Urteil des OVG Niedersachsen vom 03.12.2013

OVG Lüneburg: wohnung, kaserne, tgv, wache, liegenschaft, winterdienst, gleichbehandlung, datenschutz, genehmigung, vervielfältigung

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Trennungsgeld; Einzugsgebiet; üblicherweise
befahrene Strecken; Endpunkt der Wegstrecke.
OVG Lüneburg 5. Senat, Beschluss vom 03.12.2013, 5 LA 129/13
§ 3 Abs 1 Nr 1c BUKG, § 6 Abs 3 SVG, § 1 Abs 3 Nr 1 TGV
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt.
Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im
Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages
und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige,
gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten,
aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens
ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein
einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel
müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur
Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der
Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung
auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner
Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der
die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das
angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt,
müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend
dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht
zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das
Verwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass die
Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger gemäß § 6 Abs. 3 SVG i. V. m. § 1
Abs. 3 Nr. 1 TGV und § 3 Abs. 1 Nr. 1. c) BUKG für die Fahrten zwischen
seiner Wohnung und der Ausbildungsstätte (Berufsbildende Schulen II in B.)
Trennungsgeld zu gewähren. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die
Wohnung des Klägers liege im Einzugsgebiet der Ausbildungsstätte, weil die
Entfernung auf einer üblicherweise befahrenen Strecke weniger als 30 km,
nämlich 29,7 km betrage, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat
macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils (UA S. 5 bis
7), das wiederum gemäß § 117 Abs. 5 VwGO in zulässiger Weise den
Gründen des Beschwerdebescheides vom 17. November 20... gefolgt ist, zu
Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren
ist das Folgende zu ergänzen bzw. hervorzuheben:
Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe das in § 3 Abs. 1 Nr.
1. c) BUKG geregelte Kriterium der "üblicherweise" befahrenen Strecke nicht
bzw. unzutreffend angewandt, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat
seiner Entscheidung vielmehr rechtsfehlerfrei die insoweit insbesondere vom
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Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.7.1977 - VI C 57.76 -, ZBR 1977,
402, 403) entwickelten Grundsätze zugrunde gelegt und deutlich gemacht,
dass es dem von dem Kläger angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts
Sigmaringen vom 31. Mai 2011 (- 3 K 1612/09 -, juris), das von der genannten
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist, nicht folgt (UA
S. 6 f.). Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die Entfernung zwischen der Wohnung und der
Dienststätte nach der objektiv kürzesten üblicherweise befahrenen Strecke,
und zwar auch dann, wenn es sich nicht um die am häufigsten befahrene,
verkehrsgünstigste oder aus subjektiven Gründen vorzuziehende Strecke
handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.1977, a. a. O.). Erfasst werden alle
Verkehrswege, die entweder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder aber -
zulässigerweise - von privaten Kraftfahrzeugen genutzt werden, also bei
objektiver Betrachtung befahrbar sind. Ob die so ermittelte kürzeste
Verkehrsverbindung tatsächlich genutzt wird, ist aus Gründen der
Gleichbehandlung und der Praktikabilität unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom
15.7.1977, a. a. O.). Dieser Rechtsprechung hat sich das beschließende
Gericht wiederholt angeschlossen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.7.1999 - 2
L 869/98 -, juris Rn 6; Beschluss vom 2.4.2013 - 5 LA 57/12 -, juris Rn 11; vgl.
aus der obergerichtlichen Rechtsprechung ebenso Bay. VGH, Beschluss vom
29.10.2007 - 14 ZB 07.1645 -, juris Rn 3; LAG Rh.-Pf., Urteil vom 13.9.2012 -
10 Sa 128/12 -, juris Rn 25). Außer Betracht bleiben daher nur Strecken, die -
wie beispielsweise Feld- und Wirtschaftswege - üblicherweise für den
Personenverkehr nicht bestimmt sind oder nicht benutzt werden (vgl. Nds.
OVG, Beschluss vom 2.4.2013, a. a. O., Rn 11, unter Hinweis auf
Meyer/Fricke, Umzugskosten im öffentlichen Dienst, Stand: September 2011, §
3 BUKG Rn 79). Es mag im Einzelfall ferner in Betracht kommen, solche
Strecken unberücksichtigt zu lassen, deren Benutzung nach allgemeinen
Maßstäben offensichtlich unzumutbar ist, so dass es an der objektiven
Befahrbarkeit fehlt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.4.2013, a. a. O., Rn 11,
unter Hinweis auf VG Augsburg, Urteil vom 11.10.2010 - Au 2 K 09.1448 -, juris
Rn 29, zu einer mit Schlaglöchern übersäten und bloß geschotterten Straße
ohne jeden Winterdienst).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Beklagte berechtigt, die vom Amt
für Geoinformationswesen der Bundeswehr in den Schreiben vom 29. Juli
2011 und 7. Oktober 2011 genannten Straßen als üblicherweise befahrene
Strecken anzusehen und demzufolge bei der Bestimmung des
Einzugsgebietes gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1. c) BUKG zu berücksichtigen. Die
Strecke beinhaltet entgegen der Behauptung des Klägers nicht auch
Feldwege, sondern ausnahmslos objektiv mit Kraftfahrzeugen befahrbare
Straßen. Die von dem Kläger als Feldwege bezeichneten Streckenabschnitte
lassen auch nach dem Vorbringen des Klägers eine beachtliche
Geschwindigkeit von immerhin 30 bis 40 km/h zu. Derartige
Geschwindigkeiten dürften auf Feldwegen ohne Inkaufnahme erheblicher
Schäden am Kraftfahrzeug kaum erreichbar sein. Seine Behauptung, dass die
Strecke teilweise Schlaglöcher aufweise, hat der Kläger weder im
erstinstanzlichen noch im zweitinstanzlichen Verfahren hinreichend
substantiiert. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger schon mit Verfügung vom
18. Mai 2012 darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich sei, auf welchen Teil
der Strecke sich die von ihm vorgetragene schlechte Qualität beziehe. Diesen
Hinweis hat der Kläger jedoch nicht zum Anlass genommen, sein Vorbringen
nachprüfbar zu präzisieren. Etwaige Einschränkungen beim Winterdienst sind
rechtlich unerheblich. Derartige Einschränkungen sind bei Nebenstrecken im
ländlichen Raum durchaus üblich. Die objektive Befahrbarkeit der Strecke
stellen sie nicht in Frage (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.4.2013, a. a. O., Rn
12, unter Hinweis auf Kopicki/Irlenbusch, Umzugskostenrecht, § 3 BUKG
Rn 32).
Die Rüge des Klägers, bei der Berechnung der Entfernung hätte nicht lediglich
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auf den Weg bis zum Eingang der Dienststätte (hier: Eingang der
Ausbildungsstätte) abgestellt werden dürfen, sondern vielmehr auf die 400
Meter entfernte Einfahrt des Parkplatzes abgestellt werden müssen, so dass
die Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Ausbildungsstätte auch bei
Zugrundelegung der von der Beklagten ermittelten Wegstrecke weiter als 30
km sei, greift ebenfalls nicht durch.
Als Dienststätte im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1. c) BUKG ist die abgegrenzte
zusammenhängende Liegenschaft mit allen dazugehörenden Stellen
anzusehen. Maßgebend für die Berechnung der 30-Kilometer-Grenze ist
deshalb die Außengrenze der Dienststätte, wie z. B. die Wache einer Kaserne
(vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 13.12.2010 - 5 LA 331/09 -, juris Rn 8; LAG
Rh.-Pf., Urteil vom 13.9.2012, a. a. O., Rn 27). Bei einer Dienststätte, die sich -
anders als etwa eine Kaserne - nicht innerhalb einer durch eine Wache
abgegrenzten Liegenschaft befindet, ist aus Gründen der Praktikabilität und
der Gleichbehandlung auf den Eingang des Gebäudes der Dienststätte
abzustellen. Insoweit können nach Auffassung des Senats die Grundsätze
entsprechend herangezogen werden, die das beschließende Gericht für die
Fälle entwickelt hat, in denen um die Berechnung des Schulwegs von
Schülern gestritten wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12.8.2011 - 2 LA
283/10 -, juris Rn 6; Urteil vom 11.11.2010 - 2 LB 318/09 -, juris Rn 6;
Beschluss vom 31.10.2005 - 13 PA 242/05 -, juris Rn 4). Es begegnet deshalb
keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln, dass das Verwaltungsgericht es nicht
beanstandet hat, dass die Beklagte als Endpunkt der Wegstrecke den
Eingang des Gebäudes der Ausbildungsstätte festgelegt hat.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil
rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).