Urteil des HessVGH vom 17.05.2010

VGH Kassel: aufenthaltserlaubnis, bundesamt für migration, besitz, asylverfahren, duldung, ausländerrecht, erwerb, unterbrechung, entstehung, europarecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 D 433/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 26 Abs 4 AufenthG 2004,
§ 102 Abs 2 AufenthG
2004, § 35 Abs 1 AufenthG
2004
(Anrechnung von Aufenthaltszeiten für den Erwerb einer
Niederlassungserlaubnis)
Leitsatz
1. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG kann einer
Aufenthaltserlaubnis "nach diesem Abschnitt" gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG
gleichgestellt werden, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs. 5 AufenthG tatsächlich bestanden hat.
2. Die Zeiten eines materiell bestehenden Anspruchs auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels nach dem Fünften Abschnitt des Zweiten Kapitels des
Aufenthaltsgesetzes sind den Titelbesitzzeiten hinzuzurechnen.
3. Die Anrechnung der Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
vorangegangenen Asylverfahrens setzt die Durchführung eines Asylerstverfahrens oder
- materielle - Durchführung eines Asylfolgeverfahrens voraus. Unbeachtliche
Asylfolgeanträge bleiben außer Betracht.
4. Nach der Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG können Duldungszeiten bis
zum 1. Januar 2005 nur dann angerechnet werden, wenn sich ihnen nahtlos eine
Aufenthaltserlaubnis angeschlossen hat oder wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dem
1. Januar 2005 nach nur unbedeutender Unterbrechung von weniger als einem Jahr
erteilt wurde (§ 85 AufenthG).
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Prozesskostenhilfe versagenden
Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. Februar 2010 - 4 K 549/09.KS-
PKH - wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden der Klägerinnen haben in der Sache keinen Erfolg, da
die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne
des § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO bietet.
Bei der Auslegung des Begriffs der „hinreichenden Aussicht auf Erfolg“ gemäß §
166 VwGO, § 114 ZPO ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges
ausreichend, wobei die Frage, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen ist,
aufgrund einer summarischen Prüfung zu beantworten ist. Die Prüfung der
Erfolgsaussichten darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das
Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Die beabsichtigte
Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den
Standpunkt des Antragstellers aufgrund dessen eigener Sachdarstellung und der
von ihm gegebenenfalls eingereichten Unterlagen für zutreffend oder zumindest
vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer
Beweisbarkeit überzeugt ist. Es reicht aus, dass ein Obsiegen ebenso
wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen, wenn also der Erfolg bei summarischer
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wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen, wenn also der Erfolg bei summarischer
Prüfung offen ist. Andererseits darf die Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn
ein Erfolg in der Hauptsache nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance
aber nur eine entfernte oder bloß theoretische ist (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO,
Großkommentar, 3. Aufl., Berlin/Speyer, Januar 2010, § 166 Rdnr. 63 ff.;
Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., München 2009, § 166 Rdnr. 8 m. w.
N.).
Das von den Klägerinnen anhängig gemachte Klageverfahren stellt sich nicht als
offen in dem oben beschriebenen Sinne dar, die Erfolgsaussichten ihrer Klage
haben sie nicht hinreichend belegen können.
Die Klägerin zu 1. begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, wobei in
Anbetracht der Tatsache, dass ihr Lebensunterhalt nicht im Sinne der §§ 26 Abs.
4, 9 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 AufenthG gesichert ist, allein die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 2
AufenthG in Betracht kommt. Hinsichtlich des letztgenannten Anspruchs bietet
ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine
Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis
erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten
Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 AufenthG gilt entsprechend.
Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen
Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG auf die Frist angerechnet.
Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist
sind, kann § 35 AufenthG entsprechend angewandt werden.
Gemäß § 35 Abs. 1 AufenthG ist einem minderjährigen Ausländer, der eine
Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, abweichend von § 9 Abs. 2
AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der
Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der
Aufenthaltserlaubnis ist. Das gleiche gilt, wenn
1. der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der
Aufenthaltserlaubnis ist,
2. er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
3. sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet,
die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 AufenthG
hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nicht in Abrede gestellt,
allerdings angenommen, die zeitlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß §§ 26 Abs. 4, 35 Abs. 1 AufenthG
seien nicht erfüllt. Dem ist zu folgen.
Die Klägerin zu 1. ist seit dem 9. Juli 2008 bis zur Entscheidung im
Beschwerdeverfahren am 17. Mai 2010 seit einem Jahr, zehn Monaten und acht
Tagen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 26 Abs. 4 AufenthG.
Zwar ist der Klägerin zu 1. tatsächlich zunächst für den Zeitraum vom 9. Juli 2008
bis zum 22. April 2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG, mithin
keine Aufenthaltserlaubnis „nach diesem Abschnitt“ erteilt worden. Diese
Aufenthaltserlaubnis ist jedoch nach Auffassung des Senats in ihrem Fall einer
solchen nach § 25 Abs. 5 AufenthG gleichzustellen. Der Klägerin zu 1. stand
nämlich nach der im Prozesskostenhilfeverfahren ausreichenden summarischen
Prüfung ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5
AufenthG bereits ab dem 30. Mai 2007 zu, da ihrer Mutter mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Kassel ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Feststellung der
Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG zuerkannt worden was. Der zu diesem
Zeitpunkt noch minderjährigen Klägerin zu 1. dürfte daher ein aus Art. 6 GG, Art. 8
EMRK folgender, abgeleiteter Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Vorliegens eines rechtlichen
Abschiebungshindernisses zugestanden haben. Aus diesem Grund hat der
Beklagte wohl auch mit Bescheid vom 22. April 2009 den vormals als
Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG geführten Aufenthaltstitel als einen
nach § 25 Abs. 5 AufenthG umgeschrieben. Es erscheint daher gerechtfertigt, im
Fall der Klägerin zu 1. den ihr vormals als Aufenthaltstitel nach § 104a AufenthG
bezeichneten Aufenthaltstitel tatsächlich als einen im Sinne des 5. Abschnitts zu
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bezeichneten Aufenthaltstitel tatsächlich als einen im Sinne des 5. Abschnitts zu
bewerten.
Den Zeiten des grundsätzlich ununterbrochen zu fordernden Titelbesitzes sind
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zeiten, in denen der
Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen, er aber nach der vom Gericht
inzident vorzunehmenden Prüfung einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel
gehabt hat, hinzuzurechnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2009 - 1 C 24.08 -
juris-online, Rdnr. 15). Dem folgt der Senat. In Anbetracht der Tatsache, dass der
Mutter der damals noch minderjährigen Klägerin zu 1. mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 30. Mai 2007 ein Abschiebungshindernis gemäß §
60 Abs. 7 AufenthG zugesprochen worden war, stand der Klägerin zu 1. ab diesem
Zeitpunkt ein abgeleiteter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu. Den anrechenbaren Aufenthaltszeiten des
Titelbesitzes ist daher der Zeitraum vom 30. Mai 2007 bis zum 8. Juli 2008, mithin
ein Jahr, ein Monat und acht Tage hinzuzurechnen.
Den anrechenbaren Aufenthaltszeiten von insgesamt zwei Jahren, elf Monaten und
sechzehn Tagen können jedoch weitere Aufenthaltszeiten nicht hinzugerechnet
werden.
Hinsichtlich der gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG anrechenbaren Zeiten des der
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (bzw. der Entstehung des Anspruchs auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis) vorangegangenen Asylverfahrens hat
Folgendes zu gelten:
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur führt ein
Asylfolgeverfahren bzw. Zweitantragsverfahren nur dann zu einer Anrechenbarkeit
im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG, wenn das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt) ein weiteres Asylverfahren nach §§ 71 Abs. 1, 71a Abs. 1
AsylVfG durchgeführt hat, bzw. das Gericht die Voraussetzungen für die
Durchführung eines erneuten Verfahrens bejaht hat. Unbeachtliche
Asylfolgeanträge bleiben außer Betracht (vgl. Burr, in: Gemeinschaftskommentar
zum AufenthG - GK-AufenthG -, Stand Juni 2007, § 26 Rdnr. 30; Hailbronner,
Ausländerrecht, Kommentar, Stand Dezember 2008, § 26 Rdnr. 20; Göbel-
Zimmermann in: Huber, AufenthG, Kommentar, München 2010, § 26 Rdnr. 4;
Fränkel in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Handkommentar, Baden-Baden
2008, § 26 Rdnr. 22 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Hieran ändert auch
die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 2009 - 1 C
24.08 - nichts. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten
Entscheidung ausgeführt, der Umstand, dass es sich bei dem zweiten Verfahren
vor dem Bundesamt nicht um ein auf Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung
gerichtetes Verfahren, sondern um ein Wiederaufgreifensverfahren zu
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG)
gehandelt habe, stehe einer Anrechnung der Zeit im Rahmen des § 26 Abs. 4 Satz
3 AufenthG nicht entgegen. Denn nach Sinn und Zweck der Vorschrift spreche
auch angesichts der Aufwertung des subsidiären Schutzes durch das
Aufenthaltsgesetz und der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004
(Qualifikationsrichtlinie) viel dafür, sämtliche Verfahren vor dem Bundesamt, in
denen um Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG oder § 60 AufenthG nachgesucht
werde, als Asylverfahren im Sinne dieser Bestimmung anzusehen und
grundsätzlich jeweils das letzte Verfahren vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
aus humanitären Gründen anzurechnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2009, a. a.
O., Rdnr. 22). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte jedoch das
Verwaltungsgericht das Bundesamt auf einen entsprechenden
Wiederaufgreifensantrag hin verpflichtet, für den Kläger Abschiebungshindernisse
gemäß § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich seines Herkunftsstaates festzustellen, mithin
die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen bejaht. Die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts verhält sich mithin nicht zu der Frage, ob auch die
Zeiten eines erfolglos durchgeführten Asylfolgeverfahrens bzw. eines erfolglos
durchgeführten Verfahrens auf Wiederaufgreifen im Sinne des § 26 Abs. 4 Satz 3
AufenthG anrechenbar sind.
Das der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangene, am 17. April 2004
eingeleitete Asylfolgeverfahren der Klägerin zu 1. wurde mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 17. Mai 2006 (7 E 2025/04.A), rechtskräftig seit
dem 31. Oktober 2006, abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine
Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorgelegen haben. Die Verfahrensdauer
dieses Asylfolgeverfahrens von zwei Jahren, fünf Monaten und sechzehn Tagen hat
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dieses Asylfolgeverfahrens von zwei Jahren, fünf Monaten und sechzehn Tagen hat
daher bei der Berechnung der anrechenbaren Aufenthaltszeiten unberücksichtigt
vor zu bleiben.
Selbst bei Einrechnung des von der Klägerin zu 1. durchgeführten
Asylerstverfahrens (4. August 2003 - 20. Februar 2004) erreicht die Klägerin zu 1.
lediglich eine anrechenbare Aufenthaltszeit von drei Jahren sechs Monaten und
zwei Tagen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. ist dem Verwaltungsgericht auch darin
zu folgen, dass § 102 Abs. 2 AufenthG auf ihren Fall keine Anwendung findet. Der
Senat sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab und nimmt Bezug auf die
zutreffende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, dort Seite 9 - 10, 1.
Absatz (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend
ausgeführt, dass gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG, nach dem auf die Frist für die
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des
Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005
angerechnet wird, Duldungszeiten bis zum 1. Januar 2005 nur dann angerechnet
werden, wenn sich ihnen nahtlos eine Aufenthaltserlaubnis angeschlossen hat oder
wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 1. Januar 2005 nach nur unbedeutender
Unterbrechung von weniger als einem Jahr, also noch im Jahr 2006, erteilt wurde.
Mit der Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG sollte nämlich lediglich
sichergestellt werden, dass diejenigen Ausländer, die durch die Neuregelungen des
Aufenthaltsgesetzes erstmals einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis erlangten,
während sie bei unverändertem Sachverhalt zuvor nach den Regelungen des
Ausländergesetzes lediglich geduldet werden durften, diesen einheitlich zu
beurteilenden zusammenhängenden Zeitraum bei der Berechnung der
Siebenjahresfrist, bzw. Fünfjahresfrist angerechnet bekommen (vgl. Burr in GK, a.
a. O., § 26 Rdnr. 27; Funke/Kaiser in: GK-AufenthG, a. a. O., § 102 Rdnr. 18 m. w.
N.). Auch das BVerwG geht in seiner Entscheidung vom 10. November 2009 davon
aus, dass der für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4
AufenthG erforderliche Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren
grundsätzlich voraussetzt, dass die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis
aus humanitären Gründen ebenso wie die nach § 102 Abs. 2 AufenthG
anrechenbaren Zeiten einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung nahtlos ineinander
übergehen (BVerwG, Urteil vom 10.11.2009, a.a.O., Rdnr. 15)
Auch die Beschwerde der Klägerin zu 2. gegen den Prozesskostenhilfe
versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist abzuweisen, da auch ihre
Rechtsverfolgung derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166
VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
Die am 22. Oktober 1993 geborene Klägerin zu 2., deren Lebensunterhalt
ebenfalls nicht aus eigenen Mitteln gesichert ist, ist nach wie vor minderjährig, so
dass auf sie die Vorschrift des § 26 Abs. 4 AufenthG i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 1
AufenthG Anwendung findet. Danach ist einem minderjährigen Ausländer, der eine
Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, abweichend von § 9 Abs. 2
AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der
Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der
Aufenthaltserlaubnis ist.
Die Klägerin zu 2. hat am 22. Oktober 2009 ihr 16. Lebensjahr vollendet. Zu
diesem Zeitpunkt war sie nicht seit fünf Jahren im Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis. Sie war, ebenso wie die Klägerin zu 1., in der Zeit vom 9. Juli
2008 bis zum 22. Oktober 2009 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a
AufenthG bzw. § 25 Abs. 5 AufenthG, hinsichtlich der hier gebotenen einheitlichen
Behandlung dieser Aufenthaltstitel kann auf die oben gemachten Ausführungen
verwiesen werden. Der Besitzzeit der Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr, drei
Monaten und dreizehn Tagen sind die Zeiten eines Rechtsanspruchs auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis in der Zeit vom 30. Mai 2007 bis zum 8. Juli 2008,
mithin einem Jahr, einem Monat und acht Tagen hinzuzurechnen. Auch insoweit
kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. Die
Hinzurechnung des vorangegangenen Asylverfahrens in der Zeit vom 17. Mai 2004
bis zum 15. Mai 2006, mithin ein Jahr, elf Monate und achtundzwanzig Tagen
verbietet sich ebenso wie bei der Klägerin zu 1., da auch dies auf die Durchführung
eines erneuten Asylverfahrens gerichtete Asylfolgeverfahren rechtskräftig
abgewiesen worden ist, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines neuen
Asylverfahrens nicht gegeben waren.
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Auch im Fall der Klägerin zu 2. ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, dass §
102 Abs. 2 AufenthG auf ihren Fall keine Anwendung findet. Der Senat sieht auch
insoweit von einer eigenen Begründung ab und nimmt Bezug auf die zutreffende
Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, dort Seite 9 - 10, 1. Absatz (§ 122
Abs. 2 Satz 3 VwGO) sowie die oben gemachten Ausführungen.
Eine Entscheidung über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu
treffen, da gemäß § 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO die am Beschwerdeverfahren
Beteiligten keine Kosten zu erstatten haben und die in §§ 154 ff. VwGO, nach
denen eine gerichtliche Kostenentscheidung von Amts wegen ergeht, sich nur zur
Frage der Kostenerstattung zwischen den Beteiligten verhalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.