Urteil des OVG Niedersachsen vom 17.04.2013

OVG Lüneburg: eugh, mitgliedstaat, aeuv, klagebefugnis, gemeinschaftsrecht, stadt, meldung, niedersachsen, ausweisung, überprüfung

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Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie.
1. Die Erteilung des Einvernehmens zu dem Entwurf der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie
stellt eine vorbereitende verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung der
Bundesrepublik Deutschland an dem Zustandekommen eines Rechtsakts der
Europäischen Kommission dar, die selbst keine Außenwirkung hat und
deshalb keine Rechtswirkungen entfaltet, die eine Verletzung von Rechten
Dritter begründen könnten.
2. Es besteht im Hinblick auf die Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4
Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie kein besonderes schützenswertes Interesse
an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes, weil in
ausreichendem Umfang nachträglicher Rechtsschutz gegen eventuelle der
Aufstellung der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung
nachfolgende nationale Umsetzungsakte zur Verfügung steht, der auch die
Prüfung der Gültigkeit dieser Liste einschließt.
OVG Lüneburg 4. Senat, Urteil vom 17.04.2013, 4 LC 34/11
Art 267 AEUV, Art 4 EWGRL 43/92
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die beabsichtigte Erteilung des Einvernehmens
durch die Beklagte zu dem von der Europäischen Kommission erstellten Entwurf
einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung für die atlantische
Region nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild
lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) in Bezug auf das Gebiet Unterems
und Außenems.
Die Klägerin betreibt eine Werft, deren Standort in der Stadt Papenburg an der
Ems gelegen und ungefähr 30 km von der Nordsee entfernt ist. Tideunabhängig
ist die Befahrbarkeit der Ems von Papenburg zur Nordsee bis zu einer
Wassertiefe von 5,60 m gewährleistet. Zur Überführung großer Schiffe mit einem
Tiefgang von bis zu 7,30 m, insbesondere von Kreuzfahrtschiffen, auf deren Bau
die Klägerin sich spezialisiert hat, wird die Ems durch sogenannte
Bedarfsbaggerungen vertieft. Der Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Nordwest vom 31. Mai 1994 gestattet es der Stadt
Papenburg, dem Landkreis Emsland und dem Wasser- und Schifffahrtsamt
Emden, den Fluss bei Bedarf entsprechend auszubaggern. Unter dem 11. und
13. Oktober 1996 haben die Beklagte, das Land Niedersachsen, die Landkreise
Emsland und Leer und die Stadt Papenburg vereinbart, dass die Beklagte die
zur Herstellung der mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Mai 1994
festgestellten Bedarfstiefe von 7,30 m erforderlichen
Wiederholungsbaggerungen ab dem 1. Januar 1997 durchführt und hierfür die
Kosten trägt. Zur Überführung noch größerer Schiffe mit einem Tiefgang von bis
zu 8,50 m kann die Ems auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses
der Bezirksregierung Weser-Ems vom 31. August 1998 durch das
Emssperrwerk zwischen Gandersum und Nendorp aufgestaut werden.
Die Beklagte meldete der Europäischen Kommission am 17. Februar 2006 ein
Gebiet mit der Bezeichnung “Unterems und Außenems“ (DE 2507-331) als
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mögliches Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der FFH-
Richtlinie. Dieses Gebiet beginnt ungefähr auf der Höhe der Stadt Leer ca. 10
km nördlich der Werft der Klägerin und erstreckt sich bis in das Mündungsgebiet
der Ems hinein. Die Europäische Kommission nahm dieses Gebiet in ihren
Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung für die
atlantische Region auf und bat die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2007,
hierzu ihr Einvernehmen nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie zu
erteilen. Die Beklagte möchte dem nachkommen.
Dagegen hat die Klägerin sich mit ihrer am 26. Juni 2007 erhobenen Klage
gewandt.
Gleichzeitig beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht, der Beklagten im
Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache zu untersagen, ihr Einvernehmen gegenüber der Europäischen
Kommission im Hinblick auf das Gebiet Unterems und Außenems gemäß Art. 4
Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie zu erteilen. Diesen Antrag lehnte das
Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 2. Juli 2007 (1 B 1815/07) ab. Im
Beschwerdeverfahren nahm die Klägerin ihren Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes mit Schriftsatz vom 15. Februar 2008 zurück.
Daraufhin wurde das Verfahren durch Senatsbeschluss vom 19. Februar 2008
(4 ME 639/07) eingestellt.
Das Klageverfahren setzte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 20.
Mai 2008 aus, weil es in dem Parallelverfahren der Stadt Papenburg gegen die
Bundesrepublik Deutschland (1 A 510/08) dem Europäischen Gerichtshof durch
Beschluss vom 13. Mai 2008 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt
hatte:
“1. Erlaubt es Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates
vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der
wildlebenden Tiere und Pflanzen einem Mitgliedstaat, sein Einvernehmen zu
dem von der Kommission erstellten Entwurf einer Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung im Hinblick auf ein oder mehrere Gebiete aus
anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern ?
2. Wenn Frage 1 bejaht wird: Zählen zu diesen Gründen auch Belange von
Gemeinden und Gemeindeverbänden, insbesondere deren Planungen,
Planungsabsichten und andere Interessen im Hinblick auf die weitere
Entwicklung des eigenen Gebiets ?
3. Wenn die Fragen zu 1 und 2 bejaht werden: Verlangen der 3.
Erwägungsgrund der Richtlinie 92/43/EWG oder Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie
oder andere Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sogar, dass derartige
Gründe von den Mitgliedstaaten und der Kommission bei der Erteilung des
Einvernehmens und bei der Erstellung der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung berücksichtigt werden ?
4. Wenn Frage 3 bejaht wird: Könnte – aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht –
eine von der Aufnahme eines bestimmten Gebiets in die Liste betroffene
Gemeinde nach der endgültigen Festlegung der Liste in einem gerichtlichen
Verfahren geltend machen, die Liste verstoße gegen Gemeinschaftsrecht,
weil ihre Belange nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden ?
5. Sind fortlaufende Unterhaltungsmaßnahmen in der Fahrrinne von
Ästuarien, die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie
92/43/EWG nach nationalem Recht endgültig genehmigt wurden, bei ihrer
Fortsetzung nach Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung einer Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs.
3 bzw. 4 der Richtlinie zu unterziehen ?“
Der Europäische Gerichtshof entschied daraufhin durch Urteil vom 14. Januar
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2010 in der Sache “Stadt Papenburg gegen Bundesrepublik Deutschland“ (C-
226/08) Folgendes:
“1. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai
1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden
Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom
20. November 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es
einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein Einvernehmen zur Aufnahme eines
oder mehrerer Gebiete in einen von der Europäischen Kommission erstellten
Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aus
anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern.
2. Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2006/105
geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass fortlaufende
Unterhaltungsmaßnahmen in der Fahrrinne von Ästuarien, die nicht
unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür
nicht notwendig sind und die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der
Richtlinie 92/43 in der durch die Richtlinie 2006/105 geänderten Fassung
nach nationalem Recht genehmigt wurden, bei ihrer Fortsetzung nach
Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 dieser Richtlinie einer
Verträglichkeitsprüfung nach diesen Vorschriften zu unterziehen sind, soweit
sie ein Projekt darstellen und das betreffende Gebiet erheblich
beeinträchtigen könnten.
Wenn diese Unterhaltungsmaßnahmen u. a. im Hinblick darauf, dass sie
wiederkehrend anfallen, auf ihre Art oder auf die Umstände ihrer Ausführung
als einheitliche Maßnahme betrachtet werden können, insbesondere, wenn
sie den Zweck haben, eine bestimmte Tiefe der Fahrrinne durch regelmäßige
und hierzu erforderliche Ausbaggerungen beizubehalten, können sie als ein
einziges Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 in der durch
die Richtlinie 2006/105 geänderten Fassung angesehen werden.“
Die zweite, dritte und vierte Vorlagefrage ließ der Europäische Gerichtshof im
Hinblick auf seine Antwort auf die erste Vorlagefrage unbeantwortet.
Am 4. Juni 2010 nahm das Verwaltungsgericht das Klageverfahren wieder auf.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen Folgendes
vorgetragen: Durch die beabsichtigte Einvernehmenserteilung sei ihre
wirtschaftliche Entwicklung bedroht. Das vorgesehene Schutzgebiet erfülle nicht
die Voraussetzungen für die Unterschutzstellung. Der Gebietsvorschlag sei nicht
naturschutzfachlich begründet. Auch wenn nach dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 14. Januar 2010 (C-226/08) bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens durch die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 FFH-
Richtlinie nur naturschutzfachliche Kriterien berücksichtigt werden dürften,
ergebe sich noch ein hinreichender, nicht europarechtlich determinierter
Entscheidungsspielraum, der vom Mitgliedstaat auszufüllen sei. Der Anhang III
der FFH-Richtlinie lege zwar für die Phase 1 klare Kriterien für die Auswahl der
zu meldenden Gebiete fest, nicht jedoch für die Phase 2 in Bezug auf die
Erteilung des Einvernehmens im Falle von Gebieten ohne prioritäre Arten und
Lebensraumtypen. Der Richtlinie könne auch nicht entnommen werden, dass
alle gemeldeten Gebiete automatisch als auswahlwürdig anzusehen seien. Die
Richtlinie enthalte auch keine Regelung für die Fälle, in denen sowohl eine
Verweigerung als auch eine Erteilung des Einvernehmens möglich sei. Aus
diesen Gründen habe die Auswahlentscheidung des Mitgliedstaates
planerischen Charakter. Der Mitgliedstaat müsse selbst festlegen, welche
weiteren Ausdifferenzierungen und Wertungsmaßstäbe bei der Ausübung des
Einvernehmens heranzuziehen seien. Dabei sei der Mitgliedstaat an
innerstaatliches Recht gebunden. Die Beklagte sei daher verpflichtet,
Rechtspositionen Dritter, insbesondere Grundrechtsbetroffener, zumindest
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abwägend zu berücksichtigen. In ihrem Falle ergäben sich die insoweit von der
Beklagten zu berücksichtigenden Rechte und ihre Klagebefugnis analog § 42
Abs. 2 VwGO aus der möglichen Verletzung des allgemeinen
Abwägungsgebotes, aus dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, aus sonstigen
verfassungsrechtlichen Schutzpflichten, aufgrund derer die Beklagte das durch
die rechtswidrige Meldung des Gebiets Unter- und Außenems als mögliches
FFH-Gebiet eingetretene Verschlechterungsverbot im Wege der Versagung des
Einvernehmens zu beseitigen habe, und aus dem Vertrag der Beklagten mit den
Landkreisen Emsland und Leer, dem Land Niedersachsen und der Stadt
Papenburg vom 11. Oktober 1996, weil es sich dabei um einen Vertrag mit
Schutzwirkung zu ihren Gunsten handele und die Beklagte danach alle
Maßnahmen zu unterlassen habe, welche die bestehenden
Schiffsüberführungsmöglichkeiten nachhaltig gefährden könnten. Es bestehe in
ihrem Falle auch ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für den von ihr geltend
gemachten vorbeugenden Rechtsschutz. Denn Art. 19 Abs. 4 GG verlange eine
wirksame gerichtliche Kontrolle, bevor vollendete Tatsachen geschaffen würden.
Hier sei eine detaillierte rechtliche Überprüfung der Entscheidung der zwar zur
eigenen Bewertung der gemeldeten Gebiete berechtigten, aber hierzu wohl
kaum verpflichteten Kommission über die Liste der Gebiete nach Art. 4 Abs. 2
FFH-Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof in Anbetracht des
komplexen, gestuften Ausweisungsverfahrens mit schwerpunktmäßiger
Verantwortung der Mitgliedstaaten und der funktionell rechtlichen Grenzen
seiner Rechtsprechung gegenüber Unionsorganen unwahrscheinlich, was auch
durch das in dem Parallelverfahren der Stadt Papenburg gegen die
Bundesrepublik Deutschland (1 A 510/08) eingeholte Gutachten von Prof. Dr. N.
vom 8. April 2010 bestätigt werde. Außerdem bestehe grundsätzlich die Gefahr
der Überspielung nationaler Rechtsbindungen, wenn diese bei der Erteilung des
Einvernehmens nicht geprüft würden. Zudem würden die ihr zur Verfügung
stehenden alternativen Rechtschutzmöglichkeiten nicht mit der gleichen
Intensität Rechtsschutz bieten. Denn eine hinreichende Prüfung der Verletzung
nationaler Rechtsbindungen bei der Einvernehmenserteilung könne im Rahmen
des nachträglichen Rechtsschutzes weder direkt vor den europäischen
Gerichten noch vor den nationalen Gerichten unter Inanspruchnahme der
Vorlagemöglichkeit zum Europäischen Gerichtshof erreicht werden. Es treffe
nicht zu, dass die Gemeinschaftsorgane und der Europäische Gerichtshof für
sich eine Prüfungspflicht hinsichtlich der naturschutzfachlichen Eignung eines
vorgeschlagenen FFH-Gebietes anerkannt hätten. Vielmehr habe der
Europäische Gerichtshof in der Draggagi-Entscheidung lediglich festgestellt,
dass die Kommission berechtigt sei, bei ihrer Ansicht nach fehlender Eignung
eines vom Mitgliedstaat gemeldeten Gebiets von einer Aufnahme in die Liste
abzusehen. Von einer Prüfungspflicht sei ebenso wenig die Rede gewesen wie
von der Prüfungsdichte, die der Europäische Gerichtshof gegebenenfalls für
sich in Anspruch nehmen würde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der EU-Kommission das
Einvernehmen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 1 FFH-Richtlinie im
Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-
Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems endgültig zu
verweigern,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der EU-Kommission das
Einvernehmen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 1 FFH-Richtlinie für
das durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie
gemeldete Gebiet Unterems und Außenems hinsichtlich des flussaufwärts
ab Gandersum gelegenen Gebietsteiles zu unterlassen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei. Der
Klägerin fehle für den von ihr begehrten vorbeugenden Rechtsschutz das
erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis. Die Erklärung des
Einvernehmens löse keine die Klägerin belastenden Rechtswirkungen aus.
Durch die Erklärung des Einvernehmens zum Entwurf der Gemeinschaftsliste
ändere sich an dem bestehenden Schutzstatus der betreffenden Gebiete nichts.
Erst mit der tatsächlichen Unterschutzstellung der Gebiete und dem Vollzug des
dann errichteten Schutzregimes könnten gegebenenfalls weitere Rechtsfolgen
für die Betroffenen entstehen. Dagegen stünden jedoch ausreichende und
wirksame Möglichkeiten nachträglichen Rechtsschutzes zur Verfügung.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. November 2010 die Klage
abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt:
“Die Klage ist mit Haupt- und Hilfsantrag unzulässig, weil es der Klägerin an
der erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Die deutsche
Verwaltungsgerichtsbarkeit ist gegeben. Es ist unerheblich, ob die Behörden
aufgrund deutschen Rechts oder Gemeinschaftsrechts - hier Art. 4 Abs. 2
FFH-RL - handeln. Ob Gemeinschaftsrecht ausschließlich oder neben
nationalem Recht zur Anwendung kommt, ist Frage der Zulässigkeit oder der
Begründetheit, nicht aber des Zugangs zur nationalen Gerichtsbarkeit. Auch
wenn die Werft der Klägerin in der Stadt Papenburg und somit außerhalb des
Bezirks des erkennenden Gerichts liegt, ist die örtliche Zuständigkeit des
Gerichts gegeben. Sie ergibt sich aus § 52 Nr. 1 VwGO. Die Flächen, die in
die Liste der FFH-Gebiete aufgenommen werden sollen, liegen im Bezirk des
Verwaltungsgerichts Oldenburg. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage
in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage zwar statthaft, es fehlt
aber an der für die Zulässigkeit erforderlichen Klagebefugnis. Auch die in der
VwGO nicht ausdrücklich geregelte allgemeine Leistungsklage setzt ebenso
wie die anderen Klagearten der VwGO eine Klagebefugnis voraus, d. h. die
Verletzung eigener Rechte muss möglich erscheinen. Deshalb kann eine -
vorbeugende - Unterlassungsklage nicht zur Klärung der objektiven
Rechtslage, sondern nur zum Schutz eigener Rechte erhoben werden. Die
Klagebefugnis kann sich aus Gesetzen oder der Verfassung ergeben. Im
nationalen Fachplanungsrecht, auch im Naturschutzrecht, ist mit dem
Abwägungsgebot ein Recht auf Geltendmachung eigener Belange der von
der Planung betroffenen Gewerbetreibenden verbunden. Hier ergeben sich
jedoch aus der anzuwendenden Rechtsnorm solche Rechte nicht. Die
Klägerin kann nicht geltend machen, ein Abwägungsgebot, ein Recht am
ausgeübten Gewerbetrieb, verfassungsrechtliche Schutzpflichten oder die
Wirkungen des Vertrages zu den Bedarfsbaggerungen könnten ihr subjektive
Rechte vermitteln, die durch die Einvernehmenserteilung verletzt sein
könnten. Die von der Klägerin angeführten Grundlagen für die behaupteten
Rechte könnten sich vielleicht aus dem nationalen Recht ergeben, das hier
aber nicht zum Tragen kommt. Es geht nicht um nationales
(Naturschutz)Recht, sondern ausschließlich um die Anwendung von
Gemeinschaftsrecht. Die hier einschlägige - verfahrensrechtliche - Norm des
Art. 4 Abs. 2 UA 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der
natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom
21. Mai 1992 (nachfolgend: FFH-RL) sieht die Berücksichtigung
wirtschaftlicher Erwägungen nicht nur nicht vor, sondern schließt sie aus. In
dem gemeinschaftsrechtlichen Verfahren zur Einvernehmenserteilung nach
Art. 4 Abs. 2 UA1 FFH-RL fehlt es an einer wehrfähigen Rechtsposition der
von der künftigen Gebietsausweisung möglicherweise Betroffenen. Wenn
jedoch eine Norm in Übereinstimmung mit ranghöherem Recht ausdrücklich
oder nach Sinn und Zweck Rechte des Betroffenen ausschließt, kann eine
Klagebefugnis nicht gegeben sein, weil Rechte nicht verletzt sein können
(Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. Anm. 159 zu § 42 VwGO). Die
hier anzuwendende FFH-RL genießt als Gemeinschaftsrecht nach Art. 23
Abs. 1 S. 1 GG gegenüber nationalem Recht einen Anwendungsvorrang, der
auch die Berufung auf Verfassungsrecht einschränkt. Für die erste Phase der
Gebietsausweisung nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL war gesicherte
Rechtsprechung, dass wirtschaftliche Belange außer Betracht bleiben
müssen (vergl. EuGH, U. v. 07.11.2000, Rs. C- 371/98, NVwZ 2001, 1147;
BVerwG, U. v. 19.05.1998, 4 A 9/97, BVerwGE 107, 1, 24; U. v. 27.01.2000, 4
C 2/99, BVerwGE 110, 302 ff.). Nach der Vorlage des erkennenden Gerichts
an den Europäischen Gerichtshof in der Parallelsache 1 A 510/08 ist jetzt
durch das Urteil des EuGH vom 14. Januar 2010 (Rs. C-226/08) geklärt, dass
auch in der zweiten Phase für eine solche Prüfung kein Raum ist. Damit
dürfen die von der Klägerin geltend gemachten Interessen nicht Gegenstand
der Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des Einvernehmens sein.
Die Klägerin kann deshalb nicht in Rechten auf Berücksichtigung ihrer
Belange verletzt sein, weil die von ihr für maßgeblich gehaltenen Erwägungen
gar nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung der Beklagten sein
dürfen. Dem Urteil des EuGH lag zwar die Klage einer Gemeinde zu Grunde,
die sich auf ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG
berief. Es ist jedoch auch auf die Klagen von Unternehmen anwendbar, die
durch die Gebietsausweisung Einschränkungen ihrer gewerblichen Tätigkeit
befürchten. Dem EuGH ging es nicht speziell um kommunale Belange,
sondern allgemein um die Möglichkeit von Betroffenen, ihre nicht
naturschutzfachlichen Interessen einzubringen. Deshalb ist die Antwort auf
die erste Vorlagefrage auch nicht nur bezogen auf kommunale
Selbstverwaltungsrechte, sondern allgemein formuliert, dass es einem
Mitgliedsstaat nicht erlaubt ist, sein Einvernehmen aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu versagen. In den Absätzen 29 bis 32 der
Gründe ist für alle Einwendungen von Betroffenen ausgeführt, dass andere
als naturschutzfachliche Gründe nicht beachtet werden dürfen. Anderenfalls
wäre die Erreichung des Zieles der Richtlinie gefährdet. Die
Beurteilungskriterien sind ausschließlich in den Anhängen I und II der
Richtlinie definiert, die wirtschaftliche Belange nicht enthalten. Eine
(nochmalige) Vorabentscheidung mit den Fragen aus dem Schriftsatz der
Klägerin vom 5. Mai 2010 im Parallelverfahren 1 A 510/08 ist nicht geboten.
Der Rechtsstreit kann mit der bisherigen Rechtsprechung sowohl des EuGH
als auch der nationalen Gerichte entschieden werden. Eine dem
gemeinschaftsrechtlich geregelten Verfahren vorgelagerte
Entscheidungskompetenz der deutschen Behörden, die nach nationalem
Recht und damit unter Berücksichtigung auch der nationalen Gestaltungs-
und Mitwirkungsrechte von Betroffenen gerichtlich zu überprüfen wäre, kann
nicht angenommen werden. Die verfahrensrechtliche Beteiligung ist in Art. 4
FFH-RL ebenso abschließend geregelt wie die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen, an denen sich die Behörden der Mitgliedstaaten
auszurichten haben. Selbst wenn die Auswahlentscheidung und die
Beurteilungskriterien des Art. 4 Abs. 2 FFH-RL eine "zutiefst politische
Wertung" erfordern, spricht nichts dafür, dass die Ausfüllung dieser
Entscheidungsräume nach nationalem Recht, und somit im Falle der
Bundesrepublik auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange von
betroffenen Unternehmen erfolgen könnte oder müsste. Auch wenn man die
Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 FFH-RL für die Listung und
Meldung von Gebieten als "Eckpunkte" oder "Entscheidungsrahmen"
versteht, führt das nicht zu einer ergänzenden Anwendung nationalen
Rechts, wie sie die Vorlagefragen aus dem Schriftsatz vom 5. Mai 2010
voraussetzen. Komplexe Sachverhalte mit wertenden Entscheidungen sind
nicht nur im Naturschutzrecht durch gemeinschaftliches Sekundärrecht zu
bewältigen. Der EuGH hat den Unionsorganen bei diesen Sachverhalten
einen großen Einschätzungsspielraum zugestanden, der außerhalb
gerichtlicher Überprüfung liegt. Anders als die deutsche
Verwaltungsrechtsprechung unterscheidet die Rechtsprechung des
Gerichtshofes nicht scharf zwischen Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe,
Beurteilungsspielraum und Ermessen. Das mag bei einer großzügigen
Prüfung der Abwägungsfehler und bei einer zu Gunsten der Unionsorgane
ausgeübten Verhältnismäßigkeitskontrolle zu einer nach deutschem
Verwaltungsrechtsverständnis geringen Kontrolldichte führen (vergl. M.
Herdegen, Europarecht, 12. Aufl. § 9 VII). Diese Methodik des Gerichtshofes
ist aber gemeinschaftsrechtlich bedingt und kann nicht zu einer ergänzenden
nationalen Kontrolle führen, wie sie die Klägerin wegen der aus der VwGO
herrührenden intensiveren Kontrolldichte für erforderlich hält. Im übrigen hat
der EuGH in seinem Urteil vom 14. Januar 2010 (Abs. 31) ausreichend klar
zum Ausdruck gebracht, dass wie auch immer geartete nationale
Erwägungen außer naturschutzfachlichen nicht zulässig sind. Der
Gerichtshof will der Gefahr begegnen, dass bei Zulassung anderer Kriterien,
als sie in Anhang III der FFH-RL aufgeführt sind, die Ziele der Richtlinie nicht
erreicht werden können. Damit ist für Erwägungen außerhalb der Richtlinie
kein Platz. Insbesondere wertende Beurteilungen der Mitgliedstaaten, wie sie
etwa bei der Entscheidung zur Ausweisung von Schutzgebieten nach
deutschem Naturschutzrecht anzustellen sind (vergl. Blum/Agena/Franke,
NNatschG, §§ 24-34 Rdnr. 14 und 15), sind nicht zulässig. Gegen die
Einschränkung bei der Abwehr der Einvernehmenserteilung nach Art. 4 Abs.
2. UA 1 FFH-RL durch eventuell Betroffene sind weder vom EuGH noch von
der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 09. Juli 2009 Bedenken
insbesondere hinsichtlich des auch gemeinschaftsrechtlich garantierten
Eigentumsgrundrechts geäußert worden. In den Schlussanträgen ist
ausgeführt, dass die Einbeziehung wirtschaftlicher Aspekte und damit auch
die Eigentumsausübung ausreichend bei den Entscheidungen nach Art. 6
Abs. 4 FFH-RL berücksichtigt werden kann. Auch unter Beachtung der
Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG ist gegen die sich aus der
Ablehnung der Klagebefugnis ergebende Versagung vorbeugenden
Rechtsschutzes nichts einzuwenden, weil Rechte der Klägerin als
Gewerbetreibende und Eigentümerin in späteren Verfahren ausreichend
geltend gemacht werden können. Vorbeugender Rechtsschutz gegen
drohende Verfahrensakte ist nur ausnahmsweise und nur dann zulässig,
wenn ein besonderes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis die Gewährung
vorbeugenden Rechtsschutzes mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot
effektiven Rechtsschutzes erfordert (BVerwG, B. v. 12.06.2008, 7 B 24/08,
NVwZ 2008, 1011, Rdnr. 11; vergl. Nds. OVG, B. v. 12.07.2000, 3 M 1605/00,
juris; B. v. 21.03.2006, 8 LA 150/02, Vnb). Diese Ausnahmegründe liegen hier
nicht vor. Nachteilige unmittelbare Folgen entstehen für die Klägerin nicht
durch die Meldung des Gebietes, sondern frühestens nach der Entscheidung
der Kommission und Aufnahme in die Gemeinschaftsliste. Ob schon gegen
die Kommissionsentscheidung nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL Rechtsschutz nach
Gemeinschaftsrecht mit der sog. Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV
erreicht werden kann, mag offen bleiben (vergl. dazu OVG Bremen, U. v.
31.05.2005, 1 A 346/02, NuR 2005, 654 ff; und B. des Präsidenten des
Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft v. 05.07.2005, T–
117/05 R – Rodenbröker u.a., juris ). Entscheidend sind die ausreichenden
Rechtsschutzmöglichkeiten nach nationalem Recht gegen die mit der
Umsetzung der Kommissionsentscheidung verbundenen und sich
ergebenden Maßnahmen und Einschränkungen. Bis zur nationalen
Ausweisung als Schutzgebiet treten gem. Art. 4 Abs. 5 FFH-RL schon mit der
Bekanntgabe der Gebiete Rechtsfolgen ein (vergl. § 7 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG
v. 29.07.2009, BGBl 2542, entspr. § 10 Abs. 6 BNatSchG v. 25.03.2002 -
BNatschG a.F-). Bis zur Unterschutzstellung sind Vorhaben, Maßnahmen,
Veränderungen oder Störungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des
Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen
können, vorbehaltlich einer ausnahmsweisen Zulassung verboten. Dieser
Schutz ist nur vorübergehend bis zur Unterschutzstellung der Gebiete durch
die Mitgliedsstaaten. Endgültiger Schutz wird dadurch gewährt, dass die
deutschen Behörden die in die Liste aufgenommen Gebiete gem. § 32 Abs. 2
BNatSchG (entspr. § 33 Abs. 2 BNatSchG a.F.) zu geschützten Teilen von
Natur und Landschaft zu erklären haben. Daraus folgen normative allgemeine
Gebote und Verbote nach § 33 Abs. 3 BNatSchG (§ 33 Abs. 3 BNatSchG
a.F) und einzelfallbezogene Verwaltungsakte. Für die Nutzung und
Inanspruchnahme des Schutzgebietes gilt dann § 33 BNatSchG. Die
Zulassung von Projekten bestimmt sich dann nach § 34 BNatSchG (entspr. §
34 BNatSchG a.F.). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für
Betroffene von Maßnahmen deutscher Behörden auf Grund der FFH-RL bzw.
auf Grund der Umsetzungsvorschriften des BNatSchG ausreichend
Rechtsschutz durch abstrakte oder inzidente Normenkontrolle erlangt werden
kann.( BVerwG, B. v. 12.06.2008, 7 B 24/08, NVwZ 2008, 1011; B. v.
07.04.2006, 4 B 58/05, NVwZ 2006, 822; OVG Münster, B. v. 23.01.2008, 8 A
154/06, juris; weitere Nachweise bei Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht,
§ 33 BNatschG Anm. 68 und bei Nds. OVG, B. v. 21.03.2006, 8 LA 150/02,
Vnb). Dabei kann vor nationalen Gerichten die Rechtswidrigkeit der
Kommissionsentscheidung geltend gemacht werden (OVG Münster, aaO).
Wenn der Schutz der Unterems und Außenems als gelistetes Gebiet durch
eine Gebietsausweisung gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG (§ 33 Abs. 2
BNatschG a. F.) erfolgt, kann die Rechtmäßigkeit durch einen
Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO i. V. m. § 7 Nds. AG -VwGO überprüft
werden, soweit die Klägerin geltend machen kann, durch die Ausweisung in
ihren Rechten als Gewerbetreibende verletzt zu sein. Aber auch inzident
kann die Unterschutzstellung von deutschen Gerichten überprüft werden. Die
Unterschutzstellung der Unterems und Außenems wird Auswirkungen auf die
Befahrbarkeit für große Seeschiffe haben, deren Einschränkung die Klägerin
befürchtet und als Beeinträchtigung oder gar als Verhinderung ihrer
wirtschaftlichen Entwicklung als Werft abwenden will. So werden
beispielsweise wohl Baggerungen, auch wenn sie bereits durch
Planfeststellungen genehmigt sind, einer Überprüfung als Projekt nach der
FFH-RL bedürfen. Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 14. Januar 2010
auf die Vorlagefrage der erkennenden Kammer dahin geäußert, dass
Unterhaltungsmaßnahmen nach der Aufnahme des Gebietes in die
Kommissionsliste eine Verträglichkeitsprüfung nach Art.6 Abs. 3 und Abs. 4
FFH-RL erfordern könnten (Abs. 50 UA). Diese würde nach § 34 BNatSchG
(§ 34 BNatSchG a.F.) erfolgen. Soweit die Klägerin davon in ihren Rechten
verletzt sein könnte, kann sie gegen Nutzungsbeschränkungen des
Fahrwassers der Ems die Verwaltungsgerichte anrufen, die bei
entsprechender Entscheidungserheblichkeit auch zu klären haben, ob die
Aufnahme des Gebietes in die Gemeinschaftsliste mit den Bestimmungen der
FFH-RL, aber auch mit höherrangigem europäischen Recht zu vereinbaren
ist. Wenn nach Ansicht der Verwaltungsgerichte die Aufnahme der Unterems
und Außenems in die Gemeinschaftsliste mit der FFH-RL und/oder
höherrangigen europarechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist, legen sie
dem Europäischen Gerichtshof die Frage nach der Wirksamkeit der Listung
des betreffenden Gebiets im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267
AEUV (ehem. Art. 234 EGV) vor. Der Gerichtshof prüft, ob das gelistete
Gebiet zu Recht auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) der FFH-
Richtlinie festgelegten Kriterien in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist (vergl. EuGH, Urt. v.
13. 1. 2005, Rs. C 117/03 -Dragaggi-, NVwZ 2005, S. 311). Mit diesen
gestuften gerichtlichen Kontrollen ist ausreichender nachträglicher
Rechtsschutz von Gewerbetreibenden außerhalb des Schutzgebietes gegen
die Listung der Unterems und Außenems gegeben. Die Effektivität dieses
Rechtsschutzes wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Prüfung der
Liste von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung nicht nach deutschem
Recht einschließlich der Grundrechte stattfindet, sondern dem
Gemeinschaftsrecht unterliegt. Es ist unerheblich, wenn die "Ermittlungstiefe"
des Europäischen Gerichtshofs anders gestaltet ist als das
Amtsermittlungsprinzip der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit, (Nds.
OVG, B. v. 21.03.2006, 8 LA 150/02, Vnb). Der Europäische Gerichtshof
entwickelt auf Grund der ihn bindenden Normen eine eigene Methodik und
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auch eine eigenständige Dogmatik, die sich nicht am Prozessrecht oder
Verfahrensrecht nur eines Mitgliedsstaates orientiert. Unter dem
Gesichtspunkt der Gewährleistung von Grundrechten ist gegen die
Versagung des vorbeugenden Rechtsschutzes nichts einzuwenden. Das von
der Klägerin aus Art. 14 Abs. 1 GG in Anspruch genommene Recht auf den
ausgeübten Gewerbetrieb oder das grundrechtliche Abwägungsgebot
kommen hier nicht zum Tragen. Deutsche Gerichte können den Vollzug von
Gemeinschaftsrecht nicht auf die Vereinbarkeit mit den Grundrechten des
Grundgesetzes überprüfen. Solange wirksamer Grundrechtsschutz durch
Gerichte der Gemeinschaft gesichert ist, wird das BVerfG seine
Gerichtsbarkeit über die Anwendung von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht
nicht ausüben. Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG sind somit unzulässig
(BVerfG, B. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387)). Deshalb
müsste die Vorlage im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar
gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist (BVerfG, B. v.
07.06.2000, 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (162); M. Herdegen, Europarecht,
12. Aufl., § 10 Rdnr. 29). Eine solche Begründung ist hier nicht ersichtlich. Die
Klägerin ist Trägerin von Grundrechten nach gemeinschaftlichem Primärrecht
und kann diese Rechte in dem in den Verträgen vorgesehenen und vom
BVerfG für ausreichend gehaltenen gemeinschaftsrechtlichen
Rechtsschutzverfahren geltend machen.“
Gegen dieses ihr am 31. Januar 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7.
Februar 2011 die vom Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene
Berufung eingelegt.
Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin zunächst ihr bisheriges
erstinstanzliches Vorbringen wie folgt zusammengefasst und ergänzt: In dem
betroffenen Gebiet seien weder prioritäre Arten noch prioritäre Lebensraumtypen
anzutreffen. Für den Gebietstyp Ästuar seien Unter- und Außenems nicht
repräsentativ und in einem sehr schlechten Erhaltungszustand. Tideunabhängig
sei die Befahrbarkeit der Ems nach Papenburg lediglich bis zu einer Wassertiefe
von 5,60 m gewährleistet. Die Überführung der von ihr produzierten Schiffe sei
wegen deren deutlich größeren Tiefgangs von bis zu 8 m nur durch den Aufstau
der Ems mit Hilfe des Emssperrwerkes möglich und setze darüber hinaus die
Durchführung von Baggerungen voraus. Ohne diese Bedarfsbaggerungen
würde es in Kürze zur Aufladung in der Fahrrinne kommen. Würde durch die
Ausweisung der Ems als Schutzgebiet nach der FFH-Richtlinie eine
Verträglichkeitsprüfung nach dieser Richtlinie erforderlich, dann würde die
weitere Durchführung dieser Baggerungen im Hinblick auf die dann geltenden
rechtlichen Vorgaben ernsthaft in Frage gestellt. Dies würde zu einer
Gefährdung ihrer Existenz führen. Bereits die Befürchtung derartiger
Schwierigkeiten sei geeignet, gegenwärtige und potentielle Auftraggeber von der
Erteilung neuer Aufträge abzuhalten. Schon jetzt sei die Überführung von
Seeschiffen über die Ems nur mit von der Jahreszeit abhängigen
Einschränkungen möglich. Da diese Einschränkungen mit Rücksicht auf die
mögliche Ausweisung des Gebietes Unter- und Außenems als FFH-Gebiet
vorgenommen worden seien, bestehe die Aussicht, dass diese
Einschränkungen zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht würden,
wenn die Beklagte ihr Einvernehmen nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der FFH-
Richtlinie verweigere. Aus einem im März 2008 abgeschlossenen, im Auftrag
des Landkreises Emsland erstellten Gutachten des Institutes für
Seeverkehrswirtschaft und Logistik ergebe sich, dass der Bedarf an immer
größer werdenden Kreuzfahrtschiffen steige. Daraus folge, dass sie ihre
derzeitige Marktstellung nur dann erhalten könne, wenn sie auch künftig in der
Lage sei, große Schiffe zu liefern, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass es
auf der Welt nur noch eine Hand voll konkurrierender Unternehmen gebe, deren
Standorte sich jedoch durchweg direkt an der Küste befänden, so dass die
heute vom Markt geforderten Tiefgänge für die Konkurrenten regelmäßig kein
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Problem darstellten.
Zur rechtlichen Würdigung hat die Klägerin weiter ausgeführt: Ihre Klagebefugnis
ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 GG und dem Recht des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebes. Denn mit der Einvernehmenserteilung werde ein
Kausalverlauf in Gang gesetzt, der letztlich zur Ausweisung des Gebietes als
FFH-Gebiet führen werde. Dies werde zwangsläufig Folgen für die Ems als
Seeschifffahrtstraße und Überführungsweg haben. Denn es sei zu befürchten,
dass die notwendigen Unterhaltungsbaggerungen auf der Ems einer
Verträglichkeitsprüfung bedürften und außerdem Schutz-und
Kohärenzmaßnahmen notwendig werden könnten. Im schlimmsten Falle
könnten die Baggerungen zur Erhaltung der gegenwärtigen Fahrwassertiefe
nicht bzw. nicht mehr auf dem bisherigen Niveau durchgeführt werden. Eine
Verweigerung des Einvernehmens würde demgegenüber die Ausweisung des
Gebietes verhindern. Da diese Gesichtspunkte von der Beklagten bei ihrer
Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt worden seien, liege eine
Verletzung ihrer Rechte auf der Hand. Der Beklagten dürfte bei der
Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens jedenfalls ein
naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zustehen. Wenn aber ein solcher
Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum bestehe, sei auch eine
Entscheidungskonstellation denkbar, in der sich der Mitgliedstaat sowohl für als
auch gegen das Einvernehmen rechtmäßig entscheiden könne. In diesem Falle
sei bei der Entscheidung aber jedenfalls im Hintergrund das nationale Recht zu
berücksichtigen. Anderes ließe sich nur annehmen, wenn die FFH-Richtlinie für
alle denkbaren Fälle ein hinreichendes Bewertungsschema vorgeben würde,
was aber im Hinblick auf den Wortlaut im Anhang III (Phase 2) der FFH-Richtlinie
zweifelhaft sei. Im vorliegenden Fall spreche einiges dafür, dass die Ausübung
des naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums sowohl die Erteilung des
Einvernehmens als auch dessen Verweigerung richtliniengemäß gestatte, womit
folglich eine Verletzung ihrer Rechte verbunden sei. Daraus ergebe sich auch,
dass es sich bei der Erteilung des Einvernehmens zu dem Entwurf der
Gebietsliste zwar auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts, nicht jedoch für die
Klägerin aus nationaler Sicht um ein Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung
handele. Denn die spezifische Funktion des Einvernehmens in dem gestuften
und miteinander verzahnten Aufstellungsverfahren sei gerade die
Wahrnehmung der Interessen des Mitgliedstaates. Folge man hingegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts, so dränge sich die Frage auf, ob der durch
die FFH-Richtlinie bewirkte Verstoß gegen ihre Rechte noch von der
Integrationsermächtigung des Grundgesetzes gedeckt sei. Wenn nämlich nach
Abarbeitung der naturschutzfachlichen Kriterien aus dem Anhang III (Phase 2)
der FFH-Richtlinie sowohl eine Einvernehmenserteilung als auch eine
Einvernehmensverweigerung möglich sei, müsse sich das Europarecht mit der
dann getroffenen Entscheidung des Mitgliedstaates zufrieden geben,
unabhängig davon, welche Erwägungen der Mitgliedstaat anschließend noch
anstelle. Eine darüber hinausgehende Auslegung der Richtlinie dahingehend,
dass der Mitgliedstaat jenseits der Regelung der Richtlinie weitere Erwägungen
nicht anstellen dürfe, würde die Befugnis des Europäischen Gerichtshofs zur
Auslegung des Sekundärrechts überschreiten und gleichzeitig einen Eingriff in
den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten bewirken. Ob der Gerichtshof seine
Entscheidung tatsächlich in diesem Sinne verstanden wissen möchte, sei
unklar. In Anbetracht der weit reichenden Folgen einer solchen Annahme
verbiete es sich jedenfalls, aus dem kargen Inhalt der Urteilsbegründung ohne
nochmalige Befassung des Gerichtshofs eine solche Schlussfolgerung zu
ziehen. Sofern die Richtlinie selbst den Mitgliedstaaten für alle Fälle eines
offenen Ergebnisses in der naturschutzfachlichen Beurteilung einen von
nationalem Recht nicht beeinflussten Letztentscheidungsspielraum zugestehe,
würden für die Gebietsbetroffenen belastende Regelungen eingeführt, die, weil
der Mitgliedstaat im Rahmen des Einvernehmens ohne Rechtsbindungen
entscheiden könne, nachträglich kaum überprüft werden könnten, was damit
auch das integrationsfeste Rechtsstaatsprinzip berühren würde. Ob aus diesen
Gründen die FFH-Richtlinie trotz des allgemeinen Vorrangs des
Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Einzelfall doch keine Geltung
beanspruchen könne, sei daher eine bislang nicht gelöste Rechtsfrage.
Jedenfalls könnten Rechtsverletzungen nicht ohne nähere Prüfung unter
Verweis auf den Geltungsbereich des Unionsrechts “hinweggefegt“ werden. Die
weitere Prüfung dieser rechtlichen Fragen habe daher im Rahmen der
Begründetheit zu erfolgen, so dass die Klagebefugnis ohne weiteres gegeben
sei. Dass das Verwaltungsgericht ihr besonderes Interesse für vorbeugenden
Rechtsschutz verneint habe, weil sie auch nach der Einvernehmenserteilung
noch nachträglichen Rechtsschutz vor den europäischen Gerichten erlangen
könne, sei zu beanstanden. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner
Dragaggi-Entscheidung mitnichten eine eigene Prüfungspflicht angenommen. Er
habe der Kommission lediglich das Recht zugestanden, einzelne von den
Mitgliedstaaten gemeldete Gebiete gleichwohl nicht als Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung auszuwählen. Zu einer möglichen Überprüfung
durch den Gerichtshof habe er in dieser Entscheidung nicht ein einziges Wort
verloren. Lediglich die Sahlstedt - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
vom 23. April 2009 enthalte eine grundsätzliche Aussage zur Möglichkeit
nachträglichen Rechtsschutzes. Der Gerichtshof habe darin aber nichts über die
Reichweite der Prüfung gesagt, insbesondere müsse angenommen werden,
dass wegen des gestuften Verfahrens zur Ausweisung der FFH-Gebiete in
jedem einzelnen Verfahrensstadium den jeweiligen Akteuren weit reichende
Beurteilungsspielräume zugestanden würden, so dass am Ende jedenfalls eine
bloße Unvertretbarkeitskontrolle erfolge. Im Übrigen hätte sie allenfalls die
Möglichkeit, im Wege des nachträglichen Rechtsschutzes die
Schutzgebietsausweisung nach nationalem Recht anzufechten. Da aber die
Prüfung der Auswahlwürdigkeit des Gebietes nach den Kriterien der FFH-
Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof im Vorlageverfahren
wahrscheinlich nur rudimentär erfolgen werde, müsse sie sich auf diese
unsichere Rechtsschutzmöglichkeit nicht verweisen lassen. Anderes würde
allenfalls dann gelten, wenn im Wege einer Vorabentscheidung der
Entscheidungs- und Prüfungsmaßstab des Gerichtshofs geklärt wäre. Selbst
wenn man aber die Möglichkeit einer Anfechtung der Schutzgebietsausweisung
unter Berücksichtigung der Vorlagebefugnis unter Rechtsschutzgesichtspunkten
für ausreichend halten wollte, würde dies im vorliegenden Fall nicht genügen.
Wenn nämlich die Mitgliedstaaten einen Beurteilungsspielraum hätten, dann
könnte die Aufnahme des betroffenen Gebietes in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung vom Europäischen Gerichtshof nicht mehr
rückgängig gemacht werden. Dieser prüfe dann nämlich allein die Einhaltung
des europäischen Rechts und danach wäre die Gebietsauswahl rechtmäßig.
Deshalb bestehe im vorliegenden Fall ein besonderes Interesse für den
begehrten vorbeugenden Rechtsschutz. Schließlich sei auch darauf
hinzuweisen, dass sie wohl kaum in der Lage sein dürfte, einzelne Maßnahmen
im Zusammenhang mit der Unterhaltung oder dem Ausbau der Ems gerichtlich
überprüfen zu lassen. Sie führe beispielsweise die Bedarfsbaggerungen nicht
selbst durch. Hierfür sei vielmehr die Beklagte verantwortlich bzw. die Beteiligten
der Ausbauvereinbarung aus dem Jahr 1996. Würde eine
Planfeststellungsmaßnahme an der Ems unter Verweis auf das Ergebnis einer
FFH-Verträglichkeitsprüfung unterlassen bzw. nicht zugelassen, könnte sie
dagegen wohl kaum aus eigenem Recht vorgehen. Ihr Klageantrag sei
schließlich auch begründet. Sie habe bei Entscheidungen mit planerischem
Gehalt - wie auch im vorliegenden Falle - aufgrund Art. 14 Abs. 1 GG und dem
daraus abgeleiteten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
einen Anspruch auf eine abwägende Berücksichtigung der für ihren Betrieb zu
befürchtenden Einschränkungen bis hin zu einer Existenzgefährdung, die sich
am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren habe. Eine solche
Abwägungsentscheidung habe hier überhaupt nicht stattgefunden. Dies führe
ebenfalls zu einer Verletzung ihrer Rechte. Die Beklagte unterliege bei ihrer
Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens den Bindungen des
nationalen Rechts, die auch durch den Geltungsvorrang der FFH-Richtlinie nicht
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beseitigt würden. Denn dieser mögliche Geltungsvorrang schließe jedenfalls
eine mittelbare Berücksichtigung ihrer Belange nicht aus. Es sei nämlich
ausgeschlossen, dass allein schon durch die Anwendung der vagen Kriterien
aus dem Anhang III (Phase 2) der FFH-Richtlinie ein Ergebnis in der Beurteilung
eines Gebietes gewonnen werde, welches stets entweder nur die Erteilung oder
die Verweigerung des Einvernehmens ermögliche. Der Geltungsvorrang des
Unionsrechts führe hier lediglich dazu, dass bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens im ersten Schritt ausschließlich die
naturschutzfachlichen Kriterien heranzuziehen seien und eine Berücksichtigung
anderer, insbesondere kommunaler oder wirtschaftlicher Belange nicht möglich
sei. Hier ende jedoch der Geltungsvorrang des Unionsrechts. Sei nach der
Anwendung der naturschutzfachlichen Kriterien gleichwohl sowohl die
Verweigerung als auch die Erteilung des Einvernehmens möglich, dann dürfe
der Mitgliedstaat eine Entscheidung treffen, bei der europarechtliche Bindungen
nicht mehr eingriffen und auf gegebenenfalls bestehende nationale
Rechtsbindungen abzustellen sei. Bei einer anderen Auslegung würden die
Grenzen des Geltungsvorrangs des Unionsrechts zum Tragen kommen. Denn
mit der Ausschaltung tatsächlich gegebener nationaler rechtlicher
Entscheidungsspielräume würde in den mitgliedstaatlichen Kompetenzbereich
eingegriffen. Ein solcher Übergriff in die Kompetenz des Mitgliedstaates wäre
von der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG nicht mehr gedeckt.
Gleiches gelte für den Fall, dass die FFH-Richtlinie vom Mitgliedstaat die
Einräumung von Spielräumen verlange, die weder durch nationales Recht noch
- jenseits der Kriterien des Anhangs III (Phase 2) - durch europäisches Recht
ausgefüllt werden dürften. Dies würde auf der Rechtsschutzebene zu einer
offensichtlichen Beschränkung der Nachprüfbarkeit der Gebietsausweisung
führen. Die Anerkennung solcher rechtsfreien Räume im Rahmen europäischen
Rechts sei mit der vom Grundgesetz auf der Grundlage des
Rechtsstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 3 GG geforderten Bindung der öffentlichen
Gewalt nicht vereinbar. Sie gehe aber davon aus, dass eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht derzeit nicht zwingend erforderlich sei, weil es nach
ihrer Rechtsauffassung nicht ausgeschlossen sei, dass sie auch unter
Berücksichtigung der Auslegung der FFH-Richtlinie durch den Europäischen
Gerichtshof einen Anspruch auf Verweigerung des Einvernehmen habe. Nahe
liegend wäre freilich eine nochmalige Vorlage an den Europäischen Gerichtshof,
damit der Entscheidungsmaßstab des Mitgliedstaates bei der Erteilung des
Einvernehmens weiter geklärt werden und insbesondere der Frage
nachgegangen werden könne, ob unter Anwendung der Kriterien aus dem
Anhang III (Phase 2) eine Situation eintreten könne, in der es dem Mitgliedstaat
möglich sei, sein Einvernehmen sowohl zu verweigern wie auch zu erteilen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 22.
November 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der
Europäischen Kommission das Einvernehmen gemäß Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie im Hinblick auf das durch das Land
Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet
Unterems und Außenems zu unterlassen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Europäischen
Kommission das Einvernehmen gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie für das durch das Land Niedersachsen gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-
Richtlinie gemeldete Gebiet Unterems und Außenems hinsichtlich des
flussaufwärts ab Gandersum verlaufenden Gebietsteiles zu unterlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die von der Klägerin erhobene vorbeugende
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Unterlassungsklage schon mangels Klagebefugnis unzulässig sei. Zum einen
fehle es an einer unmittelbaren tatsächlichen Betroffenheit der Klägerin in einer
geschützten Rechtsposition. Das Einvernehmen zum Entwurf der Gebietsliste
habe als interne verfahrensrechtliche Verwaltungshandlung keine
Rechtswirkungen für die Klägerin. Die Klägerin sei auch nicht Adressatin der
beabsichtigten Einvernehmenserteilung. Die Klägerin habe eine unmittelbare
tatsächliche Betroffenheit durch das beabsichtigte Einvernehmen auch nicht
dargelegt. Es fehle die Darstellung des unmittelbaren Zusammenhangs
zwischen dem Einvernehmen und einer möglichen Verletzung der Rechte der
Klägerin. Zum anderen sei die Klägerin durch die beabsichtigte
Einvernehmenserteilung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in eigenen
Rechten verletzt. Weder das Abwägungsgebot, das Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb und verfassungsrechtliche Schutzpflichten
noch die Wirkungen des Vertrages betreffend die Bedarfsbaggerungen
vermittelten der Klägerin subjektive Rechte, die durch die beabsichtigte
Einvernehmenserteilung verletzt sein könnten. Es gehe hier ausschließlich um
die Anwendung von Gemeinschaftsrecht, das Anwendungsvorrang genieße und
eine Berufung auf die Grundrechte des Grundgesetzes ausschließe, solange
das Unionsrecht einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren
Grundrechtsschutz gewährleiste. Die hier einschlägige verfahrensrechtliche
Norm des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie sehe die Berücksichtigung
von wirtschaftlichen Belangen von Betroffenen nicht nur nicht vor, sondern
schließe sie auch aus. Darüber hinaus fehle der Klägerin auch das für eine
vorbeugende Unterlassungsklage notwendige qualifizierte
Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz sei
für die Klägerin nicht unzumutbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht nach den §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene und
auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn
die Klage der Klägerin mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber
der Europäischen Kommission das Einvernehmen gemäß Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur
Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und
Pflanzen (FFH-Richtlinie) im Hinblick auf das durch das Land Niedersachsen
gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie gemeldete Gebiet Unter- und Außenems,
hilfsweise hinsichtlich des flussaufwärts ab Gandersum gelegenen
Gebietsteiles, zu unterlassen, ist unzulässig, da die Klägerin insoweit nicht
klagebefugt ist (1.) und überdies kein besonderes schützenswertes Interesse an
der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes hat (2.).
1. Die Klägerin ist nicht klagebefugt.
Die Klage ist auf die Unterlassung der Erteilung des Einvernehmens gerichtet.
Auf eine solche Unterlassungsklage ist § 42 Abs. 2 VwGO analog anwendbar
(BVerwG, Urteile vom 26.1.1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262, 271, und
vom 28.10.1970 - VI C 48.68-, BVerwGE 36, 192, 199). Danach setzt die
Klagebefugnis voraus, dass die Klägerin geltend machen kann, durch ein
behördliches Handeln in eigenen Rechten verletzt zu werden (BVerwG, Urteil
vom 27.5.2009 - 8 C 10.08 -, NVwZ 2009, 1305). Hierfür ist erforderlich, aber
auch ausreichend, dass eine solche Rechtsverletzung zumindest als möglich
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erscheint. Daran fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27.5.2009 - 8 C 10.08 -, NVwZ 2009,
1305, vom 17.6.1993 - 3 C 3.89 -, BVerwGE 92, 313, 315, vom 21.10.1986 - 1 C
44.84 -, BVerwGE 75, 86, und vom 23.3.1982 - 1 C 157.79 -, BVerwGE 65, 167;
vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9.1.1991 - 1 BvR 207, 87 -, BVerfGE 83, 182),
wenn offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise
ausgeschlossen ist, dass eigene Rechte der Klägerin verletzt sein könnten.
Die Klagebefugnis ist danach bei einer auf Unterlassung eines
verwaltungsinternen Akts ohne Außenwirkung gerichteten allgemeinen
Leistungsklage in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage zu verneinen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 12.6.2008 - 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011). Denn in
diesem Falle ist eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder
Betrachtungsweise ausgeschlossen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Die Erteilung des Einvernehmens zu dem Entwurf der Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie, die die Klägerin verhindern will, stellt nämlich eine lediglich
vorbereitende verwaltungsinterne Mitwirkungshandlung der Bundesrepublik
Deutschland an dem Zustandekommen eines Rechtsakts der Kommission dar,
die selbst keine Außenwirkung hat und deshalb für die Klägerin keine
Rechtswirkungen entfaltet, die eine Rechtsverletzung begründen könnten. Denn
das Einvernehmen der Beklagten ist kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber der
Klägerin, sondern trägt als bloße Mitwirkungs- bzw. Vorbereitungshandlung
lediglich zu der Festlegung der Liste der GGB durch die Kommission bei, als das
Einvernehmen der Beklagten zur Erstellung des Entwurfs einer Liste der GGB
benötigt wird, auf deren Grundlage die Liste der GGB von der Kommission nach
dem Verfahren gemäß Art. 21 FFH-Richtlinie festgelegt wird. Das Einvernehmen
nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie ist deshalb nur ein
“Verwaltungsinternum“ ohne Außenwirkung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 1989 zur
EG-Richtlinie über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen (- 2 BvQ 3/89 -,
EuGRZ 1989, 339) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abgelehnt, weil die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde unzulässig wäre. Die
Antragstellerinnen, die sich gegen die beabsichtigte Zustimmung der
Bundesregierung zu der von der Kommission vorgeschlagenen
Etikettierungsrichtlinie wendeten, könnten sich im Rahmen der ihnen eröffneten
Verfassungsbeschwerde nicht gegen die Mitwirkung der Bundesregierung an
der Entstehung sekundären Gemeinschaftsrechts wenden, weil die Zustimmung
der Bundesregierung zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates gemäß Art. 149
Abs. 2 Buchst. a) EWGV keinen sie unmittelbar beschwerenden Hoheitsakt
darstelle. Die Mitwirkung der Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt
gegenüber den Antragstellerinnen, sondern trage lediglich zum Entstehen einer
Richtlinie bei, die erst nach Inkrafttreten und nach ihrer Umsetzung in nationales
Recht die Antragstellerinnen beschwere. Möge auch die Zustimmung der letzte
von der deutschen Staatsgewalt gesetzte Mitwirkungsakt für eine
möglicherweise Grundrechte verletzende Richtlinie sein, so erreichten die
Regelungen der Richtlinie den Grundrechtsträger doch erst durch einen
selbständig angreifbaren Rechtsetzungsakt der deutschen Staatsgewalt: Die
Etikettierungsrichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, ihren Inhalt in nationales
Recht umzusetzen, und eröffne dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
Der nationale Gesetzgeber sei bei der Umsetzung an die Vorgaben des
Grundgesetzes gebunden. Die Frage, ob er bei der Umsetzung im Rahmen des
ihm von der Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraums Grundrechte oder
grundrechtsgleiche Rechte der Antragstellerinnen verletze, unterliege in vollem
Umfang verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Soweit die Richtlinie den
Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts verletzen sollte, gewähre der
Europäische Gerichtshof Rechtsschutz.
Diesen Standpunkt hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss
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vom 9. Juli 1992 (- 2 BvR 1096/92 -, NVwZ 1993, 883) bekräftigt. Danach stellt
die Zustimmung der Bundesregierung zur Änderung einer EG-Richtlinie mit dem
Ziel tabaksteuerlicher Gleichstellung von Feinschnittrollen mit Zigaretten keinen
die Hersteller unmittelbar beschwerenden Hoheitsakt dar. Denn diese
Mitwirkung der Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den
Herstellern, sondern trage lediglich zum Entstehen der Richtlinie bei, die diese
erst nach deren Inkrafttreten und nach ihrer Umsetzung in nationales Recht
beschwere. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde
auch nicht im Hinblick darauf als zulässig angesehen, dass die Zustimmung der
Bundesregierung die bestimmende Ursache der geltend gemachten
Grundrechtsverletzung sein könnte. Denn auch wenn diese Zustimmung der
letzte von der deutschen Staatsgewalt gesetzte Mitwirkungsakt an einer
möglicherweise Grundrechte verletzenden Richtlinie sei, erreichten die
Regelungen der Richtlinie den Grundrechtsträger doch erst durch einen
selbstständig angreifbaren Rechtsetzungsakt der deutschen Staatsgewalt.
Sollte die Richtlinie den Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts
verletzen, gewähre der Europäische Gerichtshof Rechtsschutz. Nur wenn auf
diesem Wege der vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene
Grundrechtsstandard nicht verwirklicht werden sollte, könne das
Bundesverfassungsgericht angerufen werden.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 16.
Oktober 2003 (- 1 BvR 2075/03 -, NVwZ 2004, 209) betreffend die
Energiesteuer-Richtlinie festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen durch die
Mitwirkung der Bundesregierung bei dem Erlass sekundären
Gemeinschaftsrechts nicht unmittelbar beschwert würden. Die Mitwirkung der
Bundesregierung sei kein Akt öffentlicher Gewalt gegenüber den
Beschwerdeführerinnen, sondern trage lediglich zum Entstehen einer Richtlinie
bei, die erst nach ihrem Inkrafttreten die Beschwerdeführerinnen beschweren
könne. Der Umstand, dass Grundrechtsschutz gegen sekundäres
Gemeinschaftsrecht grundsätzlich durch den Europäischen Gerichtshof und
nicht durch das Bundesverfassungsgericht gewährt werde, stelle auch keinen
hinreichenden Grund dafür dar, den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz auf
Mitwirkungsakte der Bundesregierung vorzuverlagern.
Diese Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts sind zwar zu der Mitwirkung
der Bundesregierung an einer EG-Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV (jetzt Art.
288 Abs. 3 AEUV) ergangen, während das Einvernehmen zu dem Entwurf der
Liste der GGB zur Vorbereitung eines Beschlusses der Kommission nach Art.
288 Abs. 4 AEUV erforderlich ist. In beiden Fällen handelt es sich aber um
(nunmehr im Abschnitt I “Die Rechtsakte der Union“ des AEUV geregelte)
Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts (Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl.
2012, Art. 288 AEUV Rn. 23; Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2010, Art.
288 AEUV Rn. 4), an deren Zustandekommen die Mitgliedstaaten mitwirken.
Insofern können die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze
für den hier zu entscheidenden Fall entsprechend herangezogen werden. Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze kann auch die Erteilung des
Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie nicht als ein die
Klägerin unmittelbar beschwerender Hoheitsakt mit Außenwirkung angesehen
werden. Die Erteilung des Einvernehmens ist vielmehr lediglich ein
vorbereitender verwaltungsinterner Mitwirkungsakt der Bundesrepublik
Deutschland an der Festlegung der Liste der GGB durch die Kommission.
Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie erstellt die Kommission jeweils im
Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten den
Entwurf einer Liste der GGB. Aufgrund dieses Entwurfs wird dann die Liste der
GGB von der Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 letzter Satz FFH-Richtlinie nach
dem Verfahren des Art. 21 FFH-Richtlinie i.V.m. Art. 5, 7 und 8 des Beschlusses
1999/468/EG und seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 am 1. März
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2011 gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. 13 Abs. 1 c) und e) dieser
Verordnung i.V.m. Art. 5, 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011
festgelegt. Danach unterbreitet der Vertreter der Kommission dem Ausschuss
nach Art. 20 FFH-Richtlinie den Entwurf der zu treffenden Maßnahmen, zu dem
der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt. Ohne die (befürwortende)
Stellungnahme des Ausschusses kann die Kommission die beabsichtigte
Maßnahme gemäß Art. 13 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 Buchst. b
und Art. 5 Abs. 2 und 3 Satz 1 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 nicht erlassen.
Dies zeigt, dass der Entwurf der Liste, an dem der Mitgliedstaat durch die
Erteilung seines Einvernehmens mitwirkt, noch keine Rechtswirkung gegenüber
den von einer möglichen späteren Schutzgebietsausweisung Betroffenen
entfaltet, sondern lediglich den an dem Verfahren nach Art. 21 FFH-Richtlinie
beteiligten Institutionen als Grundlage für die Festlegung der endgültigen Liste
dient. Selbst die von der Kommission auf der Grundlage ihres Entwurfs in dem
Verfahren nach Art. 21 FFH-Richtlinie erstellte Liste stellt noch keinen die
Klägerin unmittelbar betreffenden Hoheitsakt im Sinne des Art. 263 Abs. 4 AEUV
dar (vgl. hierzu das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften -
Erste Kammer - in der Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und
Rechtlerverband Pfronten gegen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften“, Beschluss vom 22.6.2006 - T-136/04 -). Akte öffentlicher
Gewalt, die die Betroffenen unmittelbar beschweren, liegen vielmehr erst mit den
Maßnahmen vor, die der Mitgliedsstaat aufgrund der Erstellung der
Gemeinschaftsliste ergreift, wie die Ausweisung von Schutzgebieten nach Art. 4
Abs. 4 FFH-Richtlinie i.V.m. §§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG oder
Maßnahmen zum Schutz der in die Liste aufgenommenen Gebiete nach Art. 4
Abs. 5 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie und § 33 BNatSchG. Folglich
kann dem im Rahmen des mehrstufigen Verfahrens erteilten Einvernehmen zum
Entwurf der Liste der GGB erst recht keine unmittelbare rechtliche Wirkung in
Bezug auf die Klägerin zukommen.
Diese Rechtsauffassung steht auch im Einklang mit dem Beschluss des
Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Erste Kammer) vom
22. Juni 2006 in der Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und
Rechtlerverband Pfronten gegen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften“ (T-136/04), mit dem dieses eine Nichtigkeitsklage nach Art.
230 EGV gegen die Entscheidung der Kommission zur Verabschiedung der
Liste der GGB für die alpine biogeografische Region wegen fehlender
unmittelbarer Betroffenheit der klagenden Grundeigentümer als unzulässig
abgewiesen hat. In diesem Beschluss hat das Gericht ausgeführt, dass die
Entscheidung zur Verabschiedung der Liste der GGB sich nicht selbst auf die
Rechtsstellung des Klägers auswirke. Sie berühre weder die Rechte und
Pflichten der Grundeigentümer noch die Ausübung dieser Rechte, verpflichte
Wirtschaftsteilnehmer oder Private in keiner Weise und enthalte keine
Bestimmung über die Regelung zum Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung, wie etwa Erhaltungsmaßnahmen oder Genehmigungsverfahren.
Desgleichen träfen die Pflichten der Art. 4 und 6 FFH-Richtlinie, denen die
Mitgliedstaaten nachzukommen hätten, nachdem die Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesen worden seien, die
Wirtschaftsteilnehmer nicht unmittelbar, da sie eine Handlung des betreffenden
Mitgliedstaats erforderten, mit der dieser klarstelle, wie er ihnen nachzukommen
gedenke, ob es sich um die nötigen Erhaltungsmaßnahmen (Art. 6 Abs. 1 FFH-
Richtlinie), um die geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung der
Verschlechterung des Gebiets (Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie) oder um die
erforderliche Zustimmung der zuständigen einzelstaatlichen Behörden zu einem
Projekt, das ein Gebiet erheblich beeinträchtigen kann (Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-
Richtlinie), handele. Der FFH-Richtlinie, auf deren Grundlage die angefochtene
Entscheidung ergangen sei, sei zu entnehmen, dass sie den Mitgliedstaat
hinsichtlich des zu erreichenden Zieles binde, den einzelstaatlichen Behörden
aber die Zuständigkeit belasse, was die zu treffenden Erhaltungsmaßnahmen
und die einzuhaltenden Genehmigungsverfahren angehe (ebenso das Gericht
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erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache “Sahlstedt
u. a. / Kommission“, Beschluss vom 22.6.2006 - T-150/05 -). Damit geht auch
das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften davon aus, dass
selbst mit der Erstellung der Liste der GGB noch keine einen Grundeigentümer,
Wirtschaftsteilnehmer oder Privaten unmittelbar betreffende und von diesem
angreifbare Entscheidung vorliegt. Demzufolge kommt dem Einvernehmen zum
Entwurf der Liste der GGB erst recht keine unmittelbare rechtliche Wirkung in
Bezug auf die Klägerin zu.
Weiterhin sprechen auch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in
seinem Beschluss vom 12. Juni 2008 (- 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011) für die
Richtigkeit der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung. Das
Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung zu dem Fall der
“Rücknahme“ der Meldung eines bereits in die Liste der GBB aufgenommenen
Gebiets nämlich Folgendes festgestellt:
“Jedenfalls wenn - wie hier - ein Gebiet durch Entscheidung der EU-
Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung
aufgenommen worden (und damit ein “FFH-Gebiet“) ist, stellt sich eine - über
das Bundesumweltministerium an die EU-Kommission weitergeleitete -
Gebietsmeldung als ein in der Vergangenheit liegender vorbereitender
verwaltungsinterner Akt dar, der keine über mögliche Wirkungen der
Veröffentlichung der Kommissionsliste hinaus reichenden Rechtswirkungen
herbeiführt (vgl. Beschluss vom 7. April 2006 - BVerwG 4 B 58.05 - Buchholz
406.400 § 33 BNatSchG 2002 Nr. 1). Deshalb hat das
Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung die Frage, ob eine
derartige Meldung ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem
meldenden Land und einem betroffenen Grundstückseigentümer begründet,
verneint. Für die Frage, ob die Meldung ein verwaltungsinterner Akt ist, ist es
ohne Bedeutung, ob ein privater Grundstückseigentümer oder eine
Gemeinde, die einen Eingriff in ihre kommunale Planungshoheit geltend
macht, Klage erhoben hat. Deshalb ist auch die Klage einer Gemeinde
unzulässig, mit der sie beantragt festzustellen, dass der Beschluss einer
Landesregierung, ein Gebiet zu melden, rechtswidrig ist. Ebenso wie die
Meldung ist auch deren “Rücknahme“ lediglich ein verwaltungsinterner Akt.
Mit einem Klageantrag, ein Land zu verurteilen, der Europäischen
Kommission über das Bundesumweltministerium mitzuteilen, dass ein -
gemeldetes und von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete
von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommenes - Gebiet den Kriterien
der FFH-Richtlinie nicht genügt, wird somit die Verurteilung zur Vornahme
eines verwaltungsinternen Akts begehrt. Eine auf Vornahme eines
verwaltungsinternen Akts ohne Außenwirkung gerichtete allgemeine
Leistungsklage ist unzulässig.“
Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die Meldung bzw. die Rücknahme
der Meldung eines “FFH-Gebiets“, sondern um die Einvernehmenserteilung
nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie. Diese stellt aber ebenso wie die
Meldung eines FFH-Gebiets lediglich einen vorbereitenden, verwaltungsinternen
Mitwirkungsakt dar, der mangels Außenwirkung keine Rechte der Klägerin
tangiert.
Eine Außenwirkung der Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie lässt sich ferner nicht damit begründen, dass die
Mitgliedsstaaten die in der nationalen Liste nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie
vorgeschlagenen Gebiete nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom
11.9.2012 (Große Kammer) - C-43/10 -, NVwZ-RR 2013, 18, vom 14.9.2006,
“Bund Naturschutz in Bayern u.a.“ - C-244/05 -, und vom 13.1.2005, “Dragaggi
u.a.“ - C-117/03 -) von dem Zeitpunkt der Meldung an schützen müssen, indem
sie Schutzmaßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf das mit der Richtlinie
verfolgte Erhaltungsziel geeignet sind, die erhebliche ökologische Bedeutung,
die diesen Gebieten auf nationaler Ebene zukommt, zu wahren. Diese
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“Vorwirkung“ wird nämlich schon durch die Vorlage der nationalen Liste in der
Phase 1 nach Art 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie und nicht durch die Erteilung des
Einvernehmens in der Phase 2 nach Art 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie ausgelöst. Das
Einvernehmen selbst hat daher keine derartige “Vorwirkung“. Doch selbst wenn
das Einvernehmen eine solche rechtliche Vorwirkung hätte, würde diese allein
die Mitgliedstaaten betreffen, keineswegs jedoch unmittelbare
Verhaltenspflichten für den einzelnen Bürger bzw. Rechtsbeziehungen diesem
gegenüber begründen. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht daher keine
Außenwirkung der Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1
FFH-Richtlinie.
Eine Außenwirkung des Einvernehmens lässt sich schließlich auch nicht damit
begründen, dass vor der Erteilung des Einvernehmens eine Anhörung oder
sonstige Beteiligung der Klägerin erfolgen müsse. Denn Art. 4 Abs. 2 FFH-
Richtlinie sieht ein Anhörungs- oder sonstiges Beteiligungsrecht der Klägerin vor
der Erteilung des Einvernehmens nicht vor; ein solches Recht ergibt sich auch
nicht aus anderen europarechtlichen Vorschriften.
Da die Erteilung des Einvernehmens nach alledem ein Verwaltungsinternum ist
und keine Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin entfaltet, kommt es im
vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich darauf an, welche materiellen
Belange bei der Entscheidung der Beklagten über die Erteilung des
Einvernehmens zu berücksichtigen sind.
Im Übrigen weist der Senat zur Klarstellung aber darauf hin, dass Belange der
Klägerin bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4
Abs. 2 Unterabs. 1 FFH- Richtlinie keine Berücksichtigung finden können. Der
EuGH hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2010 in der Sache “Stadt Papenburg
gegen Bundesrepublik Deutschland“ (C-226/08) entschieden, dass Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein
Einvernehmen zur Aufnahme eines oder mehrere Gebiete in einen von der
Kommission erstellten Entwurf einer Liste der GGB aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Zur Begründung hat er
ausgeführt:
“Wäre es den Mitgliedstaaten in der in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 der
Habitatrichtlinie geregelten Phase des Einstufungsverfahrens erlaubt, ihr
Einvernehmen aus anderen als naturschutzfachlichen Gründen zu
verweigern, gefährdete dies die Erreichung des in Art. 3 Abs. 1 der
Habitatrichtlinie angestrebten Ziels der Errichtung des Netzes Natura 2000,
das aus Gebieten besteht, die die natürlichen Lebensraumtypen des
Anhangs I der Richtlinie sowie die Habitate der Arten des Anhangs II der
Richtlinie umfassen, und das den Fortbestand oder gegebenenfalls die
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser natürlichen
Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen
Verbreitungsgebiet gewährleisten muss. Dies wäre insbesondere der Fall,
wenn die Mitgliedstaaten ihr Einvernehmen aufgrund wirtschaftlicher,
gesellschaftlicher und kultureller Anforderungen sowie regionaler und örtlicher
Besonderheiten verweigern könnten, auf die Art. 2 Abs. 3 der Habitatrichtlinie
verweist, der im Übrigen, wie die Generalanwältin in Nr. 38 ihrer
Schlussanträge ausgeführt hat, keine eigenständige Abweichung von der
durch diese Richtlinie aufgestellten allgemeinen Schutzregelung darstellt.“
Darf der Mitgliedstaat sein Einvernehmen demnach aber nur aus
naturschutzfachlichen Gründen verweigern, sind bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens Belange oder Rechte der Klägerin etwa aus Art.
12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG oder das von der Klägerin für sich reklamierte
Recht auf gerechte Abwägung nicht zu berücksichtigen. Ein Recht auf gerechte
Abwägung kann die Klägerin im Übrigen auch ohnehin gar nicht für sich in
Anspruch nehmen. Das Abwägungsgebot folgt aus dem Wesen einer
rechtsstaatlichen Planung und begrenzt die planerische Gestaltungsfreiheit (vgl.
58
59
BVerwG, Urteil vom 28.6.2000 - 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276). Die hier
streitige Erteilung des Einvernehmens stellt jedoch keine Planungsentscheidung
im Rahmen einer staatlichen Planungsaufgabe dar, sondern die Mitwirkung bei
der Vorbereitung einer Entscheidung der Kommission. Daher lässt sich eine
Klagebefugnis auch nicht aus dem Recht auf gerechte Abwägung herleiten.
Der hier vertretenen Rechtsauffassung, dass bei der Entscheidung über die
Erteilung des Einvernehmens nur naturschutzfachliche Gründe zu
berücksichtigen sind, kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass
der Beklagten bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens
jedenfalls ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zustehen dürfte, so
dass auch eine Entscheidungskonstellation denkbar sei, in der sich die Beklagte
sowohl für als auch gegen das Einvernehmen richtliniengemäß entscheiden
könne; in diesem Falle aber sei bei der Entscheidung jedenfalls im Hintergrund
auch das nationale Recht zu berücksichtigen, womit folglich auch eine
Verletzung ihrer Rechte verbunden sein könne. Denn der EuGH hat in seinem
Urteil vom 14. Januar 2010 (C-226/08) eindeutig festgestellt, dass Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, sein
Einvernehmen zur Aufnahme eines oder mehrere Gebiete in einen von der
Kommission erstellten Entwurf einer Liste der GGB aus anderen als
naturschutzfachlichen Gründen zu verweigern. Die Berücksichtigung von
beispielsweise kommunalen und wirtschaftlichen Belangen (einschließlich der
Interessen der Klägerin), also anderen als naturschutzfachlichen Gründen,
kommt daher bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens
entgegen der Auffassung der Klägerin bei keiner möglichen
Entscheidungskonstellation in Betracht. Die Beklagte hat nach Art. 4 Abs. 2
Unterabs. 1 FFH-Richtlinie entweder das Einvernehmen zu erteilen oder dieses
zu verweigern, darf sich dabei aber nach der o. a. Entscheidung des EuGH
ausschließlich auf naturschutzfachliche Gründe stützen, wobei es ohne Belang
ist, ob ihr hierbei ein - naturschutzfachlicher - Beurteilungsspielraum zukommt.
Die Erteilung des Einvernehmens hat für die Klägerin auch keine mittelbaren
faktischen Folgen, die geeignet sein könnten, eine Rechtsverletzung im Sinne
von § 42 Abs. 2 VwGO, insbesondere eine Verletzung der Grundrechte der
Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG zu begründen. In der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass auch die
von einem schlicht-hoheitlichen staatlichen Handeln ausgehende bloße
tatsächliche und mittelbare Betroffenheit eines Grundrechtsträgers einen
Grundrechtseingriff bedeuten und eine solche mittelbar-faktische
Grundrechtsbeeinträchtigung abgewehrt werden kann, wenn sie besonders
schwerwiegend ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27.3.1992 - 7 C 21.90 -, BVerwGE
90, 112, 121, und vom 18.10.1990 - 3 C 2.88 -, BVerwGE 87, 37, 42 m.w.N.).
Der Senat lässt dahinstehen, ob diese Erwägungen auch auf den vorliegenden
Fall der Erteilung des Einvernehmens nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-
Richtlinie übertragen werden können. Denn selbst wenn dies zu bejahen sein
sollte, läge ein solcher Fall im Hinblick auf die von der Klägerin geltend
gemachten Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG jedoch nicht
vor. Zunächst führt die Erteilung des Einvernehmens durch die Beklagte nicht
zwangsläufig dazu, dass das Gebiet Unterems und Außenems in die Liste der
GGB endgültig aufgenommen wird. Das Einvernehmen ist zwar eine der
Voraussetzungen dafür, dass ein Gebiet in den Entwurf der Liste aufgenommen
wird. Die Kommission kann sich aufgrund des ihr zustehenden eigenen
Beurteilungsspielraums aber gegen die Aufnahme dieses Gebiets in die
endgültige Liste entscheiden (EuGH, Urteil vom 13.1.2005, “Dragaggi u.a.“ - C-
117/03 - Rn. 24). Außerdem kann auch das weitere Verfahren nach Art. 21 FFH-
Richtlinie dazu führen, dass ein von der Kommission in den Entwurf der Liste
aufgenommenes Gebiet nicht in der endgültigen Liste der GGB enthalten ist, da
der Ausschuss nach Art. 20 FFH-Richtlinie von der Kommission zu beteiligen ist
und die Kommission ohne eine befürwortende Stellungnahme des Ausschusses
die beabsichtigte Maßnahme gemäß Art. 13 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 5 Abs. 4
60
Unterabs. 2 Buchst. b und Art. 5 Abs. 2 und 3 Satz 1 Verordnung (EU) Nr.
182/2011 nicht erlassen kann. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die in die
Liste aufgenommenen Gebiete nach Art. 4 Abs. 4 und 5 FFH-Richtlinie zwar
vom Mitgliedstaat so schnell wie möglich - spätestens binnen sechs Jahren - als
besonderes Schutzgebiet auszuweisen sind und den Bestimmungen des Art. 6
Abs. 2, 3 und 4 FFH-Richtlinie unterliegen. Wie sich diese Regelungen und die
zu ihrer Umsetzung ergehenden nationalen Regelungen im Einzelnen auf die
durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Freiheit eines Unternehmers
oder den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb auswirken, lässt sich aber nicht im Voraus feststellen und auch
nicht abstrakt bestimmen. Denn es kann weder allgemein festgestellt werden,
welche konkreten Schutzmaßnahmen aufgrund der Aufnahme in die
Gemeinschaftsliste überhaupt getroffen werden noch wie sich solche
Schutzmaßnahmen auf den Gewerbebetrieb der Klägerin auswirken werden.
Durch die Aufnahme eines Gebiets in die Gemeinschaftsliste werden die darin
zulässigen Nutzungen nicht endgültig festgelegt. Den örtlichen
Naturschutzbehörden verbleibt vielmehr ein weites Spektrum an Maßnahmen
zur Sicherung der Schutzziele und deren Konkretisierung durch
gebietsspezifische Ge- und Verbote insbesondere im Hinblick auf
situationsgebundene Gefährdungen und Störungspotenziale. Das Gericht erster
Instanz der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Beschluss vom 22.
Juni 2006 in der Rechtssache “Rasso Freiherr von Cramer-Klett und
Rechtlerverband Pfronten gegen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften“ (T-136/04) ausdrücklich hervorgehoben, dass die FFH-
Richtlinie “den Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden Zieles bindet, den
einzelstaatlichen Behörden aber die Zuständigkeit belässt, was die zu treffenden
Erhaltungsmaßnahmen und die einzuhaltenden Genehmigungsverfahren
angeht.“ Welche Maßnahmen von den nationalen Naturschutzbehörden im
Einzelnen getroffen werden, wird häufig von deren Beurteilungen und
Zweckmäßigkeitserwägungen abhängen. Dies gilt auch im Hinblick auf die
Dispensmöglichkeiten nach Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie, §§ 33 Abs. 1 Satz 2, 34
Abs. 3 bis 5 BNatSchG. Zudem ist durch die FFH-Richtlinie keine bestimmte
Handlungsform zur Gewährleistung des notwendigen Schutzes vorgegeben.
Der Schutz muss auch gar nicht zwingend durch einseitige hoheitliche
Maßnahmen, insbesondere durch Erklärung des betroffenen Gebiets mit
gemeinschaftlicher Bedeutung zu einem geschützten Teil von Natur und
Landschaft nach §§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG erfolgen. Vielmehr lässt §
32 Abs. 4 BNatSchG in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 1 Buchst. l
FFH-Richtlinie ausdrücklich auch vertragliche Vereinbarungen zu, soweit
dadurch ein gleichwertiger Schutz gewährleistet wird. Es versteht sich von
selbst, dass Grundrechte nicht verletzt werden, wenn es zum einvernehmlichen
Abschluss einer Vereinbarung zum Gebietsschutz mit betroffenen
Grundrechtsträgern kommt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.3.2006 - 8 LA
140/02 -).
Mittelbar faktische Folgen der Erteilung des Einvernehmens ergeben sich auch
nicht daraus, dass die Mitgliedstaaten die Gebiete nach der Rechtsprechung
des EuGH (Urteile vom 11.9.2012 (Große Kammer) - C-43/10 -, NVwZ-RR 2013,
18, vom 14.9.2006, “Bund Naturschutz in Bayern u.a.“ - C-244/05 -, und vom
13.1.2005, “Dragaggi u.a.“ - C-117/03-) schon vor der Festlegung der Liste der
GGB nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-Richtlinie von dem Moment an
schützen müssen, in dem sie die Gebiete nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie in
der der Kommission zugeleiteten nationalen Liste vorschlagen. Denn die
genannte “Vorwirkung“ wird - wie oben ausgeführt - schon durch die Vorlage der
nationalen Liste in der Phase 1 nach Art 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie und nicht durch
die Erteilung des Einvernehmens in der Phase 2 nach Art 4 Abs. 2 FFH-
Richtlinie ausgelöst. Das Einvernehmen selbst hat keine derartige “Vorwirkung“
und daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine mittelbar-faktische Folgen,
die geeignet sein könnten, eine Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2
VwGO zu begründen. Im Übrigen gilt hinsichtlich dieser Vorwirkung erst recht,
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dass den nationalen Naturschutzbehörden ein weites Spektrum an Maßnahmen
zur Sicherung der Erhaltungsziele durch gebietsspezifische Ge- und Verbote
insbesondere im Hinblick auf situationsgebundene Gefährdungen und
Störungspotenziale verbleibt und daher keineswegs absehbar ist, welche
Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden. Auch insoweit lässt sich daher
nicht im Voraus feststellen und auch nicht abstrakt bestimmen, ob überhaupt
und gegebenenfalls wie sich solche eventuellen Schutzmaßnahmen im
Einzelnen auf die nach Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Freiheit
eines Unternehmers oder den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auswirken. Auch kann nicht
festgestellt werden, dass sich aus dieser die Mitgliedstaaten verpflichtenden
“Vorwirkung“ der nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie der Kommission zugeleiteten
nationalen Liste unmittelbare Verhaltenspflichten für den einzelnen Bürger bzw.
Rechtsbeziehungen diesem gegenüber ergeben. Folglich kann aus dieser
“Vorwirkung“ auch nicht die von der Klägerin behauptete “Schutzpflicht“ der
Beklagten ihr gegenüber mit dem Inhalt, die Folgen dieses
“Verschlechterungsverbots“ durch Versagen des Einvernehmens zu beseitigen,
hergeleitet werden.
Eine Klagebefugnis kann die Klägerin schließlich auch nicht aus der
Vereinbarung der Beklagten mit dem Land Niedersachsen, den Landkreisen
Emsland und Leer und der Stadt Papenburg vom 11. und 13. Oktober 1996
herleiten. Diese Vereinbarung hat im Wesentlichen die Durchführung der zur
Herstellung der mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 31. Mai 1994
festgestellten Bedarfstiefe von 7,30 m erforderlichen
Wiederholungsbaggerungen in der Ems durch die Beklagte ab dem 1. Januar
1997 sowie die Kostentragung hierfür und für die Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen zum Gegenstand. Dabei soll es sich nach der nicht näher
begründeten Behauptung der Klägerin um einen Vertrag mit Schutzwirkung zu
ihren Gunsten handeln. Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Aus
dem Inhalt dieser Vereinbarung ergibt sich der von der Klägerin behauptete
Anspruch gegenüber der Beklagten, alle Maßnahmen zu unterlassen, welche
die bestehenden Überführungsmöglichkeiten nachhaltig gefährden könnten,
nicht. Hieraus lässt sich insbesondere nicht herleiten, dass die Beklagte das
nach dem oben Gesagten lediglich verwaltungsinterne Einvernehmen
gegenüber der Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 FFH-Richtlinie nicht
erteilen darf. Auch das von der Klägerin angeführte, in der Vereinbarung
erwähnte Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft,
Technologie und Verkehr vom 15. September 1993 an das Bundesministerium
für Verkehr, nach dem das Land Niedersachsen sich im Interesse einer auch
weiterhin konstruktiven infrastrukturellen Zusammenarbeit für den
Werftenstandort Papenburg bereit erklärt hat, die erforderlichen ökologischen
Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen zu tragen, rechtfertigt keine andere
Beurteilung. Im Übrigen ist es sehr zweifelhaft, ob eine vertragliche Bindung der
Beklagten, die sie darin hindern würde, ihre durch das europäische
Gemeinschaftsrecht eingeräumten Befugnisse bzw. auferlegten Verpflichtungen
auszuüben, überhaupt wirksam wäre.
2. Unabhängig von den Ausführungen zu 1. ist die Klage auch deshalb
unzulässig, weil der Klägerin ein besonderes schützenswertes Interesse gerade
an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes fehlt.
Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachträglicher Rechtsschutz. Das
folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der der Gerichtsbarkeit nur die
Kontrolle der Verwaltungstätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet,
bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung
einzugreifen (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35/07 -, BVerwGE 132, 64).
Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt daher ein System nachgängigen - ggf.
einstweiligen - Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dieses zur
Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich
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ausreicht (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35/07 -, BVerwGE 132, 64).
Vorbeugende Klagen sind daher nur zulässig, wenn ein besonderes
schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden
Rechtsschutzes besteht, wenn also mit anderen Worten der Verweis auf den
nachgängigen Rechtsschutz mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen
verbunden wäre (BVerwG, Urteil vom 25.9.2008 - 3 C 35.07 -, BVerwGE 132,
64, Beschluss vom 12.6.2008 - 7 B 24.08 -, NVwZ 2008, 1011, Urteil vom
7.5.1987 - 3 C 53.85 -, BVerwGE 77, 207 und Urteil vom 29.7.1977 - 4 C 51.75 -,
BVerwGE 54, 211).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Klägerin kann
zumutbarerweise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als
angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz
verwiesen werden, weil ihr in ausreichendem Umfang nachträglicher
Rechtsschutz - auch nachträglicher vorläufiger Rechtsschutz - gegen eventuelle
der Aufstellung der Liste der GGB nachfolgende nationale Umsetzungsakte zum
Schutz der in der Liste aufgenommenen Gebiete zur Verfügung steht, der auch
die Prüfung der Gültigkeit der Liste der GGB einschließt.
Gegen die Unterschutzstellung der Gebiete durch die Naturschutzbehörde nach
§§ 32 Abs. 2, 20 Abs. 2 BNatSchG ist die Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO
i.V.m. § 7 Nds. AG VwGO und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom
7.4.2006 - 4 B 58.05 -; OVG Bremen, Urteil vom 31.5.2005 - 1 A 346/02 -, NuR
2005, 654). Ebenso stünde der Klägerin der Rechtsweg offen, wenn die
Aufnahme des Gebiets Unter- und Außenems in die Liste der GGB zu einer
sonstigen sie belastenden Einzelmaßnahme der Naturschutzbehörde bzw. zur
Ablehnung eines Antrages gemäß §§ 3 Abs. 2, 33 Abs. 1, 34 Abs. 3 bis 5
BNatSchG, 2 NNatG bzw. Art. 4 Abs. 5, 6 Abs. 2 bis 4 FFH-Richtlinie führen
würde; die Klägerin kann in diesen Fällen auch um vorläufigen Rechtsschutz
nachsuchen. Zudem ist anerkannt, dass im Rahmen solcher
verwaltungsgerichtlicher Verfahren im Falle der Entscheidungserheblichkeit über
die Prüfung der streitgegenständlichen Maßnahme nach Maßgabe der
nationalen naturschutzrechtlichen Bestimmungen hinaus auch zu klären ist, ob
die betreffende nationale Umsetzungsmaßnahme mit dem nationalen
Verfassungsrecht und der FFH-Richtlinie und die Aufnahme des Gebiets in die
Gemeinschaftsliste mit den Bestimmungen der FFH-Richtlinie und
höherrangigem Unionsrecht zu vereinbaren ist (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom
29.9.2006 - 8 LC 217/04 - und 21.3.2006 - 8 LA 150/02 - m.w.N.; OVG Bremen,
Urteil vom 31.5.2005 - 1 A 346/02 -, NuR 2005, 654; OVG Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 14.5.2003 - 8 A 4229/01-, NuR 2003, 706). Das Verwaltungsgericht
hat dabei nicht nur die Rechtmäßigkeit der Listung unter formellen
Gesichtspunkten, sondern auch die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlich nach
Art. 4 i.V.m. den Anhängen I bis III FFH-Richtlinie vorgegebenen Maßstäbe und
damit die naturschutzfachliche Bewertung zu prüfen. Weiterhin ist vom
Verwaltungsgericht zu klären, ob die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste mit
sonstigem höherrangigem europäischem Recht zu vereinbaren ist. Letzteres
beinhaltet auch eine Prüfung anhand der europarechtlich geschützten
Eigentums- und Berufsfreiheitsrechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2005 - 7 C
26.04 -, BVerwGE 124, 47). Gelangt das Verwaltungsgericht im Rahmen eines
solchen Rechtsstreits zu der Überzeugung, dass die Aufnahme des betroffenen
Gebietes in die Gemeinschaftsliste mit der FFH-Richtlinie und/oder
höherrangigen europarechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist, so kann es
die Kommissionsentscheidung zwar nicht selbst verwerfen, weil nach Art. 267
Buchst. b AEUV (vormals 234 Abs. 1 Buchst. b EGV) der EuGH im Wege der
Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der
Organe der Gemeinschaft und damit auch über die Gültigkeit der von der
Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 FFH-Richtlinie festgelegten Liste der
GGB entscheidet. Das Verwaltungsgericht kann dann jedoch die Frage nach der
Gültigkeit der Listung des betreffenden Gebiets dem EuGH im
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Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EGV)
vorlegen und ist hierzu sogar verpflichtet, wenn seine Entscheidung selbst nicht
mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann.
Streitgegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Buchst. b
AEUV ist die “Gültigkeit“ und damit die Rechtmäßigkeit der Entscheidung
(Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 267 AEUV Rn. 23). Diese
Gültigkeitsprüfung entspricht einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle der
betreffenden Rechtshandlung des EU-Organs (Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6.
Auflage 2012, Art. 267 AEUV Rn. 11). Dies befugt und verpflichtet den EuGH zur
vollständigen sachlichen Überprüfung, ob das betreffende Gebiet zu Recht auf
der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang III (Phase 2) und Art. 2 FFH-
Richtlinie in die Liste der GGB aufgenommen worden ist (OVG Schleswig,
Beschluss vom 26.4.2002 - 1 L 162/01 -, NordÖR 2002, 317). Während eines
Vorabentscheidungsverfahrens bleiben im Übrigen die nationalen Gerichte
befugt, unter den vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen Eilrechtsschutz zu
gewähren (EuGH, Urteile vom 9.11.1995 - C-465/93 -, DVBl. 1996, 247, und
21.2.1991 - C-143/88, C-92/89 -, DVBl. 1991, 480). Damit ist effektiver
nachträglicher Rechtsschutz gewährleistet, so dass für den von der Klägerin
begehrten vorbeugenden Rechtsschutz kein besonderes schützenswertes
Rechtsschutzinteresse besteht.
Dieser Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass eine Überprüfung der Liste
der GGB als sekundäres Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht am Maßstab
des deutschen Rechts einschließlich der Grundrechte des Grundgesetzes
stattfindet und Grundrechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof und
nicht das Bundesverfassungsgericht gewährt wird (vgl. dazu BVerfG, Beschluss
vom 7.6.2000 - 2 BvL 1/97 -, BVerfGE 102, 147; BVerwG, Urteil vom 30.6.2005 -
7 C 26.04 -, BVerwGE 124, 47). Denn dieser Umstand stellt keinen
hinreichenden Grund dafür dar, den gerichtlichen Rechtsschutz auf
Mitwirkungsakte der Bundesregierung vorzuverlagern, weil der
Grundrechtsschutz im Hoheitsbereich der Europäischen Union nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach Konzeption, Inhalt und
Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen
gleich zu erachten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.2003 - 1 BvR 2075/03
-, NVwZ 2004, 208, Beschluss vom 7.6.2000 - 2 BvL 1/97 -, BVerfGE 102, 147,
Urteil vom 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92 -, BVerfGE 89,155, und
Beschluss vom 22.10.1986 - 2 BvR 197/83 -, BVerfGE 73, 339) und damit keine
Rechtsschutzlücke besteht, die eine derartige Vorverlagerung des
Rechtsschutzes rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2003 - 1
BvR 2075/03 -, NVwZ 2004, 208).
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass aus dem Urteil des
EuGH in der Rechtssache “ Dragaggi“ (C-117/03) vom 13. Januar 2005 sich
unmittelbar lediglich ergebe, dass die Kommission berechtigt sei, einzelne von
den Mitgliedstaaten gemeldete Gebiete gleichwohl nicht als Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung auszuwählen, dass der EuGH in dieser
Entscheidung aber mitnichten eine eigene Prüfungspflicht angenommen und zu
einer möglichen Überprüfung der Entscheidung der Kommission durch den
Gerichtshof “nicht ein einziges Wort verloren“ habe. Der Klägerin ist zwar
einzuräumen, dass der EuGH sich in seinem o. a. Urteil vom 13. Januar 2005
nicht zu einer Prüfungspflicht des Gerichtshofs in Bezug auf die von der
Kommission aufgestellte Liste der GGB geäußert hat. Daraus kann aber nicht
geschlossen werden, dass der EuGH eine solche Prüfungspflicht verneint.
Abgesehen davon ist dem Urteil des EuGH zu entnehmen, dass die
Kommission nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist zu prüfen, ob die
Voraussetzungen der FFH-Richtlinie für die Aufnahme der von den
Mitgliedstaaten gemeldeten Gebiete in die Liste der GGB vorliegen. Der EuGH
hat in der genannten Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass,
wenn die Kommission daran gehindert wäre, die Nichtaufnahme eines von
einem Mitgliedstaat gemeldeten Gebiets in den Entwurf der Liste der Gebiete
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von gemeinschaftlicher Bedeutung in Betracht zu ziehen, obwohl das Gebiet
nach ihrer Ansicht keine prioritären natürlichen Lebensraumtypen oder
prioritären natürlichen Arten beherbergt, dies gegen Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1
i.V.m. Anhang III Phase 2 Nr. 1 FFH-Richtlinie verstoßen würde. Da die
Kommission ihre Entscheidung über die Aufnahme eines Gebiets in die
Gemeinschaftsliste aufgrund von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 i.V.m. Anhang III
Phase 2 FFH-Richtlinie trifft, ist sie demnach nicht nur berechtigt, sondern auch
verpflichtet, die darin festgelegten Voraussetzungen zu überprüfen. Folglich ist
geklärt, dass die Kommission auch die Gebiete mit prioritären Bestandteilen
einer eigenständigen Prüfung unterzieht und insoweit nicht an die Vorschläge
der Mitgliedstaaten gebunden ist. Für die sonstigen von den Mitgliedstaaten
gemeldeten Gebiete ergibt sich ohnehin aus den Kriterien des Anhangs III
Phase 2 Nr. 2 FFH-Richtlinie, die die Kommission nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1
FFH-Richtlinie bei der Erstellung der Liste zu beachten hat, dass die
Kommission anhand der dort festgelegten Kriterien eine Auswahlentscheidung
zu treffen hat.
Des Weiteren ist dem Urteil des EuGH vom 23. April 2009 in der Rechtssache
„Sahlstedt u. a. / Kommission“ (C-362/06) ohne Weiteres zu entnehmen, dass
der EuGH in einem entsprechenden Vorlageverfahren auch die Gültigkeit der
von der Kommission aufgestellten Liste der GGB prüfen wird. So hat der EuGH
in dieser Entscheidung betont, dass die Feststellung des Gerichts erster Instanz,
dass die Anträge der Kläger auf Nichtigerklärung der Entscheidung der
Kommission (Aufstellung der Liste der GGB) als unzulässig zurückzuweisen
seien, keiner Rechtsverweigerung gleichkomme. Der Einzelne müsse die
Möglichkeit haben, effektiven gerichtlichen Schutz seiner Rechte in Anspruch zu
nehmen; dies ergebe sich aus der Gemeinschaftsrechtsordnung. Natürliche und
juristische Personen könnten aber die Rechtswidrigkeit jeder nationalen
Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der eine Gemeinschaftshandlung
wie die hier streitige auf sie angewandt werde, gerichtlich geltend machen,
indem sie sich auf die Ungültigkeit dieser Handlung berufen und die nationalen
Gerichte dadurch veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen. Aus diesen Ausführungen des EuGH ergibt
sich nicht nur, dass die Anrufung der nationalen Gerichte gegen eventuelle der
Aufstellung der Liste der GGB nachfolgende nationale Umsetzungsakte zum
Schutz der in die Liste aufgenommenen Gebiete in Verbindung mit dem
Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ausreichenden und
effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Aus ihnen ist vielmehr auch unschwer
herzuleiten, dass der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren bei
entsprechenden Vorlagefragen die Gültigkeit der Maßnahmen der Kommission
eingehend prüfen wird, weil ansonsten ein effektiver Rechtsschutz von Klägern,
die sich auf die Ungültigkeit der Maßnahmen der Kommission berufen und die
nationalen Gerichte dadurch veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen, nicht gewährleistet wäre.
Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht auch kein hinreichender Grund
für die Annahme, der EuGH werde die Auswahlwürdigkeit des Gebiets
gemessen an den Kriterien der FFH-Richtlinie im Vorlageverfahren
wahrscheinlich nur rudimentär überprüfen. Denn die Entscheidung über die
Gültigkeit der Liste der GGB nach Art. 267 AEUV setzt eine eingehende und
nicht lediglich eine rudimentäre Prüfung der Liste voraus. Schließlich greift auch
der Einwand der Klägerin nicht durch, dass nachgelagerter Rechtsschutz nicht
ausreichend sei, weil angenommen werden müsse, dass wegen des gestuften
Verfahrens zur Ausweisung der FFH-Gebiete in jedem einzelnen
Verfahrensstadium den “jeweiligen Akteuren“ weitreichende
Beurteilungsspielräume zugestanden werden, so dass am Ende allenfalls eine
bloße Unvertretbarkeitskontrolle erfolge. Sollte nämlich der Kommission bei der
Erstellung der Liste der GGB - auf die “Akteure“ in den vorherigen
Verfahrensstadien kommt es nicht an, da die Kommission selbst zur Prüfung der
Schutzwürdigkeit der Gebiete verpflichtet ist - nach der FFH-Richtlinie oder
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anderen europarechtlichen Rechtssätzen ein Beurteilungsspielraum zustehen,
müsste die Klägerin dies hinnehmen, ohne geltend machen zu können, dadurch
werde ihr effektiver Rechtsschutz versagt. Im Übrigen ist es auch nach
deutschem Recht nicht ungewöhnlich, dass einer Behörde ein Beurteilungs-
oder Ermessensspielraum zusteht, ohne dass dadurch die Gewährung
effektiven Rechtsschutzes der von der Entscheidung der Behörde betroffenen
Bürger in Frage gestellt wird.
Soweit die Klägerin schließlich darauf hinweist, dass sie möglicherweise nicht in
der Lage sei, “einzelne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterhaltung
oder dem Ausbau der Ems gerichtlich überprüfen zu lassen“, weil sie
beispielsweise die Bedarfsbaggerungen nicht selbst durchführe, stellt auch
dieser Einwand die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht in Frage. Denn
der Klägerin bleibt es unbenommen, beispielsweise einen Anspruch auf
Durchführung der Bedarfsbaggerungen gegenüber der Beklagten gerichtlich
geltend zu machen. Sollte sie jedoch keinen dahin gehenden Anspruch
gegenüber der Beklagten haben, fehlt es bereits an ihrer Klagebefugnis, so dass
sich insoweit die Frage der Effektivität des Rechtsschutzes von vornherein nicht
stellen würde.
Nach alledem kann hier durch nachgelagerten Rechtschutz umfassender und
effektiver Rechtsschutz, der auch die Überprüfung der
Gemeinschaftshandlungen, wie die Aufstellung der Liste der GGB nach Art. 4
Abs. 2 FFH-Richtlinie, einschließt, gewährt werden. Für den von der Klägerin
begehrten vorbeugenden Rechtsschutz besteht daher nicht das erforderliche
besondere Rechtsschutzinteresse.
Da die Klage demnach bereits unzulässig ist, kommt es auf die Ausführungen
der Beteiligten zur Begründetheit der Klage nicht an.