Urteil des HessVGH vom 29.04.1997

VGH Kassel: bahnanlage, bebauungsplan, gemeinde, grundstück, kabel, entwidmung, hindernis, vorentwurf, absicht, baurecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 1349/92
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 29 BauGB, § 34 BauGB, §
38 BauGB, § 65 BauO HE
(Bauvoranfrage betreffend die Errichtung eines
Lebensmittelmarktes auf einem Grundstück der Deutschen
Bahn AG - Verhältnis von Fachplanung zur kommunalen
Planungshoheit)
Tatbestand
Am 06.12.1985 stellte der Kläger eine Voranfrage für die Errichtung eines
Lebensmittelmarktes mit einer Grundfläche von ca. 887 qm und insgesamt 38
Kraftfahrzeug-Stellplätzen für eine Teilfläche mit einer Größe von ca. 3010 qm des
Grundstücks in der Gemarkung A Dieses Grundstück stand seinerzeit im Eigentum
der Deutschen Bundesbahn und ist nunmehr auf die Deutsche Bahn AG
übergegangen. Es gehört zum Rangierbahnhof und ist planfestgestellte
Eisenbahnanlage. Das Grundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang
bebauten Ortsteils, für den ein Bebauungsplan nicht besteht.
Mit Bescheid der Beklagten vom 21.10.1986 wurde eine Baugenehmigung nicht in
Aussicht gestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben sei nach §
34 Bundesbaugesetz - BBauG - unzulässig, da es zu einer nicht unerheblichen
Störung und Beeinträchtigung des Wohngebietes entlang der Parkstraße führen
würde. Außerdem sei ein Lebensmittelmarkt dieser Größe nur in "bauleitplanerisch
ausgewiesenen Sondergebieten zulässig."
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium mit
Widerspruchsbescheid vom 28.09.1988 zurückgewiesen.
Am 26.10.1988 hat der Kläger eine Verpflichtungsklage zunächst mit dem Ziel
erhoben, seine Bauvoranfrage vom 06.12.1985 zur Errichtung eines
Lebensmittelmarktes vorbehaltlos positiv zu bescheiden. Zur Begründung hat er
vorgetragen, das Bauvorhaben würde die Wohnsituation in dem Gebiet entlang der
Parkstraße nicht verschlechtern und sich daher nach Art und Maß der baulichen
Nutzung in die nähere Umgebung einfügen. Die Deutsche Bundesbahn sei zwar
noch Eigentümerin der für das geplante Bauvorhaben benötigten
Grundstücksfläche und habe diese Fläche auch noch nicht aus ihrer
Planungshoheit entlassen; jedoch könnte der Bauvorbescheid in diesem Fall auch
mit einem entsprechenden Vorbehalt erteilt werden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 1986 und den
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 28. August 1988
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bauvoranfrage vom 6. Dezember
1985 unter dem Vorbehalt positiv zu bescheiden, daß die Beigeladene das
vorgesehene Baugelände aus ihrer Planungshoheit entläßt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das vom Kläger geplante Vorhaben werde die auf
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Sie hat die Auffassung vertreten, das vom Kläger geplante Vorhaben werde die auf
das Wohngebiet entlang der Parkstraße einwirkenden Lärmbelastungen, die von
dem Gelände der Beigeladenen bereits jetzt ausgingen, noch weiter verstärken.
Da dieses Wohngebiet als reines bzw. allgemeines Wohngebiet einzustufen sei, sei
ein Betrieb in der Größenordnung, wie er vom Kläger geplant sei, dort nicht
zulässig. Im übrigen müsse einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 16.12.1988 (- 4 C 48.86 - BRS 49 Nr. 3) zufolge ein Bundesbahngelände in
einer für jedermann klar erkennbaren, eindeutigen Weise für andere Zwecke
freigegeben werden, um anderweitig nutzbar zu sein. Vorliegend sei jedoch völlig
unklar, welche Flächen des Bundesbahngeländes zukünftig nicht mehr unter die
Planungshoheit der Beigeladenen fallen sollten. Eine Freigabeerklärung oder
ähnliches, die im übrigen nicht ausreichend sei, liege nicht einmal vor. Außerdem
gebe es für das Gebiet nordöstlich der Parkstraße einen Aufstellungsbeschluß für
den Bebauungsplan K 10. Eine konkrete Planung bzw. eine abschließende
Beschlußfassung über diesen Bebauungsplan sei aber gerade deshalb nicht
möglich, weil die in Frage stehende Geländefläche ihren Charakter als
Bahngelände noch nicht verloren habe.
Die beigeladene Deutsche Bundesbahn hat beantragt,
den Versagungsbescheid der Beklagten vom 21.10.1986 sowie den ihn
bestätigenden Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
28.09.1988 aufzuheben, ferner die Beklagte zu verpflichten, die klägerische
Bauvoranfrage vom 06.12.1985 unter dem Vorbehalt positiv zu bescheiden, daß
die Beigeladene das vorgesehene Baugelände aus ihrer Planungshoheit entläßt.
Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne einen positiven
Bauvorbescheid auch unter dem Vorbehalt erteilen, daß das entsprechende
Gelände "entwidmet" werde und demnächst in die Planungshoheit der Beklagten
übergehe. Auch sei der Beklagten seit Einreichung der Bauvoranfrage am
06.12.1985 bekannt gewesen, auf welcher Teilfläche des Grundstücks der Kläger
das Bauvorhaben verwirklichen wolle. Das Bauvorhaben füge sich auch in die
Eigenart der näheren Umgebung nach Art und Maß der Nutzung ein. Das Gebiet in
der näheren Umgebung des geplanten Bauvorhabens sei als Mischgebiet
einzustufen. In einem solchen Gebiet sei der vom Kläger geplante nicht
großflächige Einzelhandelsbetrieb zulässig. Auch verstoße das geplante
Bauvorhaben des Klägers nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da die
nähere Umgebung durch die vorhandenen Bahnanlagen der Beigeladenen bereits
erheblich mit Lärmimmissionen vorbelastet sei. Da auch die Erschließung des
Bauvorhabens gesichert sei, müsse es nach § 34 Baugesetzbuch - BauGB -
zugelassen werden.
Aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 05.02.1992 ist durch den
Berichterstatter am 10.03.1992 Beweis erhoben worden zu der Frage, wie das
streitgegenständliche Grundstück und die Grundstücke in der näheren Umgebung
nach Art und Maß baulich genutzt werden.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.05.1992 die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheids vom 21.10.1986 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 28.09.1988
verpflichtet, die Bauvoranfrage unter dem Vorbehalt positiv zu bescheiden, daß die
Beigeladene das vorgesehene Baugelände aus ihrer Planungshoheit entläßt.
Es hat die Entscheidung wie folgt begründet: Das Vorhaben sei nach § 34 BauGB
zu beurteilen, obwohl die Grundfläche, auf der das Bauvorhaben errichtet werden
solle, zu einer Bahnanlage im Sinne von § 36 Bundesbahngesetz gehöre. Zwar
dürfe ein Einzelhandelsbetrieb grundsätzlich nicht zugelassen werden, wenn er auf
einer Bahn(hofs)fläche errichtet werden solle, die aufgrund einer noch
fortbestehenden Zweckbestimmung für den Bahnbetrieb einer Bahnanlage im
Sinne von § 36 Bundesbahngesetz sei. Der Rechtscharakter einer Fläche als
Bahnanlage sei ein einer Baugenehmigung entgegenstehendes rechtliches
Hindernis. Die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Einzelhandelsbetrieb sei
nur möglich, wenn die Grundfläche zuvor ihren Rechtscharakter als Bahnanlage
verloren habe. Dies sei nur durch eine hierauf gerichtete Maßnahme des
Planungsträgers, d. h. durch einen hoheitlichen Akt, der für jedermann klare
Verhältnisse darüber schaffe, ob und welche bisher als Bahnanlage dienenden
Flächen künftig (wieder) für andere Zwecke offen stünden, möglich. Etwas anderes
gelte aber für eine Bauvoranfrage. Über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
eines Vorhabens auf einer zu Bahnzwecken bestimmten Grundfläche könne von
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eines Vorhabens auf einer zu Bahnzwecken bestimmten Grundfläche könne von
der Baugenehmigungsbehörde entschieden werden, wenn ein entsprechender
Antrag im Einverständnis der Deutschen Bundesbahn als Eigentümerin und
bisheriger Planungsträgerin und unter dem Vorbehalt gestellt werde, daß die
Grundfläche ihre Zweckbestimmung als Bahnanlage demnächst verlieren und aus
der Planungshoheit der Bahn herausfallen werde. Diese Voraussetzungen seien
vorliegend erfüllt.
Der Kläger habe seine Bauvoranfrage am 06.12.1985 eingeschränkt und mit
einem entsprechenden Vorbehalt versehen. Weiterhin liege eine eindeutige
Freigabeerklärung der Beigeladenen darüber vor, welche Teilflächen des Flurstücks
Nr. 287/2 künftig endgültig nicht mehr für den Bahnbetrieb benötigt würden und
deren Zweckbestimmung deshalb in der dafür gebotenen Weise aufgehoben
werden solle und auf welchen Flächen dieses Flurstücks auf absehbare Zeit unter
Aufrechterhaltung des Fachplanungsvorbehalts weiterhin Bahnbetrieb stattfinden
werde. Ein rechtliches Hindernis für die Beurteilung der Bauvoranfrage bestehe
somit nicht (mehr). Der Lebensmittelmarkt sei nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme gemäß § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig.
Gegen das der Beklagten am 09.06.1992 zugestellte Urteil hat diese am
08.07.1992 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Solange ein Wechsel
in der Planungshoheit nicht stattgefunden habe, sei es der Gemeinde verwehrt,
planerische Aussagen verbindlich festzusetzen. Die abschließende
Beschlußfassung über einen Bebauungsplan hänge davon ab, daß die beplante
Fläche zuvor durch eine hierauf gerichtete Maßnahme ihren Rechtscharakter als
Bahnanlage verloren habe. Zwar könne im Vorbescheidverfahren unter dem
Vorbehalt entschieden werden, daß die für das Vorhaben benötigte Baufläche ihre
Zweckbestimmung als Bahnanlage verliere. Voraussetzung sei aber, daß die
Gemeinde in der Lage sei, ihre Planungshoheit in bezug auf das zu beurteilende
Vorhaben wahrzunehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
fehlten eindeutige Erklärungen der Deutschen Bundesbahn selbst nach Bescheid
der Bauvoranfrage. Nach Klageerhebung habe sich die Bahn vorbehalten, über
eine weitere bahnbezogene Nutzung des Geländes nachzudenken. Erstmals mit
Schreiben vom 15.01.1992 habe die Bundesbahn mitgeteilt, die vorgesehene
Fläche werde für ihre betrieblichen Zwecke nicht mehr benötigt. Eindeutige
Erklärungen seien auch in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht nicht zu erlangen gewesen. Vielmehr habe die Bundesbahn
erklärt, das bisherige Bahngelände könne auch Bahngelände bleiben und sogar
bahnfremder Nutzung zugeführt werden. Auf Bahngelände im Anwendungsbereich
des § 36 BBahnG seien "bundesbahnfremde bauliche Anlagen" nicht zulässig.
Sonstige Vorhaben im Sinne von § 29 BauGB unterlägen auf Bahngelände in
formeller und materieller Hinsicht dem allgemeinen Baurecht. Ein
Einzelhandelsbetrieb könne als Vorhaben, das bahnfremden Zwecken diene, auf
Bahngelände nicht genehmigt werden. Es dränge sich der Verdacht auf, daß die
Beigeladene im Zuge von anstehenden Privatisierungs- und
Umstrukturierungsmaßnahmen versuche, ihre Grundstücke in zentralen Lagen -
unter Ausschaltung der Planungshoheit der Gemeinde - mit Gewinn zu veräußern.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluß vom 28.04.1997 hat der Senat anstelle der Deutschen Bundesbahn
die Deutsche Bahn AG einfach beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom
18.05.1992 - II/3 E 2526/88 - zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die - inzwischen ausgelaufene - Veränderungssperre sei unwirksam
gewesen, weil sie sich auf Gleisanlagen, Laderampen usw. der Beigeladenen
beziehe. Sie habe flächenmäßig weit über das klägerische Baugelände
hinausgereicht. Diese Grundflächen seien nach § 38 BauGB der kommunalen
Planungshoheit entzogen. Die von der Beklagten im Juni 1992 entwickelte
Planungskonzeption (Vorentwurf zum Bebauungsplan K 10) stelle keine
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Planungskonzeption (Vorentwurf zum Bebauungsplan K 10) stelle keine
qualifizierte Bauleitplanung dar. Das Bahngelände solle in eine "Freihaltungszone
für öffentliche Verkehrs- und Grünflächen" umgewidmet werden. Die Beigeladene
sei im übrigen städtischen Planungsvorstellungen entschieden entgegengetreten.
Es treffe zwar zu, daß die Beigeladene der Firma im April 1993 200 qm Teilfläche
des Objektes vermietet habe, auf das sich die umstrittene Bauvoranfrage beziehe.
Nach § 3 Abs. 1 des Mietvertrages sei die Beschaffung einer Baugenehmigung
ausschließliche Aufgaben des Mieters. Davon unabhängig sei festzuhalten, daß die
Veränderungssperre zwischenzeitlich durch Zeitablauf außer Kraft getreten sei.
In Ihrer Sitzung vom 01.03.1990 hat die Stadtverordnetenversammlung der
Beklagten die Aufstellung eines Bebauungsplans und am 11.02.1993 zur
Sicherung dieser Bauleitplanung eine Veränderungssperre für 2 Jahre beschlossen,
die, weil nicht verlängert, am 24.02.1995 ausgelaufen ist. Unter dem 02.11.1992
hat die Deutsche Bundesbahn zu dem Bebauungsplanentwurf der Beklagten wie
folgt Stellung genommen:
"Einer Aufstellung des Bebauungsplanes in der vorgelegten Planung können
wird aus nachstehenden Gründen nicht zustimmen:
Der Bebauungsplan soll nach den Darlegungen des Vorentwurfs
Eisenbahngelände erfassen, auf dem sich u. a. betriebswichtige Kabel und ein
Bahnhofsgebäude mit Fernmelderaum befinden, in dem alle Kabel
zusammengeführt sind. Dieses Gelände ist planfestgestellte Bahnanlage ... und
somit der kommunalen Planungshoheit entzogen (§ 38 Satz 1 BauGB). Es besteht
seitens der DB nicht die Absicht, das betreffende Eisenbahngelände für die mit
dem Bebauungsplan beabsichtigte Nutzung zu entwidmen. Dies schließt jedoch
nicht aus, daß eine Teilfläche des von dem Vorentwurf des Bebauungsplans
erfaßten Bereichs zum Zweck der Errichtung eines Lebensmittelmarktes
entwidmet werden kann, wenn der Veranlasser die hohen Kosten für die
aufwendigen Kabelverlegungsarbeiten übernimmt. Somit ist für den Bereich der
Betriebsanlagen der DB, zu denen das von dem Bebauungsplanentwurf erfaßte
Gelände zählt, eine kommunale Zuständigkeit zur Aufstellung von
Bebauungsplänen - wie Sie es hier mit der Aufstellung des Bebauungsplans K 10
beabsichtigen - nicht gegeben... Dies trifft selbst dann zu, wenn vorübergehend
eine Überlassung des Bundesbahngeländes an Dritte erfolgt ist."
Die Behördenakten der Beklagten (1 Heft) und die Widerspruchsakten des
Regierungspräsidiums liegen vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 124, 125 VwGO). Sie ist begründet, weil
der Kläger keinen Anspruch auf die positive Bescheidung seiner Bauvoranfrage
hat.
Gemäß § 65 HBO kann auf schriftlichen Antrag (Bauvoranfrage) zu einzelnen
Fragen des Bauvorhabens vor Einreichen des Bauantrages ein schriftlicher
Bescheid (Bauvorbescheid) erteilt werden. Der Vorbescheid nimmt den Teil der
Baugenehmigung vorweg, der der Reichweite der Anfrage entspricht (vgl. BVerwG,
U. v. 23.05.1975 - IV C 28.72 - BVerwGE 48, 242 <245 f.> = BRS 29 Nr. 160). Der
Maßstab, nach dem diese Voranfrage zu beantworten ist, ergibt sich aus § 70 Abs.
1 HBO, der in § 65 Abs. 2 HBO ausdrücklich aufgeführt wird und nach dessen Satz
1 die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn das Vorhaben den öffentlich-
rechtlichen Vorschriften entspricht. Die Reichweite der Voranfrage bestimmt der
Fragesteller, bestimmt also der Kläger. Die Klage hat die planungsrechtliche
Zulässigkeit eines Lebensmittelmarktes mit einer Grundfläche von ca. 887 qm auf
einer auf einem Lageplan in der Behördenakte gekennzeichneten Teilfläche des
streitgegenständlichen Grundstücks zum Gegenstand, wobei der Kläger seine
Bauvoranfrage in der mündlichen Verhandlung erster Instanz unter den Vorbehalt
einer Entlassung der beanspruchten Baufläche aus der bahnrechtlichen
Fachplanungshoheit gestellt hat.
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Verpflichtungsklage ist der Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung. Aus diesem Grunde ist die zwischenzeitlich in
Kraft gesetzte und in ihrer Geltungsdauer abgelaufene Veränderungssperre nicht
zu berücksichtigen. Die Rechtslage hat sich in der Zwischenzeit weiterhin durch die
Privatisierung der Deutschen Bundesbahn und die im Zusammenhang damit
stehende Gesetzgebung mit Wirkung zum 01.01.1994 geändert. Das betrifft
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stehende Gesetzgebung mit Wirkung zum 01.01.1994 geändert. Das betrifft
insbesondere die Regelung über die Fachplanung. An die Stelle des
Planfeststellungsvorbehalts des § 36 des Bundesbahngesetzes - BBahnG - ist
nunmehr § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) vom 27. Dezember
1993, BGBl. I S. 2378 getreten, der sowohl eine Planfeststellung wie eine
Plangenehmigung vorsieht. Entsprechend ist § 38 BauGB durch Art. 6 Nr. 29 des
Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378
- ENeuOG - geändert worden.
Ein Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des
Lebensmittelmarktes kann nicht erteilt werden, weil ihm die Bestimmungen des
Allgemeinen Eisenbahngesetzes entgegenstehen. Nach § 18 Abs. 1 AEG dürfen
Betriebsanlagen der Eisenbahn nur bebaut oder geändert werden, wenn der Plan
zuvor festgestellt worden ist; anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann
unter den in § 18 Abs. 2 AEG genannten Voraussetzungen eine Plangenehmigung
erteilt werden. Der in § 38 Satz 1 BauGB enthaltene Vorbehalt des
Fachplanungsrechts verdrängt die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB (vgl. BVerwG
Beschluß vom 15.09.1995 - 11 VR 16/95 - NVwZ 1996 S. 396 <397>). Vorliegend
ist nicht im einzelnen bekannt, durch welchen Planfeststellungsbeschluß der
Rangierbahnhof als Bahngelände gewidmet wurde, oder ob es sich um eine alte
Bahnanlage handelt. Im Schreiben der Bundesbahn an die Beklagte vom
02.11.1992 ist von einer planfestgestellten Bahnanlage die Rede. Der
Fachplanungsvorbehalt des § 38 Satz 1 BauGB gilt ebenso wie § 38 BBauG auch
für Altanlagen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 4 C 48.86 - BRS 49 Nr. 3; Hess.
VGH, Beschluß vom 23.08.1990 - 4 TH 1910/90 - HessVGRSpr. 1990, S. 95). Er
betrifft nicht nur die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB, sondern beschränkt auch
die Gemeinde im Gebrauch ihrer Planungshoheit in bezug auf die vorhandene
Anlage der Fachplanung.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, daß im vorliegenden Fall der
Rechtscharakter der Fläche als Bahnanlage als ein einer Baugenehmigung
entgegenstehendes rechtliches Hindernis fortbesteht. Eine Entwidmung ist nicht
erfolgt. Die Entwidmung von Betriebs- bzw. Bahnanlagen muß nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls durch eindeutige und
bekanntgemachte Erklärungen geschehen, damit für jedermann klare Verhältnisse
bestehen (BVerwG, U. v. 27.11.1996 - 11 A 2.96 - UPR 1997, S. 150; B. v.
05.02.1990 - 4 B 1.90 - BRS 50 Nr. 70; U. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 - BRS 49 Nr. 3
= BVerwGE 81, 111 <118>). Im übrigen liegen die Voraussetzungen für eine
Entwidmung der Fläche nicht vor. Auf ihr liegen betriebswichtige Kabel. Bis zu ihrer
Verlegung ist die Teilfläche weiterhin Betriebsanlage der Eisenbahn im Sinne von §
18 Abs. 1 AEG.
Allerdings steht die fachplanerische Zweckbindung des Bahngeländes einem
Bauvorbescheid, der auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines
"bahnfremden" Zwecken dienenden Gebäudes beschränkt ist, nicht prinzipiell
entgegen. Indessen setzt die in einem Vorbescheid enthaltene Aussage über die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens - hier nach § 34 BauGB -
voraus, daß die gemäß § 36 BauGB zu beteiligende Gemeinde, die hier zugleich
Bauaufsicht ist, in der Lage ist, ihre Planungshoheit in bezug auf das zu
beurteilende Vorhaben wahrzunehmen. Die Abgrenzung zwischen
anlagebezogener Fachplanung und gebietsbezogener kommunaler
Planungshoheit (vgl. dazu BVerwG, U. v. 16.12.1988, a.a.O.; Roeser in Berliner
Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl. § 38 Rdnr. 10) erfordert als
Voraussetzung einer Bebauungsgenehmigung für ein bahnfremden Zwecken
dienendes Vorhaben auf Bahngelände eine Eindeutige Freigabeerklärung früher
der Deutschen Bundesbahn, jetzt des Eisenbahnbundesamtes gemäß § 3 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung
des Bundes vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378) - EVerkVerwG - dahingehend, daß
die Teilfläche des Grundstücks künftig endgültig nicht mehr für den Bahnbetrieb
benötigt wird und deren Zweckbestimmung deshalb in der dafür gebotenen Weise
aufgehoben werden soll. Die Möglichkeit der Bauplanung bestünde auch dann,
wenn sich die Beklagte auf die Vorstellungen der Beigeladenen eingelassen hätte.
Beides ist hier nicht der Fall. Die Beigeladene hat die Freigabe nur für den zum
Gegenstand der Bauvoranfrage gemachten Zweck und unter der Auflage in
Aussicht gestellt, daß die Kabel auf der zu Bebauung vorgesehenen Fläche vom
Bauherrn verlegt werden (Erklärung vom 22.09.1986 in den Bauvoranfrageakten).
Auch die späteren Stellungnahmen vom 21.10.1986 und 05.04.1988 stellen keine
bedingungslose Freigabeerklärung dar. Diese Haltung der Deutschen Bundesbahn
wurde ebenso deutlich in der Stellungnahme vom 02.11.1992 zum
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wurde ebenso deutlich in der Stellungnahme vom 02.11.1992 zum
Bebauungsplanentwurf der Beklagten. In ihr wird erklärt, daß die DB nicht die
Absicht habe, das betreffende Eisenbahngelände für die mit dem Bebauungsplan
beabsichtigte Nutzung "Freihaltungszone für öffentliche Verkehrs- und
Grünflächen" zu entwidmen. Sie schließe jedoch nicht aus, daß eine Teilfläche zum
Zweck der Errichtung eines Lebensmittelmarktes entwidmet werden könne, wenn
der Veranlasser die hohen Kosten für die aufwendigen Kabelverlegungsarbeiten
übernehme. Damit hat die Deutsche Bundesbahn die Freigabe nur für eine ganz
bestimmte Nutzung in Aussicht gestellt und im Umkehrschluß für den Fall, daß die
von ihr beabsichtigte Verwertung nicht erfolgen könne, erklärt, daß eine
Entwidmung nicht erfolgen solle. Diese Stellungnahme ließ der Beklagten keine
Möglichkeit, von ihrer Planungshoheit hinsichtlich des vom Kläger und der
Beigeladenen vorgesehenen Bauplatzes unabhängig von einer inhaltlichen
Bindung an das streitgegenständliche Vorhaben Gebrauch zu machen und ihre
eigenen in eine andere Richtung gehenden Planungsvorstellungen zu verwirklichen.
Da nach alledem keine Möglichkeit zur freien Betätigung der Planungshoheit der
Beklagten besteht, kann die Bauvoranfrage nicht positiv beschieden werden, ohne
daß es darauf ankommt, ob sich der Lebensmittelmarkt gemäß § 34 Abs. 1 BauGB
nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung
einfügen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Anordnung der
vorläufigen Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.