Urteil des HessVGH vom 29.03.1989
VGH Kassel: befristung, arbeiter, eingliederung, mitbestimmungsrecht, verfügung, bpv, betriebsrat, rechtsschutzinteresse, durchschnitt, anfang
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
(Bund)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
BPV TK 3821/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 75 Abs 1 Nr 1 BPersVG
(Personalvertretung: Einstellung von Abrufkräften;
Vorabzustimmung)
Tatbestand
I. Der Beteiligte übersandte dem Antragsteller am 2.1.1987 (Eingangsdatum) die
Personalunterlagen von 18 Personen, die sich mit einer zukünftigen Beschäftigung
als Abrufkraft beim Postamt 3 in Frankfurt a.M. einverstanden erklärt hatten. In
dem Anschreiben wurde ausgeführt, die Abrufkräfte sollten im Rahmen bereits
bestehender Dienstpläne beschäftigt werden. Ihr Einsatz sei bei
Arbeitsrückständen infolge unvorhersehbarer Schwankungen des
Verkehrsaufkommens oder infolge von plötzlichen Erkrankungen geplant. Die
Abrufkräfte würden gemäß den tarifvertraglich geregelten Bestimmungen nach
Lohngruppe IV entlohnt und entsprechend eingruppiert. Es werde beantragt, der
zukünftigen Beschäftigung der genannten Personen als Abrufkräfte für den
bevorstehenden Bedarfsfall und für Wiederholungsfälle zuzustimmen.
Der Antragsteller lehnte mit Schreiben vom 8.1.1987 seine Zustimmung unter
Bezugnahme auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ab. Im
einzelnen führte er aus, nach § 5 Abs. 2 TV Arb sei der wöchentliche Durchschnitt
der regelmäßigen Arbeitszeit für die nicht vollbeschäftigten Arbeiter durch
Einzelarbeitsvertrag zu vereinbaren. Bei der vom Beteiligten vorgeschlagenen
Verfahrensweise - pauschale Zustimmung der Personalvertretung für den
bevorstehenden Bedarfsfall und für Wiederholungsfälle - werde der Personalrat bei
der Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG
behindert. Im übrigen werde auf die ablehnende Stellungnahme vom 16.7.1986 zu
einem früheren Antrag betreffend die Beschäftigung von Abrufkräften verwiesen.
Die dort angeführten Ablehnungsgründe blieben weiterhin aufrecht erhalten.
Der Beteiligte antwortete hierauf mit Schreiben vom 19.1.1987, er könne keine
Zustimmungsverweigerungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 BPersVG erkennen. Die
Auffassung, daß die Einstellung der genannten Kräfte gegen geltende Gesetze,
Verordnungen, Tarifverträge usw. im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG
verstoße, könne er nicht teilen. Wegen der weiter angeführten Ablehnungsgründe
verweise er auf die BPMVfg 322 - 5 B 6160 - 0 vom 6.11.1986 und die OPDVfg 33 -
1 B 6331 - 5 vom 10.11.1986, die als Antwort auf das frühere
Ablehnungsschreiben vom 16.7.1986 ergangen seien. Für eine Fortsetzung des
Mitbestimmungsverfahrens sei daher kein Raum. Es werde in Übereinstimmung
mit der Oberpostdirektion abgebrochen.
Der Antragsteller hat am 24.8.1987 bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht:
Der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens sei rechtswidrig. Schon der Hinweis,
daß die beabsichtigten Einstellungen gegen eine konkret bezeichnete
tarifvertragliche Vorschrift verstießen, reiche für eine Zustimmungsverweigerung
gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG aus. Hinzu kämen die umfangreichen
detaillierten Ablehnungsgründe des Schreibens vom 16.7.1986.
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Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte durch den mit Schreiben vom 19.1.1987
mitgeteilten Abbruch des Stufenverfahrens das Mitbestimmungsrecht des
Personalrats verletzt hat.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat erwidert: Beim Postamt 3 Frankfurt, zu dessen Aufgaben der
Briefabgangsdienst gehöre, ergäben sich häufig Schwierigkeiten, das
Sendungsaufkommen zu bewältigen. Aus diesem Grunde würden kurzzeitig zu
beschäftigende Arbeiter, sogenannte Abrufkräfte, eingestellt wie z.B. Studenten
und nichterwerbstätige Hausfrauen, die wegen anderer Verpflichtungen nicht in der
Lage seien, sich längerfristig arbeitsvertraglich zu binden. Die Abrufkraft stehe in
einem Arbeitsverhältnis, das in der Regel für eine Dienstschicht begründet werde.
Auf das Arbeitsverhältnis fänden die Bestimmungen des Tarifvertrages für die
Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) in ihrer jeweiligen Fassung
Anwendung. Die einzige Besonderheit liege darin, daß die Abruf kraft sich damit
einverstanden erkläre, fernmündlich angerufen und gefragt zu werden, ob sie
bereit sei, kurzfristig erneut als Abrufkraft beschäftigt zu werden. - Bei der
Einstellung von Abrufkräften handele es sich um gleichliegende, immer wieder
auftretende Eilfälle. Der Personalrat werde deshalb vor der ersten Beschäftigung
gebeten, der Einstellung für den bevorstehenden Bedarfsfall und für
Wiederholungsfälle zuzustimmen. Bedenken könnten gegen dieses Verfahren nicht
vorgebracht werden. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Beschluß vom
2.3.1982 - 1 ABR 74/79 - für einen vergleichbaren Sachverhalt festgestellt, daß der
Betriebsrat seine Zustimmung zu den mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen
auch im voraus erteilen könne. Es sei hiernach zulässig, das
Mitbestimmungsverfahren vor der erstmaligen Einstellung der Abrufkräfte
durchzuführen: - Entgegen der Auffassung des Antragstellers liege keine wirksame
Zustimmungsverweigerung vor. Die Einstellung im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 1
BPersVG sei die Eingliederung eines neuen Beschäftigten in die Dienststelle, die
regelmäßig mit der Begründung eines Rechtsverhältnisses verbunden sei. Die
Mitbestimmung beziehe sich allein auf die Eingliederung, nämlich auf die zur
Einstellung vorgesehene Person, auf die von ihr auszuübende Tätigkeit sowie auf
die Eingruppierung. Das mit der Einstellung in aller Regel zu begründende
Beschäftigungsverhältnis sei dagegen nicht Gegenstand der Mitbestimmung nach
§ 75 Abs. 1 Nr. 1, und zwar weder hinsichtlich seiner Art noch in Bezug auf seinen
Inhalt. Die Mitbestimmung des Personalrats erfasse insbesondere nicht den
Arbeitsvertrag und seine nähere Ausgestaltung. Das sei ständige Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts wie auch des Bundesarbeitsgerichts. Diese
Rechtsprechung sei dem Antragsteller bekannt. Die Zustimmungsverweigerung
vom 8.1.1987 mit der Begründung, der wöchentliche Durchschnitt der
regelmäßigen Arbeitszeit sei im Arbeitsvertrag nicht angegeben, betreffe deshalb
nicht den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand. - Im übrigen liege hier kein
Verstoß gegen einen Tarifvertrag vor. Die Behauptung des Antragstellers, bei der
Verfahrensweise des Postamts werde er bei der Wahrnehmung seiner
Kontrollfunktion gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG behindert, sei ebenfalls
unzutreffend. Nach den von ihm vorgelegten Unterlagen werde er bei jeder
Einstellung über die Dauer der Beschäftigung, die Art und Bewertung der
übertragenen Tätigkeiten sowie die Eingruppierung unterrichtet. - Die in der
angeführten Stellungnahme vom 16.7.1986 behaupteten Verstöße im Sinne des §
77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG lägen nicht vor. Abgesehen davon, daß die Befristung
eines Arbeitsvertrags nicht der Mitbestimmung unterliege, sei auch keine
unzulässige Befristung gegeben. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts bedürfe die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zur
Dauer von 6 Monaten keines sachlichen Grundes. Das
Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 finde entgegen der Auffassung des
Antragstellers in den vorliegenden Fällen keine Anwendung. Die behauptete
unterschiedliche Behandlung der einzustellenden Kräfte im Vergleich zu
vorhandenen Arbeitern habe - soweit sie tatsächlich gegeben sei - ihre Ursache in
der Anwendung der bestehenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften.
Von einer unterschiedlichen Behandlung im Sinne des § 2 des
Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 könne deshalb keine Rede sein. Eine
Benachteiligung im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG sei gleichfalls nicht
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Benachteiligung im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG sei gleichfalls nicht
gegeben. Der angeführte Verweigerungsgrund "ungenügende soziale Absicherung"
könne offensichtlich keinem der unter § 77 Abs. 2 BPersVG fallenden
Versagungstatbestände zugeordnet werden (OVG Hamburg, Beschluß vom
25.10.1982 - OVG Bs 1/82 -). Die Behauptung des Antragstellers, eine
Benachteiligung ergebe sich daraus, daß die einzustellenden Arbeiter nur zeitweise
beschäftigt würden und deshalb eine höhere Arbeitsbelastung die Folge sei, sei
offensichtlich unzutreffend. Die Behauptung, die einzustellenden Arbeiter seien
deshalb benachteiligt, weil sie keine qualifizierte Aus- und Fortbildung und keine
berufliche Weiterentwicklung erhielten, sei offensichtlich vorgeschoben. Der
Antragsteller wisse, daß als Abrufkräfte nur Bewerber eingestellt würden, die ein
unbefristetes oder für längere Zeit befristetes Arbeitsverhältnis weder begründen
wollten noch begründen könnten. Andere Beschäftigte würden durch die
Einstellung der Abrufkräfte nicht benachteiligt. Die Abrufkräfte dienten gerade der
Entlastung der vorhandenen Beschäftigten. Auch ein Versagungsgrund im Sinne
des § 77 Abs. 2 Nr. 3 BPersVG sei offensichtlich nicht gegeben. Der Antragsteller
trage nicht vor, es bestehe die durch Tatsachen begründete Besorgnis, daß der
Bewerber den Frieden in der Dienststelle durch unsoziales oder gesetzwidriges
Verhalten störe. Er vermute lediglich, die Beschäftigung befristeter Arbeitskräfte
werde wegen des "anderen Statusrechts" den Betriebsfrieden stören. Diese
Vermutung sei einmal durch keinerlei Tatsachen begründet. Im übrigen stelle das
behauptete "andere Statusrecht" kein unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten
der Bewerber dar. - Zweifel hinsichtlich der Eingruppierung der Abrufkräfte könnten
beim Antragsteller nicht bestehen. Die Abrufkräfte seien wegen ihrer
Beschäftigung mit Beamtentätigkeiten im Postfachdienst in Lohngruppe IV
einzugruppieren. Der Anspruch auf diese Eingruppierung ergebe sich kraft
Tarifvertrags aufgrund der übertragenen Tätigkeit. Die Eingruppierung nach
Lohngruppe IV sei auch in jedem Arbeitsvertrag angegeben. Entgegen der
Auffassung des Antragstellers komme eine Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3
Nr. 1 BPersVG nicht in Betracht. Die eingestellten Arbeiter würden nach
bestehenden Dienstplänen eingesetzt. - Die Stellungnahme des Antragstellers
vom 16.7.1986 zeige deutlich, daß es ihm nicht um die Wahrnehmung seines
Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung von Bewerbern gehe. Er versuche
vielmehr, mit Hilfe des Mitbestimmungsrechts notwendige betriebliche
Maßnahmen zu verhindern.
Die Behauptung mit Hilfe der Abrufkräfte werde das Ziel verfolgt, für die Erledigung
vorhandener Regelarbeit eine "Reserve-Armee billiger Arbeitskräfte"
heranzubilden, sei abwegig.
Das Verwaltungsgericht - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) - hat
dem Antrag mit Beschluß vom 5.11.1987 stattgegeben und ausgeführt:
Der zulässige Antrag sei begründet. Der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens
sei fehlerhaft, weil die Einwendungen des Antragstellers das Vorliegen eines
Verweigerungsgrundes nicht von vornherein als unmöglich erscheinen ließen. Dies
ergebe sich hinsichtlich des Versagungsgrundes nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG
daraus, daß sich die Einstellung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPVG auf den Einzelfall
beziehe und das Gesetz eine Vorschrift wie § 75 Abs. 4 BPersVG für die Einstellung
nicht enthalte. Der Antragsteller könne im Rahmen seines kollektiven
Schutzauftrages Gründe gegen diese "Pauschaleinstellungen" darlegen. Der
Schutzauftrag betreffe bei der "Pauschalität des Einsatzes" der Abrufkräfte die
Fragen "wer, wann, wo, wie lange, in welchem Wiederholungsrhythmus und mit
welcher Bezahlung" beschäftigt werde. Im Gegensatz zur Einzeleinstellung habe
der Personalrat bei derartigen "Masseneinstellungen" bezüglich dieser Fragen nur
eine unzureichende Kontrollmöglichkeit. Es möge sein, daß eine arbeitspolitische
Tendenz aus seiner Versagung sichtbar werde; dies ändere aber nichts daran, daß
er Einwendungen erhebe, die sich in § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG einordnen ließen.
Der Beteiligte hat gegen diesen ihm am 16.11.1987 zugestellten Beschluß mit
anwaltlichem Schriftsatz vom 3.12.1987 Beschwerde erhoben, die am 8.12.1987
beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist. Er hat die Beschwerde
nach Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat mit Schriftsatz vom
4.2.1988 - eingegangen am 8.2.1988 - in der gleichen Form begründet.
Der Beteiligte wiederholt, ergänzt und vertieft seinen bisherigen Vortrag. Er weist
insbesondere darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
eine Vorabzustimmung bei gleichliegenden, immer wieder auftretenden Eilfällen
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eine Vorabzustimmung bei gleichliegenden, immer wieder auftretenden Eilfällen
zulässig sei. Die von der Fachkammer hervorgehobene "Pauschalität des
Einsatzes" rechtfertige die Zustimmungsverweigerung offensichtlich nicht.
Alle Bewerber seien dem Personalrat von Anfang an namentlich bekannt. Ein
bestimmter Wiederholungsrhythmus bestehe nicht; anderenfalls gebe es gar
keinen Bedarf an Abrufkräften. Die Dauer der Beschäftigung betrage regelmäßig
eine Dienstschicht. Über den Beschäftigungsort könne es keine Zweifel geben.
Das gleiche gelte für. die Entlohnung. Im übrigen unterlägen die Vereinbarungen
des Arbeitsvertrages nicht der Mitbestimmung.
Der Beteiligte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des
Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat in der mündlichen Verhandlung den angefochtenen Beschluß verteidigt und
insbesondere geltend gemacht, die Einstellung von Abrufkräften verstoße gegen
Verwaltungsvorschriften, nämlich gegen die BPM-Verfügung vom 2.9.1982 und die
OPD-Verfügung vom 8.11.1985, worauf man bereits in dem Ablehnungsschreiben
vom 16.7.1986 hingewiesen habe. Des weiteren lehne es die Personalvertretung
ab, dem Beteiligten ohne personelle und zeitliche Beschränkung eine
"Blankovollmacht" für die Einstellung von Abrufkräften zu erteilen.
Wegen des Sachverhalts und Streitstandes im übrigen wird auf die Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des Beteiligten ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht
eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet worden. Sie hat Erfolg.
Die Zulässigkeit des vom Antragsteller verfolgten Feststellungsbegehrens ergibt
sich aus § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG. Es handelt sich um einen Zuständigkeitsstreit
im Sinne dieser Bestimmung. Für den Antrag ist auch ein Rechtsschutzinteresse
anzuerkennen. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus § 75 Abs. 1 Nr. 1
BPersVG ist zwar unstreitig. Es geht aber um Umfang und Tragweite dieses
Mitbestimmungsrechts. Es ist vor allem darüber zu entscheiden, ob der Beteiligte
das Mitbestimmungsverfahren zu Recht oder zu Unrecht abgebrochen hat. Sind
die vom Antragsteller für seine Zustimmungsverweigerung geltend gemachten
Gründe beachtlich, so hätte das Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG
durchgeführt werden müssen, wobei die abschließende Entscheidung der
Einigungsstelle zugefallen wäre. Hiervon abgesehen besteht ein
Rechtsschutzinteresse deshalb, weil ein Bewerber nicht beschäftigt werden darf,
solange die Zustimmung des Personalrates zu seiner Einstellung nicht vorliegt
(BAG, erteil vom 2.7.1980 - 5 AZR 1241/79 -, Personalvertretung 1982 S. 368).
Darüber hinaus ist streitig, ob ein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 3 Nr. 1
BPersVG besteht.
Dem hiernach zulässigen Begehren des Antragstellers hätte das
Verwaltungsgericht jedoch nicht stattgeben dürfen; denn es ist unbegründet. Der
Beteiligte hat das Mitbestimmungsverfahren mit Recht abgebrochen.
Ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 BPersVG kommt
nicht in Betracht; denn die hier in Rede stehenden Abrufkräfte werden bei
unvorhersehbaren personellen Bedarfsfällen nur im Rahmen der vorhandenen
Dienstpläne eingesetzt und in aller Regel lediglich für eine Dienstschicht
beschäftigt. Der Auffassung des Antragstellers im Schreiben vom 16.7.1986, den
Anforderungen des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG müsse "in jedem Einzelfall und nicht
pauschal" genügt werden, kann der Fachsenat nicht folgen. Sie verkennt, daß eine
Abrufkraft allein auf freiwilliger Grundlage zur Dienstleistung herangezogen werden
soll, weshalb sich ihr Einsatz einer individuellen Planung entzieht. Auch die
Vorschrift des § 75 Abs. 4 BPersVG ist nicht anwendbar, weil sich bezüglich der
Abrufkräfte, so wie sie im Streitfall verstanden werden, Grundsätze für die
Aufstellung der Dienstpläne nicht auffinden lassen.
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Ist das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts streitig, so ist hierüber verbindlich
nicht im Stufenverfahren unter Einbeziehung der Einigungsstelle zu entscheiden (§
69 Abs. 4 i.V.m. § 71 BPersVG); vielmehr obliegt die Entscheidung ausschließlich
den Verwaltungsgerichten (§ 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG), ohne daß es der
Durchführung eines Stufenverfahrens bedarf. Dem hiervon abweichenden
Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.3.1986 - 6 P 5.85 -
(Personalvertretung 1986 S. 417) kann nicht gefolgt werden (vgl. hierzu Fürst,
GKÖD V, Stand: Oktober 1987, K § 69 Rz 43; Dietz/Richardi,
Bundespersonalvertretungsgesetz mit Wahlordnung, 2. Aufl. 1978, RdNr. 72 zu §
69 BPersVG; Lorenzen/Haas/Schmitt, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand:
September 1988, RdNr. 65 zu § 69 BPersVG;
Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz mit
Wahlordnung, 6. Aufl. 1986, RdNr. 3 und 45 a, b zu § 69 BPersVG; Dannhäuser,
Personalvertretung 1986 S. 420 in der Anmerkung zu dem vorgenannten Beschluß
vom 12.3.1986). Das Bundesverwaltungsgericht selbst hat in seinem späteren
Beschluß vom 25.8.1986 - 6 P 16.84 - (Buchholz 238.3A § 75 BPersVG Nr. 46 =
ZBR 1987 S. 60 = NJW 1987 S. 1658 = Personalvertretung 1987 S. 287)
korrigierend klargestellt, daß die bloße verbale Inanspruchnahme eines
Mitbestimmungsrechts durch den Personalrat - ohne daß ein solches Recht also
wirklich besteht - den Dienststellenleiter nicht dazu zwingen kann, die
Durchführung der Maßnahme bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle
zurückzustellen.
Dagegen ist ein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ohne
weiteres gegeben. Unter Einstellung im Sinne dieser Vorschrift versteht man die
Eingliederung eines neuen Beschäftigten in die Dienststelle, die regelmäßig mit
der Begründung eines Rechtsverhältnisses (Beamtenverhältnis, Arbeitsverhältnis)
verbunden ist. Die Mitbestimmung bezieht sich allein auf die Eingliederung,
nämlich auf die zur Einstellung vorgesehene Person, auf die von ihr auszuübende
Tätigkeit sowie - bei Arbeitern und Angestellten - auf die nach den
Tätigkeitsmerkmalen vorzunehmende tarifliche Bewertung, die sogenannte
Eingruppierung, so daß letztere in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG eigentlich keiner
besonderen Erwähnung mehr bedurft hätte. Das mit der Einstellung in aller Regel
zu begründende Beschäftigungsverhältnis ist dagegen nicht Gegenstand der
Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1, und zwar weder hinsichtlich seiner Art
(Beamten- oder Arbeitsverhältnis) noch in bezug auf seinen Inhalt. Die
Mitbestimmung des Personalrates erfaßt insbesondere nicht den Arbeitsvertrag
und seine nähere Ausgestaltung. Deshalb sind einzelvertragliche Abreden wie die
Befristung des Arbeitsverhältnisses oder die Vereinbarung einer kürzeren
Arbeitszeit (Teilzeitbeschäftigung) der Mitbestimmung entzogen. Das ist nunmehr
ständige Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts wie des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluß vom 12.8.1983 - 6 P 4.82 -, ZBR
1984 S. 77 = Personalvertretung 1985 S. 246 <247>; Beschluß vom 19.9.1983 - 6
P 32.80 -, BVerwGE 68, 30 <33>; Beschluß vom 30.9.1983 - 6 P 4.82 -,
Personalvertretung 1985 S. 167; Beschluß vom 30.9.1983 - 6 P 11.83 -,
Personalvertretung 1986 S. 466 <467>; Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom
20.6.1978 - 1 ABR 65/75 -, AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG = RdA 1978 S. 401; Beschluß
vom 16.7.1985 - 1 ABR 35/83 -, BB 1986 S. 525; vgl. auch Dannhäuser, Die
Befristung von Arbeitsverhältnissen unter mitbestimmungsrechtlichen Aspekten,
Personalvertretung 1986 S. 353; derselbe, Neue Diskussionen zur Frage der
Mitbestimmung bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst,
Personalvertretung 1988 S. 34). Der erkennenden Fachsenat folgt dieser
Rechtsprechung (vgl. Beschluß vom 14.1.1987 - BPV TK 1887/86 -; ebenso Bayer.
VGH, Beschluß vom 29.10.1986 - Nr. 18 C 86.02111 -, ZBR 1987 S. 252).
Da sich die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG somit nicht auf. die
Dauer (Befristung) eines Beschäftigungsverhältnisses und die wöchentliche
Durchschnittsarbeitszeit erstreckt, ist der Antragsteller gehindert, in diesem
Zusammenhang Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 77 Abs. 2 BPersVG
geltend zu machen. Dazu müßten sich seine Einwendungen auf einen Tatbestand
beziehen, der nach § 75 Abs. 1 oder § 76 Abs. 1 BPersVG der Mitbestimmung
unterliegt. Denn die Zustimmungsverweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG
setzen voraus, daß sich der Personalrat mit seiner ablehnenden Stellungnahme im
Rahmen eines Mitbestimmungsfalles nach § 75 Abs. 1 oder § 76 Abs. 1 BPersVG
hält und nicht Gründe geltend macht, die außerhalb der gesetzlichen
Mitbestimmungstatbestände liegen. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut,
sondern auch aus dem Sinn des § 77 Abs. 2, weil anderenfalls über die dort
angeführten Zustimmungsverweigerungsgründe die gesetzlichen
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angeführten Zustimmungsverweigerungsgründe die gesetzlichen
Mitbestimmungstatbestände erweitert werden könnten, wenn nur die
entsprechenden Behauptungen aufgestellt und gegebenenfalls bewiesen werden
(vgl. insoweit ebenfalls Dannhäuser, Personenvertretung 1986 S. 353 <359>.
Die nähere arbeitsvertragliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses
kann der Antragsteller auch nicht über das allgemeine Überwachungsrecht gemäß
§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG zum Gegenstand der Zustimmungsverweigerung
machen, denn dieses Recht gewährt keine Sanktionen für den Fall, daß die
Vorstellungen von Dienststellenleiter und Personalvertretung auseinandergehen,
und ist vor allem nicht geeignet, die gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände
auszuweiten. Es hat ferner nicht den Sinn, eine zusätzliche generelle Überprüfung
aller dienst- und arbeitsrechtlicher Entscheidungen durch die Personalvertretung
zu institutionalisieren (vgl. Lorenzen/Haas/Schmidt, a.a.O., RdNr. 23 zu § 68
BPersVG). Hiervon abgesehen wird der Antragsteller nach den von ihm selbst zu
den Akten gereichten Unterlagen bezüglich jeder Abrufkraft über sämtliche
Merkmale unterrichtet, die gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG seiner
Mitbestimmung unterliegen, wie der Beteiligte zutreffend hervorhebt.
Das Ablehnungsschreiben vom 16.7.1986, auf das die Zustimmungsverweigerung
vom 8.1.1987 verweist, beschäftigt sich ebenfalls nur mit Einzelfragen, die nicht
der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliegen. Das betrifft
jedenfalls diejenigen Einwendungen, die von einer unzulässigen Befristung des
Arbeitsverhältnisses ausgehen, einen damit zusammenhängenden
Gesetzesverstoß geltend machen sowie eine daraus resultierende Benachteiligung
oder gar eine Störung des Betriebsfriedens behaupten. Die Auffassung, die
Einstellung von Abrufkräften verstoße gegen die BPM-Verfügung 32b ba 1610 - 0
vom 2.9.1982 und die OPD-Verfügung 33-1 A 6331-5 vom 8.11.1985 kann als
Zustimmungsverweigerungsgrund gleichfalls nicht in Betracht gezogen werden.
Sie übersieht nicht nur, daß Abrufkräfte (gerade) erst nach Ausschöpfung aller
sonstigen personalwirtschaftlichen Möglichkeiten in Eilfällen eingestellt werden; sie
betrifft - ebenso wie die vorstehenden Einwendungen auch nicht die nach § 75 Abs.
1 Nr. 1 BPersVG allein in Frage stehende Eingliederung. Die vom Antragsteller
erkennbar verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele gehören nicht zu seinen
personalvertretungsrechtlichen Aufgaben.
Demgegenüber vermag der erkennende Fachsenat nicht der Auffassung des
angefochtenen Beschlusses zu folgen, der Antragsteller könne im Rahmen seines
kollektiven Schutzauftrags (ausreichende) Gründe gegen derartige
"Pauschaleinstellungen" darlegen. Wie der Beteiligte zutreffend mit der
Beschwerde geltend gemacht hat, sind dem Antragsteller alle in Betracht
kommenden Bewerber von Anfang an namentlich bekannt gegeben worden. Das
gleiche gilt für Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und die
Entlohnung; wobei hier erneut darauf hinzuweisen wäre, daß sich die
Mitbestimmung gar nicht auf alle diese Gegebenheiten erstreckt. Schließlich gilt
folgendes: Wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat (Beschluß vom 2.3.1982
- 1 ABR 74/79 - BAGE 38, 96 <103/104>, kann der Betriebsrat bei gleichliegenden,
immer wieder auftretenden Fällen seine Zustimmung zu den
mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen auch im voraus erteilen. Den
Betriebspartnern sei zuzumuten, für Eilfälle entsprechende Vorsorge zu treffen;
der Betriebsrat dürfe sich im Hinblick auf das Gebot der vertrauensvollen
Zusammenarbeit einer vorsorglichen Regelung jedenfalls nicht entziehen. Es kann
nach Auffassung des hier erkennenden Fachsenats kein Zweifel bestehen, daß
diese Grundsätze auch im Personalvertretungsrecht Geltung beanspruchen; sie
müssen speziell in Fällen der vorliegenden Art Anwendung finden, zumal gemäß §
73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG weder eine Dienstvereinbarung zulässig ist noch nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 19.4.1988 - 6
P 33.85 -, DVBl. 1988 S. 699) eine vorläufige Regelung gemäß § 69 Abs. 5
BPersVG ergehen kann. Der Beteiligte hat den Antragsteller auf die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wiederholt hingewiesen. Zwar ist
verständlich, daß sich der Antragsteller - wie die mündliche Verhandlung ergeben
hat - scheut, eine zeitlich unbeschränkte Vorabzustimmung zu erteilen. Das
berechtigt ihn aber nicht., jegliche Zustimmung. zur zukünftigen Einstellung von
Abrufkräften überhaupt abzulehnen. Eine fühlbare Verkürzung seiner Rechte ist
nicht zu befürchten. Er ist nicht nur über alle Einstellungen auf dem laufenden zu
halten; auf Grund seines Informationsrechts nach § 68 Abs. 2 BPersVG kann er
auch jederzeit nähere Aufklärung über die Entwicklung der Angelegenheit
verlangen. In personeller Hinsicht sind ihm die Namen aller in Betracht
kommenden Bewerber von vornherein mitgeteilt worden.
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Auf Grund der vorstehenden Ausführungen gilt die beabsichtigte Einstellung von
Abrufkräften entsprechend dem Antragsschreiben des Beteiligten vom 2.1.1987
gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG als gebilligt, weil die Einwendungen des
Antragstellers ersichtlich außerhalb des gesetzlichen
Mitbestimmungstatbestandes liegen und schon deshalb vom gesetzlichen
Verweigerungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG nicht gedeckt sind (vgl. hierzu
BVerwG, Beschlüsse vom 18.4.1986 - 6 P 31.84 -, ZBR 1986 S. 308 und 20.6.1986
- 6 P 4.83 -, DVBl. 1986 S. 952; Beschluß des erkennenden Fachsenats vom
14.1.1987 - BPV TK 1887/86 -). Von einem Verstoß gegen die Regeln des
Mitbestimmungsverfahrens kann ebenfalls keine Rede sein.
Eine Kostenentscheidung entfällt.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die erforderlichen
Voraussetzungen fehlen (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2
ArbGG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.