Urteil des HessVGH vom 22.10.2008
VGH Kassel: verordnung, produktion, brennstoff, heizöl, bewegliche sache, eugh, verfügung, besitzer, verwertung, messung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 2250/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 BImSchG, § 17
Abs 2 BImSchG, § 1 Abs 1
BImSchV 17, § 17 Abs 1
BImSchG
(Die Verbrennung eines Reststoffgemischs zur
Energiegewinnung stellt keine Verbrennung von Abfällen
dar)
Leitsatz
1. Ein im Zusammenhang mit der Produktion chemischer Grundstoffe anfallendes - hier
als "Harzöl" bezeichnetes - inhomogenes Gemisch verschiedener Stoffe (diverse
Lösemittel und Fehlchargen), die nicht zielgerichtet bei der Herstellung der von dem
Anlagenbetreiber erzeugten Produkte anfallen und sich nicht mehr als Hilfs- oder
Betriebsstoffe verwenden lassen, ist als Rückstand und nicht als Nebenprodukt zu
qualifizieren.
2. Ein derartiges Reststoffgemisch ist aber nach abfallrechtlichen Kriterien dann nicht
als Abfall zu qualifizieren, wenn seine Verwendung als Brennstoff ohne die
Notwendigkeit weiterer Bearbeitungsprozesse als sicher angenommen werden kann
und bei der Verbrennung hochwertigen Primärbrennstoff ersetzt.
3. Die Verbrennung eines Reststoffgemischs zur Energiegewinnung stellt demnach
keine (Mit-) Verbrennung von Abfällen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 der 17. BImSchV
dar, sondern unterfällt als Verwendung eines flüssigen abfallähnlichen Stoffs der
Regelungswirkung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der 17. BImSchV mit der Folge, dass bei
Vorliegen der Voraussetzung der gleichen oder geringeren Emissionen wie bei der
Verbrennung von Heizöl EL die Ausnahmevorschrift des Abs. 1 Nr. 2, 2. HS einschlägig
ist und die Anwendung der Vorschriften der 17. BImSchV ausscheidet.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 15. August 2007 - 4 E 815/06 - abgeändert. Die Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Umwelt A-Stadt - vom 24. Mai 2006 -
Az. IV/WI 43.2 Im 24/2005 - wird auch insoweit aufgehoben, als hierüber noch nicht
rechtskräftig durch das Verwaltungsgericht Wiesbaden befunden wurde.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in noch festzusetzender Höhe abwenden,
wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Unternehmen der chemischen Industrie, begehrt im Wege einer
Anfechtungsklage die Aufhebung einer nachträglichen
immissionsschutzrechtlichen Anordnung.
Die Klägerin betreibt im Industriepark Kalle-Albert in A-Stadt eine Anlage mit zwei
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Die Klägerin betreibt im Industriepark Kalle-Albert in A-Stadt eine Anlage mit zwei
Hochtemperaturöfen (HT-Öfen). Die letzte wesentliche Änderung der Anlage wurde
mit Bescheid vom 15. Februar 2001 (Az.: IV WI 44.2 GB FWA 7j) des Beklagten
nach § 16 BImSchG genehmigt. Die Anlage ist eine Nebenanlage des Betriebs der
Klägerin, in dem verschiedene Kunstharze hergestellt werden. Die HT-Öfen dienen
der Erhitzung des Wärmeträgeröls (Marlotherm-Öl). Neben Heizöl EL werden als
Brennstoff weitere flüssige Stoffe, die in den Produktionsbereichen des Betriebs
der Klägerin anfallen, als Ersatzbrennstoffe verwandt. Die als "Harzöl" bezeichnete
Mischung setzt sich überwiegend aus in der Produktion eingesetzten Lösemitteln
und Fehlchargen zusammen.
Nach vorheriger Anhörung der Klägerin erließ das Regierungspräsidium Darmstadt
am 24. Mai 2006 eine nachträgliche Anordnung gemäß § 17 BImSchG, mit der
Maßnahmen zur Immissionsbegrenzung der Anlage neu festgesetzt wurden (Nr.
1.1 bis 1.6 der Anordnung). Des Weiteren verfügte die Aufsichtsbehörde
Regelungen zur Messung und Überwachung (Nr. 2.1 bis 2.9 der Anordnung) und
setzte Verfahrenskosten in Höhe von 4.685,60 Euro fest. Zur Begründung führte
das Regierungspräsidium aus, die Anlage unterfalle der novellierten 17. BImSchV,
da es sich bei den eingesetzten Ersatzbrennstoffen um Abfälle handele. Das von
der Klägerin als Brennstoff eingesetzte Harzöl bzw. dessen Bestandteile würden
zwangsläufig erzeugt und seien nicht Zweck des Produktionswillens. Die Klägerin
müsse und wolle sich der Stoffe durch die Verbrennung entledigen.
Die Klägerin hat am 19. Juni 2006 Klage bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden
erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Verfügung sei mangels einer
Ermächtigungsgrundlage bereits insgesamt rechtswidrig. Als
Ermächtigungsgrundlage für die nachträgliche Anordnung komme § 17 BImSchG
nicht in Betracht, da der Anwendungsbereich der 17. BImSchV nicht eröffnet sei.
Die Anwendung des § 17 BImSchV setze voraus, dass - erstens - ein Stoff im
Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der 17. BImSchV vorliege, der nicht privilegiert sei,
und dass - zweitens - eine Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage im Sinne
des § 2 Nr. 6 bzw. Nr. 7 der 17. BImSchV betroffen und diese Anlage
genehmigungspflichtig sei. Es fehle aber an einem den Anwendungsbereich
eröffnenden Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV. Das in den HT-Öfen
eingesetzte Harzöl stelle keinen den Anwendungsbereich der 17. BImSchV
eröffnenden Stoff dar, da es sich bei dem Harzöl um einen privilegierten,
abfallähnlichen Stoff handele. Zudem erfülle das Harzöl die Abfalleigenschaften
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 der 17. BImSchV nicht. Bei den HT-Öfen handele es sich
zudem nicht um eine Verbrennungsanlage oder Mitverbrennungsanlage. Auch die
Verfahrenskosten seien von der Behörde falsch ermittelt worden.
Hilfsweise hat die Klägerin die Anordnungen Nr. 1.2, 1.3 Abs. 3, 2.5 Abs. 1, 2.5 Abs.
2, Abs. 3, II 2 inhaltlich angegriffen. Die pauschalen Begründungen zu den
Anordnungen, wonach es sich um eine Vorgabe zur Umsetzung der gesetzlichen
Anforderungen handele, seien unzutreffend. Damit seien die Anordnungen
insoweit von der Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m.
den jeweils einschlägigen Vorschriften der 17. BImSchV nicht gedeckt. Insoweit hat
die Klägerin bezüglich der Anordnungen weitere Begründungen im Einzelnen
ausgeführt.
Die weiter hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Neubescheidung bezüglich
einzelner Anordnungen sei begründet. Die in der Verfügung des Beklagten vom
24. Mai 2006 enthaltene Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Erteilung einer
Ausnahme für die Immissionen von Gesamtstaub, Gesamtkohlenstoff,
Kohlenmonoxyd, Stickstoffoxyd und Schwefeldioxyd sowie bezüglich der in Nr. 2.3
der Anordnung festgelegten Messpflicht und Ausrüstung der Anlage mit
entsprechenden Messinstrumenten sei rechtswidrig, da die Klägerin einen
Anspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung habe.
Zur Begründung des zweiten Hilfsantrages hat die Klägerin ausgeführt, die
Ablehnung der Anträge auf Erteilung von Ausnahmen sei in den in den
gerichtlichen Anträgen genannten Punkten rechtswidrig, da ihre im
Verwaltungsverfahren gestellten Anträge auf Erteilung von
Ausnahmegenehmigungen ohne substantielle Begründung abgelehnt worden
seien. Die Beklagte habe das ihr in § 19 Abs. 1 der 17. BImSchV eingeräumte
Ermessen für die Gewährung der Ausnahmen für die genannten Verpflichtungen
nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ausgeübt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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die Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Umwelt A-
Stadt - vom Mai 2006, Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005, aufzuheben,
hilfsweise,
1. a) Nr. 1.2 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - insoweit aufzuheben, als der Klägerin untersagt
wird, während des Anfahrens und bei drohender Unterschreitung der
Mindesttemperatur die Brenner mit flüssigen Stoffen nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV
zu betreiben, bei denen aufgrund ihrer Zusammensetzung keine anderen oder
höheren Immissionen als bei der Verbrennung von Heilöl EL auftreten können,
b) Nr. 1.3 Ziffer 3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005- insoweit aufzuheben, als die Klägerin
verpflichtet wird, durch automatische Vorrichtungen sicherzustellen, dass beim
Abfahren der einzelnen Verbrennungslinien zur Aufrechterhaltung der
Verbrennungsbedingungen die Brenner so lange betrieben werden, bis sich keine
Ersatzbrennstoffe/Abfälle mehr im Feuerraum befinden, und sich diese Pflicht auch
auf Stoffe im Sinne des § 4 Abs. 8 Satz 2 17. BImSchV erstreckt, die zur
Aufrechterhaltung der Verbrennungsbedingungen eingesetzt werden,
c) Nr. 2.5 Abs. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - aufzuheben,
d) Nr. 2.5 Abs. 2 und 3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt
vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - insoweit aufzuheben, als die Klägerin
verpflichtet wird, anhand von Einzelmessungen nach § 26 BImSchG überprüfen zu
lassen, ob der in Nr. 1.5.3 der Anordnung festgelegte Immissionsgrenzwert für
Benzo(a)pyren überschritten wird,
e) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Gesamtstaub und der
Ausrüstung der Anlage mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der
Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im
24/2005 - zu verpflichten, der Klägerin für die Immission von Gesamtstaub eine
Ausnahme gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der
Pflicht zur entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu
erteilen,
f) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von organischen Stoffen,
angegeben als Gesamtkohlenstoff und der Ausrüstung der Anlage mit
entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - zu
verpflichten, der Klägerin für die Immission von Gesamtkohlenstoff eine Ausnahme
gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur
entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
g) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Kohlenmonoxid und der
Ausrüstung der Anlage mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der
Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im
24/2005 - zu verpflichten, der Klägerin für die Immission von Kohlenmonoxid eine
Ausnahme gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der
Pflicht zur entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu
erteilen,
h) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Pflicht zur kontinuierlichen
Messung der Massekonzentration der Immission von Stickstoffmonoxid und
Stickstoffdioxid, angegeben als Stickstoffdioxid, und der Ausrüstung der Anlage
mit entsprechenden Messinstrumenten gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - zu
verpflichten, der Klägerin für die Immission von Stickstoffdioxid eine Ausnahme
gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der Messpflicht und der Pflicht zur
entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr. 2.3 der Anordnung zu erteilen,
i) die Beklagte unter Aufhebung der Nr. 2.7.2 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - zu
verpflichten, der Klägerin für Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid, angegeben als
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verpflichten, der Klägerin für Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid, angegeben als
Schwefeldioxid, eine Ausnahme gemäß § 11 Abs.1 Satz 3 17. BImSchV von der
Messpflicht und der Pflicht zur entsprechenden Ausrüstung der Anlage nach Nr.
2.3 der Anordnung zu erteilen,
j) die Festsetzung der Verfahrenskosten nach Nr. 11.2 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 -
insoweit aufzuheben, als die Verfahrenskosten den Betrag von Euro 1.805,60
übersteigen, höchst hilfsweise,
1. a) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der
Klägerin zur Messung der Einhaltung der Mindesttemperatur und der
Mindestverweilzeit gemäß Nr. 1.1 der Anordnung des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - und
b) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
gemäß Nr. 1.3 der Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai
2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - durch automatische Vorrichtungen die
Einhaltung der Vorgaben der Nr. 1.3 Ziffer 1 - 3 der Anordnung sicherzustellen und
c) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
die Anlage mit Registrierungseinrichtungen nach Nr. 1.4 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 -
auszurüsten und
d) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
kontinuierliche Messungen gemäß Nr. 2.3 der Anordnung des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 -
durchzuführen und
e) die Beklagte unter Aufhebung der Anordnung der Verpflichtung der Klägerin,
Einzelmessungen gemäß Nr. 2.5 der Anordnung des Regierungspräsidiums
Darmstadt vom Mai 2006 - Az. IV/Wi 43.2 Im 24/2005 - durchzuführen,
zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts gemäß § 19 Abs. 1 17. BImSchV neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin verbrenne in ihren HT-Öfen seit
jeher und auch nach den zuletzt in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien
Abfall. Die novellierte 17. BImSchV enthalte für diesen Fall neue klare Vorgaben,
die mit der angefochtenen Verfügung umgesetzt worden seien. Die Anordnung sei
auch in kostenrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie umfasse den
gesamten mit der streitgegenständlichen Anordnung verbundenen nicht
unerheblichen Aufwand.
Mit Urteil vom 15. August 2007 hat das Verwaltungsgericht die Anordnung des
Beklagten vom 24. Mai 2006 bezüglich der Nebenbestimmungen Nr. 1.2, 1.3.3 und
2.5 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, die Anlage der Klägerin unterfalle der 17. BImSchV. Das
Harzöl, das hier zulässigerweise von der Klägerin als Ersatzbrennstoff für Heizöl
eingesetzt werde, sei als Abfall i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der 17. BImSchV zu
qualifizieren. Daher sei die nachträgliche Auflage auf eine rechtmäßige
Rechtsgrundlage gestützt. Der Hilfsantrag sei jedoch zum Teil begründet. Die
Anordnungen 1.2 und 1.3.3 widersprächen § 4 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8 Satz 1 der
17. BImSchV. Es sei unstreitig, dass der Ersatzbrennstoff Harzöl keine anderen
oder höheren Immissionen (gemeint sein dürfte Emissionen) hervorrufe als Heizöl
EL. Auch die Anordnung 2.5 sei rechtswidrig, da die entsprechende
Ermächtigungsgrundlage des § 13 der 17. BImSchV eine solche Regelung nur bei
der erstmaligen Inbetriebnahme vorsehe. Im Übrigen sei die angegriffene
Verfügung rechts- und ermessensfehlerfrei und der Klägerin stehe über die
gewährten Ausnahmen hinaus kein Anspruch auf weitere Ausnahmen zu, da sie
nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen des § 19 der 17. BImSchV
vorlägen, insbesondere die von der Behörde angeordneten Maßnahmen
unverhältnismäßig seien. Deshalb seien sowohl die Hilfsanträge zu e) bis i) wie
auch die höchst hilfsweise gestellten Bescheidungsanträge zurückzuweisen.
Zuletzt sei auch die im Bescheid enthaltene Festsetzung der Verfahrenskosten
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Zuletzt sei auch die im Bescheid enthaltene Festsetzung der Verfahrenskosten
nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat am 15. Oktober 2007 die zugelassene Berufung gegen das ihr am
17. September 2007 zugestellte Urteil eingelegt, soweit ihrem Begehren nicht
entsprochen wurde, und mit Schriftsatz vom 19. November 2007 (einem Montag),
am selben Tag bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen, die
Berufung begründet.
Die Klägerin trägt zur Begründung vor, das Verwaltungsgericht habe ihren
Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten zu Unrecht abgelehnt.
Dieser sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die 17. BImSchV finde im
Fall der (Mit-) Verbrennung von Harzöl keine Anwendung, da es sich bei diesem
Stoff nicht um Abfall handele, sondern um einen abfallähnlichen Stoff. Da zudem -
wie unstreitig bei Kontrollmessungen ermittelt - bei dem Verbrennen von Harzöl in
den betroffenen Hochtemperaturöfen keine anderen Emissionen als bei der
Verbrennung von Heizöl EL entstünden, sei die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 1
Nr. 2 a.E. der 17. BImSchV anzuwenden. Es sei zwar so, dass vor der Novellierung
der 17. BImSchV (zuletzt in der Fassung vom 23. Februar 1999) auch Abfall
entsprechend privilegiert gewesen sei, aber das eingesetzte Harzöl sei nie als
Abfall gewertet worden. Es bestehe auf Seiten der Klägerin kein Entledigungswille
und es finde auch tatsächlich keine Entledigung statt. Vielmehr ersetze das Harzöl
ansonsten benötigtes Heizöl, so dass es einen Wirtschaftswert aufweise und -
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - als
Nebenerzeugnis einzustufen sei. Mit der einschlägigen Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs und des OVG Nordrhein-Westfalen habe sich das
Verwaltungsgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt. Ebenso widerspreche
die jetzige Entscheidung einem früheren Urteil desselben Gerichts vom 26.
Februar 1986, in dem das Harzöl noch als Nebenprodukt und nicht als Abfall
qualifiziert worden sei.
Die Klägerin beantragt,
die Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 24. Mai 2006 unter
teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 15.
August 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die 17. BImSchV finde für die Anlage der Klägerin
Anwendung, da es sich bei dem als Brennstoff eingesetzten Harzöl um Abfall
handele. Dieser Begriff werde für eine Mischung unterschiedlicher chemischer
Stoffe verwandt, die im Rahmen der Herstellung der gewünschten Produkte
eingesetzt würden. Sie seien als Hilfsstoffe zu bezeichnen und verlören ihre
Eigenschaften im Verlauf der Verwendung durch zunehmende Verschmutzung.
Daher sei die Verwendung der Lösemittel nicht mehr möglich und diese müssten
durch die Klägerin sachgerecht entsorgt werden. Dass die Entsorgung durch
Verbrennung in den HT-Öfen erfolgen dürfe, ändere nichts an der Notwendigkeit
der Entsorgung. Darüber hinaus sei auch anzuführen, dass andere Abfälle als das
Harzöl von der Klägerin in der Anlage verbrannt würden. So sei in dem
Genehmigungsbescheid vom 15. Februar 2001 nicht nur die (Mit-) Verbrennung
des Harzöls, sondern auch die der Schwimmschicht, Rückphenol und Rückxylol,
anderen Stoffen und Fehlchargen genehmigt worden, allesamt mit einem
Abfallschlüssel belegt. Die Stoffe seien stark verunreinigt und nicht mehr für die
Produktion verwendbar. Eine Vermarktungsabsicht dieser Stoffe sei von der
Klägerin nicht nachgewiesen, aufgrund der Zusammensetzung und Verunreinigung
zudem auch nicht möglich, da hierfür kein Markt bestehe.
Die Behördenakten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, die sich gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden wendet, soweit darin die Klage abgewiesen wurde,
ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt unter entsprechender
Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zur - vollständigen -
Aufhebung des Bescheides vom 24. Mai 2006.
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I. An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Zweifel, insbesondere bedurfte es
wegen § 16a Abs. 2 und 3 HessAGVwGO nicht der Durchführung eines
Vorverfahrens.
II. Die Klage auf Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt
vom 24. Mai 2006 ist hinsichtlich der ausgesprochenen nachträglichen Anordnung
begründet, da der Verwaltungsakt in seinem Regelungsbereich nicht rechtmäßig
ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der
angegriffenen Verfügung ist derjenige des Erlasses. Gemäß dem insofern
maßgeblichen materiellen Recht richtet sich die Beurteilung einer
Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO gegen einen
immissionsschutzrechtlichen Auflagenbescheid regelmäßig nach den
Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG,
Urteil vom 6. Dezember 1985 - BVerwG 4 C 23.83 -, NJW 1986, 1186), es sei denn,
das jeweils heranzuziehende materielle Fachrecht stehe dem entgegen (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2006 - BVerwG 5 B 90/05 -, juris; Hess. VGH,
Beschluss vom 15. November 2006 - 3 UZ 634/06 -, ESVGH 57, 112).
Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass,
obwohl die Verfügung vom 24. Mai 2006 auch Bestimmungen enthält, die eine
fortdauernde Belastung der Klägerin zur Folge haben. Der Gesichtspunkt einer
"Dauerwirkung" der nachträglichen Anordnung spricht nämlich nicht dafür, auf den
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Der Schwerpunkt der
Regelungen liegt - auch ausweislich der Angaben der Klägerin zu den Kosten der
Umsetzung der Verfügung - vor allem in der Forderung der Installation weiterer
Messeinrichtungen; die Anordnung bezieht sich damit im Kern auf ein einmaliges
Tätigwerden der Klägerin. Demgegenüber treten die laufenden Kosten für die
Messungen zurück. Entsprechendes gilt für das der Anordnung zu Grunde liegende
materielle Recht. Bei der angefochtenen Anordnung handelt es sich um eine
Ergänzung der bereits bestehenden Verpflichtung der Klägerin, diverse Messungen
vorzunehmen und die Messergebnisse der Aufsichtsbehörde zur Kenntnis zu
bringen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 der Siebzehnten Verordnung zur Durchführung
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Verbrennung und
die Mitverbrennung von Abfällen - 17. BImSchV -) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14. August 2003 (BGBl. I S. 1633) dürfen kontinuierliche
Messungen der durch Verweis benannten Stoffe nicht angeordnet werden, wenn
Emissionen dieser Stoffe "auszuschließen oder allenfalls in geringen
Konzentrationen zu erwarten sind". Das materielle Recht stellt in dieser Hinsicht
mithin auf eine Prognose der Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ab.
2. Rechtsgrundlage für die nachträgliche Anordnung ist § 17 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 und 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen
Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und
ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG -) vom 26.
September 2000 (BGBl. I S. 3830).
3. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Regierungspräsidium Darmstadt war
für den Erlass der Anordnung zuständig aufgrund § 1 Gesetz über die
Ermächtigung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz vom 4. September 1974 (GVBl. I S. 402) und ist dies
auch aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über Zuständigkeiten nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz und zur Durchführung der
Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Zulassung eines Vorhabens durch mehrere
Behörden vom 11. Oktober 2007 (GVBl. I S. 678). Im Rahmen des
Verwaltungsverfahrens hat die Behörde die Klägerin ordnungsgemäß nach § 28
Abs. 1 HVwVfG angehört. Der Bescheid selbst entspricht den formellen
Anforderungen der §§ 37, 39 Abs. 1 und 41 HVwVfG.
4. Der Bescheid vom 24. Mai 2006 ist indes materiell rechtswidrig, auch soweit das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat. Die von der Klägerin geltend
gemachten Gründe für eine inhaltliche Unrichtigkeit greifen durch, da der Beklagte
die angegriffene Verfügung zu Unrecht auf die Voraussetzungen der genannten
Normen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die der 17. BImSchV gestützt
hat.
a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG können zur Erfüllung
der sich aus dem Gesetz und den ergangenen Rechtsverordnungen ergebenden
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der sich aus dem Gesetz und den ergangenen Rechtsverordnungen ergebenden
Pflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen Anlagen zur Vorsorge gegen
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und
erhebliche Belästigungen nachträgliche Anordnungen getroffen werden.
b) Die von der Klägerin betriebenen HT-Öfen stellen eine derartige
genehmigungsbedürftige und bestandskräftig genehmigte Anlage dar, die zudem
bezüglich der Energiegewinnung außer mit Heizöl der Klassifizierung EL oder
Erdgas mit dem hier streitbefangenen Ersatzbrennstoff "Harzöl" und anderen
Stoffen sowie Fehlchargen legal betrieben werden darf (Genehmigungen vom 27.
Mai 1982 an die frühere Betreiberin Höchst AG, vom 15. Februar 2001 an die
früher Betreiberin GB Vanova und vom 9. Dezember 2005 an die Klägerin).
b) Der Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV ist bezüglich der
Anlage der Klägerin jedoch nicht eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV gilt die
Verordnung nur für den Betrieb von genehmigungsbedürftigen Verbrennungs-
oder Mitverbrennungsanlagen, in denen feste, flüssige oder in Behältern gefasste
gasförmige Abfälle (Nr. 1) oder ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe, die
nicht in Nummer 1.2 des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige
Anlagen aufgeführt sind, ausgenommen ähnliche flüssige brennbare Stoffe, soweit
bei ihrer Verbrennung keine anderen oder höheren Emissionen als bei der
Verbrennung von Heizöl EL auftreten können (Nr. 2) oder feste, flüssige oder
gasförmige Stoffe, die bei der Pyrolyse oder Vergasung von Abfällen entstehen
(Nr. 3), eingesetzt werden. Die Verbrennung des "Harzöls" kann aber nur unter die
Regelungen der § 17 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 der 17. BImSchV fallen, da selbst bei
Vorliegen der Abfalleigenschaft keine Pyrolyse oder Vergasung erfolgt.
Zunächst muss allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin das Vorliegen einer
Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage bejaht werden. Verbrennungsanlagen
sind nach § 2 Nr. 6 der 17. BImSchV Anlagen, die dazu bestimmt sind, thermische
Verfahren zur Behandlung von Abfällen oder Stoffen nach § 1 Abs. 1 zu
verwenden. Auf dieses Ziel sind die HT-Öfen der Klägerin nicht vorrangig
ausgerichtet. Hauptzweck der Anlage ist vielmehr die Bereitstellung von
thermischer Energie für den Herstellungsprozess von chemischen Produkten.
Einschlägig ist damit die Definition der Mitverbrennungsanlage in § 2 Nr. 7 Satz 1
der 17. BImSchV, wonach dies Anlagen sind, deren Hauptzweck in der
Energiebereitstellung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und (1.
Spiegelstrich) in denen Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 als regelmäßiger oder
zusätzlicher Brennstoff verwendet werden oder (2. Spiegelstrich) in denen Abfälle
oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt
werden. Ob die letztere Alternative (2. Spiegelstrich) vorliegt, kann offen bleiben,
da die Einbeziehung in die Definition deshalb zu bejahen ist, weil das als Harzöl
bezeichnete Stoffgemisch als regelmäßiger und zusätzlicher Brennstoff verwendet
wird und zwar unabhängig davon, ob die Eigenschaft als Abfall oder als
abfallähnlicher Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV zu bejahen ist.
c) Die Anlage unterfällt jedoch nicht dem § 1 Abs. 1 Nr. 1, sondern § 1 Abs. 1 Nr. 2
der 17. BImSchV, da das zur Verbrennung eingesetzte Harzöl nicht als Abfall zu
qualifizieren ist.
Harzöl ist nach dem Vortrag der Klägerin und des Beklagten ein Begriff für eine
nicht homogene Sammlung diverser Reststoffe, die in einem separaten Behälter
(in der Anlage der Klägerin: Nr. B609, Gebäude D 664) gesammelt werden. Die
Mischung besteht nach der Stoffbeschreibung der Klägerin für die Jahre 2004 bis
2007 in der Anlage B 5 zum Schriftsatz vom 7. Oktober 2008 (Bl. 599 der
Gerichtsakte), die der Beklagte nicht angreift, aus unterschiedlich hohen
Konzentrationen von 5 bis 15 % Phenol, 5 bis 12 % Xylol, 15 bis 29 % Butanol, 16
bis 23 % Kresol, 14 bis 26 % MPAC, 0 bis 7 % Isopar, 11 bis 19 % sonstige
Lösemittel und 0 bis 11 % Fehlchargen. An Mengen wurden insgesamt in den
Jahren 2004 355 Tonnen, 2005 469 Tonnen, 2006 399 Tonnen und 2007 635
Tonnen verbrannt. Diese Stoffe entstehen im Alnovolbetrieb der Klägerin, in dem
Alkydharze, Novolak-Harze, Veresterungsprodukte, Aminharze, Additive,
Phenolharze und Epoxidharze hergestellt werden. Dass das von der Klägerin so
bezeichnete "Harzöl" als konstanter Stoff nicht auftritt und von der Klägerin auch
nicht durch Steuerung des Produktionsprozesses absichtlich als Produkt erzeugt
wird, sondern als inhomogene Mischung verschiedener Reststoffe aus der
Produktion ausfällt, ist unerheblich. § 4 Abs. 4 Satz 3 Gesetz zur Förderung der
Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von
Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG -) benennt zwar den
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Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG -) benennt zwar den
Vorrang der einzelnen (Abfall-) Fraktionen, ist europarechtskonform aber dahin
auszulegen, dass als "einzelner Abfall" auch ein Abfallgemisch zu verstehen ist,
gleichgültig ob es bereits vermischt angefallen ist oder nachträglich hergestellt
wurde (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2001 - BVerwG 3 B 82.01 -, NVwZ-
RR 2002, 182; Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 7 C 7.06 -, BVerwGE 129, 1 =
NVwZ 2007, 1083 = ZUR 2007, 476).
Zur Prüfung, ob das Stoffgemisch, das lediglich zur Vereinfachung im Folgenden
als "Harzöl" bezeichnet wird, Abfall oder ein Wirtschaftsgut bzw. Nebenprodukt
darstellt, ist zunächst auf § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG abzustellen. Nach dieser
Vorschrift sind Abfälle alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I
aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will
oder entledigen muss.
Das Harzöl, das die Klägerin erzeugt, ist als bewegliche Sache zu qualifizieren und
unterfällt auch einer Abfallgruppe, nämlich - je nach Betrachtung der
ursprünglichen Bestandteile - den Gruppen Q 1, 2, 8 und 16 des Anhangs I zum
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Weitere Voraussetzung ist, dass sich die
Klägerin des Harzöls durch die Verbrennung in den HT-Öfen entledigt, entledigen
will oder entledigen muss. Entledigung liegt nach § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG dann vor,
wenn der Besitzer die Sache einer Verwertung im Sinne des Anhangs IIB oder einer
Beseitigung im Sinne des Anhangs IIA zuführt. Die Nutzung des Harzöls zur
Energiegewinnung stellt gemäß R 1 des Anhangs IIB zum Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetz daher eine Verwertung dar (Hauptverwendung als Brennstoff oder
andere Mittel der Energieerzeugung).
Mit Rücksicht auf den von § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG vorgegebenen dualen
Abfallbegriff kann die Zuerkennung der Abfalleigenschaft aber nicht allein anhand
der vorgenommenen Kriterien erfolgen. Die Vorschrift definiert Abfälle zur
Verwertung dahingehend, dass dies Abfälle sind, die verwertet werden;
wohingegen Abfälle zur Beseitigung Abfälle sind, die nicht verwertet werden. Nach
dem Wortlaut wird damit auf ein tatsächliches Geschehen abgestellt, das dem
Anfall des Abfalls nachfolgt, sobald dieser entsorgt wird. Welche der beiden
Entsorgungsformen vorliegt, entscheidet sich also erst mit der weiteren
Behandlung des angefallenen Abfalls. Der duale Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG erweist sich damit nicht nur als lückenhaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.
Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 -, NVwZ 2006, 589), sondern kann nur
einschränkt für die Qualifizierung eines Stoffes als Abfall in einem anderen
Zusammenhang als den abfallrechtlichen Bestimmungen herangezogen werden.
Vielmehr muss unabhängig von der Zielrichtung des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes, Abfall zu vermeiden, zu verwerten und erst an letzter Stelle zu
beseitigen, bereits aus der Gesamtschau heraus festgestellt werden können, ob
ein Stoff Abfall ist. Die Definition des Abfallbegriffs ist mithin zurückzuführen auf die
in § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG genannten Merkmale der Entledigung. Dabei kann
als maßgebend angesehen werden, ob die Sache, die verwertet wird, am
Wirtschaftskreislauf noch oder wieder teilnimmt, etwa indem sie eine neue
Zweckbestimmung durch ihren Besitzer erfährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April
2008, - BVerwG 9 BN 4.07 -, UPR 2008, 354). Nicht ausreichend ist aber allein ein
Abstellen darauf, ob Stoffe gesammelt und auch vermischt werden, um sie
anschließend zu verbrennen. Dies kann für sich gesehen noch nicht als "neue
Zweckbestimmung" angesehen werden.
Zur weiteren Abgrenzung des Abfallbegriffs ist, da die nationale
Begriffsbestimmung dem Abfallbegriff nach Art. 1 a) der Richtlinie 2006/12/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 (ABl. L 114 S. 9) - die
die Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 ersetzt hat - entspricht, auf das
Gemeinschaftsrecht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs zur Abgrenzung des Abfallbegriffs abzustellen (vgl. zur Entwicklung
der Rechtsprechung Sobotta: Die Abgrenzung von Nebenprodukten und
Produktionsabfällen in der Rechtsprechung des EuGH, ZUR 2007, 188). Neben den
Merkmalen und Definitionsgruppen der späteren Verwendung als auch der
abfallspezifischen Risiken, die als mögliche Anhaltspunkte bejaht werden können
(vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - C-418/97 -, ARCO, NVwZ 2000, 1156, Rdn. 66
ff.), ist vor allem in den Blick zu nehmen, ob der jeweils problematische Stoff als
Produktionsrückstand qualifiziert werden muss. Dies ist ein Erzeugnis, das nicht als
solches zum Zweck seiner Verwendung angestrebt worden ist (vgl. EuGH, Urteil
vom 15. Juni 2000, ARCO, Rdn. 84); insbesondere wenn der Erzeuger bestrebt ist,
seine Menge zu begrenzen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2002 - C-9/00 -, Palin
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seine Menge zu begrenzen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2002 - C-9/00 -, Palin
Granit, NVwZ 2002, 1362, Rdn. 32). Weitere Merkmale sind, ob der Besitzer den
Stoff als Last betrachtet, deren er sich entledigen will, ob lediglich die Beseitigung
in Betracht kommt, ob die Zusammensetzung ihrer Verwendung nicht angepasst
ist oder ihre Verwendung wegen der Gefährlichkeit ihrer Zusammensetzung für die
Umwelt unter bestimmten Vorsichtsmaßnahmen stattfinden muss (Urteil vom 15.
Juni 2000, ARCO, Rdn. 86 u. 87). Ein Stoff, der als Ergebnis einer technischen
Entscheidung erzeugt wird, kann demgegenüber auch dann als Nebenerzeugnis
und nicht als Rückstand gewertet werden, wenn eine bewusste Entscheidung für
die Erzeugung eines nicht zwangsläufig entstehenden Stoffs getroffen wird, das
also genauso gut auch vermieden werden kann (vgl. EuGH, Beschluss vom 15.
Januar 2004 - C-235/02 -, Saetti, Slg. 2004, I-1005-1028 = AbfallR 2004, 95 nur
LS).
In diesem Zusammenhang ist es des Weiteren von Bedeutung, ob die
Verbrennung der streitbefangenen Stoffe tatsächlich als Verwertung oder letztlich
doch als Maßnahme zur Beseitigung zu erkennen ist. Die Abgrenzung richtet sich
nach dem Hauptzweck der Maßnahme (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG). Danach
kommt es vorrangig darauf an, ob die Entsorgungsmaßnahme hauptsächlich in
der Nutzung der stofflichen oder energetischen Eigenschaften des Stoffs oder in
der Beseitigung seines Schadstoffpotentials besteht. Eine Verbrennung muss als
Verwertungsvorgang erkannt werden, wenn die Stoffe hauptsächlich als Brennstoff
oder andere Mittel der Energieerzeugung verwendet werden und damit
Primärenergie ersetzen, die sonst für diesen Zweck hätte eingesetzt werden
müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 7 C 7.06 -, a.a.O.). Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss eine Hauptverwendung
zur Energieerzeugung ausgehend vom Substitutionsgedanken drei
Voraussetzungen erfüllen, um als Verwertungsvorgang erkannt zu werden. Die
Verbrennung des Stoffs muss - erstens - mit ihrem Hauptzweck dazu bestimmt
sein, die Abfälle zur Energieerzeugung einzusetzen. Ein Einsatz zur
Energieerzeugung ist anzunehmen, wenn - zweitens - thermische Energie erzeugt
und der gewonnene Energieüberschuss tatsächlich genutzt wird. Es muss also
mehr Energie entstehen, als bei der Verbrennung verbraucht wird, und der
Überschuss muss als Verbrennungswärme oder Elektrizität genutzt werden. Die
Stoffe müssen - drittens - hauptsächlich als Brennstoff oder andere Mittel der
Energieerzeugung Verwendung finden, also Primärenergie ersetzen (vgl. BVerwG,
Urteil vom 26. April 2007, a.a.O.).
Die Einstufung eines Stoffes oder eines Gegenstands als "Abfall" im Sinne von § 3
Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG bzw. von Art. 1 a) der Richtlinie 2006/12/EG ergibt sich
damit vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des
Ausdrucks "sich entledigen". Dieser Ausdruck ist unter Berücksichtigung der
Hauptzielsetzung der Richtlinie, die nach ihrem dritten Erwägungsgrund im Schutz
der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen
der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen
besteht, auszulegen. Daher kann das Merkmal "sich entledigen" und damit der
Begriff "Abfall" nicht eng ausgelegt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember
2007 - C-195/05 -, Vertragsverletzung Italien, NVwZ 2008, 295, Rdn. 34 - 35). Bei
der Feststellung, ob es sich bei einem Stoff oder Gegenstand um "Abfall" im Sinne
von Art. 1 a) der Richtlinie 2006/12/EG handelt, sind indes sämtliche Umstände
des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bestimmte Umstände können als
Anhaltspunkte dafür dienen, dass der Besitzer sich eines Stoffes oder eines
Gegenstands im Sinne dieser Bestimmung entledigt, entledigen will oder
entledigen muss. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der verwendete
Stoff ein Produktions- oder Verbrauchsrückstand ist, d. h. ein Erzeugnis, das nicht
als solches angestrebt wurde. Des Weiteren ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der
Wiederverwendung des Stoffes ohne vorherige Bearbeitung ein maßgebliches
Kriterium. Ist die Wiederverwendung des Stoffes nicht nur möglich, sondern
darüber hinaus für den Besitzer wirtschaftlich vorteilhaft, so ist die
Wahrscheinlichkeit einer solchen Wiederverwendung hoch. In diesem Fall kann der
betreffende Stoff nicht mehr als Last betrachtet werden, deren sich der Besitzer zu
entledigen sucht, sondern hat als echtes Erzeugnis zu gelten. Schließlich ist auch
die Möglichkeit und Zulässigkeit der Wiederverwendung des streitigen Stoffes zu
berücksichtigen. Die Wiederverwendung eines Gegenstands, eines Materials oder
eines Rohstoffs muss nicht nur möglich, sondern gewiss sein. Ob der Stoff bei dem
Erzeuger / Besitzer oder erst bei einem anderen Wirtschaftsteilnehmer verwendet
wird, ist dabei nicht erheblich. Hingegen stellt die Notwendigkeit einer vorherigen
Bearbeitung des Stoffes die Eigenschaft als Nebenprodukt in Frage (EuGH, Urteil
vom 18. Dezember 2007 - C-195/05 -, Rdn. 36-37, 40, 42, 44-46, 48-49).
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Unter Beachtung dieser Vorgaben stellt sich das hier in Frage stehende Harzöl
zwar als Produktionsrückstand dar. Dieser ist aber wegen seiner Verwendung als
Brennstoff durch die Klägerin gleichwohl nicht als Abfall zu qualifizieren.
Dass das Harzöl nicht als Nebenprodukt der Produktion, sondern als Rückstand
anfällt, ergibt sich daraus, dass die unter dem Begriff "Harzöl"
zusammengefassten Einzelstoffe nicht zielgerichtet bei der Herstellung der von
der Klägerin erzeugten Produkte anfallen und dass sich die Einzelstoffe nach ihrer
Aussonderung nicht mehr - jedenfalls nicht unbegrenzt - als Hilfs- oder
Betriebsstoffe in der Produktion verwenden lassen. Die Klägerin ist nach dem
Stand der vorgelegten Unterlagen auch nicht in der Lage, bei der Produktion der
Hauptgüter auf den Einsatz der Lösemittel zu verzichten oder zu entscheiden, bei
der Erzeugung von - beabsichtigten - Gütern auf andere Produktionshilfsmittel
auszuweichen. Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag des Beklagten ist
das Harzöl bzw. sind seine Fraktionen aber nicht mehr in diesem Sinne in der
Produktion oder anderweitig zu verwenden. Dabei muss es bereits ausreichen,
wenn es - nach der Entscheidung des Besitzers - unwirtschaftlich ist, den Stoff
wieder zu verwenden, auch wenn dies technisch möglich wäre. Die diversen
Lösemittel als Bestandteile des Harzöls entstehen mithin zwangsweise und sind
nach ihrer Verwendung zu entsorgen, wobei dies nicht anders möglich ist als in der
thermischen Beseitigung. Dies gilt auch für die des Weiteren in dem Gemisch
enthaltenen Fehlchargen. Dass der Stoff geeignet ist, bei der Verbrennung
Primärenergie zu ersetzen, beseitigt diese Notwendigkeit der Beseitigung nicht.
Daraus folgt, dass das Stoffgemisch Harzöl insgesamt als Produktionsrückstand
zu qualifizieren ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dies anders zu werten wäre, wenn die
ursprünglichen Fraktionen des Gemischs Harzöl noch getrennt wären und ob in
diesen Fällen - wie die Klägerin für einen Bestandteil (Kresol) vorgetragen hat -
noch eine Drittverwendungsmöglichkeit und damit eine wirtschaftliche Verwertung
durch Verkauf im Raum stehen kann. Spätestens durch die Vermischung der
unterschiedlichen Rückstände zu dem Gemisch Harzöl bleibt lediglich die
Möglichkeit der Beseitigung durch Verbrennung, sei es in den HT-Öfen der Klägerin
selbst oder an anderer Stelle in dafür zugelassenen Anlagen.
Bei Produktionsrückständen kann die Abfalleigenschaft nach den dargestellten
Grundsätzen des gemeinschaftsrechtlichen Abfallbegriffs jedoch dann
ausgeschlossen werden, wenn die vollständige Wiederverwendung des Stoffes oder
einzelner Bestandteile nicht nur möglich, sondern ohne vorherige Bearbeitung in
Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens gewiss ist; insbesondere wenn damit ein
wirtschaftlicher Vorteil verbunden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2002 - C-9/00
-, Palin Granit, Rdn. 36 f.).
Die vollständige und ohne vorherige Aufbereitung mögliche Nutzung des
Stoffgemischs ist im vorliegenden Fall gegeben, so dass eine Entledigung verneint
werden muss. Anders als bei gesondert produzierten Produkten zur Verbrennung
(z.B. Petrolkoks), die anschließend veräußert werden können, ist im Fall des
Harzöls zwar keine zielgerichtete Herstellung gegeben. Ebenso erfolgt keine
Herstellung oder Gewinnung zum Zwecke des Verbrennens, wie etwa bei der
Gewinnung von Biogas aus Abfällen. In diesen Fällen wird aus Abfällen erstmals ein
neuer Rohstoff gewonnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 7 C 4.06 -
, BVerwGE 127, 250 = AbfallR 2007, 45). Für das hier in Streit stehende
Stoffgemisch Harzöl kann aber von vornherein zumindest eine beabsichtigte
zweifache Nutzung erkannt werden, da die einzelnen Stoffe zunächst in der
Produktion als Hilfsstoff und sodann nach ihrer Aussonderung in der Verbrennung
als Energielieferant Verwendung finden. Die dem Harzöl innewohnende
Heizenergie kann daher bereits bei der Konstruktion der Produktionsanlagen und
der -prozesse berücksichtigt und eingeplant werden. Die Klägerin sammelt die
einzelnen Fraktionen dementsprechend zielgerichtet am Ende deren ersten
Verwendung in einem Behälter, um sie anschließend kontrolliert zur Unterstützung
der ohnehin für den Produktionsablauf benötigten Feuerung den HT-Öfen
zuzuführen. Zwischen der Aussonderung aus dem Produktionszyklus und der
Verbrennung ist keine Auf- oder Umarbeitung der Einsatzstoffe erforderlich und
wird auch nicht durchgeführt. Ebenso ist sichergestellt, dass die Klägerin das
Stoffgemisch vollständig der Verbrennung und damit der Verwendung zuführt.
Die Klägerin will sich des Harzöls mithin auch nicht im Sinne von § 3 Abs. 3 KrW-
/AbfG entledigen, sondern nutzen. Das ergibt sich im Einzelnen aus den zuvor
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/AbfG entledigen, sondern nutzen. Das ergibt sich im Einzelnen aus den zuvor
dargelegten Ausführungen.
Da die vorgesehene Verwendung unter Sicherheits- und
Umweltschutzgesichtspunkten unbedenklich ist, was zwischen den Beteiligten
unstreitig ist, muss sich die Klägerin auch nicht im Sinne von § 3 Abs. 4 KrW-/AbfG
des Stoffgemischs entledigen. Die Verbrennung des Stoffgemischs ist der Klägerin
gestattet. Die ausgesonderten Hilfsstoffe sind nach den vorgelegten Gutachten in
den HT-Öfen auch gefahrlos zu verbrennen. Dass die Mischung verschiedener
Stoffe, insbesondere bei schwankenden Volumenanteilen und stark heterogener
Zusammensetzung des Gemischs entsprechend immissionsschutzrechtliche
Probleme bereiten würde, haben die Beteiligten verneint. Gründe des Abfallrechts
und der dort beschriebenen Vorsorge vor spezifischen Gefahren, die von dem Stoff
selbst ausgehen, und damit des Schutzes der Umwelt und der menschlichen
Gesundheit im Rahmen des Immissionsschutzrechts widersprechen, sind damit
nicht tangiert. Das dem Gemisch innewohnende Gefährdungspotential kann
bereits mit Mitteln des Immissionsschutzrechts ausgeschlossen werden. Da die
Verbrennungseigenschaften des Harzöls bei dem genehmigten Einsatz in der
Verbrennungsanlage der Klägerin oder in vergleichbaren Verbrennungsanlagen
denen von hochwertigen Primärbrennstoffen vergleichbar sind, entspricht der
wirtschaftliche Wert des Destillats für den Anlagenbetreiber den ersparten Kosten
für den Primärbrennstoff. Angesichts dieses Werts liegt die vollständige
unmittelbare Wiederverwendung so sehr im Interesse des Betreibers, dass sie als
gewiss anzusehen ist und - im Sprachgebrauch des Europäischen Gerichtshofs -
nicht als Last bezeichnet werden kann, deren sich die Klägerin entledigt oder
entledigen will.
Es ist mithin unerheblich, ob die Lösemittel noch von einer für die Herstellung der
gewünschten Produkte geeigneten Reinheit sind oder aus wirtschaftlichen oder
technischen Gründen ausgesondert werden müssen und ob sich die jeweiligen
Einzelstoffe nach ihrer Vermischung noch eindeutig bestimmen lassen.
Der Qualifizierung des Harzöls als Produktionsrückstand, der gleichwohl nicht als
Abfall zu werten ist, steht auch die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen
vom 17. August 2005 (Urteil, 8 A 1598/04, ZUR 2005, 608 = GewArch 2006, 173)
nicht entgegen. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat ein im Produktionsprozess der
dortigen Klägerin entstehendes Destillat unterschiedlicher Stoffe (vor allem das
Lösemittel Xylol) zwar im Gegensatz zum hier streitbefangenen Stoffgemisch
bereits als ein Nebenerzeugnis gewertet, auf dessen Herstellung der
Produktionsprozess (auch) ausgerichtet und für das mit Entfallen der
ursprünglichen Zweckbestimmung unmittelbar ein neuer Verwendungszweck
vorgesehen sei. Diese Feststellung lässt sich auf den Produktionsprozess der
Klägerin nach den vorliegenden Erkenntnissen aber nicht übertragen. Die in dem
Gemisch Harzöl enthaltenen Lösemittel sind, wie dargestellt, vielmehr als
Hilfsstoffe der Produktion zu beschreiben. Ein Hilfsstoff, wie das für die eigentliche
Produktion genutzte Lösemittel, wird nach entsprechender Verwendung vom
weiteren Verfahren aber ausgeschlossen. Es ist nicht mehr im ursprünglichen
Zweck zu nutzen, d.h. die einzige - neue - Verwendungsmöglichkeit ist nunmehr
die der ordnungsgemäßen schadlosen Beseitigung.
Gleichwohl entsprechen die weiteren Feststellungen des OVG Nordrhein-Westfalen
zur Frage der sicheren, unmittelbaren und vollständigen Verwertung des Stoffes
den zuvor genannten Kriterien. Auch das Harzöl findet wie das dort genannte
Destillat Verwendung als Ersatzbrennstoff mit einem hohen Heizwert ohne weitere
Verarbeitung in vollem Umfang für die ebenfalls stattfindende und erforderliche
Energieversorgung. Das Stoffgemisch ersetzt hierbei den Primärbrennstoff. Die
Verbrennung erfolgt auch nicht deshalb als Abfall, weil die Beseitigung gefährlich
sei. Vielmehr ist sie nach den tatsächlichen Feststellungen zugelassen und
unbedenklich.
Der Verneinung des Abfallbegriffs in Bezug auf das Harzöl steht auch nicht, wie der
Beklagte meint, entgegen, dass damit praktisch jeder Abfallstoff als Energieträger
verbrannt werden könnte. Die Argumentationskette, ein irgendwo anfallender Stoff
werde bei Verwendung als Ersatzbrennstoff nicht nur vollständig vernichtet,
sondern ersetze dabei planmäßig noch wertvollen Primärenergieträger, lässt sich
gerade nicht auf fast alle Abfallfraktionen, denen ein thermischer Energiewert
innewohnt, übertragen. Zu beachten ist vielmehr, dass bei der Verbrennung der
meisten Stoffe gerade keine vollständige "Beseitigung" möglich ist, sondern
Reststoffe (Schlacken etc.) verbleiben. Zudem existieren diverse gesetzliche
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Reststoffe (Schlacken etc.) verbleiben. Zudem existieren diverse gesetzliche
Regelungen, die eine "wahllose Verbrennung" untersagen. Nicht umsonst kann
etwa Haus- und Gewerbemüll durchaus begehrt sein, da durch die thermische
Beseitigung Energie in Form von Strom oder Wärme gewonnen werden kann,
gleichwohl ist die Verbrennung aber stark reglementiert (vgl. § 4 Abs 4 KrW-/AbfG).
Des Weiteren müssen die Anlagen, in denen tatsächlicher oder möglicher Abfall
(mit-) verbrannt werden soll, geeignet und genehmigt sein, um sicherzustellen,
dass das jeweilige Gefährdungspotential mit Mitteln des Immissionsschutzrechts
ausgeschlossen werden kann. Da es bezüglich der Frage, ob Abfall vorliegt und
damit die Regelungen der Abfallrahmenrichtlinie bzw. der 17. BImSchV Anwendung
finden, letztlich um Gefahrenvorsorge geht, ist aufgrund der erforderlichen
restriktiven Auslegung eine Ausweitung der Verbrennung auf alle möglichen Stoffe
nicht zu besorgen. Eine Verallgemeinerung ist nicht möglich, weil sich die
unterschiedlichen Stoffe nicht gleichen und auf die Umstände des Einzelfalls unter
Berücksichtigung des jeweils konkret zur Verbrennung vorgesehenen Stoffs
abgestellt werden muss.
d) Stellt das "Harzöl" keinen Abfall dar, ist es jedoch, wie die Klägerin einräumt, als
abfallähnlicher Stoff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der 17. BImSchV zu werten. Das
Gemisch unterfällt indes - unabhängig von der Frage, wie die Einstufung des
Stoffes unter Geltung der früheren Fassung der 17. BImSchV erfolgte - der
Privilegierung der Verbrennung des Ersatzbrennstoffs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der 17.
BImSchV, da das Vorliegen der weiteren Voraussetzung der der Verbrennung von
Heizöl EL entsprechenden Emissionswerte unstreitig feststeht.
Die Berücksichtigung der Privilegierung des Stoffes ist ausgehend vom Wortlaut
der Norm gegeben. Die Regelungswirkung der als Umsetzung der
Abfallverbrennungsrichtlinie erlassenen 17. BImSchV ist vom nationalen
Verordnungsgeber dahingehend eingeschränkt worden, dass Heizanlagen, die mit
flüssigen brennbaren Stoffen betrieben werden, die Emissionen ähnlich des Heizöls
EL aufweisen, nicht unter das Regime der Regelung der Abfallverbrennung fallen
sollen. Auch die Systematik der Norm spricht für diese Auslegung, da die hier
einschlägige Ausnahmevorschrift im Bereich der Geltungsbestimmungen
verankert ist und damit die Ziel- und Zweckbestimmung der Verordnung
einschränkt. Die Richtigkeit der Auslegung ergibt sich des Weiteren aus der
Entstehungsgeschichte der Norm. So war der hier streitbefangene Text des § 1
Abs. 1 Nr. 2 der 17. BImSchV bereits in der vor der Änderung des Jahres 2003
durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über Verbrennungsanlagen
für Abfälle und ähnliche Stoffe und weiterer Verordnungen zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 14. August 2003 (BGBl. I S. 1614)
geltenden Fassung enthalten, sollte indes in Wegfall geraten. Nach dem Entwurf
der Bundesregierung der Änderungsverordnung war zunächst eine textliche
Neufassung der Geltungsnorm § 1 unter Wegfall der Vorschriften für ähnliche feste
oder flüssige brennbare Stoffe und damit auch der Ausnahmevorschrift
vorgesehen (vgl. Begründung der Verordnung der Bundesregierung vom 3. Januar
2003, Bundesrat DS 5/03).
In den Beratungen des Bundesrates empfahl der Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, in § 1 Abs. 1 der Verordnung zusätzlich die
Formulierung aufzunehmen:
"1a. ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe, die nicht in Nummer 1.2 des
Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen aufgeführt sind
oder".
Zur Begründung führte er aus, dass auch die "Nicht-Regelbrennstoffe"
grundsätzlich der Verordnung in gleicher Weise wie die Abfallstoffe unterliegen
sollten. Dem widersprach der Wirtschaftsausschuss mit der Begründung, es müsse
eine klare Abgrenzung Produkt zu Abfall gefunden werden. Die Herstellung von
Ersatzbrennstoffen definierter Qualität aus Abfällen folge dem Grundsatz der
hochwertigen Verwertung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Daher
sei es notwendig, die bisherige Fassung mit der Ausnahmeregelung für sonstige
flüssige Brennstoffe beizubehalten (vgl. Bundesrat DS 5/1/03).
Angenommen wurde schließlich jedoch in der Sitzung des Bundesrates am 14.
März 2003 der Änderungsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. März
2003, mit dem die aktuelle Formulierung zur Abstimmung gestellt wurde. Die
Begründung für diesen Antrag lautet (Bundesrat DS 5/2/03):
"Die vorgeschlagene Ergänzung entspricht inhaltlich dem Wortlaut der geltenden
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"Die vorgeschlagene Ergänzung entspricht inhaltlich dem Wortlaut der geltenden
17. BImSchV. Dadurch wird - in Fortschreibung der derzeit geltenden Regelung -
festgelegt, dass auch die so genannten "Nicht-Regelbrennstoffe" grundsätzlich der
Verordnung unterliegen. Die Ergänzung stellt sicher, dass der Anwendungsbereich
der Verordnung aus sich heraus klar definiert ist und ein Rückgriff auf andere
Rechtsbereiche - insbesondere das Abfallrecht - nicht erforderlich ist.
Durch Herausnahme der flüssigen brennbaren Stoffe, die keine anderen oder
höheren Emissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL verursachen, aus
dieser Stoffgruppe der "Nicht-Regelbrennstoffe", wird auch hier der Status Quo im
Verhältnis zum geltenden Recht erhalten."
Nachdem sich die Bundesregierung die im Bundesrat beschlossene Fassung zu
Eigen gemacht und dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegt hatte (Bundestag
DS 15/947), stimmte dieser ohne weitere Aussprache am 26. Juni 2003 zu. Es
muss daher als ausdrücklicher politischer Wille gesehen werden, dass
Verbrennungsanlagen, die mit Brennstoffen betrieben werden, die erdölähnliches
Emissionsverhalten aufweisen, nicht der 17. BImSchV unterfallen sollen.
III. Ist die nachträgliche Anordnung als fehlerhaft zu erkennen, so ist auch die
Festsetzung der Kosten in dem Bescheid vom 24. Mai 2006 nicht rechtmäßig und
daher ebenfalls aufzuheben. Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob als
Kosten lediglich ein Betrag in Höhe von 1.805,60 Euro hätte angesetzt werden
dürfen. Zu Recht weist die Klägerin insoweit allerdings darauf hin, dass nach der
Anlage zur Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums
für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz (VwKostO-MULV) vom 16.
Dezember 2003 (GVBl. I S. 362) bei nachträglichen Anordnungen nach § 17
BImSchG gemäß der Nummer 15201 der Einleitungssatz zu Nummer 152
Beachtung finden muss.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 Abs. 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.