Urteil des HessVGH vom 19.07.1988
VGH Kassel: freihändiger erwerb, grundstück, vorzeitige besitzeinweisung, form, unterlassen, behörde, eigentümer, energieversorgung, bahnhof, gefahr
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 2706/84
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 37 Abs 1 VwVfG HE, § 37
Abs 1 VwVfG, § 3 Nr 1
EnteigG HE, § 5 EnteigG
HE, § 11 EnWiG
(Enteignung - Dienstbarkeit für eine Ferngasleitung)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Enteignungsbeschlusses, durch welchen
ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück mit einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Beigeladenen belastet worden ist. Er ist
Eigentümer des in der Gemarkung M gelegenen Grundstücks Flur ..., Flurstück ...,
welches im Grundbuch von M Band ..., Blatt ..., lfd. Nr. ... des
Bestandsverzeichnisses, eingetragen ist. Das 1156 qm große unbebaute
Wiesengrundstück ist Teil der an der G gelegenen "W-wiesen". Im
Flächennutzungsplan der Gemeinde G von 1977/78 ist der Talzug als
landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt. Im Verkehrswertgutachten des
Sachverständigen K vom 22.08.1979 ist die Lage des Grundstücks wie folgt
dargestellt:
Die Landschaft um den Ortsteil M wird deutlich durch den Talzug der G -- ein
Wasserlauf II. Ordnung -- geprägt. Auf der Westseite des Tales liegt erhöht in einer
Osthanglage der Ortsteil mit seinen Baugebietserweiterungen und auf der Ostseite
verläuft im ansteigenden Gelände die Trasse der Bundesbahnstrecke G -- Gi mit
dem früheren Bahnhof und dem heutigen Haltepunkt M. Die frühere B-straße und
heutige Wstraße verbindet auf eine Länge von ca. 300 m den Ort (B.- Straße)
durch den Talgrund hindurch mit dem Bahnhof. Die G kreuzt die Straße in einem
nach Osten offenen Bogen am Fuße des nach Westen ansteigenden Geländes.
Innerhalb des Bogens nördlich der Straße liegen die "W-wiesen" im Talgrund, der
durch ein besonderes Grabensystem entwässert wird, um eine Versäuerung der
Wiesen zu verhüten. Die G ist in den vergangenen Jahren mehrmals über die Ufer
getreten und hat die W-wiesen überschwemmt.
Die zu bewertenden Grundstücke sind Teile dieser W-wiesen."
Das Grundstück wird von einer Erdgashochdruckleitung DN 300 PN 67,5, die von R
nach B führt, durchquert. Die von der Beigeladenen verlegte und auch von ihr
betriebene bzw. unterhaltene Leitung befindet sich 1 m unter der Erdoberfläche.
Die Beigeladene, ein Unternehmen der Energieversorgung, versuchte im Jahr 1978
vergeblich die Eintragung der Dienstbarkeit im rechtsgeschäftlichen Wege mit dem
Kläger zu erreichen. Nach dem Scheitern dieser Bemühungen stellte sie am
29.06.1978 beim Regierungspräsidenten in D den Antrag auf Einleitung eines
Enteignungsverfahrens sowie auf vorzeitige Besitzeinweisung.
Hinsichtlich der vorläufigen Besitzeinweisung ist beim Verwaltungsgericht Fankfurt
am Main ein gesonderter Rechtsstreit anhängig, über den noch nicht entschieden
worden ist (III/3 E 328/79). Die Gasleitung selbst wurde in der Zwischenzeit
fertiggestellt und ist seit Oktober 1978 in Betrieb.
Am 20.03.1980 erließ der Regierungspräsident in D einen Enteignungsbeschluß, in
dem er dem Antrag der Beigeladenen entsprach. Nach dem Inhalt dieses
Beschlusses darf unter anderem die Beigeladene die durch das Grundstück
verlegte Gasleitung dauerhaft betreiben. Die Eigentumsbeschränkung in Form
einer persönlichen Grunddienstbarkeit bezieht sich auf einen quer durch das
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einer persönlichen Grunddienstbarkeit bezieht sich auf einen quer durch das
Grundstück laufenden 6 m breiten Schutzstreifen, das heißt, von der Mittellinie der
Gasleitung aus jeweils 3 m zur Seite hin gemessen. Außerdem werden der Kläger
sowie jeder etwaige Bewirtschafter verpflichtet, alles zu unterlassen, was den
Bestand und Betrieb der Leitung gefährden könnte. Insbesondere dürfen innerhalb
des Schutzstreifens keine Gebäude errichtet werden. Wegen weiterer Einzelheiten
wird auf den bei den Behördenakten befindlichen Enteignungsbeschluß Bezug
genommen (Bl. 184 ff.). Den gegen ihn am 21.04.1980 eingelegten Widerspruch
wies der Regierungspräsident in D mit Bescheid vom 17.07.1980, zugestellt am
21.07.1980, zurück.
Der Kläger hat am 19.08.1980 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Mit ihr
wendet er sich dagegen, daß die Gasleitung mitten durch sein Grundstück verlegt
worden sei, weil dadurch eine spätere Bebauung ausgeschlossen werde. Nach
seiner Auffassung ist die Leitung nicht optimal geführt worden, da sie unter
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entweder in den
gemeindeeigenen Wegen oder entlang einem Graben an der Kopfseite seines
Grundstücks hätte geführt werden können, wodurch ein geringerer Eingriff in sein
Grundeigentum erforderlich gewesen wäre. Bei einer Trassenführung entlang des
Grabens an der Ostseite seines Grundstücks hätte lediglich die Parzelle 458 auf
einer längeren Strecke durchquert werden müssen, womit nach seiner Kenntnis
die Eigentümerin dieses Grundstücks jedoch einverstanden gewesen sei. Die durch
eine andere Trassenführung in der Leitung zusätzlich entstehenden Knicke hätten
auch kein Ausmaß, welches die Leistungsfähigkeit oder Reinigungsmöglichkeit der
Leitung ernsthaft gefährdeten. Sein Grundstück sei Bauerwartungsland und
deshalb von dem Eigentumseingriff besonders nachteilig betroffen. Außerdem
habe das Land sich entgegen § 5 Abs. 2 HEG zu keinem Zeitpunkt um den
freihändigen Erwerb seines Grundstücks bemüht. Darüber hinaus habe das Land
ermessensfehlerhaft gehandelt, indem es auf die Durchführung eines
Planfeststellungsverfahrens nach § 14 HEG verzichtet und stattdessen einzelne
Enteignungsbeschlüsse erlassen habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Enteignungsbeschluß des Beklagten vom 20. März 1980 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1980 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Die im streitigen Enteignungsbeschluß zugrundegelegte
Trassenführung sei optimal. Aus technischen Gründen sei ein Leitungsverlauf als
optimal anzusehen, wenn Anfangs- und Endpunkte durch eine gerade Linie
verbunden seien. Die räumlichen Gegebenheiten, z.B. die Geländestruktur an der
Gemarkungsgrenze M/H bildeten zwar Zwangspunkte, die ein derartiges Optimum
verhinderten. Im Bereich des klägerischen Grundstücks bestünden derartige
natürliche Zwangspunkte jedoch nicht. Die gerade Linienführung bedeute auch
enteignungsrechtlich die günstigste Lösung, weil sie nur eine verhältnismäßig
geringe Fläche beanspruche. Jedes Abweichen von der geraden Linie würde den
Flächenbedarf vergrößern und dazu führen, daß Dritte zusätzlich oder sogar
erstmals belastet werden müßten. Durch die vom Kläger vorgeschlagene
Trassenführung würden spitze Winkel in der Leitungsführung entstehen, welche zu
nicht vertretbaren Kapazitätsverlusten sowie zu Schwierigkeiten bei der Reinigung
der Rohre führen würden. Der Eingriff in das klägerische Eigentum sei umso
geringer zu bewerten, als es sich nach einem Gutachten keinesfalls um
Bauerwartungsland, sondern lediglich um ein feuchtes Wiesengrundstück handele.
Die Bemühungen um einen freihändigen Erwerb durch die Beigeladene seien am
fehlenden Einigungswillen des Klägers gescheitert. Zur Einleitung eines
Planfeststellungsverfahrens sei er, der Beklagte, nicht gezwungen gewesen, weil
bis auf wenige Ausnahmen einverständliche Regelungen zwischen der
Beigeladenen und den von der Gasleitung betroffenen Grundstückseigentümern
zustande gekommen seien.
Die Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter anderem vorgetragen: Bei den vom Kläger vorgeschlagenen
Trassenführungen würden Knickpunkte entstehen, die eine Reinigung der Gasrohre
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Trassenführungen würden Knickpunkte entstehen, die eine Reinigung der Gasrohre
unmöglich machten. Zwar treffe es zu, daß die Leitung in ihrem Gesamtverlauf
einige Krümmungen aufweise, diese seien jedoch aus Gründen der Örtlichkeit
oftmals nicht zu vermeiden gewesen. Zudem müsse berücksichtigt werden, daß
es sich um eine Transportleitung handele, die große Teile Hessens versorgen solle,
weshalb der durch Knickungen verursachte Druckverlust nur unwesentlich sein
dürfe. Ebenfalls müsse die Beanspruchung privaten Eigentums so gering wie
möglich gehalten werden, was jedoch im Hinblick auf das Gesamtprojekt beurteilt
werden müsse. Durch die vom Kläger vorgeschlagenen Trassenführungen würde
zwar sein eigenes Grundstück entlastet, abgesehen von höheren Kosten würden
jedoch die Nachbarparzellen in diesem Bereich stärker beansprucht werden.
Das Verwaltungsgericht hat im Urteil vom 30.08.1984 den Enteignungsbeschluß
des Beklagten vom 20.03.1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17.07.1980 unter Teil A Nr. 1 aufgehoben, soweit darin bestimmt wird "alles zu
unterlassen, was den Bestand und Betrieb der Leitung gefährden könnte, und
unter Teil A Nr. 3, soweit darin verlangt wird, keine "sonstige Einwirkungen, die den
Bestand und den Betrieb der Anlage beeinträchtigen oder gefährden",
vorzunehmen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Verfahrenskosten
dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt. Es hat seine Entscheidung
wie folgt begründet:
Die aufgehobenen Festsetzungen in dem Enteignungsbeschluß seien wegen
Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz rechtswidrig. Durch die in den
aufgehobenen Teilen enthaltenen Formulierungen "alles zu unterlassen" und
"sonstige Einwirkungen" sei dem Bestimmtheitsgebot nicht entsprochen worden.
Infolge dieser gewählten Formulierungen sei für den Kläger letztlich unklar, welche
Verhaltensweisen unter Umständen ihm als eine Beeinträchtigung der Gasleitung
vorgehalten werden könnten. Es wäre deshalb erforderlich gewesen, etwa nach Art
eines Katalogs die ihm auferlegte Nutzungseinschränkung näher zu beschreiben.
Im übrigen lasse der Enteignungsbeschluß keine Rechtsfehler erkennen. Der
Enteignungszweck, nämlich die Verlegung der Erdgasleitung, könne auch auf
andere zumutbare Weise als durch die Verlegung der Leitung nicht erreicht
werden. Unter Berücksichtigung sämtlicher in Betracht gezogener Gesichtspunkte
habe die Abwägung im Ergebnis zutreffend zu dem im Enteignungsbeschluß
zugrundegelegten Trassenverlauf geführt. Die vom Kläger vorgeschlagenen
Alternativtrassen hätten -- ungeachtet der Frage einer Verschlechterung der
Betriebsbedingungen -- im Fall einer nicht in der Geraden verlaufenden Verlegung
der Leitung zu einer größeren Anzahl von Knicken und einem stärkeren
Geländeverbrauch geführt. Es gebe keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür,
daß das vom Kläger als Bauerwartungsland bezeichnete Wiesengrundstück
tatsächlich in absehbarer Zeit zum Bauland werden könne.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten des Klägers am 01.10.1984 zugestellte Urteil
hat dieser am 16.10.1984 Berufung eingelegt. Er hält an der Auffassung fest, er
werde zukünftig an einer baulichen Nutzung seines Grundstücks gehindert. Soweit
der Enteignungsbescheid mangels Bestimmtheit aufgehoben worden sei, sei die
Entscheidung zutreffend. Der Hinweis auf die "langjährige Verwaltungspraxis" liege
insofern völlig neben der Sache, als es keinen Erfahrungssatz für die
Rechtmäßigkeit der Verwaltung gebe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des insoweit klageabweisenden Urteils den
Enteignungsbeschluß des Beklagten vom 20.03.1980 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.07.1980 aufzuheben und die Anschlußberufung
der Beigeladenen kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die mit Schriftsatz vom 12.10.1984 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 30.08.1984 -- IV/1 E 3354/80 -- eingelegte Berufung
kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, der Sachverständige K habe in seinem
Verkehrswertgutachten eingehend die Planungssituation in M untersucht.
Unabhängig von der planerischen Situation hätten sich auch vom Tatsächlichen
her keine Anhaltspunkte für eine Höherwertigkeit des Geländes ergeben. Von einer
natürlichen Erweiterung der Bebauung in Richtung des klägerischen Grundstücks
könne keine Rede sein. Da von einer rein landwirtschaftlichen Fläche auszugehen
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könne keine Rede sein. Da von einer rein landwirtschaftlichen Fläche auszugehen
sei, stelle sich die Bewertung einer verlegten Leitung anders als im Baugebiet. Mit
der Wiederherstellung des Geländes ende praktisch die Beeinträchtigung. Die
Fläche könne wie vorher uneingeschränkt als Wiese genutzt werden. Ein förmlicher
Antrag zur Anschlußberufung der Beigeladenen werde nicht gestellt. Da hier eine
Dienstbarkeit durch Verwaltungsakt bestellt werden solle, könnten die Regelungen
des Verwaltungsverfahrensgesetzes dabei nicht außer Betracht bleiben. Selbst auf
die Gefahr hin, daß bei einer Einzelaufzählung gegenüber der Generalklausel etwas
offenbleibe, sei letztere mit dem Grundsatz der Bestimmtheit eines
Verwaltungsaktes nicht vereinbar. Die bisherige Praxis dürfte daher wohl nicht
mehr aufrechterhalten werden können.
Die Beigeladene beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils, soweit der Klage stattgegeben
wurde, die Klage im ganzen abzuweisen und die Berufung des Klägers
zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor:
Bei den vom Kläger alternativ vorgeschlagenen Leitungstrassen wären
Knickpunkte entstanden, die eine Reinigung der Leitung unmöglich gemacht
hätten und die zu unzumutbaren Druckverlusten in der Gastransportleitung
geführt hätten. Die vorgeschlagene Verlegung hätte zwar das Grundstück des
Klägers entlastet, jedoch Nachbarparzellen über Gebühr beeinträchtigt. Die vom
Verwaltungsgericht beanstandete Formulierung sei "im Rahmen des sprachlich
darstellbar Möglichen" hinreichend bestimmt. Sie lege dem Kläger lediglich die
Verpflichtung auf, keine Handlungen vorzunehmen, die bei natürlicher und somit
auch vom Kläger ohne Schwierigkeiten nachzuvollziehender Betrachtungsweise
geeignet seien, die Leitung und deren Betrieb zu gefährden. Insbesondere sei
darauf hinzuweisen, daß der Kläger nicht gehindert sei, die bisher geübte
landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beizubehalten. Es sei jedoch zu
fordern, daß alle Maßnahmen zu unterlassen seien, die bei einer natürlichen
Betrachtungsweise geeignet seien, eine Gefahr für die Leitung zu begründen. Im
Zweifelsfall sei dem Kläger eine Rückfrage bei der Beigeladenen durchaus
zumutbar. Die Aufzählung der einzelnen in Betracht zu ziehenden gefährdenden
Handlungen sei wegen der Vielzahl der in Betracht zu ziehenden Fälle unmöglich.
Sie würde zu einer uferlosen und letztlich doch lückenhaften Aufzählung führen.
Diese Fassung entspreche den Dienstbarkeitstexten, die im Rahmen der
grundstücksrechtlichen Sicherung der Energieversorgung in der gesamten
Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung gelangten. Es sei nicht ersichtlich,
daß auch nur einem betroffenen Grundstückseigentümer aus diesem Umstand
Nachteile entstanden seien.
Der Senat hat gemäß Beschluß vom 13.07.1988 Beweis durch Einnahme des
richterlichen Augenscheins erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Niederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main mit dem
Aktenzeichen III/3 E 328/79 und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten liegen vor,
ferner eine Abzeichnung der Flurkarte des Grundstücks des Klägers und seiner
Umgebung und ein Auszug aus dem Flächennutzungsplan. Diese Unterlagen sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten
des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beigeladenen sind
zulässig, aber nicht begründet.
Die Enteignung in der Form der Einräumung einer Dienstbarkeit durch
Verwaltungsakt findet ihre Rechtsgrundlage in § 5 des Hessischen
Enteignungsgesetzes -- HEG --.
Die Enteignung zugunsten eines Unternehmens der Energieversorgung für eine
Energieanlage, zu der nach § 2 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes -- EnWG --
u.a. Anlagen gehören, die der Fortleitung von Gas dienen, sieht ein abgestuftes
Verfahren vor, in dem die von einem Energieversorgungsunternehmen geplante
Anlage unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüft wird. Ist das Vorhaben nur
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Anlage unter verschiedenen Gesichtspunkten geprüft wird. Ist das Vorhaben nur
unter Inanspruchnahme privaten Grundeigentums durchzuführen und scheitert ein
freihändiger Erwerb oder -- in geeigneten Fällen -- die freihändige Einräumung
einer Dienstbarkeit, so eröffnet § 11 EnWG die Möglichkeit der Enteignung. Nach §
11 Abs. 1 EnWG entscheidet die oberste Energieaufsichtsbehörde darüber, ob für
das Vorhaben eine Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum im Wege
der Enteignung erforderlich ist. Diese Entscheidung hat der Hessische Minister für
Wirtschaft und Technik gemäß § 1 der Verordnung über die Energiewirtschaft und
Wasserversorgung vom 17.07.1946 (GVBl. I S. 188) durch Anordnung vom
20.04.1978 getroffen. Für das Enteignungsverfahren gelten gemäß § 11 Abs. 2
EnWG die Landesgesetze. Gemäß § 3 Nr. 1 HEG kann nach diesem Gesetz
enteignet werden, um ein dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben zu
verwirklichen. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Enteignung regelt
§ 5 HEG. Sie ist zu dem in § 3 Nr. 1 bezeichneten Zweck nur zulässig, wenn der
Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Sie
setzt insbesondere u.a. voraus, daß 1. die Bereitstellung von Grundstücken aus
dem Grundbesitz des Unternehmers oder einer juristischen Person, an der der
Unternehmer allein oder überwiegend beteiligt ist, weder möglich noch zumutbar
ist, 2. der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb eines
geeigneten Grundstücks zu angemessenen Bedingungen vergeblich bemüht hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Urteil vom 17.01.1986 -- 4 C 6. und
7.84 -- BVerwGE 72, 365 (367) zu der Frage geäußert, in welchem Umfang die
Enteignungsbehörde eine Energieversorgungsleitung hinsichtlich der
Trassenführung auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht zu prüfen hat, und
hat in diesem Zusammenhang dargelegt, daß eine derartige Anlage im Hinblick
auf Art. 14 Abs. 3 GG und das jeweilige landesrechtliche Enteignungsgesetz einem
grundsätzlich nicht eingeschränkten behördlichen Prüfungsverfahren unterworfen
ist, das von ihm wie folgt beschrieben wird:
"In diesem Prüfungsverfahren, das auch aus allgemeinen rechtsstaatlichen
Gründen geboten ist, hat die Behörde die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der
beantragten Enteignung zu prüfen, insbesondere, ob das Vorhaben zum Wohle der
Allgemeinheit erforderlich und ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet ist.
Soweit dabei eine Würdigung der für und wider das Vorhaben streitenden
öffentlichen Belange untereinander und im Verhältnis zu den privaten Belangen
erforderlich ist, hat die Behörde die Vorhabenplanung abwägend nachzuvollziehen.
Kommt sie dabei aufgrund einer anderen Gewichtung der zu berücksichtigenden
öffentlichen und privaten Belange zu der Überzeugung, daß eine schonendere
Trassenführung möglich ist, so darf sie die Enteignung für das Vorhaben in der
ursprünglich geplanten Form nicht anordnen. Läßt sich das Vorhaben bereits durch
Maßgaben oder Modifikationen schonender gestalten, so kann die
Enteignungsbehörde ihre Entscheidung mit entsprechenden Nebenstimmungen
versehen.
Das Gericht hat in dem anschließenden Anfechtungsprozeß die angefochtene
Enteignungsverfügung darauf zu prüfen, ob die Behörde die
Enteignungsvoraussetzungen zutreffend erkannt und im Einzelfall hinreichend
beachtet hat. Diese rechtliche Überprüfung ist allerdings insoweit beschränkt, als
die Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme mehr schadet als nützt oder ob das
Vorhaben in geeigneter Weise auch anders verwirklicht werden könnte, wertende
Einschätzungen, Prognosen und Abwägungen voraussetzen, die vom Gericht nicht
durch eigene zu ersetzen, sondern als rechtmäßig hinzunehmen sind, soweit sie
methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind.
Der angefochtene Enteignungsbescheid und seine rechtliche Würdigung durch das
Verwaltungsgericht entsprechen den vorstehend formulierten Anforderungen,
wobei die folgenden ergänzenden Anmerkungen zu machen sind:
Ausgehend von der Überlegung, daß die optimale Trassenführung der gerade
Verlauf der Leitung ist, kommt eine andere Trassenführung nur in Betracht, wenn
sie bei Berücksichtigung und Gewichtung aller einschlägigen öffentlichen und
privaten Belange die schonendere ist. Gegen die großräumige Trassenführung der
Leitung zwischen R und B, die Teil einer größeren Transportleitung zwischen dem
Ktal und L ist, sind Bedenken weder ersichtlich noch geltend gemacht. Eine
Variante zu der gewählten Trasse bietet sich nicht an und ist im Hinblick auf den
Außenbereichscharakter des Geländes der W-wiesen zwischen M und der
Gebäudeansammlung vor dem Bahnhof auch nicht erforderlich. Der Senat hat
auch keine privaten Belange des Klägers festgestellt, die eine der von ihm
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auch keine privaten Belange des Klägers festgestellt, die eine der von ihm
vorgeschlagenen alternativen Trassen im Hinblick auf den generell mit einem
ungeraden Verlauf der Leitung verbundenen Mehrverbrauch an Fläche und die
damit verbundene bloße Verlagerung der Inanspruchnahme auf andere Private als
eine "andere zumutbare Weise" der Verlegung der Leitung rechtfertigen könnte (§
5 Abs. 1 Satz 1 HEG). Entgegen der Auffassung des Klägers wird er nicht durch die
Trassenführung, sondern schon durch die Lage seines Grundstücks im
Außenbereich zukünftig an dessen baulicher Nutzung gehindert. Die
Augenscheinseinnahme hat die Auffassung des Beklagten bestätigt, daß es sich
bei dem Grundstück des Klägers nicht um Bauerwartungsland und erst recht nicht
um Bauland handelt und zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Erlaß des
Enteignungsbeschlusses bzw. der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers,
auch nicht gehandelt hat. Die Bewertung eines Grundstücks als
Bauerwartungsland -- ein rechtlich nicht eindeutig definierter Begriff -- kann sich
einmal aus der Bauleitplanung, zum anderen aus topographischen Gegebenheiten
und einer damit verbundenen berechtigten Erwartung einer Einbeziehung des
Grundstücks in die bebaute Ortslage durch deren Abrundung ergeben. Schon zum
Zeitpunkt des Erlasses des Enteignungsbeschlusses war das Grundstück des
Klägers im Flächennutzungsplan als landwirtschaftliche Fläche dargestellt, und bis
heute hat sich zwischen der G und dem Gebäudekomplex um das
Bahnhofsgebäude keine Bebauung entwickelt. Insbesondere hat die
Beweisaufnahme ergeben, daß das südlich der G im Bogen gelegene
Wiesengrundstück Parzelle 458 entgegen der Darstellung auf dem vom
Klägerbevollmächtigten mit Schriftssatz vom 09.01.1985 vorgelegten Lageplan
nicht bebaut ist, der Dressurplatz mit einem Gebäude sich vielmehr auf der
nördlich der G gelegenen Parzelle 457 befindet. Der Kläger meint, es sei auch zu
berücksichtigen, daß die Möglichkeit bestehe ein privilegiertes Vorhaben für land-
oder forstwirtschaftliche Zwecke zu verwirklichen. Auch insoweit ist kein objektiv
erheblicher Belang dargelegt. Die abstrakte Möglichkeit einer entsprechenden
Nutzung gilt fast für den gesamten Außenbereich, der landwirtschaftlich genutzt
wird. Hier wären zumindest konkrete Absichten mit Aussicht auf Verwirklichung
erforderlich, um ein derartiges Vorhaben als Belang berücksichtigen zu können.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Enteignung gemäß § 5 Satz 2 Nr. 3
HEG auch ein angemessenes Gebot zum "freihändigen Erwerb... zu
angemessenen Bedingungen" vorangegangen. Diese Formulierung ist im
Zusammenhang mit dem Enteignungsgegenstand zu sehen (§ 4 HEG). Gemäß § 4
Abs. 1 Nr. 1 HEG kann durch Enteignung das Eigentum an Grundstücken entzogen
oder belastet werden. Da im vorliegenden Fall eine Vollenteignung weder
Gegenstand des Beschlusses ist noch vom Zweck her gerechtfertigt wäre, kommt
als freihändiger Erwerb nur der der Dienstbarkeit in Betracht. Das Angebot der
Beigeladenen für die freiwillige Einräumung einer Dienstbarkeit von 1,-- DM
zuzüglich 6,5 % MWSt je qm (1,07 DM), auf dessen Grundlage die Vereinbarungen
mit der ganz überwiegenden Mehrheit der Grundstückseigentümer zustande
gekommen ist, kann nicht als unangemessen niedrig angesehen werden.
Auch die Anschlußberufung ist nicht begründet, weil das Verwaltungsgericht die
Formulierung der Dienstbarkeit zu Recht als zu unbestimmt angesehen hat. Um
dem Bestimmtheitsgebot gerecht zu werden, ist nach Auffassung des Senats
erforderlich, die Dienstbarkeit so konkret zu fassen, daß der Eigentümer des
belasteten Grundstücks das in ihr enthaltene Unterlassungsgebot ohne weiteres
verstehen und befolgen kann. Die notwendige Verdeutlichung kann dadurch
erreicht werden, daß Gefährdungstatbestände in Form von Standardformeln, die
der typischen Situation gerecht werden, bezogen auf die Nutzung des Grundstücks
und die Art der Anlage, auf die sich die Dienstbarkeit bezieht, nach Art eines
Katalogs in die Dienstbarkeit aufgenommen werden. Als Beispiel derartiger
Unterlassungsgebote, die von einem Eigentümer eines Außenbereichsgrundstücks
der verwendeten Generalklausel nicht unbedingt entnommen werden können,
kommen hier etwa die Verbote einer tiefwurzelnden Bepflanzung der Trasse oder
einer Lagerung von großflächigem Material in Betracht, die den erforderlichen
Zugang bei Reparaturarbeiten an der Leitung verhindern könnten. Der Senat hält
es für unbedenklich, daß die beispielhaft und nicht abschließend aufgeführten
Nutzungseinschränkungen durch eine allgemeine Formulierung der hier
verwendeten Art ergänzt werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.