Urteil des HessVGH vom 24.02.1987
VGH Kassel: gemeinnützige arbeit, aufschiebende wirkung, verwaltungsakt, zumutbare arbeit, wesentlicher nachteil, sozialhilfe, verweigerung, vollziehung, behörde, verfügung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
9. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TG 2667/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 19 Abs 2 BSHG, § 25 Abs
1 BSHG, § 123 Abs 1 S 2
VwGO
(Zur Kürzung von Sozialhilfeleistungen wegen
Verweigerung gemeinnütziger Arbeitsleistungen)
Gründe
I.
Der 1961 geborene Antragsteller erhält seit Januar 1984 Hilfe zum
Lebensunterhalt. In den Monaten Januar bis März sowie im Anschluß daran bis Mai
1984 verrichtete der Antragsteller Arbeiten im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG für die
Stadt Schlüchtern. Unter dem 5. August 1985 erging eine neue Zuweisung
gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit an den Antragsteller. Er sollte
Ausbesserungs- und Reinigungsarbeiten im städtischen Bauhof in Schlüchtern,
und zwar 20 Wochenstunden von Montag bis Freitag, beginnend am 12. August
1985 um 7.00 Uhr, verrichten. Für den Fall der Verweigerung der zugewiesenen
Arbeit ist dem Antragsteller die Kürzung oder Entziehung der Hilfe zum
Lebensunterhalt in Aussicht gestellt worden. Gegen diesen Bescheid legte der
Antragsteller am 14. August 1985 Widerspruch ein. Er wandte sich dagegen, daß
er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen müsse, ohne daß Leistungen zur
Renten- und Arbeitslosenversicherung erfolgten. Obwohl er alle Arbeiten wie die
anderen auf dem Bauhof Beschäftigten verrichten müsse, erhalte er nur eine
Vergütung von 2,-- DM pro Arbeitsstunde. Dafür stelle er seine Arbeitskraft nicht
mehr zur Verfügung. Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Mit Verfügung vom 16. August 1985 kürzte der Antragsgegner die dem
Antragsteller gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. September 1985 um den
Regelsatz, während die Kosten für die Unterkunft weiter gewährt wurden. Auch
gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 27. August 1985 Widerspruch
ein, über den ebenfalls noch nicht entschieden ist.
Mit am 1. November 1985 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
eingegangenem Schriftsatz beantragte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz
mit dem Ziel, wieder die ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt zu erhalten.
Der Antragsgegner trat dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers entgegen.
Er machte geltend, der Antragsteller sei auf die Konsequenzen für den Fall der
Arbeitsverweigerung hingewiesen worden. Die Voraussetzungen für die Kürzung
der Sozialhilfeleistungen (insgesamt seien für den Antragsteller einschließlich der
Krankenversicherung zuletzt monatlich 709,76 DM ohne die einmaligen Beihilfen
aufgewendet worden) lägen vor. Die Arbeit, die der Antragsteller verrichten sollte,
sei gemeinnützig und zumutbar. Es handele sich auch um zusätzliche Arbeiten.
Die Vergütung von 2,-- DM pro Arbeitsstunde dürfe man nicht isoliert sehen. Unter
Außerachtlassung der einmaligen Beihilfen werde bei 87 Stunden im Monat pro
Stunde netto 10,70 DM gewährt, während ein vergleichbarer Gemeindearbeiter nur
8,-- DM netto je Stunde erhalte und darüber hinaus für seine Fahrtkosten und
seine Arbeitsbekleidung im Gegensatz zum Antragsteller selbst aufkommen
müsse.
Die Heranziehungsverfügung sei im übrigen hinreichend bestimmt. Die
Heranziehung zur gemeinnützigen Arbeit sei mithin zu Recht erfolgt.
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Mit Beschluß vom 26. November 1985 gab das Verwaltungsgericht dem
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Antragsteller
laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes
zu gewähren. In den Gründen ist ausgeführt, daß die Einstellung der
Regelsatzleistungen rechtlich nicht haltbar sei. Dem Antragsgegner sei nämlich die
Einstellung von Sozialhilfeleistungen schon im Hinblick auf § 80 VwGO verwehrt.
Die Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit sei ein
Verwaltungsakt. Infolgedessen habe der fristgemäß eingelegte Widerspruch des
Antragstellers aufschiebende Wirkung. Daraus folge, daß der Antragsgegner
derzeit verpflichtet sei, dem Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren.
Gegen den dem Antragsgegner am 3. Dezember 1985 zugestellten Beschluß hat
dieser am 16. Dezember 1985 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht
nicht abgeholfen hat.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, daß der Antrag auf den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes abzulehnen sei.
Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung sei nicht notwendig, weil
der Antragsteller Hilfe zum Lebensunterhalt weiter erhalten könne, wenn und
sobald dieser sich bereit erkläre, gemeinnützige und zusätzliche Arbeit im Sinne
des § 19 Abs. 2 BSHG zu leisten. Dies sei ihm ungeachtet seines
Rechtsstandpunktes, dazu nicht verpflichtet zu sein, zuzumuten. Er selbst gehe
davon aus, daß die angebotene Arbeit für ihn zumutbar sei.
Auf die Frage, ob das Angebot zur gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeit
inhaltlich hinreichend bestimmt sei und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 2.
Halbsatz BSHG vorlägen, komme es hier nicht an, weil der Antragsteller
grundsätzlich jede Art von gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit ablehne, wenn
für ihn nicht Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt würden. Aber
selbst wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 2. Halbsatz BSHG hier nicht
vorlägen, sei es dem Antragsteller zuzumuten, gegebenenfalls bis zur Klärung der
Rechtslage im Hauptsacheverfahren für eine vorübergehende Zeit gemeinnützige
und zusätzliche Arbeit gegen Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich
einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen zu leisten.
Im übrigen werde die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß das Angebot zu
gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit als Verwaltungsakt anzusehen sei, nicht
geteilt. Insoweit werde auf den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom
31. Januar 1985 Bezug genommen.
Gegen die Auffassung, daß das Angebot zu gemeinnütziger und zusätzlicher
Arbeit ein Verwaltungsakt sei, spreche auch, daß keine sofortige Vollziehung und
kein Zwang gegenüber dem Antragsteller angeordnet werden könnten. Aber selbst
wenn man das Angebot zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit als
Verwaltungsakt ansähe, hätte das Verwaltungsgericht inzidenter prüfen müssen,
ob ein Obsiegen im Widerspruchsverfahren gegen den Aufforderungsbescheid eher
wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Dabei hätte es zu dem Ergebnis
kommen müssen, daß dieses Angebot rechtlich nicht zu beanstanden sei. Dem
Antragsgegner sei schließlich die Hilfe zum Lebensunterhalt auch nicht ganz
verweigert, sondern nur gekürzt worden, da nur der Regelsatz für
Haushaltsangehörige nicht mehr gezahlt worden sei.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er ist der Auffassung, daß
er für die Arbeiten, die er verrichten solle, die gleiche Entlohnung sowie die
gleichen Arbeitsbedingungen wie die städtischen Arbeiter beanspruchen könne. Er
hätte nichts dagegen, wenn ihn die Stadt Schlüchtern einstellte, und sei es auch
nur befristet.
Dem Senat hat die einschlägige Behördenakte vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird
ergänzend Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem
Antrag des Antragstellers auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht
entsprochen.
Der Antrag auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Insbesondere
ist noch keine unanfechtbare Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen, bis
zu der - unter Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung - eine vorläufige
Regelung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrt wird. Der Antrag auf den
Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Der Antragsteller hat
glaubhaft gemacht, daß eine vorläufige Regelung notwendig erscheint, um
wesentliche Nachteile von ihm abzuwenden; ihm steht mithin ein
Anordnungsgrund zur Seite.
Der erkennende Senat hat zwar die Auffassung vertreten, daß einem zur
gemeinnützigen Arbeit herangezogenen arbeitsfähigen Asylbewerber durch die
Kürzung der Sozialhilfeleistungen ein wesentlicher Nachteil, der den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung rechtfertige, nicht entstehe, weil er die Gewährung der
Hilfe zum Lebensunterhalt bereits dadurch erreichen könne, daß er die von ihm
geforderte gemeinnützige Arbeit leiste (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 2. April
1982, IX TG 130/81, FEVS 32, 466 und vom 29. April 1982 , IX TG 21/ 82 ; ferner
OVG Bremen, Beschluß vom 3. Juni 1983, 2 B 58/83, FEVS 34, 322; a.A. OVG
Lüneburg, Beschluß vom 3. Juni 1983, 4 B 21/83, FEVS 33,70). Die Frage, ob ein
Anordnungsgrund nur dann zu verneinen ist, wenn es um Zuweisung von
gemeinnütziger Arbeit an Asylbewerber geht, bei denen ohne Kenntnisse des
deutschen Arbeitslebens besondere Schwierigkeiten bei der späteren
Eingliederung in das Leben der Gemeinschaft ihres Zufluchtslandes bestehen,
oder ob auch bei anderen Sozialhilfeempfängern ein Anordnungsgrund für den
Erlaß einer einstweiligen Anordnung fehlen kann, wenn sie sich gegen die nach der
Verweigerung gemeinnütziger Arbeit erfolgte Kürzung (oder Entziehung) von
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt wenden, kann unentschieden bleiben. Denn
vorliegend ist ein Anordnungsgrund jedenfalls unter dem Gesichtspunkt zu
bejahen, daß die Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit ohne
zeitliche Begrenzung geschehen ist. Die Zuweisung gemeinnütziger zusätzlicher
Arbeit ist auf unbestimmte Zeit, also praktisch für die Dauer des Bezugs von
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, erfolgt. Auch für einen verhältnismäßig
jungen und arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger stellt die Ableistung
gemeinnütziger Arbeit als Voraussetzung für den Erhalt von Sozialhilfe einen
wesentlichen Nachteil dar, der den Erlaß einer einstweiligen Anordnung
rechtfertigen kann, wenn sich die Arbeiten auf einen längeren Zeitraum bzw. wie
hier auf die gesamte Dauer der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
erstrecken sollen und nicht abzusehen ist, daß der Sozialhilfeempfänger alsbald
nicht mehr auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sein werde.
Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, daß er bei summarischer
Betrachtung für die Zeit ab 1. November 1985 (Eingang des Antrags auf den Erlaß
einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht) einen Anspruch auf
ungekürzte Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt hat.
Der Antragsgegner hat die Kürzung der Sozialhilfe auf § 25 Abs. 1 BSHG gestützt.
Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten,
seinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Arbeit im Sinne von § 25 Abs.
1 BSHG ist auch Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG (BVerwG, Beschluß vom
23. Februar 1979, 5 B 114.78, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 436.0, § 19 Nr. 1; Beschluß des
erkennenden Senats vom 19. Juli 1982, IX TG 48/82). Jedoch ist der Tatbestand des
§ 25 Abs. 1 BSHG, soweit es um gemeinnützige Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2
des Gesetzes geht, nur dann erfüllt, wenn der Hilfesuchende der Aufforderung,
gemeinnützige Arbeit zu leisten, unberechtigt nicht nachkommt. Ein
Hilfesuchender kann aber dann das Angebot zur gemeinnützigen Arbeit ablehnen,
wenn diese Arbeit nicht mit § 19 Abs. 2 BSHG vereinbar oder nicht zumutbar im
Sinne von § 18 Abs. 3 BSHG ist. Er kann die gemeinnützige Arbeit aber auch
ablehnen, wenn er sich aus verfahrensrechtlichen Gründen so verhalten darf, als
habe die Aufforderung ihm gegenüber noch keine Wirksamkeit erlangt.
Der Senat kann es unentschieden lassen, ob die Zuweisung der gemeinnützigen
Arbeit durch das Schreiben des Antragsgegners vom 5. August 1985 in jeder
Hinsicht rechtmäßig war. Denn der Antragsteller war jedenfalls berechtigt, sich so
zu verhalten, als habe diese Aufforderung ihm gegenüber noch keine Wirksamkeit
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zu verhalten, als habe diese Aufforderung ihm gegenüber noch keine Wirksamkeit
erlangt. Dies folgt daraus, daß die in dem Schreiben des Antragsgegners vom 5.
August 1985 ausgesprochene Aufforderung, gemeinnützige Arbeit zu leisten, als
Verwaltungsakt im Sinne von § 31 des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch (SGB -
X) - zu werten ist und der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch gegen den
Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung hat.
Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, daß die Heranziehung zu gemeinnütziger
und zusätzlicher Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG ein Verwaltungsakt ist (vgl.
die Beschlüsse vom 2. Oktober 1985, 9 TE 70/83, 27. Mai 1986, 9 TG 1028/851 und
vom 27. November 1986, 9 TG 1269/86). Er folgt insoweit der von dem
Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 13. Oktober 1983, 5 C 66.82
(BVerwGE 68, 97, 99), vertretenen Ansicht.
Der Antragsgegner hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Verpflichtung
des Hilfesuchenden begründen will, die ihm zugewiesene Arbeit aufzunehmen.
Eine solche Verpflichtung war gewollt, weil der Antragsteller aufgefordert wurde,
"sich an dem vorgenannten Termin ... zur Arbeitsaufnahme zu melden und die ...
zugewiesene Arbeit (zu) verrichten". Auch die Androhung der Sanktion für den Fall,
daß die Arbeit verweigert und nicht ordnungsgemäß ausgeführt werde (Hinweis auf
§ 25 Abs. 1 BSHG), läßt darauf schließen, daß hier ein behördliches Gebot im
Sinne von § 31 SGB X vorliegt. Dafür, daß der Antragsgegner ein solches Gebot
erlassen wollte, spricht auch die dem Schreiben vom 5. August 1985 beigefügte
Rechtsmittelbelehrung (vgl. Beschluß vom 27. November 1986, 9 TG 1269/86).
Schließlich steht der Qualifizierung des Schreibens vom 5. August 1985 als
Verwaltungsakt nicht entgegen, daß das in diesem Schreiben ausgesprochene
Gebot nicht durch Zwangsmittel des Verwaltungsvollstreckungsrechts
durchgesetzt werden kann. Die Durchsetzbarkeit im Wege der
Verwaltungsvollstreckung ist kein notwendiges Merkmal eines Verwaltungsakts.
Im übrigen hat der Senat in dem schon genannten Beschluß vom 27. November
1986 ausgeführt:
"Der Senat teilt nicht die in der Rechtsprechung (vgl. OVG Berlin, Beschluß vom
31. Januar 1985 - 6 S 223/84 - FEVS 35, 103; Bay VGH, Beschluß vom 15. Mai 1985
- 12 CE 84 A 3128 - FEVS 35, 98 und VG Hannover, Beschluß vom 25. September
1985 - 3 VG D 115/85 - info also 4/85, 29) dargelegten Bedenken, die Aufforderung
zu gemeinnütziger Arbeit als Verwaltungsakt zu werten. Zwar ist es dem Träger
der Sozialhilfe freigestellt, ob er den Hilfeempfänger oder Hilfesuchenden in der
Form eines Gebotes auffordert, eine bestimmte gemeinnützige Arbeit
aufzunehmen, oder ob er dem Hilfesuchenden oder Hilfeempfänger - ohne
Gebotscharakter - 'anbietet' oder 'Gelegenheit gibt', in einem bestimmten
Zeitraum eine bestimmte gemeinnützige Arbeit zu leisten. Wählt die Behörde den
zweiten Weg, so erläßt sie keinen Verwaltungsakt; doch ist sie dann, wenn der
Hilfesuchende das 'Angebot' nicht annimmt, in ihrer Befugnis, die Hilfe gemäß § 25
Abs. 1 BSHG zu kürzen oder einzustellen, nicht anders gestellt als dann, wenn der
Hilfesuchende das Gebot zur gemeinnützigen Arbeit nicht befolgt. Aus dieser
Wahlmöglichkeit folgt aber nicht, daß das Handeln der Behörde auch dann, wenn
sie den ersten Weg wählt, nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.
Hat der Träger der Sozialhilfe ein Gebot, das als Verwaltungsakt zu werten ist,
erlassen und hat er die sofortige Vollziehung nicht angeordnet, so hat der
Widerspruch des Hilfesuchenden oder Hilfeempfängers gegen das Gebot nach § 80
Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
hat zur Folge, daß der Adressat des Gebots sich so verhalten darf, als habe das
Gebot ihm gegenüber noch keine Wirksamkeit erlangt (vgl. Kopp, VwGO,
Kommentar, 7. Aufl. 1986, RdNr. 16 zu § 80 VwGO). Solange der Widerspruch
aufschiebende Wirkung hat, darf der Träger der Sozialhilfe deshalb den
Hilfesuchenden nicht so behandeln, als habe er gegen das Gebot verstoßen und
sich geweigert, die in dem Gebot genannte gemeinnützige Arbeit zu leisten."
Daran wird festgehalten.
Der Auffassung von Birk (ZfSH/SGB 1984, 109 ff.), daß in einem Falle wie dem
vorliegenden das Verwaltungsgericht im Rahmen des einstweiligen
Anordnungsverfahrens, mit dem die Gewährung der vollen Sozialhilfe durchgesetzt
werden solle, inzidenter zu prüfen habe, ob ein Obsiegen im
Widerspruchsverfahren oder mit der Anfechtungsklage gegen den
Zuweisungsbescheid eher wahrscheinlich oder unwahrscheinlich sei, kann nicht
gefolgt werden. Eine solche Verfahrensweise stellte eine Aushöhlung des
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gefolgt werden. Eine solche Verfahrensweise stellte eine Aushöhlung des
Grundsatzes dar, daß einem Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt
aufschiebende Wirkung zukommt. Wenn die Behörde dies vermeiden will, steht es
ihr frei, bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen, die
sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO
anzuordnen. Ob dies im Einzelfall möglich ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht
nachzuprüfen. Auch kann allein der Umstand, daß es fraglich ist, ob die sofortige
Vollziehung hätte angeordnet werden dürfen, nicht dazu führen, die
Verwaltungsaktsqualität der Zuweisung zur gemeinnützigen und zusätzlichen
Arbeit zu verneinen (so wohl die Argumentation des Antragsgegners unter Hinweis
auf den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 31. Januar 1985, FEVS
35, 103).
Der Widerspruch des Antragstellers gegen das Gebot des Antragsgegners vom 5.
August 1985, die darin näher bezeichnete gemeinnützige Arbeit aufzunehmen, hat
somit aufschiebende Wirkung. Daher darf der Antragsgegner den Antragsteller
nicht so behandeln, als habe er sich im Sinne von § 25 Abs. 1 BSHG geweigert, die
angesonnene Arbeit aufzunehmen. Der Antragsgegner ist deshalb nicht
berechtigt, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu kürzen.
Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner nach §
154 Abs. 2 VwGO zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich
aus § 188 Satz 2 VwGO.
Hinweis:
Dieser Beschluß ist nach § 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.