Urteil des OVG Niedersachsen vom 13.11.2012

OVG Lüneburg: überschreitung, änderung der rechtsprechung, zahnärztliche behandlung, beihilfe, nbg, angemessenheit, schwellenwert, aufwand, durchschnitt, niedersachsen

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Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für zahnärztliche
Behandlungen (Nrn. 216, 217 GOZ); hier:
Angemessenheit wegen mangelhafter Begründung
verneint
Die Begründungen "besondere Technik bei gedrehter Zahnachse", "starke
Kippung der Zahnachse" und "mesial unter Gingivaniveau präpariert"
genügen nicht, um überdurchschnittliche Schwierigkeiten zu belegen, die bei
Leistungen nach Nrn. 216, 217 GOZ eine Überschreitung des
Schwellenwertes von 2,3 Gebühren bei zahnärztlicher Behandlung
rechtfertigen.
OVG Lüneburg 5. Senat, Urteil vom 13.11.2012, 5 LC 222/11
§ 5 Abs 1 S 1 BhV, § 5 Abs 1 S 2 BhV, Nr 216 GOZ, Nr 217 GOZ
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu Aufwendungen für
eine zahnärztliche Behandlung seines Sohnes. Er ist beihilfeberechtigter Richter
im Dienst des Landes Niedersachsen; sein Sohn ist als Angehöriger
beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 80 v. H.
Am 20. April 2009 beantragte der Kläger eine Beihilfe für Aufwendungen in Höhe
von insgesamt 1.297,38 Euro, die ihm der behandelnde Zahnarzt Dr. D. für die
Behandlungen seines Sohnes am 6. und 9. April 2009 in Rechnung gestellt
hatte.
Die Rechnung vom 14. April 2009 enthält insbesondere die folgenden, hier
streitigen Positionen:
Zahn Leistung Bezeichnung, Begründung
Faktor Betrag
25 216 Einlagefüllung, zweiflächig
Besondere Technik bei gedrehter
Zahnachse
2,9 133,74
26 217 Einlagefüllung, mehr als zweiflächig
Mesial unter Gingivaniveau präpariert
3,4 229,46
27 216 Einlagefüllung, zweiflächig
Starke Kippung der Achse
3,3 152,19
Weiterhin sind Fremdlaborkosten in Höhe von 618,69 Euro ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 22. April 2009 lehnte das Niedersächsische Landesamt für
Bezüge und Versorgung - NLBV - als Funktionsvorgänger der Beklagten den
Antrag hinsichtlich der streitigen Rechnung zunächst mit der Begründung ab,
der Sohn des Klägers sei nicht mehr beihilfeberechtigt. Hiergegen legte der
Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, sein Sohn absolviere nach Ende
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seines Zivildienstes ein Studium und sei wieder beihilfeberechtigt.
Auf den Widerspruch des Klägers setzte das NLBV mit Bescheid vom 25. Juni
2009 die Beihilfe neu fest und gewährte auf die streitige Zahnarztrechnung vom
14. April 2009, ausgehend von einem beihilfefähigen Betrag in Höhe von 778,14
Euro, eine Beihilfe von 622,51 Euro. Bei der Berechnung des beihilfefähigen
Betrags kürzte es die zahnärztlichen Honorare um insgesamt 148,03 Euro.
Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen dem 2,3-fachen Gebührensatz
der Gebührenpositionen 216 und 217 und den tatsächlich in Ansatz gebrachten
Gebührensätzen.
Den neuerlichen Widerspruch des Klägers wies das NLBV mit
Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2009 zurück. Nur angemessene
Aufwendungen seien beihilfefähig. Dabei seien Gebührenansätze oberhalb des
2,3-fachen Schwellenwertes nur angemessen, wenn Schwierigkeit, Zeitaufwand
oder besondere Umstände der Ausführung der Behandlung die Überschreitung
rechtfertigten. Dies sei den gegebenen Begründungen nicht zu entnehmen. Sie
beschrieben Problemlagen, die alltäglich seien und keine außergewöhnlichen
Schwierigkeiten erkennen ließen.
Am 25. August 2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er hält die Überschreitung
unter Bezug auf die gegebenen Begründungen für angemessen. Sowohl eine
gedrehte als auch eine gekippte Zahnachse seien außergewöhnlich. Gleiches
gelte für die mesiale Präparation unter Gingivaniveau.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden
Bescheides vom 22. April 2009 in Gestalt des
Neufestsetzungsbescheides vom 25. Juni 2009 und des
Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2009 zu verpflichten, ihm Beihilfe
auf der Grundlage der Rechnung des Zahnarztes Dr. D. vom 14. April
2009 in Höhe des Bemessungssatzes von 80 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte hat nach erneuter Prüfung der streitigen Rechnung beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden
Bezug genommen. Gekippte und gedrehte Zähne gehörten zu den häufigsten
Zahnfehlstellungen. Selbst wenn hierdurch die Behandlung erschwert werde,
begründe dies keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten. Gleiches gelte für
die subgingivale Präparation.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil der Einzelrichterin vom 27.
April 2011 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte
weitere Beihilfe. Nach § 87 c NBG a. F. und den für vor dem Inkrafttreten der
Bundesbeihilfeverordnung entstandene Aufwendungen maßgeblichen
Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-,
Geburts- und Todesfällen in der Fassung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 919)
- BhV - seien die streitgegenständlichen Aufwendungen nicht in dem geltend
gemachten Umfang beihilfefähig.
Als angemessen und damit beihilfefähig könnten gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 2.
Halbsatz BhV nur Gebühren angesehen werden, die nicht den Schwellenwert
des Gebührenrahmens der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober
1987 (BGBl. I S. 2316, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3320) - GOZ a. F.-) überschritten, soweit keine begründeten
besonderen Umstände vorlägen. Erforderlich seien insofern schwerwiegende
Besonderheiten, die bei der Mehrzahl vergleichbarer Behandlungsfälle so nicht
aufträten, die also ganz außergewöhnlich seien und völlig aus dem Rahmen
fielen.
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Diesen Anforderungen genügten die für die Überschreitung des Schwellwerts
jeweils gegebenen Begründungen nicht, wie das NLBV in seinem
Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt habe. Anderes ergebe sich nicht
aus der jüngeren Rechtsprechung des erkennenden Senats, der die Berufung in
einem Fall zugelassen habe, der ebenfalls die Angemessenheit von
Schwellwertüberschreitungen zum Gegenstand gehabt habe. Der Ausgang des
Berufungsverfahrens sei offen. Auch aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in Zivilsachen folge nicht die Angemessenheit der
Schwellwertüberschreitung. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.
November 2007 (- III ZR 54/07 -, juris) sei durch den im Verwaltungsprozess
nicht geltenden zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz geprägt und infolge
der Säumnis des unterlegenen Beteiligten ohne weitere Sachaufklärung
ergangen.
Der Kläger hat nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht am 27. Mai 2011
Berufung eingelegt. Unter vertiefender Wiederholung seines erstinstanzlichen
Vorbringens führt er zur Begründung aus, das Verwaltungsgericht überspanne
die Anforderungen an die Angemessenheit einer Schwellwertüberschreitung.
Weder in der GOZ noch in der GOÄ sei die Rede davon, dass eine
Überschreitung des Schwellwerts nur dann gerechtfertigt sei, wenn
schwerwiegende Besonderheiten aufträten, die ganz außergewöhnlich seien
und völlig aus dem Rahmen fielen. GOZ und GOÄ sprächen lediglich von
Besonderheiten der Bemessungskriterien „Schwierigkeit und Zeitaufwand der
einzelnen Leistungen“ und „Umstände bei der Ausführung“.
Der Beschluss des erkennenden Senats vom 6. September 2010 (- 5 LA 298/09
-) deute eine Änderung der Rechtsprechung an. Wenn in dem dortigen Fall die
Besonderheiten „starker Speichelfluss“, „enge Mundöffnung“ und „erhöhter
Wangentonus“ ausreichten, gelte dies auch hier. Die Besonderheiten
„besondere Technik bei gedrehter Zahnachse“ und „mesial unter Gingivaniveau
präpariert“ seien insoweit vergleichbar.
Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - Urteil vom 8.11.2007,
a. a. O. - ergebe sich, dass schon bei überdurchschnittlichen zahnärztlichen
Leistungen die Überschreitung des Schwellenwerts gerechtfertigt sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte nach dem
Klagantrag zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der erkennende Senat habe zwar bereits
überdurchschnittliche Schwierigkeiten für eine Überschreitung des
Schwellenwerts als ausreichend erachtet. Auch unter diesem Blickwinkel lasse
sich den Begründungen in der streitigen Rechnung jedoch nicht entnehmen,
dass die Überschreitung des Schwellwerts angemessen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des
Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte
Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der
Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
I. Mit Zustimmung der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche
Verhandlung (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
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II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Der Senat geht unter Auslegung des Klage- und Berufungsvorbringens davon
aus, dass der rechtskundige Kläger, der lediglich gegen die Kürzung der
beihilfefähigen Honorarleistungen auf den 2,3-fachen Gebührensatz als
Schwellenwert Einwände erhebt, mit seinem nicht weiter bezifferten Klagantrag
auch nur diese Kürzung zum Gegenstand der Klage gemacht hat und nicht
auch die Kürzung des beihilfefähigen Aufwands auf 40 v. H. der Laborleistungen
angreift.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit der Klage begehrte weitere
Beihilfe. Die Bescheide des Niedersächsischen Landesamts für Bezüge und
Versorgung - NLBV - vom 22. April 2009 und 25. Juni 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2009 erweisen sich als rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1
VwGO).
a. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich
die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen
maßgeblich, für die Beihilfen begehrt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2011
- BVerwG 2 C 40.09 -, juris; Urteil vom 15.12.2005 - BVerwG 2 C 35.04 -,
BVerwGE 125, 21; Nds. OVG, Beschluss vom 4.1.2012 - 5 LA 176/10 -, juris;
Urteil vom 23.4.2010 - 5 LB 388/08 -, juris; Beschluss vom 21.11.2008 -
5 LA 98/08 -, juris). Da die hier streitigen Aufwendungen am 6. und 9. April 2009
und damit vor Inkrafttreten einer landesrechtlichen Verordnung nach § 80 Abs. 6
NBG entstanden sind, sind demnach aufgrund von § 120 Abs. 1 NBG i. V. m.
§ 87 c Abs. 1 NBG in der bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung vom 17.
Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) - § 87 c NBG a. F. - die Beihilfevorschriften
des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001
(GMBl S. 919) - BhV -, zuletzt geändert durch die 28. Allgemeine
Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar
2004 (GMBl S. 379), anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sind die vorgenannten Beihilfevorschriften zwar
verfassungswidrig (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004 - BVerwG 2 C 50.02 -,
juris); sie sind aber für Aufwendungen, die bis zum Ende der vergangenen
Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Jahr 2009 entstanden sind,
weiter anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - BVerwG 2 C 24.07 -,
juris; Urteil vom 26.6.2008 - BVerwG 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 und juris;
Nds. OVG, Urteil vom 23.4.2010 - a. a. O. - und Beschluss vom 21.11.2008 - a.
a. O. -).
b. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem
Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV beurteilt sich die Angemessenheit der
Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen ausschließlich nach dem
Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Auch im Rahmen
des Beihilferechts ist die Auslegung dieser Vorschriften durch die Zivilgerichte
maßgebend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.1.2011 - a. a. O., Rn. 4 m. w. N.;
Nds. OVG, Urteil vom 5.4.2011 - 5 LB 231/10 -, juris Rn. 27).
aa. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden
Fassung - GOZ a. F. - bemisst sich für Leistungen des Gebührenverzeichnisses
die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des
Gebührensatzes. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ a. F. sind innerhalb des
Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und
des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der
Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. In der Regel darf eine
Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes
bemessen werden; ein Überschreiten des Gebührensatzes ist nur zulässig,
wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies
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rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ a. F.). Die Überschreitung des 2,3-fachen
Gebührensatzes ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ a. F. schriftlich zu
begründen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3
Satz 2 GOZ a. F.).
bb. Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Auslegung des
ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte für die Abrechnung der Ärzte
nach dem 2,3-fachen Schwellenwert (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 -
III ZR 54/07 -, BGHZ 174, 101 und juris), dass der Arzt den Schwellenwert des
2,3-fachen Gebührenwertes dann überschreiten kann, wenn er
überdurchschnittliche Schwierigkeiten, einen überdurchschnittlichen
Zeitaufwand der Leistungen oder überdurchschnittlich schwierige Umstände der
Ausführung schriftlich begründet (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 5.4.2011 - a. a. O -).
Im Hinblick darauf trifft die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung nicht
zu, dass Behandlungen, die überdurchschnittlich aufwändig oder schwierig,
aber eben noch nicht durch ungewöhnliche Besonderheiten gekennzeichnet
seien, zwar die volle Ausschöpfung des Schwellenwertes von 2,3 Gebühren
rechtfertigten, nicht aber seine Überschreitung.
cc. Allerdings muss die Begründung überdurchschnittlicher Schwierigkeiten
nach Auffassung des Senats gleichwohl die in § 5 Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz
GOZ a. F. genannten Besonderheiten der in Satz 1 genannten
Bemessungskriterien aufzeigen. Die Überschreitung des 2,3-fachen
Gebührensatzes setzt danach voraus, dass Besonderheiten gerade bei der
Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl
der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des
Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom
Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in
ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei der
Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das
Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen
würde (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 5.4.2011 - a. a. O., Rn. 30 -). Das folgt aus
dem Verhältnis der "in der Regel" einzuhaltenden Spanne zwischen dem
einfachen Gebührensatz und dem Schwellenwert einerseits zu einer zulässigen
Überschreitung dieses Wertes wegen Besonderheiten der Bemessungskriterien
andererseits (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ) sowie aus der Anordnung einer
schriftlichen Begründung des Überschreitens des Schwellenwertes, die auf
Verlangen näher zu erläutern ist (§ 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GOZ). Für eine
nähere Erläuterung ist sinnvoll nur Raum, wenn Besonderheiten gerade des
vorliegenden Einzelfalles darzustellen sind; könnte schon eine bestimmte, vom
Einzelfall unabhängige Art der Ausführung der im Gebührenverzeichnis
beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen,
so wäre dies mit einem kurzen Hinweis auf die angewandte Ausführungsart
abschließend dargelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.2.1994 - BVerwG 2 C 10.92
-, BVerwGE 95, 117, juris Rn. 21; Urteil vom 30.5.1996 - BVerwG 2 C 10.95 -,
juris Rn. 24; Nds. OVG, Beschluss vom 12.8.2009 - 5 LA 368/08 -, juris; Urteil
vom 5.4.2011, a. a. O.).
Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine
lediglich grobe Handhabe zur Einschätzung der Berechtigung des geltend
gemachten Gebührenanspruchs zu geben, sind allerdings keine überzogenen
Anforderungen an eine ausreichende Begründung zu stellen (vgl. Nds. OVG,
Urteil vom 5.4.2011, a. a. O., Rn. 31). Die Begründung muss jedoch das
Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar machen, die nach dem materiellen
Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen können
(vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12.8.2009, a. a. O. unter Hinweis auf OVG
Münster, Beschluss vom 20.10.2004 - 6 A 215/02 -, juris Rn. 12; VGH
Mannheim, Urteil vom 7.6.1994 - 4 S 1666/91 -, juris Rn. 28). Einer ausführlichen
ärztlichen Stellungnahme, deren Anfertigung möglicherweise mehr Zeit in
Anspruch nimmt als die abzurechnende Behandlung, bedarf es dabei nicht. In
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der Regel wird es genügen, stichwortartig das Vorliegen von Umständen, die
das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen können, nachvollziehbar
zu machen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12.8.2009, a. a. O.; VGH Mannheim,
Urteil vom 7.6.1994, a. a. O., Rn. 28).
c. Nach diesen und den von dem Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäben
sind die in der Rechnung vom 14. April 2009 gegebenen Begründungen nicht
geeignet, überdurchschnittliche Schwierigkeiten und damit eine Überschreitung
des 2,3-fachen Schwellenwertes zu begründen.
aa. Die für den Zahn 25 gegebene Begründung „besondere Technik bei
gedrehter Zahnachse“ beschreibt eine Art der Ausführung und die anatomische
Lage des behandelten Zahns. Auch in Zusammenschau ist aus diesen
Angaben aber nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit hierdurch die Behandlung
erschwert wurde. Dabei geht der Senat davon aus, dass nicht schon die Lage
des Zahns, sondern allenfalls die Lage und die Zugänglichkeit der zu
behandelnden Stelle Aufschluss darüber gibt, ob die Behandlung durch
anatomische Besonderheiten überdurchschnittlich aufwendig wird.
Nachvollziehbar und durch das Berufungsvorbringen nicht substantiiert in Frage
gestellt weist die Beklagte zudem darauf hin, dass Drehungen der Zahnachsen
eine häufige Fehlstellung sind und eine anatomisch perfekte Zahnstellung nicht
den Durchschnitt darstellt. Ob die Zahnachse nur minimal oder in einer sich auf
die Behandlung nur geringfügig oder erheblich auswirkenden Weise gedreht
war, lässt sich der Begründung des Zahnarztes nicht entnehmen.
bb. Ähnliches gilt für die zu Zahn 27 gegebene Begründung „starke Kippung der
Achse“. Zwar ist hier zumindest eine ungewöhnliche Abweichung vom
anatomischen Ideal erkennbar. Gleichwohl gibt auch hier die bloße
Beschreibung der Lage des Zahns noch keinen Aufschluss darauf, ob und in
welchem Umfang sich diese auf den Aufwand oder die Schwierigkeit der
Behandlung ausgewirkt hat. Denn auch bei einer gekippten Zahnachse kann die
zu behandelnde Stelle gut zugänglich und eine Einlagefüllung ohne größeren
Aufwand möglich sein.
cc. Schließlich ist auch die zu Zahn 26 gegebene Begründung „mesial unter
Gingivaniveau präpariert“ nicht geeignet, überdurchschnittliche Schwierigkeiten
zu belegen. Ein mesial kariös vorgeschädigter Zahn ist keine Seltenheit. Dass
die Präparation für die Einlagefüllung die Gingivagrenze erreicht oder auch
darunter liegt, ist ebenfalls nicht außergewöhnlich. „Unter Gingivaniveau“
beschreibt die Lage der zu präparierenden Stelle nur pauschal und lässt ohne
nähere Ausführungen nicht erkennen, ob die Präparation hier so tief unter
Gingivaniveau erfolgt ist, dass daraus überdurchschnittliche Schwierigkeiten
erwachsen sind (vgl. insofern Nds. OVG, Beschluss vom 14.12.2010 - 5 LA
237/10 -, juris Rn. 19). Auch in dem Zusammenhang „mesial unter
Gingivaniveau“ benennt die Begründung keine Umstände, die eine Vergütung
mit 3,4 Gebühren und damit am obersten Ende des Gebührenrahmens als
angemessen erscheinen lassen. Möglicherweise erforderliche besondere
Maßnahmen bei der Präparation wären im Übrigen nach Gebührenziffer 203
GOZ a. F. gesondert abrechnungsfähig und sind daher nicht der Leistung nach
Nr. 217 GOZ a. F. zuzuordnen. Dies zeigt nicht nur, dass gesonderte
Maßnahmen beim Präparieren keineswegs den Durchschnitt aller
Behandlungsfälle verlassen; die hierfür angesetzte (einfache) Gebühr von 7,15
DM lässt auch erkennen, dass der Verordnungsgeber solchen Maßnahmen kein
besonderes Gewicht beimisst - jedenfalls kein Gewicht, dass eine
Überschreitung des Schwellenwerts im Umfang von 74,24 Euro, dem
Zwanzigfachen einer einfachen Gebühr nach Nr. 203 GOZ a. F., rechtfertigen
würde.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10
ZPO.
42 Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 63
Abs. 3 Satz 2 BeamtStG, § 127 BRRG).