Urteil des HessVGH vom 26.02.1997
VGH Kassel: gewässer, wiederherstellung des früheren zustandes, unterhaltung, öffentlich, bach, grundstück, gefahr, ufervegetation, stützmauer, rechtsgrundlage
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 UE 2907/94
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 1 WHG, § 46 Abs 1
WasG HE, § 59 Abs 1 WasG
HE, § 59 Abs 3 WasG HE, §
1004 BGB
(Zwar grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Erfüllung der
öffentlich-rechtlichen Gewässerunterhaltungspflicht, aber
bei Eingriff in das Eigentum Dritter durch Unterlassung der
Unterhaltungspflicht öffentlich-rechtlicher
Beseitigungsanspruch möglich; Unterhaltungspflicht
hinsichtlich einer Ufermauer)
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vornahme einer Befestigung des
Bachufers im Bereich ihres Grundstücks.
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Das
Grundstück grenzt im Nordosten an den bach an, der ein natürlich fließendes
Gewässer dritter Ordnung im Sinne des § 3 Ziff. 3 Hessisches Wassergesetz (HWG)
darstellt. Entlang des Grundstücks der Klägerin befand sich als Uferbefestigung
eine Sandsteinmauer, die im Laufe der Zeit unterspült wurde und
zusammengefallen ist.
Mit mehreren Schreiben in den Jahren 1989/90 forderte die Klägerin die Beklagte
auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefahr der Unterspülung ihres
Grundstücks und einer weiteren Erdreichabtragung abzuwenden. Die Beklagte
lehnte eine Sanierung der Ufermauer mit der Begründung ab, daß die Mauer eine
unnatürliche Einengung des Bachbettes darstelle, die die Gefahr von
Hochwasserschäden hervorrufe.
Am 23.10.1991 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die ursprünglich als Uferbefestigung
vorhanden gewesene Sandsteinmauer sei von dem Klingbach unterspült und
großflächig abgeschwemmt worden. Dies habe zur Folge, daß zwischenzeitlich
auch Teile ihres Grundstücks weggespült worden seien. Es sei zu befürchten, daß
künftig noch weitere große Flächen ihres Grundstücks abgetragen würden.
Insbesondere bei Hochwasser bestehe die Gefahr, daß die Grundmauern des
Wohnhauses unterspült würden bzw. Weitere Erdreichabtragungen stattfänden, so
daß der dem bach zugewandte Grundstücksteil nicht mehr begehbar sein würde.
Die Beklagte habe gemäß § 47 HWG a.F. die Unterhaltungspflicht für den bach.
Diese Unterhaltungspflicht beinhalte gemäß § 46 HWG a.F. insbesondere die
Reinigung, Räumung und Festlegung des Gewässerbettes, die Freihaltung, den
Schutz und die Unterhaltung der Ufer. Da die Gefahr der Unterspülung des
klägerischen Grundstücks bereits seit 1989 bestehe, sei noch die alte Fassung des
Hessischen Wassergesetzes anwendbar. Aber auch nach dem neuen Hessischen
Wassergesetz sei die Klage begründet. Zwar werde in § 59 HWG n.F. nicht mehr
ausdrücklich angeführt, daß zur Unterhaltungspflicht der Schutz und die
Unterhaltung der Ufer gehöre. In der in der Neufassung gewählten Formulierung,
wonach zu den Aufgaben der Gewässerunterhaltung u.a. die Erhaltung bzw. die
Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation gehöre und den
Belangen des Hochwasserschutzes Rechnung zu tragen sei, komme aber
ebenfalls zum Ausdruck, daß zur Unterhaltung der Gewässer auch der Schutz und
die Unterhaltung der Ufer gehöre.
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Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Ufer des bachs entlang des Grundstücks der
Klägerin so zu befestigen, daß eine weitere Gefährdung dieses Grundstücks durch
den bach nicht mehr stattfindet; hilfsweise: die Ufermauer entlang des
Grundstücks der Klägerin zum bach hin wieder instandzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß die früher im Hessischen Wassergesetz
getroffene Regelung, wonach zur Gewässerunterhaltung auch der Schutz und die
Unterhaltung der Ufer gehöre, nunmehr in § 59 HWG nicht mehr enthalten sei.
Somit könne die Wiederherstellung der Ufermauer auch nicht im Rahmen der
Gewässerunterhaltung vorgenommen werden. Vielmehr sei die Frage, ob eine
Wiederherstellung der Stützmauer wasserrechtlich zugelassen werden könne, auf
der Grundlage der §§ 9, 10 und 11 HWG i.V.m. § 12 HWG zu prüfen. In der
Regelung des § 12 HWG komme indes zum Ausdruck, daß die Wiederherstellung
des früheren Zustandes die Aufgabe des Grundstückseigentümers und nicht die
des Gewässerunterhaltungspflichtigen sei. Dieser sei nur im Rahmen des § 12 Abs.
2 HWG zur Wiederherstellung verpflichtet, wenn es das Wohl der Allgemeinheit
erfordere und die Wasserbehörde dies verlange. Da die Wiederherstellung der
Stützmauer im Bereich des klägerischen Grundstücks aber nur der Nutzung des
Grundstücks der Klägerin zugute komme, verlange das Wohl der Allgemeinheit
deren Wiederherstellung nicht.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.09.1994
stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, das Ufer des bachs entlang des
Grundstücks der Klägerin so zu befestigen, daß eine weitere Gefährdung dieses
Grundstücks durch den bach nicht stattfindet.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne von der Beklagten als
Gewässerunterhaltungspflichtigem verlangen, daß zu befürchtenden
Beeinträchtigungen ihres Grundstücks durch den bach mit geeigneten
Maßnahmen vorgebeugt werde. Rechtsgrundlage hierfür sei § 59 Abs. 1 HWG n.F.,
wonach zur Aufgabe der Gewässerunterhaltung insbesondere die Unterhaltung
und - wo diese nicht vorhanden sei - die Neuanpflanzung einer standortgerechten
Ufervegetation gehöre. Auch sei den Belangen des Hochwasserschutzes
Rechnung zu tragen. Durch die Neuregelung der Unterhaltungspflicht in § 59 HWG
sei keine Verlagerung der öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht bezüglich der
Sicherung gegen Uferabbruch auf die privaten Grundstückseigentümer erfolgt.
Eine solche weitreichende, mit erheblichen finanziellen Belastungen verbundene
und somit Art. 14 GG tangierende Regelung hätte einer ausdrücklichen
Normierung bedurft. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Regelungen
der §§ 10 ff. HWG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar mit der Folge, daß die
Beklagte von der Klägerin nicht verlangen könne, ihr Grundstück gegen
Veränderungen durch den Bachverlauf auf eigene Kosten zu sichern. § 9 HWG
regele den Fall der Überflutung, der nur dann gegeben sei, wenn Ufergrundstücke
bei Mittelwasserstand dauernd überflutet seien. § 10 HWG regele den Fall des
Uferabrisses, d.h., daß ein Stück Land durch Naturgewalt vom Ufer abgerissen und
mit einem anderen Grundstück vereinigt werde. § 11 HWG betreffe den Fall der
Bildung eines neuen Gewässerbettes. Im vorliegenden Fall gehe es um keine
dieser Konstellationen, sondern um das Begehren der Klägerin, als
Grundstückseigentümerin durch vorbeugende Maßnahmen davor geschützt zu
werden, daß die in §§ 9 bis 11 HWG dargestellten Naturerscheinungen, die durch
Hochwasser entstehen könnten, überhaupt auftreten.
Gegen den, ihr am 29.09.1994 zugestellten, Gerichtsbescheid hat die Beklagte am
14.10.1994 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt sie vor: Das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt
gelassen, daß die Lage des klägerischen Grundstücks in unmittelbarer Nähe zum
Gewässer die Ursache dafür gewesen sei, daß die früheren
Grundstückseigentümer eine Stützmauer errichtet hätten, um das Grundstück
optimal bis hin zum Gewässer nutzen zu können. Eine Ausdehnung der
Gewässerunterhaltungspflicht auf die Verpflichtung, derartige Stützmauern zu
unterhalten, würde eine unzulässige Benachteiligung der Allgemeinheit zugunsten
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unterhalten, würde eine unzulässige Benachteiligung der Allgemeinheit zugunsten
einiger weniger Grundstückseigentümer bedeuten. Die Bestimmung in § 59 HWG,
wonach die Erhaltung bzw. Neuanpflanzung einer Ufervegetation zu den Aufgaben
der Gewässerunterhaltung gehöre, gelte nur für Fälle, in denen ein "normales" Ufer
vorhanden sei, das nicht durch bauliche Eingriffe verändert worden sei. Soweit in
dem angefochtenen Gerichtsbescheid auf den in § 59 HWG erwähnten
Hochwasserschutz abgestellt werde, müsse darauf hingewiesen werden, daß
gerade das Errichten von Mauern entlang von Gewässern dem Hochwasserschutz
widerspreche. Vielmehr verlange der Hochwasserschutz gerade eine
Renaturierung der Gewässer, nicht aber eine Befestigung der Ufer durch
Stützmauern. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der
Gesetzgeber in Hessen keine Unterhaltungspflicht bezüglich der Ufer,
insbesondere von Ufermauern, zu Lasten der Gewässerunterhaltungspflichtigen
statuiert. Nach § 59 Abs. 1 HWG gehöre es lediglich zu den Aufgaben der
Gewässerunterhaltung, das natürliche Erscheinungsbild der Gewässer zu erhalten,
wozu insbesondere die Erhaltung bzw. die Neuanpflanzung einer
standortgerechten Vegetation gehöre. Nur wenn die Gemeinde selbst eine
Ufermauer errichtet habe, sei sie auch für diese unterhaltungspflichtig. Ein Bau
von Ufermauern entlang des natürlichen Gewässers sei jedoch weder von der
Stadt noch von der vorher selbständigen Stadt Salmünster durchgeführt worden.
Die Ufermauern seien vielmehr ohne behördliche Genehmigung von den einzelnen
Grundstückseigentümern selbst errichtet worden. Dies belege eine seitens der
Beklagten durchgeführte Befragung der Anlieger des bachs.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe mit zutreffenden Erwägungen der Klage
stattgegeben. Es werde bestritten, daß die entlang des Klingbachs vorhandenen
Ufermauern von den Anliegern errichtet wurden. Die Frage, wer die Ufermauern
errichtet habe, sei aber auch nicht entscheidungserheblich. Die
Gewässerunterhaltungspflicht der Beklagten umfasse auch die Ufer. Hierbei
mache es keinen Unterschied, ob der Uferbereich unberührt geblieben sei oder ob
Eingriffe von Menschenhand vorgenommen worden seien. Dies folge bereits aus
der Überlegung, daß es die Unterhaltungspflicht eines Gewässers oftmals
geradezu gebiete, Eingriffe in die Flußufer (z.B. Hochwasserschutz, Schutz vor
Abtragung von Ufern etc.) vorzunehmen. Die Auffassung der Beklagten, daß die
Errichtung von Ufermauern dem Hochwasserschutz widerspreche, sei
unzutreffend. Zwar sollten Gewässer außerhalb im Zusammenhang bebauter
Ortsteile nicht durch Dämme, Deiche und dergleichen eingeengt zu werden. Dies
könne jedoch nicht für innerörtliche Bereiche gelten. Eine Renaturierung von
Gewässern könne nur dort erfolgen, wo dies ohne Gefahr für Menschen und
Eigentum möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge (ein Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch die
Berichterstatterin anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a
Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht der Klage im
Ergebnis zu Recht stattgegeben hat.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Insbesondere fehlt es
nicht an der erforderlichen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Zwar ist die in den
§§ 28 und 29 WHG bundesrahmenrechtlich geregelte Gewässerunterhaltung eine
öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, die allein in Erfüllung einer öffentlichen
Aufgabe und im Interesse der Allgemeinheit wahrgenommen wird. Drittbetroffene
haben keinen Anspruch auf Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht
und können daher grundsätzlich weder vom Träger der Unterhaltungslast noch von
der Aufsichtsbehörde die Durchführung einer Unterhaltungsmaßnahme fordern.
Dies entspricht der in Rechtsprechung und Schrifttum insoweit einhellig
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Dies entspricht der in Rechtsprechung und Schrifttum insoweit einhellig
vertretenen Auffassung (BVerwG, Urteil vom 14.12.1973 - IV C 50.71 - BVerwGE
44, 235 = DVBl. 1974, 603; BGH, Urteil vom 21.12.1970 - II ZR 133/68 - BGHZ 55,
153; BGH, Urteil vom 25.02.1993 - III ZR 9/92 - ZfW 1993, 214 = UPR 1993, 296;
Gieseke-Wiedemann-Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 6. Aufl., § 28 Rdnr. 54
ff.; Sieder-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz, Stand: März 1996, § 29 Rdnr. 9
ff.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl., Rdnr. 637). Führt die
Verletzung der Unterhaltungspflicht indes zu einem Eingriff in das durch Art. 14
Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht eines Dritten, so hat dieser einen öffentlich-
rechtlichen Beseitigungsanspruch gegen den Unterhaltungspflichtigen
entsprechend § 1004 BGB (BVerwG, Urteil vom 14.12.1973 - IV C 50.71 - a.a.O.;
Hess. VGH, Urteil vom 23.09.1985 - VIII OE 77/82 - ZfW 1986, 376 = AgrarR 1986,
299; OVG Münster, Beschluß vom 25.08.1986 - 20 B 217/86 - ZfW Sh 1986 Nr.
155; VGH Mannheim Urteil vom 29.04.1993 - 8 S 2834/94 - NVwZ 1994, 1035 =
ZfW 1994, 281; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, a.a.O., § 28 Rdnr. 56; Sieder-
Zeitler-Dahme, a.a.O., § 29 Rdnr. 10; Breuer, a.a.O., Rdnr. 637). Das
Klagebegehren ist im vorliegenden Fall nicht auf die Erfüllung der
Unterhaltungspflicht schlechthin, sondern auf die Abwehr eines Eingriffs in das
Eigentum der Klägerin gerichtet. Diese macht geltend, daß nach dem Zerfall der
als Uferbefestigung dienenden Sandsteinmauer das Ufer des bachs im Bereich
des klägerischen Grundstücks gegenüber dem Fließwasser nicht mehr gesichert ist
und infolgedessen die Ausschwemmung des Grundstücks droht. Die Klage ist
somit als allgemeine Leistungsklage zulässig; der Durchführung eines
Vorverfahrens bedurfte es nicht.
Die Klage ist auch begründet, da die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen
Beseitigungsanspruchs vorliegen.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es zu den
Aufgaben der Beklagten als Gewässerunterhaltungspflichtigen gehört, das Ufer
des Klingbachs entlang des Grundstücks der Klägerin so zu befestigen, daß eine
weitere Ausschwemmung des Grundstücks der Klägerin verhindert wird. Der
Umfang der Gewässerunterhaltung ist in § 28 WHG dahingehend geregelt, daß sie
sich in räumlicher Hinsicht auf das oberirdische Gewässer und seine Ufer und in
sachlicher Hinsicht in erster Linie auf die Erhaltung eines ordnungsgemäßen
Zustandes für den Wasserabfluß erstreckt. Die Unterhaltungspflicht umfaßt
hiernach alle zur Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes notwendigen
Arbeiten am Gewässerbett einschließlich der Ufer, damit das in ihm gewöhnlich
befindliche Wasser ungehindert und gefahrlos abfließen kann (Gieseke-
Wiedemann-Czychowski, a.a.O., § 28 Rdnr. 15). Nach § 28 Abs. 1 Satz 3 WHG
können die Länder bestimmen, daß es zur Unterhaltung gehört, das Gewässer und
seine Ufer auch in anderer wasserwirtschaftlicher Hinsicht in ordnungsmäßigem
Zustand zu erhalten. Hierauf stützte sich § 46 Abs. 1 Satz 2 HWG a.F., wonach "zur
Unterhaltung insbesondere die Reinigung, Räumung und Festlegung des
Gewässerbettes, die Freihaltung, der Schutz und die Unterhaltung der Ufer, die
Erhaltung und Förderung der biologischen Funktion des Gewässers, ferner
entsprechend den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen die Erhaltung eines
ordnungsmäßigen Zustandes für die Feststoff- und Eisabfuhr sowie für die Wasser-
, Feststoff- und Eisrückhaltung" gehörten. Hierin ist im wesentlichen eine bloße
Erläuterung und Konkretisierung des in § 28 Abs. 1 WHG dargelegten Umfangs der
Unterhaltungsarbeiten zu sehen. Als Erweiterung gegenüber § 28 Abs. 1 Satz 1
WHG muß allerdings der Begriff der "Festlegung des Gewässerbettes" angesehen
werden, soweit er nicht nur einer möglichen Störung des Wasserabflusses
begegnen will (Gieseke-Wiedemann-Czychowski, a.a.O., § 28 Rdnr. 39). Zur
Festlegung des Gewässerbettes gehört insbesondere die Sicherung gegen
Uferabbruch (Feldt/Becker, Hessisches Wassergesetz, 2. Aufl., § 46 Rdnr. 4).
Auf der Rechtsgrundlage des § 46 Abs. 1 Satz 2 HWG a.F. hätte daher eine
Verpflichtung der Beklagten zur Reparatur der im Streit stehenden Ufermauer bzw.
zur anderweitigen Sicherung gegen Uferabbruch bestanden. Dies ergibt sich
daraus, daß die klägerische Ufermauer zur Sicherung des Gewässerbettes vor
Angriffen des Wassers sowie zum Schutz des angrenzenden Geländes vor
Hochwasser erstellt wurde und damit nicht der bloßen Erhaltung eines
ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluß dient. Zwar trägt die Klägerin
vor, daß sie nicht wisse, wer die seit über 100 Jahren auf ihrem Grundstück
befindliche Mauer errichtet habe und zu welchem Zweck dies erfolgt sei. Der
Umstand, daß nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten
einzelne Eigentümer von Grundstücken in der Nähe des klägerischen Grundstücks
ähnliche Mauerwerke errichtet haben, belegt indes, daß auch die hier im Streit
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ähnliche Mauerwerke errichtet haben, belegt indes, daß auch die hier im Streit
stehende Ufermauer von früheren Anliegern zur Sicherung gegen Uferabbruch und
zum Schutz des Grundstücks vor Hochwasser errichtet worden sein muß.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch nicht § 46 Abs. 1 HWG a.F.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch, sondern § 59 Abs. 1 HWG
i.d.F. vom 22.01.1990 (GVBl. I S. 114), zuletzt geändert durch Gesetz vom
25.09.1996 (GVBl. I S. 384). Auch wenn, wie die Klägerin vorträgt, die Gefahr der
Unterspülung ihres Grundstücks infolge des Einsturzes der Ufermauer bereits seit
1989 bestehen sollte, führt dieser Umstand nicht zur Anwendung der zu diesem
Zeitpunkt geltenden Fassung des Hessischen Wassergesetzes, da bei der
Beurteilung der Begründetheit einer Leistungsklage auf die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist (Kopp, VwGO, 10. Aufl.,
Vorb. § 40 Rdnr. 42; Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl., § 108 Rdnr. 27).
Aber auch auf der Grundlage der Neuregelung der Unterhaltungspflicht in § 59
Abs. 1 HWG i.d.F. vom 22.01.1990 steht der Klägerin der geltend gemachte
Beseitigungsanspruch zu. Zwar wird in § 59 Abs. 1 HWG n.F. nicht mehr explizit die
Festlegung des Gewässerbettes oder die Sicherung der Ufer als zu den
Unterhaltungsaufgaben gehörend genannt. Vielmehr wird ausgeführt, daß es
Aufgabe der Gewässerunterhaltung ist, das natürliche Erscheinungsbild und die
ökologischen Funktionen der Gewässer zu erhalten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 HWG).
Dazu gehören insbesondere die Erhaltung bzw. die Neuanpflanzung einer
standortgerechten Ufervegetation (§ 59 As. 1 Satz 2 HWG), wobei u.a. den
Belangen des Hochwasserschutzes Rechnung zu tragen ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3
HWG). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß durch diese
Neuregelung der ökologischen Funktion der Gewässer besser Rechnung getragen
werden sollte, ohne daß hierdurch der Umfang der Unterhaltungspflicht im übrigen
eingeschränkt werden sollte. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in den
Gesetzesmaterialien. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf der
Landesregierung (LT-Drs. 12/4199 zu § 46 S. 48) heißt es: "Durch die Neufassung
von Abs. 1 wird die Erhaltung der ökologischen Funktion der Gewässer als
wichtigste Aufgabe der Gewässerunterhaltung herausgestellt. Daneben sind wie
bisher die Belange des Hochwasserschutzes, der Schiffahrt und der Fischerei zu
beachten." Hieraus erhellt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers zwar den
ökologischen Anforderungen bei der Unterhaltung der Gewässer besser Rechnung
getragen werden sollte, aber ansonsten der bisher geltende Umfang der
Unterhaltungspflicht aufrechterhalten werden sollte. Letzteres kommt
insbesondere in der Formulierung zum Ausdruck, daß "wie bisher die Belange des
Hochwasserschutzes zu beachten" seien. Hierdurch wird klargestellt, daß
Uferbefestigungsmaßnahmen, die Uferabbrüche verhindern und das angrenzende
Gelände vor Hochwasser schützen, auch nach der geänderten Rechtslage Inhalt
der Unterhaltungspflicht sein sollen.
Die streitige Ufermauer ist nicht gemäß § 59 Abs. 3 HWG von der der Beklagten
obliegenden Pflicht zur Uferunterhaltung ausgenommen. Nach dieser Bestimmung
sind Anlagen in und an Gewässern von ihren Eigentümern so zu unterhalten und
zu betreiben, daß die Erfüllung der Pflicht nach § 59 Abs. 1 und 2 HWG nicht mehr
erschwert wird, als den Umständen nach unvermeidbar ist. Die auf dem
Grundstück der Klägerin befindliche Ufermauer stellt keine Anlage in diesem Sinne
dar, weil sie Teil des Gewässers oder jedenfalls des Ufers und damit bereits
Gegenstand der Gewässerunterhaltungspflicht ist. Anlagen, die Teile des
Gewässerbettes oder der Ufer sind, insbesondere dazu bestimmt sind, der
besseren Unterhaltung der Gewässer zu dienen und den Wasserabfluß zu sichern,
sind keine Anlagen in oder an einem Gewässer, sondern sind von dem für das
Gewässer Unterhaltungspflichtigen zu unterhalten (Gieseke-Wiedemann-
Czychowski, a.a.O., § 29 Rdnr. 32; Breuer, a.a.O., Rdnr. 649; OVG Münster, Urteil
vom 23.10.1975 - XI A 91/74 - ZfW 1976, 368 <371>; OVG Hamburg, Urteil vom
23.02.1984 - Bf II 64/82 - ZfW Sh 1986 Nr. 137; OVG Koblenz, Urteil vom
22.03.1990 - 1 A 73/88 - ZfW 1991, 129 <132>; Bickel, Hessisches Wassergesetz,
1987, § 46 Rdnr. 3). Die Erfüllung der Unterhaltungspflicht ist den in § 60 Abs. 1
Satz 2 HWG genannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften übertragen worden,
damit die Erhaltung der Gewässer in einem ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit
entsprechenden Zustand sichergestellt ist. Mit dieser Zielsetzung der gesetzlichen
Regelung wäre es unvereinbar, Anlagen, die Teil eines Gewässers bzw. des Ufers
und damit Gegenstand der Gewässerunterhaltungspflicht sind, allein deswegen als
"Anlage in oder an einem Gewässer" anzusehen, weil sie auch den Interessen der
Anlieger dienen, indem sie die bessere Ausnutzung der Anliegergrundstücke
ermöglichen (OVG Münster, Urteil vom 23.10.1975 - XI A 91/74 - a.a.O.). Die
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ermöglichen (OVG Münster, Urteil vom 23.10.1975 - XI A 91/74 - a.a.O.). Die
Anwendung des § 59 Abs. 3 HWG würde dann dazu führen, daß die Erfüllung der
Unterhaltungspflicht auf den Eigentümer der Anlage übergehen und die vom
Gesetzgeber beabsichtigte einheitliche Verantwortlichkeit für die Unterhaltung
aufgehoben wäre, wodurch die ordnungsgemäße Gewässer- und Uferunterhaltung
in Frage gestellt werden würde.
Da der bach ein Gewässer dritter Ordnung ist, obliegt seine Unterhaltung gemäß §
60 Abs. 1 Satz 2 HWG der Beklagten als Anliegergemeinde.
Auch die für einen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch erforderliche
Voraussetzung, daß die Verletzung der wasserrechtlichen Unterhaltungspflicht zu
einer Eigentumsbeeinträchtigung geführt hat, ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die
Klägerin hat - insoweit von der Beklagten unwidersprochen - vorgetragen, daß
nach dem teilweisen Zerfall der bisher als Uferbefestigung vorhandenen Mauer
das Ufer des bachs im Bereichs ihres Grundstücks gegenüber dem Fließwasser
nicht mehr gesichert ist und dessen weitere Ausschwemmung droht. Die
Nichterfüllung der Unterhaltungspflicht durch die Beklagte führt somit zu einem
unmittelbaren Substanzeingriff in das klägerische Grundstück.
Bezüglich der Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 9 bis 12 HWG auf den
vorliegenden Fall wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen
Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167
Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.