Urteil des HessVGH vom 25.10.2000
VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, feststellungsklage, verwaltungsverfahren, schutzzone, verwaltungshandeln, klagebefugnis, genehmigungsverfahren
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TZ 3199/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 34 Abs 1 NatSchG HE
(Beteiligungsrechte von Naturschutzbeiräten)
Gründe
Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde gegen die im Tenor
dieses Beschlusses näher bezeichnete Entscheidung der Vorinstanz bleibt ohne
Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 146 Abs. 4 VwGO statthaft. Ob er auch im Übrigen zulässig
ist, lässt der Senat offen. Zweifel bestehen insoweit am Fortbestehen des
erforderlichen Rechtsschutzinteresses. Der Antragsteller erstrebt die Zulassung
der Beschwerde gegen die Entscheidung der Vorinstanz mit dem Ziel, dass
festgestellt wird, dass sein Widerspruch gegen die der Beigeladenen von der
Naturschutzbehörde des Antragsgegners vom 01.02.2000 erteilte
landschaftsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung aufschiebende Wirkung hat.
Für einen derartigen Ausspruch könnte jedoch im Hinblick darauf, dass der
Antragsgegner mit Schriftsatz vom 29.08.2000 vorsorglich die sofortige
Vollziehung des Bescheides der unteren Naturschutzbehörde angeordnet hat,
ohne dass der Antragsteller wenigstens hilfsweise die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt hätte, möglicherweise
kein Raum mehr sein. Zweifel bestehen an der Zulässigkeit des Antrages ferner im
Hinblick darauf, ob der Vorsitzende des Antragstellers diesen allein nach außen
vertreten kann. All diesen Zweifeln muss jedoch nicht nachgegangen werden, da
der Zulassungsantrag jedenfalls in der Sache ohne Erfolg bleiben muss.
Die von dem Antragsteller geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht
gegeben. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der
angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO. Diese Vorschrift findet über § 146 Abs. 4 VwGO entsprechend Anwendung.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem
Antragsteller begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs gegen den Bescheid der unteren Naturschutzbehörde nicht erfolgen
darf, da eine solche Feststellung dann ausgeschlossen ist, wenn der Widerspruch
offensichtlich unzulässig ist. Der Widerspruch des Antragstellers gegen die
genannte Entscheidung der unteren Naturschutzbehörde des Antragsgegners ist
jedoch offensichtlich unzulässig, weil der Antragsteller durch die gegenüber der
Beigeladenen ergangene Entscheidung nicht in eigenen Rechten verletzt werden
kann und es ihm dementsprechend an der erforderlichen Widerspruchsbefugnis
bzw. der nachfolgenden Klagebefugnis fehlt.
Zwar ist anerkannt, dass den Naturschutzbeiräten, die nach § 34 Abs. 1 HENatG
bei den Naturschutzbehörden gebildet werden, gegenüber diesen wehrfähige
Innenrechtspositionen in Bezug auf die ihnen durch § 34 HENatG eingeräumten
Beteiligungsrechte zustehen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28.04.1992 -- 3 TG
647/92 -- NuR 1992, 436). Hieraus folgt, dass die Naturschutzbeiräte im
Organstreitverfahren hinsichtlich der Geltendmachung ihrer organschaftlichen
Beteiligungsrechte sowohl beteiligungsfähig im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO als
auch nach § 42 Abs. 2 VwGO insoweit klagebefugt sind (vgl. Hess. VGH, Beschluss
vom 28.04.1992 -- 3 TG 647/92 -- a.a.O. und für das dortige Landesrecht OVG
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vom 28.04.1992 -- 3 TG 647/92 -- a.a.O. und für das dortige Landesrecht OVG
Münster, Beschluss vom 02.09.1997 -- NuR 1998, 166). Die Geltendmachung einer
wehrfähigen Innenrechtsposition im Organstreitverfahren -- sei es im Wege der
Leistungsklage, der Feststellungsklage oder, sofern es um die Gewährung von
Eilrechtsschutz geht, der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO -- ist jedoch
von der Befugnis zu unterscheiden, das nach außen wirksame Verwaltungshandeln
der Naturschutzbehörden anzugreifen. Eine derartige Befugnis steht den
Naturschutzbeiräten nicht zu. Die Schutzzone eines organschaftlichen Rechts --
hier der Beteiligungsrechte der Naturschutzbeiräte nach § 34 HENatG -- ist auf
den innerorganisatorischen Funktionsablauf begrenzt und endet mit Ergehen der
das Verwaltungsverfahren abschließenden, nach außen wirksamen Entscheidung
der Naturschutzbehörden. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat,
beziehen sich die dem Organ -- hier den Naturschutzbeiräten -- verliehenen
Befugnisse nur auf den verwaltungsinternen Bereich, nämlich auf die Gewährung
von Mitwirkungsrechten im Verwaltungsverfahren. Rechte über die Beendigung des
Verwaltungsverfahrens hinaus bestehen hingegen nicht. Dementsprechend steht
den Naturschutzbeiräten eine Anfechtungsbefugnis gegenüber dem nach außen
wirksamen Verwaltungshandeln der Naturschutzbehörden nicht zu. Etwas anderes
würde nur dann gelten, wenn den Naturschutzbeiräten, ebenso wie den
Naturschutzverbänden (vgl. insoweit § 36 HENatG), durch den Gesetzgeber ein
eigenes Klagerecht eingeräumt worden wäre oder ihnen -- wie etwa den Städten
oder Gemeinden, sofern diese im Baugenehmigungsverfahren hinsichtlich ihrer
Mitwirkungsrechte (Einvernehmen) übergangen werden -- nicht nur
verwaltungsinterne Mitwirkungsrechte, sondern darüber hinaus schutzfähige
materielle Rechtspositionen wie etwa die Planungshoheit zur Seite stünden. Beides
ist jedoch nicht der Fall. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, führt
die dargestellte Rechtslage keineswegs dazu, dass die Naturschutzbeiräte im Falle
einer Verletzung ihrer organschaftlichen Rechte nach § 34 HENatG rechtsschutzlos
wären. Sie können vielmehr ihre organschaftlichen Rechte im Organstreitverfahren
geltend machen. Sofern naturschutzrechtliche oder landschaftsschutzrechtliche
Genehmigungen durch die Naturschutzbehörden unter Verletzung der
Organkompetenzen der Naturschutzbeiräte ergangen sind, besteht für diese,
sofern das erforderliche Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr gegeben ist, die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der
unterbliebenen Beteiligung im Wege der Feststellungsklage feststellen zu lassen.
Dass sich die Mitwirkung infolge des Ergehens der nach außen wirksamen, das
Verwaltungsverfahren abschließenden Entscheidung erledigt hat, steht der
Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, da auch Rechte und
Verpflichtungen aus einem vergangenen Rechtsverhältnis Gegenstand einer
Feststellungsklage sein können, wenn sich noch konkrete Auswirkungen ergeben
können (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 -- 7 C 18.79 -- BVerwGE 61, 164,
169).
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt der Rechtssache auch keine
grundsätzliche Bedeutung im Sinne der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
Es bedarf nicht der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens, um die von dem
Antragsteller aufgeworfene Rechtsfrage zu klären, ob ein nach § 34 Abs. 1 HENatG
gebildeter Naturschutzbeirat Widerspruchsbefugnis bei Erlass von natur- und
landschaftsschutzrechtlichen Genehmigungen durch die Naturschutzbehörde, bei
der er gebildet und bei deren Genehmigungsverfahren er rechtswidrigerweise nicht
beteiligt worden ist, besitzt. Dass eine solche Widerspruchsbefugnis nicht besteht,
folgt -- wie soeben dargelegt -- aus der auf den Innenbereich begrenzten
Schutzzone der den Naturschutzbeiräten eingeräumten organschaftlichen
Beteiligungsrechte. Auch die weiter von dem Antragsteller aufgeworfene Frage, ob
ein nach § 34 Abs. 1 HENatG gebildeter Naturschutzbeirat Teil und Organ der
jeweiligen Naturschutzbehörde ist, bedarf nicht der Klärung in einem
Beschwerdeverfahren. Dies schon deshalb nicht, weil ihre Beantwortung für den
Ausgang des Verfahrens ohne Bedeutung ist. Für die begrenzte Schutzzone der
ausschließlich im Innenbereich eingeräumten Mitwirkungsrechte ist es ohne
Belang, ob der Naturschutzbeirat als Teil der Naturschutzbehörde anzusehen ist
oder nicht. Darüber hinaus ist durch die Rechtsprechung (vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 28.04.1992 -- 3 TG 647/92 -- a.a.O.) bereits geklärt, dass die
Naturschutzbeiräte den Naturschutzbehörden organisatorisch angegliedert sind.
Auch ein Fall der Divergenz liegt nicht vor. Die angegriffene Entscheidung weicht
insbesondere nicht von der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 28.04.1992 -- 3 TG 647/92 -- a.a.O. ab. Diese Entscheidung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs bezieht sich nur und ausschließlich auf das Bestehen
Verwaltungsgerichtshofs bezieht sich nur und ausschließlich auf das Bestehen
wehrfähiger Innenrechtspositionen. Aussagen über eine Widerspruchs- oder
Klagebefugnis von Naturschutzbeiräten in Bezug auf nach außen wirkende
Entscheidungen von Naturschutzbehörden enthält sie nicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.