Urteil des OVG Niedersachsen vom 11.06.2013

OVG Lüneburg: nebentätigkeit, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, beamtenverhältnis, widerruf, musiker, schuldfähigkeit, mobbing, persönlichkeitsstörung, verwaltung, beamter

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Entfernung eines Bundesbeamten aus dem
Beamtenverhältnis
1. Zum Disziplinarmaß im Falle der Ausübung einer zunächst genehmigten
Nebentätigkeit als Musiker während Zeiten einer Erkrankung und über den
genehmigten Umfang hinaus sowie nach dem Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung.
2. Versagung des Unterhaltsbeitrags wegen Unwürdigkeit.
OVG Lüneburg 6. Senat, Urteil vom 11.06.2013, 6 LD 1/13
§ 10 Abs 3 S 2 BDG
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Der … geborene Beklagte wurde im August 1986 unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeihauptwachtmeisteranwärter im
Bundesgrenzschutz ernannt. Im September 1989 wurde er zum
Polizeihauptwachtmeister im Bundesgrenzschutz z. A. und im Januar 1991 zum
Polizeihauptwachtmeister im Bundesgrenzschutz ernannt. Im September 1995
erfolgte seine Beförderung zum Polizeiobermeister im Bundesgrenzschutz und
im Jahr 1996 seine Verbeamtung auf Lebenszeit. Nach erfolgtem
Laufbahnwechsel aus gesundheitlichen Gründen wurde der Beklagte im Jahr
2006 zum Regierungssekretär und im Jahr 2007 zum Regierungsobersekretär
(A 7) ernannt.
Nach der Laufbahnausbildung versah der Beklagte seinen Dienst u. a. in
verschiedenen Bundesgrenzschutzabteilungen und Grenzschutzämtern - u. a.
in C. -; außerdem war er im Wege zweier Abordnungen insgesamt über 4 Jahre
lang im Stab des damaligen Grenzschutzpräsidiums Mitte in D. tätig. Nachdem
er im Jahr 2006 zur Unterweisung in die Aufgaben der Laufbahn des mittleren
nichttechnischen Dienstes in der allgemeinen und inneren Verwaltung des
Bundes für ein halbes Jahr an das Bundesverwaltungsamt in E. abgeordnet
worden war, erfolgte nach dem Laufbahnwechsel mit Wirkung zum 1. Juli 2006
seine Versetzung zur Bundespolizeiabteilung in F.; dort wurde ihm der
Dienstposten eines Bürosachbearbeiters im Sachgebiet
„Haushalt/Personalkosten“ übertragen. Innerhalb der Bundespolizeiabteilung F.
war er zuletzt im Bereich „zentrale Dienste“ als Bürosachbearbeiter eingesetzt.
Seit dem 8. August 2011 ist der Beklagte durchgehend dienstunfähig erkrankt.
Die letzte Regelbeurteilung des Beklagten zum Stichtag 1. Oktober 2010
(Beurteilungszeitraum: 1. Oktober 2008 bist 30. September 2010) wies auf der
neun Punkte umfassenden Beurteilungsskale die Gesamtnote 5 („entspricht den
Anforderungen in jeder Hinsicht“) aus.
Der Beklagte, der im Jahr 1992 geheiratet hatte, ist seit September 2000
geschieden. Aus seiner Ehe gingen zwei Töchter - geboren in den Jahren 1994
und 1997 - hervor.
Disziplinarrechtlich ist der Beklagte bis zu den hier in Rede stehenden
Vorwürfen einmal in Erscheinung getreten. Mit Disziplinarverfügung vom 7. Mai
2010 ist gegen ihn wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst (Zeitraum
15. bis 17. Februar 2010) ein Verweis ausgesprochen worden.
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Der Beklagte hatte erstmals auf entsprechenden Antrag hin im Jahr 1987 eine
Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit als Organist bei der „G.“ Tanz-
und Showband für 6 Stunden wöchentlich erhalten. Mit Bescheid vom 13. März
2002 wurde dem Beklagten - befristet bis zum 1. März 2007 - die Ausübung
einer Nebentätigkeit als Musiker für 7 Stunden pro Woche rückwirkend ab dem
22. Mai 2001 erteilt. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 erfolgte sodann die
erneute - bis zum 1. März 2012 befristete - Nebentätigkeitsgenehmigung, welche
u. a. mit den Auflagen versehen war, dass die Tätigkeit wöchentlich 1/5 der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (derzeit 8,2 Stunden) nicht
überschreiten und dass die Nebentätigkeit grundsätzlich nicht während des
Erholungsurlaubs oder einer Erkrankung ausgeübt werden dürfe.
Mit Bescheid vom 29. August 2011 widerrief die Klägerin die
Nebentätigkeitsgenehmigung des Beklagten zum 1. Oktober 2011 mit der
Begründung, der Beklagte habe seine Tätigkeit als Musiker an 4 Terminen im
Jahr 2009 trotz einer in dem entsprechenden Zeitraum bestehenden Erkrankung
ausgeübt. Unter dem 10. Oktober 2011 ordnete die Klägerin die sofortige
Vollziehung des Widerrufsbescheides an, weil der Beklagte trotz einer seit dem
8. August 2011 bestehenden Erkrankung seiner Nebentätigkeit weiterhin
nachgehe. Gegen den Widerrufsbescheid hatte der Beklagte bereits unter dem
26. September 2011 Widerspruch eingelegt; am 21. Oktober 2011 beantragte er
im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Diesen Eilantrag lehnte das
Verwaltungsgericht Göttingen mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 (3 B
243/11) ab; die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten wies das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2012
(5 ME 1/12) zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2012 wies die
Klägerin den Widerspruch des Beklagten gegen den Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung zurück; diesen Bescheid hat der Beklagte mit
Rechtsmitteln nicht angegriffen.
Bereits am 26. April 2011 hatte die Klägerin gegen den Beklagten ein
Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eingeleitet, dass der Beklagte
zumindest an 4 Terminen seine Nebentätigkeit während einer bestehenden
Dienstunfähigkeit ausgeübt habe. Das Disziplinarverfahren wurde sodann mit
Verfügungen vom 19. August 2011 und vom 31. Oktober 2011 um weitere
Vorwürfe im Zusammenhang mit der Nebentätigkeitsausübung erweitert. Mit
Bescheid vom 24. April 2012 hat die Klägerin den Beklagten unter Einbehalt von
25 % seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben; auch dieser
Bescheid ist mangels Rechtsmitteleinlegung bestandskräftig geworden.
Am 7. Juni 2012 hat die Klägerin gegen den Beklagten Disziplinarklage
erhoben. Sie hat ihm - erstens - vorgeworfen, im Zeitraum vom 11. September
2009 bis zum 30. Januar 2011 in insgesamt 20 Fällen trotz attestierter
Dienstunfähigkeit seiner genehmigten Nebentätigkeit als Musiker in der
Öffentlichkeit nachgegangen zu sein; die entsprechenden Auftritte hätten
- im Jahr 2009 am 11. bis 13. September, am 18., 24. und 30. Oktober,
am 8., 14., 27. und 28. November sowie am 19. Dezember,
- im Jahr 2010 am 30. und 31. Januar, am 6. und 15. Februar, am 7. und
20. März sowie am 18. Dezember sowie
- im Jahr 2011 am 29. und 30. Januar
stattgefunden. Zweitens habe der Beklagte in 24 Fällen den zulässigen Umfang
der erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung überschritten, indem er seine
Nebentätigkeit länger als 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (8,2
Stunden) - z. T. auch während Zeiten attestierter Dienstunfähigkeit - ausgeübt
habe; im Einzelnen schlüssele sich der Vorwurf wie folgt auf:
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- im Jahr 2009:
Mo., 9. März und Do., 12. März 10 Std.
Mo., 16. März und Do., 19.März 10 Std.
Fr., 4. Sept. bis So., 6. Sept.
25 Std.
Fr., 11. Sept. bis So., 13. Sept. 15 Std.
Fr., 18. Sept. und Sa., 19. Sept. 16 Std.
Fr., 25. Sept. und Sa., 26. Sept. 16 Std.
Fr., 2. Okt. und Sa., 3. Okt.
16 Std.
Fr., 30. Okt. und Sa., 31. Okt.
11 Std.
- im Jahr 2010:
Sa., 30. Jan. und So., 31. Jan. 12 Std.
Mo., 15. Febr. und Di., 16. Feb. 10 Std.
Do., 13. Mai und Fr., 14. Mai
11 Std.
Fr., 10. Sept. bis So., 12. Sept. 16 Std.
Fr., 17. Sept. und Sa., 18. Sept. 11 Std.
Fr., 1. Okt. und Sa., 2. Okt.
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Fr., 8. Okt. und Sa., 9. Okt.
11 Std.
Fr., 29. Okt. und Sa., 30. Okt.
11 Std.
- im Jahr 2011:
Sa., 29. Jan. und So., 30. Jan. 12 Std.
Sa., 5. März bis Di., 8. März
16,5 Std.
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Sa., 6. Aug. und So., 7. Aug.
10 Std.
Fr., 16. Sept. und Sa., 17. Sept. 11 Std.
Fr., 23. Sept. und Sa., 24. Sept. 11 Std.
Do., 29. Sept. und Fr., 30. Sept. 11 Std.
Fr., 7. Okt. und Sa., 8. Okt.
11 Std.
Fr., 21. Okt. und Sa., 22. Okt.
11 Std..
Und drittens sei der Beklagte auch nach dem - mit Bescheid vom 29. August
2011 erfolgten - Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung beharrlich der
nunmehr nicht mehr genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen, obwohl er
nach wie vor dienstunfähig erkrankt sei. So habe er im Jahr 2012 etwa am 3.
Februar, am 2., 9., 16., 23., 30. und 31. März gespielt. Auch nach Erhebung der
Disziplinarklage sei der Beklagte seiner Tätigkeit als Musiker weiter
nachgegangen, etwa am 29. September, am 2., 6., 7. und 20. Oktober sowie am
4. und 23. November 2012; am 14. Dezember 2012 sei ein weiterer Auftritt
geplant. Der dem Beklagten vorgeworfene Sachverhalt sei von diesem nicht
bestritten worden; davon abgesehen liege es in der Natur der Sache, dass es für
öffentliche Auftritte Zeugen gebe. Es sei somit als erwiesen anzusehen, dass
der Beklagte schuldhaft seine Dienstpflichten - seine Pflicht zu achtungs- und
vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes aus § 61
Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), die Folgepflicht aus § 62
Abs. 1 Satz 2 BBG und die aus § 99 Abs. 1 BBG resultierende Pflicht, eine
Nebentätigkeit nicht ohne Genehmigung durchzuführen - verletzt habe und
weiterhin verletze. Das vorliegende Dienstvergehen wiege so schwer, dass nur
auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, seine dauernde Dienstunfähigkeit sei von der
Klägerin zu vertreten, weil er sich im Rahmen seiner Dienstausübung eines
systematischen Mobbings durch seine Dienstvorgesetzten ausgesetzt gesehen
habe. Die Klägerin habe es zudem dienstrechtswidrig unterlassen, ihn wegen
bestehender dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.
Außerdem stelle die Ausübung seiner musikalischen Nebentätigkeit für ihn eine
therapeutische Maßnahme zur positiven Gestaltung des Heilungsverlaufs seiner
Erkrankung dar. Aus diesen Gründen habe die Klägerin keinen Anspruch
darauf, dass er seine Nebentätigkeit - ungeachtet des Umstandes der
bestehenden Dienstunfähigkeit - einstelle.
Mit Urteil vom 12. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten
eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihn deshalb aus dem
Beamtenverhältnis entfernt. In der Begründung heißt es, die Kammer sei
aufgrund der in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen enthaltenen
Beweismittel sowie der Einlassung des Beklagten überzeugt, dass diesem das
in der Disziplinarklageschrift bezeichnete Verhalten zur Last zu legen sei. Der
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Beklagte sei in voller Kenntnis, dass sein Verhalten dem Nebentätigkeitsrecht
nicht entspreche, tätig gewesen. Er habe somit vorsätzlich gehandelt und
schuldhaft seine Dienstpflichten aus §§ 61 Abs. 1 und 62 Abs. 1 Satz 2 BBG
verletzt.
Sein Dienstvergehen sei als besonders schwerwiegend einzustufen. Der
Beklagte habe aus Frustration über seinen beruflichen Werdegang bei der
Polizei seine Arbeitskraft zunehmend darauf verwandt, sich unter Missachtung
seiner Dienstpflichten außerhalb des Dienstes eine anderweitige Existenz
aufzubauen. Er sei seiner Nebentätigkeit sogar während Erkrankungszeiten und
während des gesamten Widerrufsverfahrens nachgegangen. Selbst der
negative Ausgang des Eilverfahrens durch Beschluss des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2012 (5 ME 1/12), das auf alle vom
Beklagten vorgebrachten Argumente eingegangen sei, habe ihn nicht zur
Einsicht gebracht. Gegen den Widerspruchsbescheid habe er keinen
Rechtsbehelf eingelegt, sich aber den Folgen des bestandskräftig gewordenen
Bescheides nicht gestellt. Vielmehr habe er das Recht in die eigene Hand
genommen und auf Veranstaltungen weiter Musik gemacht, obwohl er von
Bediensteten der Klägerin dort persönlich auf seinen Verstoß gegen die
Nebentätigkeitsauflagen hingewiesen worden sei. Nach alledem habe der
Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig
verloren.
Schuldausschließungsgründe, Anhaltspunkte für eine verminderte
Schuldfähigkeit oder Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Soweit sich der
Beklagte mit seinen Mobbingvorwürfen bei seinem unmittelbaren
Dienstvorgesetzten missverstanden gefühlt habe, rechtfertige dies nicht den
permanenten vorsätzlichen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten. Der
Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass er ohne das
fürsorgewidrige Verhalten der Klägerin nicht erneut erkrankt wäre, denn die
Ursache für seine Dienstunfähigkeit spiele für die Verletzung der Dienstpflichten
keine Rolle. Dass sein Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit noch nicht beschieden worden sei, führe ebenfalls nicht zu
einem Milderungsgrund, weil sich der Beklagte bis zum Abschluss dieses
Verfahrens im aktiven Dienst befinde und sich an die beamtenrechtlichen
Nebentätigkeitsvorschriften halten müsse. Schließlich dringe er auch mit seiner
Argumentation nicht durch, in einer Art Zwangslage gewesen zu sein und seine
Nebentätigkeit des Musizierens als therapeutische Maßnahme zur
Gesunderhaltung habe durchführen müssen; insoweit werde auf die
Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem
Beschluss vom 2. Februar 2012 (5 ME 1/12) Bezug genommen.
Mit seiner am 21. Januar 2013 - einem Montag - eingelegten Berufung
wiederholt und vertieft der Beklagte seine bereits erstinstanzlich vorgetragene
Argumentation. Weil die Klägerin durch Mobbing-Attacken seine
Dienstunfähigkeit verursacht habe, könne sie ihm sein Verhalten nicht
vorwerfen, zumal das Musizieren für ihn - neben dem Umstand, dass es auch
der materiellen Sicherung diene - eine therapeutische Maßnahme darstelle und
er zudem bisweilen auch auf Feierlichkeiten des Dienstherrn musiziert habe.
Außerdem hätte bereits im Jahr 2009 Veranlassung bestanden, ihn wegen
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Wäre dies erfolgt, so wäre es
auch zu den weiteren Dienstpflichtverstößen nicht gekommen. Nunmehr liege
das von der Klägerin im Zurruhesetzungsverfahren eingeholte
fachpsychiatrische Gutachten des H. vom 4. Mai/19. Dezember 2012 zur Frage
der Dienstfähigkeit vor. Durch das Gutachten werde eindeutig belegt, dass seine
Dienstunfähigkeit bereits vor den fraglichen Dienstverfehlungen vorgelegen
habe. Außerdem ergebe sich daraus, dass Auslöser für seine Erkrankung
gerade die vom Dienstherrn zu vertretenden Missstände auf der Dienststelle
gewesen seien.
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die
Disziplinarklage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, welche
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der in § 64 Abs. 1
Satz 2 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) festgeschriebenen Frist von einem
Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt und begründet
worden. Dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist das Urteil am 19.
Dezember 2012 zugestellt worden, so dass die Monatsfrist des § 64 Abs. 1 Satz
2 BDG gemäß § 3 Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sowie § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) am 20. Dezember 2012 zu laufen begann und an sich
gemäß § 3 Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 VwVfG, § 188 Abs. 2 BGB
mit Ablauf des 19. Januar 2013 geendet hätte. Da dieser Tag jedoch auf einen
Samstag fiel, endete die Frist gemäß § 3 BDG in Verbindung mit § 31 Abs. 3
VwVfG mit Ablauf des nächsten Werktages, also des 21. Januar 2013 (Montag).
Dementsprechend ist der an diesem Tag per Telefax übersandte Berufungs-
und Berufungsbegründungsschriftsatz des Beklagten rechtzeitig eingegangen.
II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht
hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte ein Dienstvergehen begangen
hat (dazu unter 1.), welches die Zuerkennung der disziplinarrechtlichen
Höchstmaßnahme - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - erfordert (dazu
unter 2.).
1. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen, also schuldhaft die ihm
obliegenden Dienstpflichten verletzt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG).
a) Der Senat legt seiner berufungsgerichtlichen Überprüfung den vom
Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Disziplinarklageschrift
festgestellten Sachverhalt (Urteilsabdruck - UA -, S. 7) zugrunde.
Danach hat der Beklagte im Zeitraum vom 11. September 2009 bis zum 30.
Januar 2011 in 20 Fällen seine genehmigte Tätigkeit als Musiker in der
Öffentlichkeit ausgeübt, obwohl er in diesem Zeitraum dienstunfähig erkrankt
und seine Nebentätigkeitsgenehmigung vom 30. Januar 2007 mit der Auflage
versehen worden war, dass die Nebentätigkeit nicht während einer Erkrankung
ausgeübt werden dürfe. Dass der Beklagte an den in der Disziplinarklageschrift
im einzelnen benannten 20 Terminen öffentlich aufgetreten ist, ergibt sich aus
der entsprechenden Terminaufstellung der Frau I. vom 15. Juli 2011 (Bl. 21-
24/Beiakte - BA - B), deren Künstler- und Veranstaltungsagentur den Beklagten
seinerzeit vertreten hatte. Ausweislich entsprechender Krankmeldungen bzw.
ärztlicher Atteste war der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum auch
dienstunfähig erkrankt (vgl. Bl. 94-121/BA A, Unterordner - UO - E). Zudem hat
der Beklagte im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens ausdrücklich
eingeräumt, an allen von der Klägerin bezeichneten Terminen seiner
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Nebentätigkeit nachgegangen zu sein (Bl. 85/BA B), und auch im
erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte diesen Sachverhalt nicht in Abrede
gestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der
Beklagte ebenfalls bestätigt, an den bezeichneten Terminen öffentlich
aufgetreten zu sein.
Darüber hinaus hat der Beklagte im Zeitraum vom 9. März 2009 bis zum 22.
Oktober 2011 in 24 Fällen gegen den Umfang der erteilten
Nebentätigkeitsgenehmigung verstoßen, indem er mehr als 1/5 der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit - d. h. in seinem Fall mehr als 8,2
Stunden pro Woche - für seine Nebentätigkeit aufwandte; dabei war er zudem
jedenfalls in 5 Fällen dienstunfähig erkrankt. Auch dieser Sachverhalt ergibt sich
eindeutig aus den in den Beiakten befindlichen ärztlichen Bescheinigungen (Bl.
132ff./BA A, UO E), der Aufstellung der Frau I. vom 15. Juli 2011 (Bl. 21-26/BA
B), die auch den zeitlichen Umfang der öffentlichen Auftritte des Beklagten
angegeben hat, sowie ergänzend aus den schriftlichen Auskünften der J.
Touristik GmbH & Co. KG vom 7. September 2011 (Bl. 78/BA B) und des K.
Hotel L. vom 9. September 2011 (Bl. 80/BA B). Der Beklagte hat diesen
Sachverhalt mit seinen Einlassungen vom 14. Oktober 2011 (Bl. 85/BA B) und
vom 1. Dezember 2011 (Bl. 109/BA B) größtenteils eingeräumt; in der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat er dann erklärt, der
gesamte Vorwurf treffe so zu.
Und schließlich ist der Beklagte auch nach dem mit Verfügung vom 29. August
2011 erfolgten Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung bis zur Erhebung der
Disziplinarklage am 7. Juni 2012 weiterhin öffentlich aufgetreten. So fand
beispielsweise am 21. und 22. Oktober 2011 ein Auftritt statt (vgl. die Aufstellung
der Frau I., Bl. 26/BA B), obwohl die Klägerin bereits unter dem 10. Oktober 2011
die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides angeordnet hatte. Auch vor
Abschluss des - den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung betreffenden -
verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens (3 B 243/11, Beschluss vom 15.
Dezember 2011) fanden öffentliche Auftritte des Beklagten statt, etwa am 29.
Oktober 2011 (vgl. den Feststellungsbericht vom 29. Oktober 2011 [Bl. 100f./BA
B] sowie die Einlassung des Beklagten vom 1. Dezember 2011 [Bl. 109/BA B])
sowie am 25. November 2011 (vgl. die Zeugenvernehmung des
Polizeivollzugsbeamten M., Bl. 111f./BA B). Ferner ist der Beklagte am 3.
Februar 2012 öffentlich aufgetreten (vgl. Sachstandsbericht vom 6. Februar
2012, Bl. 19f./BA C) und damit zu einem Zeitpunkt, als das Niedersächsische
Oberverwaltungsgericht die Beschwerde des Beklagten gegen den
verwaltungsgerichtlichen Eilbeschluss bereits unanfechtbar zurückgewiesen
hatte; der Beschluss des Senats vom 2. Februar 2012 (5 ME 1/12) war dem
Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 3. Februar 2012 um 10.01 Uhr
vorab per Fax übersandt worden (Bl. 107/BA F). Weitere öffentliche Auftritte des
Beklagten nach Zugang der Beschwerdeentscheidung des Senats folgten etwa
am 2., 9., 16., 23. und 30. März 2012 (Ermittlungsbericht, Bl. 78f./BA B). Mit
seinen weiteren Auftritten etwa am 29. April 2012 sowie am 3. Mai 2012 (vgl. BA
E) hat der Beklagte zudem zu einem Zeitpunkt öffentlich musiziert, als der
Widerruf seiner Nebentätigkeitsgenehmigung bereits bestandskräftig war
(Bestandskraft war am 23. April 2012 eingetreten, vgl. Bl. 106/BA D). Auch diese
Vorwürfe hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem
erkennenden Senat eingeräumt.
b) Der Beklagte hat durch die Ausübung der (genehmigten) Nebentätigkeit
während Zeiten der Erkrankung sowie über den genehmigten Umfang hinaus
gegen Auflagen des Nebentätigkeitsrechts (vgl. § 99 Abs. 4 Satz 2 BBG/ § 65
Abs. 2 BBG a. F.) verstoßen und damit seine Pflicht, sich an die geltenden
beamtenrechtlichen Bestimmungen zu halten, verletzt, ebenso seine Pflicht, sich
mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 61 Abs. 1 Satz 1
BBG/ § 54 Satz 1 BBG a. F.). Die Ausübung der Nebentätigkeit während Zeiten
der Erkrankung stellt zugleich eine Verletzung der in § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (§
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54 Satz 3 BBG a. F.) normierten Pflicht dar, sich achtungs- und
vertrauenswürdig zu verhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.6.1999 - BVerwG 1 D
49.97 -, juris Rn. 51).
Durch die Ausübung der Nebentätigkeit, nachdem die Klägerin den
Widerrufsbescheid vom 29. August 2011 unter dem 10. Oktober 2011 mit
Sofortvollzugsanordnung versehen hatte, sowie während und nach Abschluss
des verwaltungs- und oberverwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens, jedenfalls
aber durch Ausübung der Nebentätigkeit nach bestandskräftigem Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung hat der Beklagte seine Nebentätigkeit ohne
entsprechende Genehmigung ausgeübt und damit gegen § 99 Abs. 1 Satz 1
BBG (§ 65 Abs. 1 Satz 1 BBG a. F.) verstoßen; hinzu kommt auch insoweit ein
Verstoß gegen § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (§ 54 Satz 3 BBG a. F.) wegen des
Ausübens der Nebentätigkeit trotz bestehender Dienstunfähigkeit.
c) Der Beklagte hat hinsichtlich aller Anschuldigungspunkte vorsätzlich
gehandelt. Ihm war bekannt, dass seine Nebentätigkeitsgenehmigung vom 30.
Januar 2007 mit entsprechenden Auflagen versehen war; ebenso war ihm die
Genehmigungsbedürftigkeit seiner entgeltlichen Tätigkeit als Musiker bekannt.
Nach alledem hat der Beklagte vorsätzlich ein innerdienstliches Dienstvergehen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 58; Urteil vom
1.6.1999 - BVerwG 1 D 49.97 -, juris Rn. 52; BVerwG, Urteil vom 6.6.2007 -
BVerwG 1 D 8.06 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 20.11.2008 - BVerwG 2 B 30.08
-, juris Rn. 4) begangen.
2. Das durch mehrere einzelne Pflichtverletzungen gekennzeichnete einheitliche
Dienstvergehen des Beklagten wiegt so schwer, dass das Verwaltungsgericht
zur Recht auf die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (vgl. §
10 BDG) erkannt hat.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der
Schwere des Dienstvergehens (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG) unter angemessener
Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3
BDG) und des Umfangs, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn
oder der Allgemeinheit beschädigt hat (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG). Eine objektive
und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese drei
Bemessungskriterien - Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild,
Vertrauensbeeinträchtigung - mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden
Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis
beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die
gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter
Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem
gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden
des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -,
juris Rn. 22).
Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend
auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend
sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der
Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie
besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines
wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere
Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten)
sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich
und für Dritte, z. B. materieller Schaden (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a.
O., Rn. 24; Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 -, juris Rn. 55; Urteil vom
3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 13; Urteil vom 7.2.2008 - BVerwG 1 D
4.07 -, juris Rn. 14).
Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§
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13 Abs. 1 Satz 3 BDG) bedeutet, dass es für die Bestimmung der
Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige
dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen
ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten
Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes
Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon
abweicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a. a. O., Rn. 25; Urteil vom 3.5.2007,
a. a. O., Rn. 14). Ein Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch die tätige Reue
dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die
Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung
zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 14).
Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des
Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG)
betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und
der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten
als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der
Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen
allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten
Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte
Funktion (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 15). Ob und ggf. inwieweit
eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach
objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist die Frage zu stellen,
inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der
Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen
kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß
nachkommen wird. Ebenso ist zu fragen, in welchem Umfang die Allgemeinheit
dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung
entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und
entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 25.10.2010, a. a.
O., Rn. 26).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die vom Verwaltungsgericht
ausgesprochene Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nicht
zu beanstanden. Das schuldhaft begangene Dienstvergehen wiegt unter
Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten so schwer, dass
dieser das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine zukünftige
pflichtgemäße Amtsausübung endgültig verloren hat.
a) Der Beklagte hat ein Dienstvergehen von erheblichem Gewicht begangen.
aa) Bei der innerdienstlichen Verletzung des Verbots der Ausübung
ungenehmigter (bzw. nicht genehmigungsfähiger) Nebentätigkeiten handelt es
sich zwar nicht um die Verletzung einer Kernpflicht (vgl. BVerwG, Urteil vom
6.6.2007 - BVerwG 1 D 8.06 -, juris Rn. 23); gleichwohl lassen aber die
objektiven Umstände der Tatbegehung das Dienstvergehen des Beklagten als
sehr gravierend erscheinen.
(1) Insoweit sind zunächst die Dauer der musikalischen Betätigung und deren
Umfang zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen. Der Beklagte hat vom 11.
September 2009 bis zur Erhebung der Disziplinarklage im Juni 2012 - und damit
über einen Zeitraum von fast 3 Jahren hinweg - gegen die für ihn maßgeblichen
Nebentätigkeitsbestimmungen verstoßen. Darüber hinaus hat er die
Nebentätigkeit mit großer Häufigkeit ausgeübt. Zu dem im zweiten
Anschuldigungspunkt bezeichneten Vorwurf der Überschreitung des Umfangs
seiner Nebentätigkeitsgenehmigung konnte es nur kommen, weil der Beklagte
regelmäßig mehrmals wöchentlich, und dies nicht nur an den Wochenenden,
öffentlich aufgetreten ist. Dabei wurde der genehmigte Tätigkeitsumfang von 8,2
Stunden pro Woche in insgesamt 7 Fällen mit 15, 16, 16,5 bzw. 25 Stunden)
ganz erheblich überschritten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Beklagte
gewerbsmäßig - d. h. mit Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht -
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gehandelt hat. Er ist nach außen als „Bandleader“ aufgetreten (vgl.
Feststellungsberichte vom 7. Oktober 2011, Bl. 98f./BA B sowie vom 29. Oktober
2011, Bl. 100f./BA B), und auch auf der Internetplattform „N.“, bei der die „O.“ seit
dem 26. August 2010 angemeldet ist und auf der sie sich - mittels eines Fotos
und unter Benennung ihres Repertoires - präsentiert, ist der Beklagte mit seinen
Kontaktdaten als Ansprechpartner angegeben (vgl. www. P.). Wenn es dort
heißt:
„Die G. Showband ist eine bundesweit gefragte Tanz-, Show- und Gala
Band. Sie verfügt über ein Duo sowie ein Trio im Partybereich mit aktuellen
Hits der Charts, Oldies, Rock, Pop und allen Stimmungskrachern (…). Zu
dieser Besetzung gehört eine stimmgewaltige Sängerin, so dass Superhits
wie 'Let´s get loud', 'I will survive', 'Let´s have a party' oder' Simply the best'
zusätzlich den Stimmungspegel in die Höhe treiben werden.
Ein Auszug aus unseren Referenzen: Auftritte in den Hotels von Q., R., S.
und T., (…),U. Tanztreffs, Landesgartenschau, (…), bundesweite
Stadtfeste, Partyband bei den Veranstaltungen von J. -Touristik, (…),
Ärzte- und Pressebälle u. v. m., Mitwirkung bei der TV-Produktion
'Schlager des Jahres 2009' in V., mit dabei: W. X., Y., Z., die AA., AB., AC.,
AD., AE.“,
so wird damit - dem Beklagten zurechenbar - um öffentliche Auftritte geworben.
Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte darum bemüht war und ist, sich
außerdienstlich ein zweites berufliches Standbein aufzubauen.
(2) In objektiver Hinsicht ebenfalls erschwerend wirkt, dass die Nebentätigkeit
größtenteils während Zeiten ausgeübt worden ist, in denen der Beklagte
dienstunfähig erkrankt war. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zeigt ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung
außerstande ist, Dienst zu verrichten, in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit aber
einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, ein Verhalten, das auf kein Verständnis
stößt und geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu
beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 1.6.1999, a. a. O., Rn. 58; vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 -, juris Rn. 59; vgl. auch OVG
Rh.-Pf., Beschluss vom 20.11.1998 - 10 A 10013/98 -, juris Rn. 2; OVG NRW,
Beschluss vom 11.10.2010 - 6 B 1057/10 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss
vom 1.2.2012 - 5 ME 1/12 -). Gerade durch die Alimentierung auch während der
Dienstunfähigkeit wird sichergestellt, dass sich ein Beamter schonen kann, um
seine Genesung bestmöglich zu fördern, und nicht gezwungen ist, eine
anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern
(vgl. BVerwG, Urteil vom 1.6.1999, a. a. O., Rn. 58; vgl. auch Urteil vom
12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 38 und vom 14.11.2001 - BVerwG 1 D
60.00 -, juris Rn. 27). Wer in Zeiten der Dienstunfähigkeit ohne zwingende
Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt
den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist,
dass er also seine Dienstbezüge erhält, ohne zugleich seine wiederhergestellte
Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen (BVerwG, Urteil vom
1.6.1999, a. a. O., Rn. 58; vgl. auch OVG Rh.-Pf., a. a. O., Rn. 2).
(3) Die Betätigung als Musiker über den Umfang von 1/5 der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit hinaus sowie während Zeiten der Erkrankung war
auch materiell rechtswidrig. Die Ausübung einer Nebentätigkeit, welche 1/5 der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet, stellt unter dem
Gesichtspunkt der Annahme eines Zweitberufs regelmäßig einen
Versagungsgrund für die Genehmigungserteilung dar (§ 99 Abs. 3 Satz 1 in
Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 BBG bzw. § 65 Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit
Abs. 2 Satz 3 BBG a. F.). Hinsichtlich der Ausübung einer Nebentätigkeit
während Zeiten der Erkrankung gilt, dass diese aus den o. g. Gründen dem
Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann, so dass der
Versagungsgrund des § 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BBG (§ 65 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6
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BBG a. F.) eingreift (vgl. auch die Ausführungen des Senats in seinem
Beschluss vom 2. Februar 2012 - 5 ME 1/12 -, BA, S. 7ff.). Insofern stellen die
Auflagen in der Nebentätigkeitsgenehmigung des Beklagten vom 30. Januar
2007 nur das sicher, was ohnehin von Gesetzes wegen galt und gilt.
bb) Auch in subjektiver Hinsicht wiegt das Dienstvergehen schwer.
(1) Insoweit ist zunächst zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass
dieser mit direktem Vorsatz gehandelt hat. Ihm war bewusst, dass er mit seiner
musikalischen Tätigkeit gegen die Auflagen seiner Nebentätigkeitsgenehmigung
verstieß, und ihm war bekannt, dass er nach Bestandskraft des
Widerrufsbescheides seiner gewerblichen Nebentätigkeit ohne die erforderliche
Genehmigung nachgegangen ist.
(2) Der Senat erblickt zudem in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht
(UA, S. 10) einen weiteren belastenden Umstand darin, dass der Beklagte sein
Verhalten auch nach Abschluss des - den Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung betreffenden - gerichtlichen Verfahrens des
vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Frage gestellt hat. Obwohl er mit seiner
Rechtsauffassung in zwei Instanzen nicht durchgedrungen ist, hat er sich unter
bewusster Missachtung der verwaltungs- und oberverwaltungsgerichtlichen
Eilentscheidungen nicht an den sofort vollziehbaren Widerruf der Nebentätigkeit
gehalten, sondern ist seiner musikalischen Betätigung auch weiterhin
nachgegangen. Es blieb dem Beklagten zwar unbenommen, an seiner
abweichenden Rechtsauffassung festzuhalten; der gebotene Weg hierzu wäre
jedoch das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren gewesen. Ein solches
hat der Beklagte aber gerade nicht angestrengt, sondern - nach Erhalt des
Widerspruchsbescheides der Klägerin vom 21. März 2012 - den Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung bestandskräftig werden lassen, und seine
Nebentätigkeit als ungenehmigte Nebentätigkeit fortgesetzt. Ein
Verwaltungsbeamter, der rechtskräftige gerichtliche und bestandskräftige
behördliche Entscheidungen in einer beamtenrechtlichen Frage derart beharrlich
ignoriert, zeigt eine Uneinsichtigkeit, die seine Dienstpflichtverletzung als
besonders gravierend erscheinen lässt. Als weiterer Erschwernisgrund tritt
hinzu, das sich der Beklagte weder durch die Einleitung des
Disziplinarverfahrens (vgl. Einleitungsverfügung vom 26. April 2011, Bl. 5/BA A)
und dessen Ausdehnung (vgl. Ausdehnungsverfügung vom 19. August 2011
[Bl. 70f./BA A] sowie vom 31. Oktober 2011 [Bl. 102ff./BA A]) noch von der
vorläufigen Dienstenthebung unter Einbehalt von 25 % seiner Dienstbezüge
(vgl. Verfügung vom 24. April 2012, Bl. 85/BA C) von der Ausübung seiner
Nebentätigkeit hat abhalten lassen. Mit seinem Verhalten hat der Beklagte
deutlich gemacht, kein Interesse mehr an seinem Amt zu haben. Er hat seine
Arbeitskraft vielmehr darauf verwandt, sich unter Hintansetzung seiner
Dienstpflichten eine andere Existenz aufzubauen. Im Übrigen hat der Beklagte
in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zum Ausdruck
gebracht, seiner musikalischen Betätigung auch derzeit weiterhin nachzugehen.
(3) Zu den Beweggründen seines Verhaltens hat der Beklagte stets dreierlei
vorgetragen, nämlich - erstens -, dass ihm die Ausübung seiner Nebentätigkeit
trotz bestehender Dienstunfähigkeit von der Klägerin nicht vorgehalten werden
dürfe, weil sie selbst es sei, die durch Mobbing-Attacken seine dauernde
Dienstunfähigkeit verursacht habe, und weil - zweitens - das Musizieren für ihn
eine therapeutische Maßnahme darstelle; schließlich sei - drittens - zu seinen
Gunsten zu berücksichtigen, dass er bereits im Jahr 2009 wegen dauernder
Dienstunfähigkeit hätte in den Ruhestand versetzt werden müssen. Mit diesem
Vorbringen hat sich schon das Verwaltungsgericht umfassend
auseinandergesetzt (UA, S. 11f.). Ebenso wie dieses ist auch der Senat der
Auffassung, dass sich hieraus den Beklagten entlastende Gesichtspunkte nicht
ergeben.
(a) Was die Argumentation des Beklagten betrifft, die Klägerin habe durch
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Mobbing-Attacken seine dauernde Dienstunfähigkeit herbeigeführt und könne
daher aus der Ausübung seiner Nebentätigkeit während Zeiten der Erkrankung
keinen disziplinarischen Vorwurf ableiten, so greift diese aus mehreren Gründen
nicht durch.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Klägerin mit den Mobbingvorwürfen des
Beklagten sehr wohl auseinandergesetzt hat, jedoch nach der Durchführung
von entsprechenden Verwaltungsermittlungen zu dem Ergebnis gelangt ist,
dass der Beklagte nicht gemobbt worden sei (vgl. das Ergebnisprotokoll des
Personalgesprächs mit dem Beklagten am 30. September 2010, Bl. 152/BA A,
UO A); der Beklagte selbst hat in dem Personalgespräch vom 30. September
2010 angegeben, aktuell nicht gemobbt zu werden (Bl. 153/BA A, UO E). Wenn
der Beklagte mit diesen Ermittlungsergebnissen nicht einverstanden gewesen
ist, hätte er auf dem Dienstwege bzw. notfalls gerichtlich weitere Schritte zur
Klärung der von ihm als belastend empfundenen Situation ergreifen müssen.
Das Gleiche gilt hinsichtlich des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vor dem erkennenden Senat hervorgehobenen Vorwurfs, die Klägerin habe ihm
in der Dienststelle in F. jegliche Tätigkeitsmöglichkeit genommen, ihn noch nicht
einmal ein Büro zur Verfügung gestellt und ihm die Erfüllung unterwertiger
Aufgaben (Shreddern von Akten) angetragen. Ein Beamter hat einen in Art. 33
Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) verankerten Anspruch darauf, dass ihm ein
Aufgabenbereich übertragen wird, dessen Wertigkeit seinem Amt im
statusrechtlichen Sinne entspricht (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 30.6.2011 -
BVerwG 2 C 19.10 -, juris Rn. 27). Diesen Anspruch hätte der Beklagte seinem
Dienstherrn gegenüber geltend machen und notfalls einklagen müssen. Dass er
all dies nicht getan hat, sich aber nach wie vor auf „Mobbing-Attacken“ der
Klägerin beruft, zeigt seine fehlende Bereitschaft, die eigene Position kritisch zu
hinterfragen und die Interessen des Dienstherrn in den Blick zu nehmen.
Hinzu kommt, dass sich die Behauptung des Beklagten - die Klägerin habe
durch „Mobbing-Attacken“ seine dauerhafte Dienstunfähigkeit herbeigeführt;
Auslöser für die Erkrankung des Beklagten seien gerade vom Dienstherrn zu
vertretende Missstände auf der Dienststelle gewesen - dem vom Beklagten im
Berufungsverfahren vorgelegten fachpsychiatrischen Gutachten gerade nicht
entnehmen lässt. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
H. hat hierin festgestellt, dass der Beklagte an einer somatoformen Störung (ICD
10 F45.0), einer abhängigen Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F60.7), einer
histrionischen Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F60.4) sowie einer Angst- und
depressiven Störung gemischt (ICD 10 F41.2) leide (Bl. 14/Gutachtens), und
dass die Somatisierungsstörung, die histrionische Persönlichkeits- und die
abhängige Persönlichkeitsstörung bleibenden Charakter und deshalb seine
dauerhafte Dienstunfähigkeit zur Folge hätten (Gutachten, S. 23f.). Der
Gutachter hat indes an keiner Stelle seines Gutachtens dargelegt, dass die vom
Beklagten als „Mobbing-Attacken“ beschriebenen Sachverhalte allein seine
Erkrankung ausgelöst hätten. Im Gutachten wird vielmehr ausführlich erläutert,
dass eine Reihe von inneren und äußeren Faktoren zur Entstehung des
Krankheitsbildes beigetragen habe. Als entscheidend für die ausgeprägte
psychische und körperliche Symptomatik im Sinne der Somatisierungsstörung
sei gewiss die berufliche Situation der Versetzung nach AF. und dem täglichen
Hin- und Herfahren und damit auch dem Ende seiner Ehe zu werten (Gutachten,
S. 17), hinzu seien die Stresssituationen mit seinem Arbeitgeber (Gutachten, S.
16) sowie eine individuelle Disposition und Vulnerabilität des Beklagten
(Gutachten, S. 17) gekommen; die histrionische Persönlichkeitsstörung habe
sich erstmals in den 90er Jahren manifestiert (Gutachten, S. 17) und sei auch
durch die Konflikte am Arbeitsplatz aktualisiert worden (Gutachten, S. 19);
massive aggressive Impulse gegenüber Vater wie Mutter in der Kindheit seien
stark gehemmt, eine auslösende Situation (Überforderung durch tägliches
Fahren von AG. nach AF. und zurück) habe den Konflikt reaktiviert (Gutachten,
S. 22).
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen (UA, S.
11f.), dass es auf die Ursachen für die (dauernde) Dienstunfähigkeit des
Beklagten nicht ankomme, weil er sich - solange er sich im aktiven
Beamtenverhältnis befinde - an die für dieses geltenden
Nebentätigkeitsbestimmungen halten müsse.
(b) Der Senat tritt ferner auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei, der
Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, in einer Art Zwangslage
(gewesen) zu sein und seine Nebentätigkeit des Musizierens als therapeutische
Maßnahme zur Gesunderhaltung durchführen zu müssen (UA, S. 11). Bereits
dem in diesem Zusammenhang vom Beklagten in Bezug genommenen Attest
des Medizinaldirektors Dr. AH. vom 28. Dezember 2001 (B. 89/BA B) lässt sich
eine solche Aussage nicht entnehmen. Denn wenn es dort heißt,
„Es besteht aus ärztlicher Sicht kein Zusammenhang zwischen den
musikalischen Freizeitaktivitäten und der Auslösung der Herzsynkopen.
Diese Einschätzung teilen alle 4 Kardiologen, die Herrn AI. im Rahmen der
Diagnostik und Behandlung seines Herzleidens betreut haben. Es sind im
Gegenteil eher positive Effekte von der Ausübung eines kreativen, Herz-
Kreislauf anregenden Hobbys wie Musikantentätigkeit zu erwarten“,
so ist damit gerade nicht von einer zwingenden therapeutischen Maßnahme die
Rede. Außerdem geht Dr. AH. offenkundig von der Ausübung der musikalischen
Nebentätigkeit im Umfang eines Hobbys aus, was hier aber aufgrund des
erheblichen Umfanges gerade nicht mehr der Fall ist (s. o.).
Auch das vom Beklagten vorgelegte fachpsychiatrische Gutachten des H. führt
zwar - im Rahmen der Benennung einiger Beispiele zur Illustration dessen, dass
beim Beklagten eine erhöhte Verwundbarkeit vorgelegen habe, auf die er mit
Krankheitssymptomen und Autonomieverlust und daraus folgend mit einer
abhängigen Beziehungsgestaltung reagiert habe (Gutachten, S. 20) - aus, dass
der Beklagte die so sehnlichst gewünschte Unterstützung nur innerhalb seiner
Musikgruppe erleben könne und dass ihn nur die Musik einigermaßen habe
stabilisieren können, weil er dort etwas gefunden habe, was er die ganze Zeit
vermisst habe (Gutachten, S. 19). Davon, dass das Musizieren für den
Beklagten eine zwingende therapeutische Maßnahme darstelle, ist jedoch auch
dort keine Rede.
Im Übrigen gilt, dass - soweit die Betätigung als Musiker in einer Band für den
Beklagten gesundheitsfördernde Wirkung hat - jedenfalls nicht ersichtlich ist,
warum es nicht ausreichen sollte, wenn diese Betätigung im privaten Kreis und
außerhalb öffentlicher Auftritte erfolgt. An dieser Auffassung, die der Senat
bereits in seinem Beschluss vom 2. Februar 2012 (5 ME 1/12) vertreten hat, hält
er auch weiterhin fest (ebenso etwa OVG NRW, Beschluss vom 11.10.2010 - 6
B 1057/10 -, juris Rn. 16.)
(c) Auch die weitere Argumentation des Beklagten - aus dem
fachpsychiatrischen Gutachten ergebe sich, dass für die Klägerin bereits seit
dem Jahr 2009 Veranlassung bestanden hätte, ihn in den Ruhestand zu
versetzen; wäre dies geschehen, dann hätten die streitgegenständlichen
Dienstpflichtverletzungen nicht stattgefunden - vermag einen ihn entlastenden
Umstand nicht zu begründen.
Richtig ist zwar, dass die Nebentätigkeitsvorschrift des § 99 BBG nur aktive
Beamte betrifft, während Ruhestandsbeamte lediglich den - weitaus weniger
strikten - Bestimmungen des § 105 BBG unterworfen sind. Es trifft jedoch bereits
nicht zu, dass das fachpsychiatrische Gutachten vom 4. Mai/19. Dezember
2012 die dauernde Dienstunfähigkeit des Beklagten aufgrund seiner
psychischen Erkrankung bereits im Jahr 2009 als gegeben angesehen hat. Der
Gutachter ist vielmehr davon ausgegangen, dass aufgrund der beschriebenen
psychodynamischen Entwicklung und der dadurch verursachten Hemmnisse in
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der Leistungs- und Anpassungsfähigkeit des Beklagten schon eine dauerhafte
Dienstunfähigkeit „zum Zeitpunkt der Begutachtung vor einem Jahr“
angenommen werden könne (Gutachten, S. 23). Da die erste Exploration am 29.
Juli 2011 stattgefunden hatte und damit im Zeitpunkt der (ersten)
Gutachtenabfassung (4. Mai 2012) etwa ein Jahr zurücklag, ist davon
auszugehen, dass der Gutachter die dauernde Dienstunfähigkeit zum 29. Juli
2011 festgestellt hat. Schon angesichts dessen ist nicht ersichtlich, warum der
Beklagte meint, für die Klägerin habe bereits im Jahr 2009 Veranlassung
bestanden, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Dies gilt insbesondere auch
deshalb, weil der Kläger seine Zurruhesetzung erst mit Schreiben vom 8. Juli
2010 (Bl. 147/BA A UO A) beantragt hat.
Letztlich kann jedoch im vorliegenden Zusammenhang die Frage nach dem
exakten Zeitpunkt der dauerhaften Dienstunfähigkeit des Beklagten
dahinstehen. Denn selbst wenn er davon ausgegangen sein sollte, bereits im
Jahr 2009 die Voraussetzungen für eine vorzeitige Zurruhesetzung wegen
Dienstunfähigkeit zu erfüllen, hätte er den Gang des entsprechenden
Verfahrens abwarten und ggf. von den insoweit bestehenden prozessualen
Mitteln zur Verfahrensbeschleunigung Gebrauch machen müssen, statt sich -
gleichsam in Vorwegnahme einer etwaigen Zurruhesetzungsentscheidung des
Dienstherrn - bereits eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Dass sich der
Beklagte einerseits darauf beruft, wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt werden zu müssen, andererseits aber nicht gewillt ist,
während des laufenden Zurruhesetzungsverfahrens auf die mit der
musikalischen Betätigung verbundenen Verdienstmöglichkeiten zu verzichten,
macht deutlich, dass er lediglich seine eigenen Interessen für maßgeblich hält
und offenbart deshalb eine innere Lösung aus seiner beamtenrechtlichen
Pflichtenstellung.
(d) Schließlich kann auch der Umstand, dass der Beklagte in der Vergangenheit
bisweilen auf Feierlichkeiten des Dienstherrn musiziert hat, die hier erhobenen
disziplinarischen Vorwürfe nicht relativieren. Denn ein Auftritt auf einer dienstlich
veranlassten Feierlichkeit findet gerade nicht in der Öffentlichkeit, sondern
während des Dienstes und unter ausdrücklicher Billigung des Dienstherrn statt;
im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Beklagte diese Auftritte
während Erkrankungszeiten absolviert hat.
(4) Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 20
StGB sind nicht ersichtlich.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass ein Fall erheblich verminderter
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vorliegt. Die Annahme einer erheblich
verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass bei
Begehung der Tat die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen
oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne des § 20
StGB, nämlich einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden
Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen
seelischen Abartigkeit erheblich gemindert gewesen ist. Die Frage, ob die
Steuerungsfähigkeit im vorgenannten Sinne „erheblich“ vermindert gewesen ist,
ist eine Rechtsfrage, welche die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die
Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten
haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des
Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der
Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Für die
Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind
schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien,
Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte
Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer
Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten (Nds. OVG, Urteil vom
22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 49). Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso
höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt
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im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB von
der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflicht ab (BVerwG, Urteil
vom 3.5.2007, a. a. O., Rn. 33f.; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010, a. a. O., Rn.
49).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht der Senat nicht davon aus, dass
im Falle des Beklagten während der Dauer der Begehung des Dienstvergehens
(11. September 2009 bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage am 7.
Juni 2012) eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB
als zu berücksichtigender Milderungsgrund gegeben gewesen ist.
Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht aus dem vom
Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten fachpsychiatrischen Gutachten
des AJ., welches die Frage der Dienstunfähigkeit des Beklagten zum
Gegenstand hat.
Das Gutachten ist zwar zu dem Schluss gelangt, dass der Beklagte aufgrund
der bei ihm vorliegenden somatoformen Störung, der histrionischen sowie der
abhängigen Persönlichkeitsstörung dauerhaft dienstunfähig ist; zur Frage der
verminderten Schuldfähigkeit trifft es indes keine Aussage. Die gutachterlichen
Ausführungen sind auch nicht geeignet, Zweifel an der vollen Schuldfähigkeit
des Beklagten zu begründen, so dass die Einholung eines entsprechenden
gerichtlichen Gutachtens veranlasst wäre.
Allein das Vorliegen einer psychischen Erkrankung reicht zur Annahme einer
verminderten Schuldfähigkeit nicht aus (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12.3.2013 - 6
LD 4/11 -, juris Rn. 57). Im Falle des Beklagten ist zudem zu berücksichtigen,
dass er an einer Vielzahl körperlicher Symptome leidet, die letztlich psychisch
bedingt sind bzw. verstärkt werden. Charakteristisch für die
Somatisierungsstörung sind multiple, wiederholt auftretende und häufig
wechselnde körperliche Symptome, die mindestens zwei Jahre lang andauern
und für die keine ausreichende somatische Erklärung gefunden werden kann
(Gutachten, S. 15). Diese körperliche Symptomatik besteht beim Beklagten in
erster Linie in einer Herzproblematik, die in zwei „Herzstillständen“ gemündet ist
und sich durch wiederholte Synkopen äußert (Gutachten, S. 16f.), aber auch in
einer Somatisierungstendenz im Allgemeinen im Hinblick auf fast jeden
Körperteil und jedes Körpersystem, etwa in körperlicher Schwäche,
Antriebsmangel und vegetativen Symptomen wie Stolpern oder Hinfallen
(Gutachten, S. 17f.).
Die besondere Beharrlichkeit, mit der der Beklagte über einen langen Zeitraum
hinweg trotz entgegenstehender gerichtlicher und behördlicher Entscheidungen
seinem eigenen Interesse am öffentlichen, entgeltlichen Musizieren mit seiner
Band gegenüber den Interessen des Dienstherrn den Vorrang gibt und dies
auch weiterhin tut, mag zwar neben seinem Interesse an „materieller Sicherung“
(vgl. Berufungsbegründung vom 21. Januar 2013, S. 4) auch Ausdruck seiner
histrionischen und abhängigen Persönlichkeitsstörung sein. So beschreibt der
Gutachter etwa,
- dass sich die Abhängigkeitswünsche des Beklagten voll auf seine
Familie und seine Musikgruppe richteten (Gutachten, S. 16),
- dass bei ihm eine deutliche Unausgeglichenheit in seinen
Einstellungen, seinem Verhalten, den Funktionsbereichen Affektivität,
Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmung und Denken sowie in den
Beziehungen zu anderen feststellbar sei (Gutachten, S. 17),
- dass er bei persönlichen und beruflichen Problemen organisch und
depressiv kompensiert habe und ihm eigentlich nur die Musik im
Nebenberuf geblieben sei, die ihn habe einigermaßen stabilisieren
können und die ihm etwas gegeben habe, dass er die ganze Zeit
vermisst habe (Gutachten, S. 19),
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- dass er die so sehnlichst gewünschte Unterstützung von irgendeinem
Familienmitglied oder Freund - bis auf seine Musikgruppe - bis heute
nicht habe erleben können (Gutachten, S. 19),
- dass als Überlebensstrategie die Sichtweise wirke, eigene
Vorstellungen von Gerechtigkeit durchsetzen zu müssen (Gutachten, S.
20),
- dass er in einer masochistischen Weise seinem Vorgesetzten deutlich
mache, dass er für seinen Zustand verantwortlich ist, weil er ihn in der
Vergangenheit schon allzu oft gekränkt habe (Gutachten, S. 22),
- und dass beim Beklagten ein narzisstischer Rückzug gerade auf die
Ebene der kommunikativen Fähigkeiten bestehe (Gutachten, S. 23).
Dass der Beklagte indes für den gesamten Zeitraum des streitgegenständlichen
Dienstvergehens (11. September 2009 bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung
am 7. Juni 2012) aufgrund der bei ihm vorliegenden histrionischen und
abhängigen Persönlichkeitsstörung in seiner Handlungs- und
Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf die Einhaltung der für ihn maßgeblichen
Nebentätigkeitsbestimmungen erheblich beschränkt gewesen wäre, vermag der
Senat - abgesehen davon, dass der fachpsychiatrische Gutachter beide
Erkrankungen erst ab dem 29. Juli 2011 diagnostiziert hat (s. o.) - nicht zu
erkennen. Dagegen, dass sich der Beklagte seit dem 11. September 2009 in
einer besonderen Ausnahmesituation im Sinne einer extremen Zwangslage
befunden hat, in der von ihm ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten
nicht zu erwarten gewesen wäre, sprechen bereits seine Äußerungen anlässlich
seines öffentlichen Auftritts am 3. Februar 2012. Dort hat er gegenüber
Mitarbeitern der Klägerin sinngemäß erklärt, man müsse sich keine Gedanken
machen, er sei bis 2013 ausgebucht, er wünsche mit der Bundespolizei eine
saubere Lösung, es sei doch klar, dass er auf Zeit spiele (Feststellungsbericht
vom 6. Februar 2012, Bl. 19f./BA C). Und gegenüber einem weiteren Mitarbeiter
der Klägerin, der den Beklagten anlässlich seines Auftritts am 28. April 2012 zur
Rede gestellt und ihm ausdrücklich das Weiterspielen untersagt hatte, hat der
Beklagte sinngemäß ausgedrückt, dass jener ja wisse, was auf ihn - den
Beklagten - zukomme und er deshalb noch mehr spielen würde (BA E). In der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat der Beklagte schließlich
sinngemäß erklärt, er könne, wenn er auf der Bühne stehe, die gesamte
Konfliktsituation in seiner Dienststelle hinter sich lassen; er denke dann nicht
darüber nach, ob er eine Nebentätigkeitsgenehmigung habe. Die
Steuerungsfähigkeit ist nur erheblich vermindert, wenn die Fähigkeit des
Betreffenden erheblich vermindert ist, nach seiner Unrechtseinsicht zu handeln,
nicht aber, wenn der Betreffende seiner Unrechtseinsicht lediglich deshalb nicht
folgt, weil er die mit den Auftritten verbundene öffentliche Anerkennung erhalten,
seinen „guten Ruf“ als zuverlässiger Musiker bewahren, finanzielle Nachteile
verhindern und für die Zeit nach Ausgang eines für ihn negativen
Disziplinarverfahrens vorsorgen will.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, wegen der allein von der Klägerin zu
vertretenden Mobbing-Attacken dienstunfähig geworden und deshalb in seinem
Handeln „gerechtfertigt“ zu sein (Berufungsbegründung vom 18. März 2013, S.
1), unterliegt er sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch in rechtlicher Hinsicht
einem Irrtum. Denn zum einen sind „Mobbing-Attacken“ von Mitarbeitern der
Klägerin nicht nachweisbar (s.o.). Und zum anderen existiert der vom Beklagten
angenommene Rechtfertigungsgrund, wonach eine Nebentätigkeit während
Zeiten der Dienstunfähigkeit jedenfalls dann ausgeübt werden darf, wenn die
Dienstunfähigkeit durch ein Verhalten des Dienstherrn (mit)verursacht worden
ist, nicht. Dem Wesen nach macht der Beklagte mit diesem Vorbringen einen
Rechtsirrtum geltend. Ein solcher Irrtum berührt aber die Schuld nicht und
schließt diese auch nur dann aus, wenn der Irrtum vermeidbar war (§ 17 StGB;
vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1990 - BVerwG 1 D 63.89 -, juris Rn. 24). Dies
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war hier aber nicht der Fall. Denn der Beklagte hätte sich ohne weiteres bei
seinem Dienstherrn nach der Rechtslage erkundigen können. Im Übrigen war
ihm diese spätestens nach Abschluss des den Widerruf der
Nebentätigkeitsgenehmigung betreffenden Eilverfahrens, im Rahmen dessen
sich zwei Instanzen mit seiner Argumentation auseinandergesetzt hatten,
bekannt.
cc) Das Dienstvergehen des Beklagten hat auch nachhaltige Auswirkungen auf
den dienstlichen Betrieb und das öffentliche Ansehen der Verwaltung. Da Kern
der Nebentätigkeit des Beklagten die Durchführung öffentlicher Auftritte vor
großem Publikum ist, liegt es nahe, dass nicht nur eine Reihe von Kollegen des
Beklagten, sondern auch außerhalb der Verwaltung stehende Personen
erfahren, dass sich der Beklagte zwar außerstande sieht, seinen Dienst zu
verrichten, gleichzeitig aber in der Lage ist, öffentliche Auftritte als Musiker und
Sänger wahrzunehmen (vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11.10.2010, a. a.
O., Rn. 13). Dass das Verhalten des Beklagten demnach geeignet ist, den
Dienstfrieden zu stören und dem öffentlichen Ansehen der Verwaltung
entgegensteht, liegt auf der Hand, zumal die Öffentlichkeit gegenüber der
Nebentätigkeit von Verwaltungsbediensteten ohnehin meist sehr kritisch
eingestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1990 - BVerwG 1 D 63.89 -, juris
Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 27.1.1991 - BVerwG 1 D 17.91 -, juris Rn. 38).
b) Aus der Gesamtpersönlichkeit des Beklagten lassen sich entlastende
Umstände ebenfalls nicht ableiten.
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt (UA, S. 10),
dass der Beklagte disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Auch der Umstand, dass er
im Rahmen seiner letzten - den Beurteilungszeitraum 1. Oktober 2008 bist 30.
September 2010 umfassenden - Regelbeurteilung mit der Gesamtnote 5
(„entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht“) beurteilt worden ist, fällt
angesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht ins Gewicht. Denn jeder
Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der
Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb seines Dienstes
achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (BVerwG, Urteil vom 7.2.2008 -
BVerwG 1 D 4.07 -, juris Rn. 28).
Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sein Dienstvergehen
stelle sich als persönlichkeitsfremde Tat dar. Der von der Rechtsprechung
anerkannte Milderungsgrund der im Grunde persönlichkeitsfremden
Augenblicks- bzw. Gelegenheitstat eines ansonsten tadelsfreien und im Dienst
bewährten Beamten setzt ein unbedachtes und kurzschlussartiges Versagen
voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1977 - BVerwG 1 D 99.76 -, juris Rn. 16;
Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54). Dies wird
insbesondere in Betracht kommen, wenn der Beamte in einer plötzlich
auftretenden besonderen Versuchungssituation gehandelt hat, in der ihm eine
echte Motiv-abwägung nicht möglich war. Hierzu gehören ein gewisses Maß an
Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit des Handelns (Nds. OVG, Urteil
vom 22.6.2010, a. a. O., Rn. 54). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich
nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat nicht in einer plötzlich auftretenden
Versuchungssituation, sondern über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg
gehandelt.
c) Die Gesamtwürdigung aller Umstände ergibt, dass sich der Beklagte im
Hinblick auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten in so hohem Maß als
unzuverlässig erwiesen hat, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der
Allgemeinheit in ihn endgültig verloren ist. Aus Häufigkeit, zeitlicher Dauer und
Umfang seiner musikalischen Betätigung und der Beharrlichkeit, mit der er diese
trotz entgegenstehender behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen weiter
wahrgenommen hat und auch derzeit noch wahrnimmt, muss geschlossen
werden, dass der Beklagte auch in Zukunft keine Gewähr dafür böte, seinen
Dienstpflichten als Beamter uneingeschränkt nachzukommen. Dadurch, dass
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der Beklagte insbesondere Zeiten der Krankschreibung dazu genutzt hat, sich in
beträchtlichem Umfang seiner musikalischen Betätigung zu widmen und
außerdienstlich eine neue Existenz aufzubauen, ohne die nachhaltigen
Auswirkungen dieses Verhaltens auf seine Kollegenschaft sowie auf das
Ansehen des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, hat er
sich innerlich von seinem Dienstherrn gelöst. Wer - wie der Beklagte - über einen
langen Zeitraum trotz mehrfacher Hinweise des Dienstherrn grundlegenden
Dienstpflichten beharrlich zuwiderhandelt, lässt erkennen, dass er für
erzieherische Maßnahmen nicht mehr zugänglich ist, und macht sich für den
öffentlichen Dienst untragbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2001 - BVerwG 1 D
60.00 -, juris Rn. 31). Deshalb kann er im Interesse der Leistungsfähigkeit des
öffentlichen Dienstes und der Integrität der öffentlichen Verwaltung nicht mehr im
Beamtenverhältnis verbleiben.
d) Die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
verstößt auch nicht gegen den auch im Disziplinarverfahren geltenden
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ist ein Beamter - wie hier der Beklagte -
durch ihm vorwerfbares Verhalten achtungs- und vertrauensunwürdig geworden
und fehlt damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des
Beamtenverhältnisses, dann ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare
Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den
Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem
Verhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn.
60).
III. Der Senat hat die Gewährung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 10 Abs. 3
Satz 2, 1. Fall BDG ausgeschlossen. Da das Gesetz trotz Vorliegens eines
schweren Dienstvergehens durch die Gewährung des Regel-Unterhaltsbeitrags
eine Vermutung für die Würdigkeit des Beamten im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 2
BBG enthält, führen bei der somit gebotenen engen Auslegung nur solche
Umstände zum Ausschluss, die nach der Art und dem Gewicht des
Fehlverhaltens sowie nach der Persönlichkeit des verurteilten Beamten und dem
Maß seiner Schuld jeden Grund für die nachsorgende Fürsorgepflicht des
Dienstherrn entfallen lassen (Urban, in: Urban/Wittkowski, BDG, 2011, § 10 Rn.
16). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Unwürdigkeit
im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 2 BDG anzunehmen, wenn feststeht, dass sich
der Beamte vom Dienstherrn dauerhaft gelöst hat (BVerwG, Urteil vom
25.1.2007 - BVerwG 2 A 3.05 -, juris Rn. 45). Unter diesem Gesichtspunkt hat
das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Beamter zwei Jahre
lang während Zeiten der Krankschreibung einer ungenehmigten Nebentätigkeit
nachgegangen ist, die Versagung des Unterhaltsbeitrags wegen Unwürdigkeit
für rechtmäßig erachtet (BVerwG, Urteil vom 1.6.1999 - BVerwG 1 D 4.97 -, juris
Rn. 61). Aus Sicht des Senats liegt der Streitfall vergleichbar, weil sich auch der
Beklagte aufgrund der Häufigkeit und Dauer der Ausübung seiner
Nebentätigkeit gerade auch in Zeiten der Erkrankung dauerhaft von seinem
Dienstherrn gelöst hat (s. o.).