergieanlagen der
seinerzeit größten Leistungsklasse hätten einen Schallleistungspegel von 100
dB(A) eingehalten, so dass bei einer Entfernung von 450 m der Richtwert von
40 dB(A) gegenüber Immissionsorten in faktischen oder festgesetzten
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Allgemeinen Wohngebieten nicht überschritten worden sei. Die seinerzeit
geltende Abstandsempfehlung des Niedersächsischen Innenministeriums
habe sich auf der absolut sicheren Seite bewegt. Im vorliegenden Fall komme
hinzu, dass der Gebietscharakter der Splittersiedlung „N.“, zu der der
(empfohlene) Abstand nahezu verdoppelt worden sei, allenfalls dem eines
Dorfgebiets entsprochen habe, wenn es sich überhaupt um einen im
Zusammenhang bebauten Ortsteil handeln würde. Die tatsächlichen
Verhältnisse hätten eher für eine Unterschreitung der empfohlenen Abstände
gesprochen. Windenergieanlagen müssten mit ihrer gesamten Rotorfläche
innerhalb des mit dem jeweiligen Flächennutzungsplan der Gemeinde
dargestellten Sondergebiets liegen. Unter Berücksichtigung dessen und des
gebotenen Mindestabstands zur Kreisstraße verbleibe Raum für die Errichtung
von maximal zwei Windenergieanlagen. Damit liege eine
Verhinderungsplanung vor. Die Konzentrationsflächenplanung der
Beigeladenen sei abwägungsfehlerhaft. Mängel des Abwägungsergebnisses
seien bereits in der Zeit der Geltung des § 215 BauGB a. F. stets als
„Ewigkeitsmangel“ angesehen worden. Die seit 2004 geltende Fassung des
§ 215 BauGB, wonach lediglich beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs
nach Ablauf bestimmter Fristen unbeachtlich würden, stelle dies nach
herrschender Meinung nunmehr lediglich klar. Auf die Wirkungen des § 215
Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. komme es im Übrigen gar nicht an. Die Vorschrift
erfasse nicht Verstöße gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Eine hier vorliegende
„Feigenblatt“-Planung oder Negativplanung sei nie erforderlich im Sinne des §
1 Abs. 3 BauGB. Der von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht
entschiedene Fall (Urt. v. 20.10.2011 - 1 LB 195/10 -) unterscheide sich
grundlegend von dem hier zur Beurteilung anstehenden. Die Planung der
Beigeladenen habe sich noch nicht vollzogen, weil der gesamte baurechtliche
Außenbereich für die Errichtung von Windenergieanlagen noch zur Verfügung
stehe. Zudem liege ein besonders schwerwiegender und offenkundiger
Mangel vor. Es wäre entgegen der Auffassung des 1. Senats des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts aber auch verfassungswidrig,
wenn eine Planung, deren Ergebnis wegen schwerwiegender Mängel des
Abwägungsergebnisses fehlerhaft und untragbar sei, nach dem Ablauf
irgendeiner Frist von allen Grundstückseigentümern hingenommen werden
müsste. Zudem finde bei der Prüfung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit
einem als geheilt geltenden Bebauungsplan keinerlei Abwägung statt. Bei der
Prüfung, ob einem privilegierten und damit vom Gesetzgeber planmäßig dem
Außenbereich zugewiesenen Vorhaben ein Belang im Sinne des § 35 Abs. 3
BauGB entgegenstehe, habe aber stets eine Abwägung zu erfolgen. Im
Rahmen der gebotenen Abwägung der sich gegenüberstehenden öffentlichen
und privaten Interessen wäre im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass
die Planung materiell unwirksam sei, der gesamte rechtswidrig gesperrte
sonstige baurechtliche Außenbereich aber noch ungenutzt zur Verfügung
stehe und der Vorhabenträger nur eine solche, von dem Planungsträger
eigentlich hinzunehmenden Nutzung beabsichtige. Darauf, dass der
Flächennutzungsplan der Beigeladenen in keiner Weise den Anforderungen
der neueren Rechtsprechung genüge, komme es vorliegend noch nicht einmal
an.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 8.
Oktober 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 14. März
2011 zu verpflichten, ihr einen immissionsschutzrechtlichen
Vorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung
und des Betriebes einer Windenergieanlage des Typs U. mit einer
Nennleistung von 2500 kW, einer Nabenhöhe von 100 m und
einem Rotordurchmesser von 100 m auf dem Flurstück L., Flur M.
der Gemarkung F. zu erteilen,
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2. den Kostenbescheid vom 14. März 2011 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat u. a. ausgeführt, dass die Konzentrationsflächenplanung der
Beigeladenen wirksam sei. Dem Flächennutzungsplan mangele es nicht an
der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
Die Beigeladene habe eine positive Zielsetzung nicht nur vorgeschoben, um
eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken.
Das von der Beigeladenen ausgewiesene Vorranggebiet biete hinreichend
Raum für den technisch und wirtschaftlich sinnvollen Betrieb von
Windenergieanlagen. In der ausgewiesenen Konzentrationszone hätten unter
Beachtung der einschlägigen Abstandsvorschriften drei Windenergieanlagen
vom Typ V. mit einer Anlagenhöhe von jeweils 99,9 m genehmigt werden
können. Der Darstellung von Positivflächen für die Errichtung von
Windenergieanlagen liege ein schlüssiges gesamträumliches
Planungskonzept zugrunde. Die Anforderungen, die das Abwägungsgebot an
eine wirksame Konzentrationsflächenplanung stelle, seien erfüllt. Die
Beigeladene habe der Windenergie substanziell hinreichend Raum verschafft,
so dass nicht von einer Verhinderungsplanung auszugehen sei. Die
empfohlenen Abstände zu Straßen seien durchaus einzuhalten. Der
Schutzabstand zu der Ortschaft N. von 950 m sei nicht zu beanstanden.
Soweit das Niedersächsische Innenministerium im Windenergie-Erlass zu
Einzelhäusern einen Abstand von 300 m empfohlen habe, sei diese Vorgabe
für die Bauleitplanung nicht verbindlich und der Planungsträger könne unter
städtebaulich vertretbaren Gründen für Wohnhäuser in Einzellagen einen
größeren Abstand vorsehen. Bereits zum Zeitpunkt der 12. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen seien deutlich größere
Windenergieanlagen mit wesentlich höheren Schallleistungspegeln absehbar
gewesen. Im Windenergie-Erlass vom 26. Januar 2004 werde nunmehr
empfohlen, zu Gebieten mit Wohnbebauung einen Abstand von 1.000 m
vorzusehen. Es handele sich bei der Ortschaft N. im Übrigen nicht um eine
Splittersiedlung, sondern um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Es
lägen ferner keine Umstände vor, aufgrund derer die durchgeführte
Konzentrationsflächenplanung ausnahmsweise keine Ausschlusswirkung
entfalte. Darüber hinaus habe die Beigeladene das erforderliche
Einvernehmen nicht erteilt. Gegenüber der Beigeladenen seien innerhalb der
in § 215 BauGB a. F. geregelten Frist offenbar keine Mängel der Abwägung
geltend gemacht worden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat u. a. ausgeführt, dass die
Abstandsempfehlungen des Innenministeriums nicht zwingend einzuhalten
seien. Die Abstandskriterien seien im Rahmen der Planaufstellung mit der
seinerzeit für eine Genehmigung des Plans zuständigen Bezirksregierung
abgestimmt worden. Sie - die Beigeladene - habe daher die Änderung des
Flächennutzungsplans entsprechend durchgeführt und die Einhaltung des
Abstands zu klassifizierten Straßen der konkreten Vorhabenplanung
überlassen. Dies sei grundsätzlich zulässig. Die betroffene
Straßenbauverwaltung habe im Verfahren keine relevanten
Änderungsvorschläge eingebracht. Bei Einhaltung des jeweiligen Abstands
der Masten zur Kreisstraße könne das jeweilige Rotorblatt bis an den
Straßenrand herangeführt werden. Die anzuhörenden Fachbehörden hätten
im Genehmigungsverfahren u. a. angesichts der geringen Verkehrsbedeutung
der Kreisstraße R. auf die Einhaltung bestimmter Mindestabstände verzichten
können. Eine Realisierung von Windenergieanlagen auf den südlich der
Kreisstraße und der BAB O. dargestellten Eignungsflächen sei unabhängig
von der Anlagenhöhe nicht zu erwarten gewesen. Die Gemeinden seien nach
wie vor nicht verpflichtet, nur an den wirtschaftlich interessantesten Standorten
Vorrangflächen für die Windenergie auszuweisen. Die Planung müsse jedoch
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auf Realisierung ausgelegt sein. Das sei hier der Fall. Drei
Windenergieanlagen seien errichtet worden und würden seit 2001 von der
Klägerin betrieben. Der Vorwurf einer Verhinderungsplanung entbehre
jeglicher Grundlage. Die Abgrenzung im Norden und Nordwesten sei nicht
willkürlich erfolgt. Bei Betrachtung der Raumstrukturen des Gemeindegebiets,
der sich daraus ergebenden Abstände der Ortsteile zueinander, dem Verlauf
der BAB O. sowie der naturschutzrechtlich geschützten Gebiete seien keine
weitergehenden Eignungsflächen vorhanden gewesen. Ob der Standort für
neueste Techniken der Windkraftanlagen ausreiche, richte sich nach dem
jeweiligen Einzelfall der geplanten Anlage. Der Flächennutzungsplan treffe
hierzu keine weitergehenden Aussagen. Es gebe keine für die Erzielung der
Konzentrationswirkung normierten Mindestgrößen von Plangebieten. Ob eine
Konzentrationswirkung erreicht werde, richtete sich vielmehr nach den
tatsächlichen Gegebenheiten der betroffenen Gemeinde, die in diesem Fall
aufgrund der Siedlungs- und Landschaftsstruktur nur ein relativ geringes
Potenzial an Eignungsflächen aufweise. Ein Abstand von 950 m zu der
Ortschaft N. sei u. a. aufgrund der Lärmvorbelastung durch die BAB O.
geboten gewesen. Hinzu komme die topographische Lage der Ortschaft N.
und des Vorranggebiets. Ein Schlagschatten bzw. ein Diskoeffekt wirke sich
besonders durch die talseitige Ausrichtung des Siedlungsbereichs N. in den
Wintermonaten bei tief stehender Sonne extrem aus. In diesem Einzelfall greife
der von der Klägerin herangezogene Erlass nicht. Die Gemeinden hätten die
Möglichkeit, auf ihren Planungsraum angemessen einzugehen und
Abweichungen von den Abstandsempfehlungen zuzulassen. Selbst bei
Vorliegen eines Abwägungsfehlers wäre dieser gemäß § 215 BauGB a. F.
unbeachtlich. Innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach
Wirksamwerden der Änderung des Flächennutzungsplans seien keine Mängel
der Abwägung geltend gemacht worden. Es bestehe kein „Ewigkeitsmangel“.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. August 2012 den Beklagten
unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Oktober 2009 und des
Widerspruchsbescheides vom 14. März 2011 verpflichtet, der Klägerin einen
immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur planungsrechtlichen
Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs der beantragten
Windenergieanlage zu erteilen, und den Kostenbescheid vom 14. März 2011
aufgehoben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der
Errichtung der geplanten Windenergieanlage stehe nicht entgegen, dass die
Beigeladene in ihrem Flächennutzungsplan an anderer Stelle eine Fläche für
Windenergieanlagen als Konzentrationsfläche dargestellt habe (§ 35 Abs. 3
Satz 3 BauGB). Der Flächennutzungsplan sei unwirksam. Er dürfte allerdings
entgegen der Auffassung der Klägerin nicht wegen fehlender Erforderlichkeit
unwirksam sein. Diese Frage könne letztlich dahingestellt bleiben. Denn die
Konzentrationsflächenplanung der Beigeladenen verstoße jedenfalls gegen
das baurechtliche Abwägungsgebot und sei aus diesem Grund unwirksam. Als
abwägungsfehlerhaft erweise sich die pauschale Festlegung von
Mindestabständen von 950 m zu sämtlichen Siedlungsgebieten, die im
Zusammenspiel mit den weiteren Kriterien dazu führe, dass eine Fläche
dargestellt werde, die lediglich Raum für drei Windenergieanlagen biete. Für
sich genommen folge daraus zwar kein Abwägungsfehler. Größenangaben
seien, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet, weil die ausgewiesene
Fläche nicht nur zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der
Gemeindegebietsteile, die für eine Windenergienutzung nicht in Betracht
kämen, in Relation zu setzen sei. Dass das Gemeindegebiet der Beigeladenen
für eine Windenergienutzung in weiten Teilen schon aufgrund der
Topographie, der Waldvorkommen und der zahlreichen
Landschaftsschutzgebiete ausscheide, dürfte unzweifelhaft sein. Gleichwohl
gebe es aber eine größere Anzahl von grundsätzlich geeigneten Flächen,
deren Ausschluss nicht aufgrund von sachlichen Zwängen, sondern aufgrund
der Entscheidung der Beigeladenen, von Siedlungsgebieten einen pauschalen
Abstand von 950 m zu halten, erfolgt sei. Je kleiner jedoch die ausgewählte
Konzentrationsfläche ausfalle, umso höhere Anforderungen seien an die
Gründe für die politischen Entscheidungen, die zum Ausschluss weiterer
Flächen geführt hätten, zu stellen. Die von der Beigeladenen in ihrem
Erläuterungsbericht genannten Gründe seien nicht ausreichend. Dieser Fehler
im Abwägungsvorgang sei nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a. F. beachtlich,
weil er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen
sei. Das fehlerhafte Abwägungsergebnis sei weiterhin beachtlich. Zwar seien
Mängel der Abwägung - unstreitig - nicht innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1
Nr. 2 BauGB a. F. geltend gemacht worden. Bei verfassungskonformer
Auslegung erfasse § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. jedoch den hier
vorliegenden Mangel im Abwägungsergebnis nicht. Nach Auffassung der
Kammer sei § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. verfassungskonform dahin
auszulegen, dass ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis, das in eine durch Art.
14 Abs. 1 GG geschützte Position eingreife, jedenfalls dann nicht unbeachtlich
werde, wenn es - wie hier - in Nutzungsrechte eingreife, die - anders als bei
bereits vollzogenen Bebauungsplänen - nicht im Rahmen des durch eine
Baugenehmigung vermittelten Bestandsschutzes fortgälten. Die fehlerhafte
Konzentrationsflächenplanung der Beigeladenen habe zur Folge, dass den
Eigentümern außerhalb der dargestellten Konzentrationsfläche gelegener
Grundstücke Nutzungsmöglichkeiten genommen würden, die ihnen ohne die
Planung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf diesen Grundstücken konkret
zugestanden hätten. Sei eine bauliche Nutzung eines Grundstücks mit dem
geltenden öffentlichen Baurecht vereinbar, so habe der Eigentümer einen
Rechtsanspruch auf Zulassung dieser Nutzung. Dieser Anspruch sei
Bestandteil der Eigentumsgarantie. Die rechtswidrige Nichterfüllung dieses
Anspruchs sei ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Eine
Vorschrift, die einen derartigen Mangel des Abwägungsergebnisses nach
Ablauf von sieben Jahren unbeachtlich werden ließe, wäre verfassungswidrig,
weil sie nicht im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG stünde. Denn
Verfassungsverstöße könnten vom einfachen Gesetzgeber nicht für
unbeachtlich erklärt werden. Ob eine enge - verfassungskonforme - Auslegung
des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. nur bei besonders schwerwiegenden
Mängeln im Abwägungsergebnis geboten sei, könne dahingestellt bleiben.
Denn bei dem Eingriff in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Position
handele es sich um einen schwerwiegenden Mangel. Ebenso könne
dahingestellt bleiben, ob sich aus Art. 19 Abs. 4 GG nur dann durchgreifende
Bedenken gegen die Sieben-Jahres-Frist ergeben könnten, wenn ein
Bebauungsplan zunächst nicht verwirklicht werde. Denn die von der
Negativwirkung einer Konzentrationsflächenplanung betroffenen
Grundstückseigentümer genössen - anders als die von bereits vollzogenen
Bebauungsplänen betroffenen Grundstückseigentümer - naturgemäß keinen
durch eine Baugenehmigung vermittelten Bestandsschutz. Gegen die - eine
verfassungskonforme Auslegung gebietende - Verfassungswidrigkeit der
Unbeachtlichkeit von Mängeln des Abwägungsergebnisses nach Ablauf von
sieben Jahren könne nicht angeführt werden, dass auch rechtswidrige
Verwaltungsakte nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig würden.
Denn Verwaltungsakte regelten lediglich Einzelfälle, während es sich bei
Bauleitplänen um Normen im materiellen Sinne handele, in deren
Gebotsbereich ständig neue Adressaten hineinwüchsen. Ebenso wenig lasse
sich die Verfassungsmäßigkeit der Unbeachtlichkeit von Mängeln des
Abwägungsergebnisses nach Ablauf von sieben Jahren mit dem Hinweis auf
die Präklusionsvorschriften des Planfeststellungsrechts begründen. Die
Präklusion dort sei Ausfluss einer dem Betroffenen eingeräumten besonderen
verfahrensrechtlichen Rechtsstellung, die mit einer Mitwirkungslast verbunden
sei. An der planerischen Abwägung der Gemeinde sei der Bürger dagegen
nicht beteiligt. Eine - restriktive - verfassungskonforme Auslegung des § 215
Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. sei möglich. Sonstige öffentliche Belange, die dem
Vorhaben widersprechen könnten, seien im Rahmen der von dem Beklagten
durchgeführten Behördenbeteiligung nicht geltend gemacht worden und auch
sonst nicht ersichtlich. Der Kostenbescheid der Beklagten vom 14. März 2011
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sei ebenfalls aufzuheben, da mit der Aufhebung der im Widerspruchsbescheid
enthaltenen Kostenentscheidung die Grundlage für eine Kostenerstattung
durch die Klägerin entfallen sei.
Der Beklagte hat am 11. Oktober 2012 gegen dieses Urteil die von dem
Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung
eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Der Flächennutzungsplan der
Beigeladenen sei wirksam. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liege
entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor. Hierzu werde auf
die anliegende Stellungnahme des Planungsbüros W. vom 24. September
2012 Bezug genommen, welches seinerzeit für die 12. und 18. Änderung des
Flächennutzungsplans der Beigeladenen zuständig gewesen sei. Aus der
Stellungnahme werde deutlich, dass eine Vielzahl von Entscheidungskriterien
für die Ausarbeitung des städtebaulichen Gesamtkonzepts der Beigeladenen
mit Blick auf die Ordnung von Windenergieanlagen zu berücksichtigen
gewesen sei. Zutreffend sei, dass die verbleibenden Entwicklungsflächen im
Vergleich mit anderen Gemeindegebieten in Niedersachsen sehr gering
ausfielen. Um jedoch sowohl der Windenergie als auch den sich aus der
Siedlungsentwicklung ergebenden Raumanforderungen in diesem
besonderen Einzelfall Rechnung tragen zu können, sei der Abstand zu
Siedlungsbereichen auf 950 m festgelegt worden. Aufgrund der engen
Talraumsituation, der dicht heranrückenden und großflächigen
Landschaftsschutzgebiete, der unmittelbaren Nähe der BAB O., der
Kuppensituation zwischen der BAB O. und N., der Vorbelastung durch die BAB
O. und der für die Bewohner durch Höhenzüge bestehenden visuellen
Raumbegrenzung im Norden werde der für das X.tal typische Raumdruck
konkurrierender Nutzungen im Grenzbereich der im Flächennutzungsplan
dargestellten Vorrangfläche für Windenergie in besonderer Weise deutlich.
Das Spannungsfeld der konkurrierenden Nutzungen werde auch dadurch
dokumentiert, dass im südlichen Bereich von N. eine Kleinst-
Windenergieanlage stehe, von der für den Ort bereits über viele Jahre eine
Vorbelastung ausgehe, und ein weiteres Heranrücken von
Windenergieanlagen an den Siedlungsbereich den Eindruck der Zugehörigkeit
erwecken würde. Die genannten Kriterien hätten ebenfalls der Bauleitplanung
im Jahr 1998 zugrunde gelegen. Diese Kriterien habe die Beigeladene zwar
nicht in ihrer Gesamtheit und Tiefe in dem Umfang, wie es bei heutigen
Bauleitplanungen zu diesem Thema üblich sei, schriftlich niedergelegt. Sie
seien aber bekannt und Grundlage der politischen Entscheidung gewesen. Die
besonderen Abwägungskriterien seien den Ratsmitgliedern von dem
Planungsbüro vorgestellt und im Vorfeld des Ratsbeschlusses intensiv beraten
worden. Die Beigeladene habe die öffentlichen und privaten Belange,
insbesondere der in den Siedlungsbereichen lebenden Bevölkerung, gerecht
abgewogen. Das Abwägungsergebnis sei entgegen der Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichts nicht fehlerhaft. Es könne nicht davon ausgegangen
werden, dass die Beigeladene der Windenergie im Bereich südlich der
Siedlung N. mehr Flächen hätte zur Verfügung stellen können. Ein fehlerhaftes
Abwägungsergebnis wäre jedenfalls als unbeachtlich zu werten. § 215 Abs. 1
Nr. 2 BauGB a. F. greife zum Nachteil der Klägerin ein. Gegen die Wirksamkeit
dieser Heilungsvorschrift seien in der Literatur teilweise Zweifel geltend
gemacht worden, allerdings folge das Niedersächsische
Oberverwaltungsgericht als zuständiges Obergericht diesen Zweifeln nicht. Im
vorliegenden Fall könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass gerade die
Klägerin seit Inkrafttreten des Flächennutzungsplans umfangreiche
Erkenntnisse gehabt haben müsse, da sie die 18. Änderung des
Flächennutzungsplans initiiert und nach deren Inkrafttreten drei
Windenergieanlagen auf der Konzentrationsfläche realisiert habe. Der
Auffassung des Verwaltungsgerichts, es handele sich um einen
schwerwiegenden Mangel im Abwägungsergebnis, könne ebenfalls nicht
gefolgt werden. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts stelle
eine fehlerhafte Konzentrationsflächenplanung keinen Eingriff in Art. 14 Abs. 1
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GG dar. § 35 BauGB vermittele im Außenbereich keine Baulandqualität.
Soweit das Verwaltungsgericht dahinstehen lasse, ob sich aus Art. 19 Abs. 4
GG nur dann durchgreifende Bedenken gegen die Sieben-Jahres-Frist
ergeben könnten, wenn ein Bebauungsplan zunächst nicht verwirklicht werde,
beziehe es sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (v.
2.1.2001 - 4 BN 13.00 -). Das Bundesverwaltungsgericht führe u. a. aus, dass
im Schrifttum zu Recht von niemandem die Auffassung vertreten werde, dass
ein Planbetroffener bei einem weitgehend realisierten Bebauungsplan darauf
vertrauen könne, dass eine weitere plankonforme Bebauung unterbleiben
werde. Zwar handele es sich vorliegend im Gegensatz zu der genannten
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht um einen
Bebauungsplan, sondern einen Flächennutzungsplan. Es bestehe aber eine
vergleichbare Situation, weil unmittelbar mit Inkraftsetzung des
Flächennutzungsplans bereits seine Verwirklichung stattgefunden habe. 2001
seien der Klägerin drei - zwischenzeitlich errichtete - Windkraftanlagen
innerhalb der Konzentrationszone genehmigt worden, so dass die
Konzentrationsfläche vollständig ausgeschöpft worden sei. Die Argumentation
des Verwaltungsgerichts, dass gegen die - eine verfassungskonforme
Auslegung gebietende - Verfassungswidrigkeit der Unbeachtlichkeit von
Mängeln des Abwägungsergebnisses nach Ablauf von sieben Jahren auch
nicht angeführt werden könne, dass auch rechtswidrige Verwaltungsakte nach
Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig würden, weil Verwaltungsakte
lediglich Einzelfälle regelten, während es sich bei Bauleitplänen um Normen im
materiellen Sinn handele, in deren Gebotsbereich ständig neue Adressaten
hineinwüchsen, könne nicht überzeugen. Das Verwaltungsgericht übersehe,
dass gerade die Klägerin seit Fristbeginn Kenntnis von dem Bauleitplan und
den behaupteten Abwägungsmängeln gehabt haben müsse. Unabhängig
davon dürfte eine verfassungskonforme Auslegung des § 215 Abs. 1 Nr. 2
BauGB a. F. nicht möglich sein. Dem stehe der Wortlaut der Vorschrift
entgegen. Schließlich seien entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts auch sonstige öffentliche Belange, die dem Vorhaben
widersprechen könnten, im Rahmen der Behördenbeteiligung von dem
Naturschutzamt thematisiert worden. Nach aktueller Mitteilung des
Naturschutzamts sei ein weiterer Untersuchungsumfang auch deshalb
erforderlich, da im Jahr 2001 hinsichtlich der nach neueren Erkenntnissen
kollisionsgefährdeten Artengruppe der Fledermäuse keine Untersuchungen
durchgeführt und im dortigen Untersuchungsraum die im Zusammenhang mit
Windenergieanlagen kollisionsgefährdeten, besonders geschützten Arten
Rotmilan und Rohrweihe als Nahrungsgäste festgestellt worden seien. Ein
Brutplatz im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage könne nicht
ausgeschlossen werden.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt
ergänzend aus: Die an die Kreisstraße R. angrenzende Fläche des
Vorranggebiets, die aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit nicht
ausnutzbar sei, hätte nicht dargestellt werden dürfen und müsse jedenfalls bei
der Beantwortung der Frage, ob die Beigeladene mit ihrer Planung der
Windenergienutzung substanziell Raum verschafft habe, außer Betracht
bleiben. Die verbleibende Fläche sei so klein, dass der Windenergienutzung
auf dem Gebiet der Beigeladenen nicht substanziell Raum verschafft worden
sei. Die Behauptung der Berufung, es habe keine Möglichkeit bestanden, der
Windenergie mehr Flächen zur Verfügung zu stellen, sei abwegig und
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vollkommen unzutreffend. Die großen Abstände zu jedweder Wohnbebauung
seien nicht erforderlich gewesen. Dies gelte auch für den Bereich südlich von
N.. Autobahnnahe Bereiche eigneten sich bekanntlich eher nicht für eine
Wohnsiedlungsentwicklung. Im Falle der Splittersiedlung „N.“ bestehe nach
Süden durch die Höhenlage der dortigen Wohnbebauung und das Gehölz
eine natürliche Abschirmung. Eine Siedlungsentwicklung in diese Richtung sei
zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt. Der
Verkehrslärm würde den Schall von Windenergieanlagen, die in diesem
Bereich entstünden, bis zu einer erheblichen Entfernung von der Autobahn
vollkommen verdecken.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, schließt sich in der Sache dem Vortrag
des Beklagten aber im Wesentlichen an.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im
Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen Bezug
genommen. Sie waren in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige
Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage
der Klägerin abweisen müssen. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober
2009 und der Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011 sind rechtmäßig. Die
Klägerin kann die Erteilung des beantragten Vorbescheides für die Errichtung
und den Betrieb einer Windenergieanlage nicht beanspruchen (I.). Der
angefochtene Kostenbescheid vom 14. März 2011 begegnet ebenfalls keinen
rechtlichen Bedenken (II.).
I. Gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG soll auf Antrag durch Vorbescheid über
einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage
entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage
ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der
Erteilung eines Vorbescheides besteht. Vernünftige Gründe für ein gestuftes
Vorgehen und damit ein berechtigtes Interesse der Klägerin ergeben sich hier
daraus, dass die Bindungswirkung des Vorbescheides geeignet ist, ihr
Investitionsrisiko zu verringern, indem hinsichtlich des Standorts eine
verbindliche Klärung vorab erreicht werden kann. Eine Verpflichtung des
Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheides setzt jedoch voraus,
dass derzeit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1, § 6
Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. dem Bauplanungsrecht erfüllt sind. Das ist hier
nicht der Fall.
Das Vorhaben der Klägerin soll im Außenbereich des Gemeindegebiets der
Beigeladenen realisiert werden, so dass sich die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB richtet. Danach darf ein Vorhaben,
das wie hier der Nutzung der Windenergie dient und deshalb im Außenbereich
privilegiert zulässig ist, nicht zugelassen werden, wenn öffentliche Belange
entgegenstehen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen einem Vorhaben
nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 öffentliche Belange in der Regel dann entgegen,
soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der
Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Die
Ausschlusswirkung nach dieser Vorschrift greift hier aufgrund der Ausweisung
von Sonderbauflächen für die Windenergie durch die 12. und 18. Änderung
des Flächennutzungsplans der Beigeladenen.
1. Die Konzentrationsflächenplanung der Beigeladenen in Gestalt der 12. und
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18. Änderung des Flächennutzungsplans ist wirksam.
a) Der 12. und 18. Änderung des Flächennutzungsplans mangelt es nicht an
der städtebaulichen Erforderlichkeit. Nach § 1 Abs. 3 BauGB darf die
Gemeinde von ihrer Planungsbefugnis nur Gebrauch machen, wenn dies für
die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was im Sinne
dieser Vorschrift erforderlich ist, bestimmt sich nach der jeweiligen
planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die
Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Erst dann, wenn
überhaupt kein erkennbares Planungserfordernis besteht, fehlt die
Planungsbefugnis. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB
sind Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich
der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die
Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind (BVerwG, Urt.
v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, BVerwGE 81, 111; Beschl. v. 18.12.1990 - 4 NB
8.90 -, NVwZ 1991, 875; Beschl. v. 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, UPR 1999, 352;
so auch Urt. d. Sen. v. 21.12.2010 - 12 KN 71/08 -, BauR 2011, 1140). Davon
ist u. a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird,
um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu
überdecken (BVerwG, Urt. v. 20.5.2010 - 4 C 7.09 -, BVerwGE 137, 74). Ferner
ist eine Planung nicht erforderlich, wenn sie sich als nicht vollzugsfähig erweist,
weil ihr auf unabsehbare Zeit unüberwindbare rechtliche und tatsächliche
Hindernisse im Wege stehen (BVerwG, Urt. v. 12.8.1999 - 4 CN 4.98 -,
BVerwGE 109, 246; Urt. v. 21.03.2002 - 4 CN 14.00 -, Buchholz 406.11 § 1
BauGB Nr. 110; Urt. v. 30.1.2003 - 4 CN 14.01 -, BVerwGE 117, 351; Urt. v.
18.3.2004 - 4 CN 4.03 -, BVerwGE 120, 239; Urt. v. 20.5.2010 - 4 C 7.09 -,
a. a. O.).
Hier bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Beigeladene mit
der 12. und 18. Änderung des Flächennutzungsplans ein Vorranggebiet für
Windenergie nur ausgewiesen hat, um in Wahrheit eine Nutzung der Windkraft
zu verhindern. Der planerische Wille der Gemeinde war erkennbar auf die
Konzentrierung von Windenergieanlagen innerhalb des ausgewiesenen
Vorranggebiets gerichtet. Es sollte eine Fläche für „max. 4
Windenergieanlagen“ ausgewiesen werden. Die planerischen Festsetzungen
stimmen damit überein. Die Errichtung mehrerer Windenergieanlagen
innerhalb des Vorranggebiets war nicht aufgrund einer zu geringen
Flächenausweisung sowie der Ausdehnung des Sondergebiets entlang der
Kreisstraße R. rechtlich oder tatsächlich ausgeschlossen. Dagegen spricht
bereits der Umstand, dass im Vorranggebiet tatsächlich drei
Windenergieanlagen genehmigt und errichtet wurden sowie technisch und
wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden. Dass diese Anlagen heute
möglicherweise nicht durch moderne und leistungsfähigere Anlagen ersetzt
werden könnten, weil die Rotoren neuerer Anlagen die Grenzen des
Vorranggebiets überschreiten würden, stellt die Erforderlichkeit der Planung im
maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über die 12. und 18. Änderung
des Flächennutzungsplans nicht in Frage.
b) Ohne Erfolg rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang ein
Auseinanderfallen von Plan und Begründung, weil die Beigeladene den
angeblich gewollten Abstand von mindestens 50 m zu Kreisstraßen nicht
festgesetzt habe. Die Erforderlichkeit der Planung wäre nur dann zweifelhaft,
wenn das Planungsergebnis nicht der Planungsabsicht, wie sie sich aus den
Planungsvorgängen ergibt, entsprochen hätte (dazu Söfker, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: April 2013, § 1 Rn. 38 m. w. N.).
Vorliegend ist aber aufgrund der zeichnerischen Darstellung des Plangebiets
in den Planunterlagen davon auszugehen, dass die tatsächliche Ausweisung
des Vorranggebiets dem planerischen Willen der Beigeladenen entsprochen
hat. Soweit die Beigeladene im Erläuterungsbericht zu der 12. bzw. 18.
Änderung des Flächennutzungsplans ausgeführt hat, dass sie die seinerzeit
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geltenden Abstandsempfehlungen des Niedersächsischen Innenministeriums,
die u. a. zu Kreisstraßen einen Abstand von mind. 50 m vorsahen,
„weitgehend“ gefolgt sei, das ausgewiesene Vorranggebiet diesen Abstand
tatsächlich aber nicht einhält, liegt möglicherweise ein Begründungsmangel
vor. Ein zur Unwirksamkeit der Planung führender Widerspruch zwischen
Planungsabsicht und Planung ergibt sich aus der fehlerhaften Bezugnahme
auf die Abstandsempfehlungen aber nicht.
c) Die von der Klägerin geltend gemachten Abwägungsfehler sind jedenfalls
unbeachtlich, weil sie nicht im Sinne von § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in der
maßgeblichen Fassung vom 27. August 1997 (vgl. § 233 Abs. 2 Satz 3
BauGB) innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des
Flächennutzungsplans schriftlich und unter Darlegung des Sachverhalts, der
den Mangel begründen soll, gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht
worden sind.
Die Vorschrift des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. erfasst im Grundsatz sowohl
Mängel im Abwägungsvorgang als auch Mängel im Abwägungsergebnis
(Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 215 Rn. 80). Nach Auffassung
des Verwaltungsgerichts müsse diese Vorschrift aber verfassungskonform
einschränkend ausgelegt werden, so dass ein fehlerhaftes
Abwägungsergebnis, welches in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte
Position eingreife, auch nach Ablauf von sieben Jahren beachtlich bleibe. Das
Verwaltungsgericht greift insoweit verfassungsrechtliche Bedenken der
Literatur gegen die Unbeachtlichkeitsvorschrift des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB
a. F. auf, wobei (wohl) überwiegend eine verfassungskonforme Auslegung in
dem Sinne befürwortet wird, dass § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. nur auf
schwere und/oder verfassungsrelevante Abwägungsmängel nicht anwendbar
sei (so etwa Peine, NVwZ 1989, 637; Löhr, NVwZ 1987, 361; Quaas/Kuck, in:
Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 215 Rn. 8; Hoppe, in: Hoppe/Grotefels,
Öffentliches Baurecht, 1995, § 16 Rn. 44; Gaentzsch, BauGB, § 215 Rn. 3; vgl.
demgegenüber Dolde, BauR 1990, 1, 9 ff., und Gern/Schneider, VBlBW 1988,
125, 129, die § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. für verfassungswidrig halten).
Das Bundesverwaltungsgericht und die bekannte obergerichtliche
Rechtsprechung teilen diese Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung nicht ausdrücklich. Diese Gerichte konnte die Frage, ob zumindest
„schwere Mängel im Abwägungsergebnis“ (BVerwG, Beschl. v. 2.1.2001 - 4
BN 13.00 -, BauR 2001, 1888; in diesem Sinne auch BVerwG, Beschl. v.
23.1.2003 - 4 B 79.02 -, BauR 2003, 547; Urt. v. 21.3.2013 - 4 C 15.11 -, BauR
2013, 1236; Nds. OVG, Urt. v. 20.10.2011 - 1 LB 195/10 -, n. v.) bzw.
„gravierende Mängel“ (Bay. VGH, Urt. v. 23.12.1998 - 26 N 98.1675 -, NVwZ-
RR 2000, 79) auch nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren beachtlich
bleiben müssen, in den jeweiligen Verfahren allerdings dahinstehen lassen.
Nach Auffassung des Senats verpflichtet die Verfassung den Gesetzgeber
nicht, ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis generell von den Heilungs- bzw.
Unbeachtlichkeitsvorschriften auszunehmen. Die Rechtsprinzipien der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes lassen sich ebenfalls auf die
Verfassung zurückführen (so etwa Gaentzsch, in: FS Weyreuther, S. 249, 265;
Dürr, VBlBW 1987, 201, 203; insoweit auch Gern/Schneider, a. a. O., 127). Es
ist einem Eigentümer generell auch zumutbar, sich innerhalb eines Zeitraums
von sieben Jahren über den Inhalt einer Bauleitplanung und die Auswirkungen
auf sein Eigentum zu informieren. Die aus der Verletzung dieser Obliegenheit
entstehenden Nachteile muss gegebenenfalls auch ein Rechtsnachfolger
gegen sich gelten lassen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., §
125 Rn. 80 m. w. N.).
Ob in atypischen Fällen, in denen ein Bauleitplan an einem schwerwiegenden
Abwägungsmangel leidet, der - entgegen der Annahme des Gesetzgebers
(BT-Drucks. 10/6166, S. 134) - innerhalb von sieben Jahren gleichwohl nicht
geltend gemacht werden konnte oder bloß nicht geltend gemacht worden ist,
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der Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. einer
verfassungskonformen Einschränkung bedarf, kann in diesem Verfahren
ebenfalls dahinstehen. Ein ausnahmsweise beachtlicher Mangel des
Abwägungsergebnisses in diesem Sinne liegt nicht vor.
Das Eigentumsrecht stellt zur Überzeugung des Senats keinen tauglichen
Anknüpfungspunkt für eine Abgrenzung verfassungsrechtlich relevanter und
nicht relevanter Mängel der Abwägung bei der Konzentrationsflächenplanung
dar (gegen eine Beschränkung des § 215 Abs. 1 Satz 2 BauGB a. F. auf
Mängel der Abwägung, die sich nicht auf das Eigentumsgrundrecht auswirken,
auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 215 Rn. 80; Gerhardt/Bier,
in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Aug. 2012, Vorb. § 47 Rn. 13 Fn.
86). Das Nutzungsinteresse eines Eigentümers, im Außenbereich
Windenergieanlagen zu errichten, stellt keine eigentumskräftig verfestigte
Rechtsposition dar (so zum Planungsschadensrecht Gatz,
Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Aufl., Rn. 137
ff.). § 35 Abs. 1 und 2 BauGB vermittelt - anders als § 34 BauGB - keine
Rechtsposition, die den Schutz des Art. 14 GG gegen neu auftretende
öffentliche Belange genießt. Der Eigentümer im Außenbereich muss stets mit
der Entstehung neuer Belange rechnen. Denn nach der Entscheidung des
Gesetzgebers, der insofern Inhalt und Schranken des Eigentums an
Grundstücken gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigerweise bestimmt, ist
der Außenbereich grundsätzlich nicht für das Bauen freigegeben, sondern in
erster Linie für die Land- und Forstwirtschaft und die Erholung der
Allgemeinheit bestimmt (BVerwG, Urt. v. 17.2.1984 - 4 C 56.79 -, NVwZ 1984,
434; Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287). Die auch
privilegierte Windenergienutzung steht dagegen nach § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB unter einem Planvorbehalt. Da zudem jede
Konzentrationsflächenplanung die Nutzungsmöglichkeiten von Grundstücken
in der Ausschlusszone betrifft, müsste nach der Auffassung des
Verwaltungsgerichts jeder Fehler der Planung grundrechtsrelevant und ohne
Rücksicht auf eine rechtzeitige Rüge beachtlich sein. Es bestehen für den
Senat aber keine Zweifel, dass die Planungserhaltungsvorschriften der §§ 214
ff. BauGB angesichts der damit verfolgten und auch von der Verfassung
anerkannten Zwecke jedenfalls im Grundsatz verfassungsgemäß sind.
Die Annahme eines schwerwiegenden Mangels, der - in Übereinstimmung mit
der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - von
Verfassungs wegen über die in § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. geregelte Frist
hinaus beachtlich sein könnte, ist nach Auffassung des Senats daher nur
gerechtfertigt, wenn der Plan selbst derart fehlerhaft ist, dass das Vertrauen auf
die Gültigkeit einer Rechtsnorm nicht schutzwürdig sein kann. Ein
schwerwiegender Mangel des Abwägungsergebnisses in diesem Sinne muss
sich einem verständigen Beobachter geradezu aufdrängen. Das ist hier aber
nicht der Fall.
Die von der Klägerin und - im Ergebnis von dem Verwaltungsgericht - gerügten
Abwägungsfehler betreffen teilweise schon nicht das Abwägungsergebnis,
sondern den Abwägungsvorgang. Dass Fehler im Abwägungsvorgang, selbst
wenn sie sich im Einzelfall aufdrängen, aus verfassungsrechtlichen Gründen
nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren beachtlich bleiben müssten, wird
soweit ersichtlich aber nicht vertreten und ist verfassungsrechtlich - aus den
dargestellten Gründen - nicht geboten. Zum Abwägungsvorgang gehören die
Zusammenstellung des Abwägungsmaterials sowie die Gewichtung und
Einstellung dieser Belange in die Abwägung (Urt. d. Sen. v. 17.6.2013 - 12 KN
80/12 -, NuR 2013, 580 m. w. N.). Danach betreffen auch die beanstandete
Festlegung eines pauschalen Vorsorgeabstandes von 950 m zu
Siedlungsbereichen, die unterbliebene Differenzierung zwischen den
Wohnnutzungen in den unterschiedlichen Gebietstypen wie auch der Verzicht
auf die Einhaltung eines Schutzabstands zu der Kreisstraße R. zunächst nur
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den Abwägungsvorgang. Diese (angeblichen) Fehler können der
Ausschlusswirkung der Konzentrationsflächenplanung daher nicht mehr
entgegengehalten werden.
Die von der Klägerin gerügten Fehler im Abwägungsvorgang schlagen nicht
offenkundig auf das Ergebnis der Abwägung durch. Das Abwägungsergebnis
weist auch im Übrigen keine besonders schwerwiegenden Mängel auf.
Das Abwägungsergebnis ist der durch die Abwägung gewonnenen Norminhalt
des Plans (vgl. Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht,
3. Aufl., Rn. 133 ff.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 1 Rn. 187).
Fehlerhaft ist das Abwägungsergebnis nicht schon dann, wenn die konkrete
Möglichkeit besteht, dass die Planung nach der erforderlichen Abwägung
anders ausgefallen wäre und der Abwägungsausfall damit im Sinne des § 214
Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Abwägungsergebnis „von Einfluss" gewesen ist.
Es ist vielmehr erst dann zu beanstanden, wenn eine fehlerfreie Nachholung
der erforderlichen Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis
führen könnte, weil anderenfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung
berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Die
Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit müssen überschritten sein (Urt.
d. Sen. v. 17.6.2013 - 12 KN 80/12 -, a. a. O., unter Hinweis auf BVerwG, Urt.
v. 11.4.2013 - 4 CN 2.12 -, NuR 2013, 489; Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 -,
BVerwGE 138, 12, und Hoppe, in: Hoppe/Bönker/Grotefels, a. a. O.,
Rn. 121 ff.). Das Ergebnis einer Konzentrationsflächenplanung ist vor allem
dann fehlerhaft, wenn der Windenergie im Plangebiet insgesamt nicht
substanziell Raum verschafft wird. In der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (etwa Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 1.11, 2.11 -, DVBl.
2013, 507; Urt. v. 13.3.2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33) und des Senats
(Urt. v. 17.6.2013 - 12 KN 80/12 -, a. a. O.; Urt. v. 22.11.2012 - 12 LB 64/11 -,
NuR 2013, 196; Urt. v. 21.4.2010 - 12 LC 9/07 -, BauR 2010, 1556) ist
geklärt, dass sich nicht abstrakt, z. B. durch Ermittlung des prozentualen
Anteils der Vorrang- oder Konzentrationsflächen für Windenergie an der
Gesamtfläche des Planungsraums, bestimmen lässt, wo die Grenze zur
unzulässigen "Negativplanung" verläuft. Maßgeblich sind vielmehr die
tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum, so dass
Größenangaben - isoliert betrachtet - als Kriterium ungeeignet erscheinen. Das
Verhältnis der ausgewiesenen Vorrangfläche zur Gesamtfläche bzw. zu den
zuvor ermittelten Potenzialflächen kann aber als Indiz für eine
Verhinderungsplanung gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 13.12.2013 - 4 CN
1.11, 2.11 -, a. a. O.; VG Hannover, Urt. v. 24.11.2011 - 4 A 4927/09 -, juris).
Danach begegnet das Abwägungsergebnis des Beigeladenen zwar durchaus
Bedenken. Der Anteil des ausgewiesenen Vorranggebiets (12,8 ha) an der
Fläche des Gemeindegebiets der Beigeladenen (6.215 ha) von 0,21 % ist
vergleichsweise klein (zum Verhältnis der ausgewiesenen Vorrangflächen zu
der Gesamtfläche des Plangebiets etwa Urt. d. Sen. v. 9.10.2008 - 12 KN
35/07 -, NdsVBl. 2009, 107; Urt. v. 28.1.2010 - 12 KN 65/07 -, BauR 2010,
1043). Ferner lassen die der Abwägungsentscheidung zugrunde gelegten
Parameter, vor allem die nahezu Verdoppelung des seinerzeit empfohlenen
Abstands zu Siedlungsbereichen von 500 auf 950 m, ein eher restriktives
Vorgehen der Beigeladenen erkennen. Offenkundig fehlerhaft ist das
Abwägungsergebnis aber nicht. Es ist nicht per se schädlich, dass die
Beigeladene überhaupt nur eine Konzentrationszone ausgewiesen hat, auf der
nicht mehr als 3 Windenergieanlagen verwirklicht werden konnten (vgl. zu der
Ausweisung einer einzelnen Konzentrationszone mit einer beabsichtigten
Aufnahmekapazität von 4 Anlagen: BVerwG, Urt. v. 20.5.2010 - 4 C 7.09 -,
a. a. O.). Die ausgewiesene Fläche war auch nicht - wie die Klägerin geltend
macht - nur zur Hälfte oder zu etwas mehr als einem Viertel ausnutzbar, weil
Windkraftanlagen nach den seinerzeit geltenden Abstandsempfehlungen
einen Abstand von 50 bzw. 100 m zu der (klassifizierten) Kreisstraße R.
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einzuhalten hatten. Gesetzlich war (und ist) zu Kreisstraßen in Niedersachsen
lediglich ein Abstand von 20 m einzuhalten (vgl. § 24 NStrG, dazu auch Gatz,
a. a. O., Rn. 381 ff.). In der Sache bot die Fläche trotz der geringen Tiefe und
eines zur Kreisstraße einzuhaltenden Sicherheitsabstands, und darauf kommt
es hier maßgeblich an, Raum für die Errichtung und den Betrieb von insgesamt
drei Windenergieanlagen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die
Beigeladene nicht verpflichtet gewesen wäre, hätte sie im Abwägungsprozess
unter Berücksichtigung des seinerzeit empfohlenen Abstands zu
Siedlungsbereichen zunächst ein deutlich größeres Flächenpotenzial ermittelt,
dieses Potenzial insgesamt auszuschöpfen. Vielmehr kann die planende
Gemeinde nach Abzug der sogenannten „weichen“ Tabuzonen in einem
weiteren Arbeitsschritt die von § 35 Abs.1 Nr. 5 BauGB privilegierten
Nutzungsinteressen aus städtebaulichen Gründen zurückstellen. Die von der
Beigeladenen zur Begründung eines Schutzabstands von 950 m angeführten
Belange der allgemeinen Siedlungsentwicklung und des Immissionsschutzes
stellen im Grundsatz städtebaulich vertretbare Gründe in diesem Sinne dar. Es
drängt sich daher jedenfalls nicht auf, dass die von der Klägerin in Aussicht
genommene Fläche südlich von N. oder andere bisher nicht als Vorranggebiet
für die Windenergie ausgewiesene Flächen im Gemeindegebiet
schlechterdings nicht wegwägbar gewesen wären. In der Sache eignet sich
zudem nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Gemeindegebiets für die
Errichtung von Windenergieanlagen. Wie das Verwaltungsgericht bereits
ausgeführt hat, scheiden große Teile des Gemeindegebiets der Beigeladenen
schon aufgrund der Topographie, der Waldvorkommen und der zahlreichen
Landschaftsschutzgebiete für die Ausweisung eines Vorranggebiets
„unzweifelhaft“ aus. Vor allem entlang der nördlichen und südlichen
Gemeindegrenze erstrecken sich mehrere großflächige
Landschaftsschutzgebiete, die - unstreitig - nicht für eine Nutzung durch
Windkraftanlagen in Betracht kommen (zum Ausschluss von
Landschaftsschutzgebieten von der Konzentrationsflächenplanung OVG
Berlin-Bbg., Urt. v. 24.2.2011 - OVG 2 A 2.09 -, LKV 2011, 422; zur Errichtung
von Windenergieanlagen in ausgewiesenen Landschaftsschutzgebieten auch
Gatz, a. a. O., Rn. 300 ff.). Auf den verbleibenden Flächen befinden sich
zudem eine Reihe von Ortschaften, zu denen die Beigeladene bei der
Flächenausweisung jedenfalls einen rechtlich zwingenden Schutzabstand
einzuhalten hatte. In Anbetracht dessen ist hier jedenfalls nicht offensichtlich,
dass die Beigeladene der Windenergie im Plangebiet insgesamt nicht
substanziell Raum verschafft hat.
Ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F.
darüber hinaus nur dann in Betracht kommt, wenn ein Bauleitplan zunächst
nicht vollzogen wird (so zu einem Bebauungsplan BVerwG, Beschl. v.
2.1.2001 - 4 BN 13/00 -, a. a. O.) und ob eine Konzentrationsflächenplanung
mit Ausschlusswirkung überhaupt in diesem Sinne „vollzogen“ werden kann,
bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.
2. Da der Beklagte die Erteilung eines Vorbescheides nach § 35 Abs. 3 Nr. 3
BauGB zu Recht abgelehnt hat, lässt der Senat ferner dahinstehen, ob die
Klägerin mit ihrem Verpflichtungsantrag auch deshalb nicht vollumfänglich
durchdringen kann, weil die Streitsache - etwa aufgrund fehlender
naturschutzfachlicher Unterlagen - nicht spruchreif ist.
II. War danach der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14. März 2011
rechtmäßig, begegnet der angefochtene Kostenbescheid des Beklagten vom
selben Tag ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Gegen die Höhe des
Kostenansatzes hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Sie sind auch
sonst nicht ersichtlich.