Urteil des HessVGH vom 29.10.1991

VGH Kassel: kobalt, ausnahme, schadstoff, fluor, sonderprüfung, chlor, wissenschaftliche forschung, messung, aufschiebende wirkung, stadt

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
14. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 A 2767/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG, §
6 Nr 1 BImSchG, § 10 Abs 2
S 2 BImSchG, § 50
BImSchG, § 4 Abs 2
BImSchV 9
(Kommunale Nachbarklage gegen
immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung eines
bestehenden Kohlekraftwerkes)
Tatbestand
Die Kläger - fünf Gebietskörperschaften - begehren die Aufhebung einer der
Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur
wesentlichen Änderung des bestehenden Kraftwerks S durch Bau und Betrieb
eines Blockes V.
Unter dem 26. Juli 1988 beantragte die beigeladene Betreiberin, die P E AG - P -,
die Genehmigung zur Errichtung und zum Bau eines weiteren Blockes (Block V) auf
dem Gelände des bereits mit vier Blöcken betriebenen Kraftwerkes S in G (Bl. 160
der gelben Hefter). Am gleichen Tage erging ein energiewirtschaftlicher Bescheid
des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft und Technik, mit dem der von der
Beigeladenen am 23. Februar 1988 angezeigte Kraftwerksbau nicht beanstandet
wurde (Bl. 170 der gelben Hefter).
Nach öffentlicher Bekanntmachung des Vorhabens am 30. September 1988 im
Staatsanzeiger für das Land Hessen (Stanz. 1988, S. 2352, Bl. 280 der gelben
Hefter) sowie in den örtlichen Tageszeitungen am 24. Oktober 1988 (Bl. 288 ff. der
gelben Hefter) wurden die mit dem Antrag vorgelegten, zwischenzeitlich
geänderten und ergänzten Unterlagen (vgl. dazu das Unterlagenverzeichnis auf Bl.
236 ff. der gelben Hefter sowie die 10 blauen Stehordner Antragsunterlagen,
Ausfertigung: 1) vom 31. Oktober 1988 bis zum 30. Dezember 1988 beim
Regierungspräsidium D sowie im Rathaus der Standortgemeinde G zur Einsicht
ausgelegt.
Dabei ist streitig geblieben, zu welchem Zeitpunkt die ursprüngliche
Kurzbeschreibung vom 1. Juli 1988 durch die revidierte Fassung vom 25. Oktober
1988 ersetzt worden ist und wer die Auslegung des sogenannten
Naßkühlturmgutachtens des TÜV Rheinland vom 25. Oktober 1988 in G veranlaßt
und tatsächlich vorgenommen hat.
Die gegen das Vorhaben "massenhaft", unter anderen auch von den Klägern
erhobenen Einwendungen wurden in der Zeit vom 14. bis zum 17. März 1989 im
Rathaus von G erörtert (vgl. dazu Wortprotokoll Bl. 821 bis 1188 der gelben
Hefter).
Mit Bescheid vom 31. August 1989 erteilte das Regierungspräsidium D des
Beklagten der Beigeladenen die Genehmigung zur wesentlichen Änderung des
Kraftwerkes S durch Bau und Betrieb von Block V und wies zugleich die
Einwendungen, soweit ihnen nicht durch die inhaltliche Gestaltung der zahlreichen
mit der Genehmigung verbundenen Nebenbestimmungen Rechnung getragen
wurde, zurück (Bl. 1347 ff. der gelben Hefter).
Das geplante und inzwischen weitgehend errichtete Vorhaben stellt sich als
Erweiterung des im nordwestlichen Teil der Gemeinde G gelegenen, ca. 87 ha
Gelände umfassenden Kraftwerks dar, welches aus den 1965 bzw. 1970
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Gelände umfassenden Kraftwerks dar, welches aus den 1965 bzw. 1970
errichteten Steinkohle-Kraftwerks-Blöcken I bis III sowie dem 1977 errichteten auch
mit leichtem Heizöl zu beschickenden Erdgas-Block IV besteht. Der genehmigte
Block V soll mit Steinkohle und (zum Anfahren) mit leichtem Heizöl befeuert
werden; er ist mit Entstickungs-, Entstaubungs- und Entschwefelungsanlagen
ausgerüstet. Bei einer Feuerungswärmeleistung von max. 1370 MW werden ca.
500 MW elektrische Leistung und eine Fernwärmeleistung bis zu 300 MW thermisch
erzeugt. Die gereinigten Rauchgase werden über einen Kühlturm an die
Atmosphäre abgegeben. Bereits vorhandene bzw. noch zu erweiternde Anlagen
sollen zur Versorgung des neuen Blockes genutzt werden.
Zur Begründung des Genehmigungsbescheides, der neben allgemeinen
insbesondere dem Immissions- und Arbeitsschutz sowie dem Brandschutz und der
allgemeinen Sicherheit dienende Nebenbestimmungen enthält, ist im
wesentlichen folgendes ausgeführt: Unter Einbeziehung der Einwendungen und
nach Einholung zahlreicher Stellungnahmen verschiedener Behörden, kommunaler
Körperschaften und Sachverständigen habe die beantragte Genehmigung erteilt
werden müssen. Bei dem Vorhaben werde die energie- und
raumordnungspolitische Forderung nach einer ausreichenden und preisgünstigen
Energieversorgung beachtet. Die Erweiterung des bestehenden Kraftwerks S um
einen weiteren Block stehe im Einklang mit den Vorschriften des
Energiewirtschaftsgesetzes und den im regionalen Raumordnungsplan Südhessen
(RROPS) niedergelegten Zielen der Erhaltung und gegebenenfalls des Ausbaus der
Kapazität von Kohlekraftwerken in der Planungsregion Südhessen. Die öffentlich-
rechtlichen Vorschriften - namentlich aus dem Baurecht, dem Wasserrecht, dem
Abfallrecht sowie dem Sicherheitsrecht - stünden der Genehmigungserteilung
nicht entgegen. So sei das Landschaftsbild durch die bestehenden
Kraftwerksblöcke sowie durch andere industrielle und militärische Anlagen bereits
deutlich vorgeprägt. Die Prüfung der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsvoraussetzungen sei unter Zugrundelegung der einschlägigen
Bestimmungen der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft -
angestellt worden und habe zu dem Ergebnis geführt, daß Gesundheitsgefahren
oder erhebliche Nachteile und Beeinträchtigungen infolge von
Luftverunreinigungen durch die Anlage nicht aufträten.
Für diejenigen Schadstoffe, für welche die TA Luft Immissionswerte festgesetzt
habe (Schwebstaub , Blei und
anorganische Bleiverbindungen als Bestandteile des Schwebstaubs - angegeben
als Pb -, Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen als Bestandteile des
Schwebstaubes - angegeben als Cd -, Chlorwasserstoff - angegeben als Cl -,
Kohlenmonoxid - CO -, Schwefeldioxid - SO 2 -, Stickstoffdioxid - NO 2 -,
Staubniederschlag , Blei und anorganische
Bleiverbindungen als Bestandteile des Staubniederschlags - angegeben als Pb -,
Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen als Bestandteile des
Staubniederschlags - angegeben als Cd -, Thallium und anorganische
Thalliumverbindungen als Bestandteile des Staubniederschlags - angegeben als Tl
-, Fluorwasserstoff und anorganische gasförmige Fluorverbindungen - angegeben
als F -), folge dies aus einer Gegenüberstellung der aus den vom TÜV Hannover
gemessenen Immissionsvorbelastungen (IV-Werte) und den vom TÜV Rheinland
als vom Block V ausgehend prognostizierten Zusatzbelastungen (IZ-Werte)
ermittelten Kenngrößen der Gesamtbelastung (IG-Werte) mit den in der TA Luft
festgesetzten Immissionswerten (IW-Werte); diese würden - mit Ausnahme von
Blei und Cadmium - deutlich unterschritten, wobei den erhöhten Meßwerten jedoch
keine Bedeutung zukomme. Zum einen sei die erhöhte Bleiniederschlagsmessung
durch eine aufgrund von bleihaltigen Farbpartikeln an der Meßstelle verursachten
Verfälschung bedingt; zum anderen lägen die für den Betrieb des Blockes V
errechneten Zusatzbelastungen für Blei und Cadmium unterhalb der in der TA Luft
festgelegten 1 %-Wertschwelle.
Mit Chloremissionen sei beim Betrieb des Blockes V nicht zu rechnen.
Für diejenigen Schadstoffe, für welche die TA Luft Immissionswerte nicht festgelegt
habe, sei eine sogenannte Sonderfallprüfung vorgenommen worden, deren
Ergebnis ebenfalls schädliche Umwelteinwirkungen nach Inbetriebnahme des
Blockes V ausschließe. Das gelte namentlich für die gemessenen Werte der
Staubinhaltsstoffe (Chrom, Nickel, Arsen und Kobalt) und für Stickstoffmonoxid,
die sämtlich unter den von der Hessischen Landesanstalt für Umwelt (HLfU)
angesetzten Immissionsvergleichswerten lägen.
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Trotz der nicht erschöpfend beantwortbaren Frage, wie sich ein Anstieg der
Stickstoffoxidemissionen bei dem vorhandenen Konzentrationspegel auf die
Ozonkonzentration (O 3) auswirke, könne gesagt werden, daß durch die
Stickstoffoxidemission des Blockes V die photochemische Ozonbildung im
Beurteilungsgebiet des Kraftwerks nicht über den heutigen Stand hinaus erhöht
werde.
Das gleiche gelte auch hinsichtlich einer Klimaänderung durch Anstieg der
Kohlendioxidkonzentration und -emission durch den Block V. Auch hier beantworte
die Diskussion über den "Treibhauseffekt" nicht die Frage, wie die CO 2-Emission
des Kraftwerks St aus der Sicht des globalen Klimas zu bewerten sei. Vielmehr
komme die eigens vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission
"Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" lediglich zu der Aussage, daß derzeit
eine bestimmte Variante der Energieumwandlung nicht zu favorisieren sei und
empfehle daher, die Möglichkeiten zur Energieeinsparung optimal auszuschöpfen.
Diese Forderung nach Energieeinsparung werde vom Block V des Kraftwerkes St
aber insofern erfüllt, als dessen Wirkungsgrad dank fortschrittlicher Technologie
besser sei als bei den bisherigen Blöcken und durch die vorgesehene
Abwärmenutzung ein weiterer und zwar erheblicher Beitrag zur Energieeinsparung
bzw. Emissionsminderung erfolge.
Den Emissionen von krebserzeugenden Stoffen und Dioxinen sei im weiteren
Verfahren nachgegangen worden. Insbesondere habe man Messungen in einer
vergleichbaren Kraftwerksanlage daraufhin durchführen lassen, ob bei der
vorgesehenen NO x -armen Feuerung des Blockes V die Bildung von
krebserzeugenden polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH's) zu
befürchten sei. Der vom TÜV H vorgelegte Meßbericht stelle im Ergebnis fest, daß
die PAH-Emissionskonzentration um mehr als den Faktor 10 3 unter der nach Nr.
2.3 TA Luft zulässigen Konzentration für Stoffe der Klasse I liege. Im übrigen seien
zur Überprüfung der PAH-Emissionen des Blockes V durch Auflagen
entsprechende Messungen angeordnet worden.
Zur Beurteilung möglicher polychlorierter Diobenzo-(p)- dioxine und -furane bei der
Feuerung mit fossilen Brennstoffen in Kraftwerksanlagen seien die
Bildungsmöglichkeiten überprüft worden. Diese Überprüfung habe ergeben, daß
zwar ein entsprechendes Bildungspotential in bezug auf die betreffende
Schadstoffgruppe prinzipiell gegeben sei, aber in keiner der vorliegenden
Untersuchungsreihen seien an unterschiedlichen Kraftwerkstypen bisher Dioxine
und Furane reingasseitig meßtechnisch ermittelt worden. Auch insoweit seien zur
Überprüfung des Dioxin- und Furanemissionsverhaltens des Blockes V im Wege
der Auflage entsprechende Messungen angeordnet worden.
Den übrigen Einwendungen der Kläger betreffend das Verfahren, den Strombedarf
und mögliche Alternativen, die Auswahl des Standorts in einem Belastungs- und
Smoggebiet, die CO 2-Emissionen, die sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile
und Belästigungen, den Stand der Technik bei der Emissionsbegrenzung, den
Wirkungsgrad des Blockes bei der Stromerzeugung, den Kühlturm, den Lärm, die
Entsorgung des Gipses und schließlich die Wassereinleitung in den Main begegnete
das Regierungspräsidium in seinem Genehmigungsbescheid teils mit Sach- und
Rechtsausführungen, teils mit Hinweisen auf die Nebenbestimmungen, durch die
der Schutz vor Immissionen sichergestellt sei (Seiten 146 ff. des
Genehmigungsbescheids).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 1990 (Bl. 6 der Prozeßakte) wurden die
von den Klägern gegen die im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zugestellte
Genehmigung eingelegten Widersprüche zurückgewiesen; die zuvor von den
jetzigen Klägern gestellten Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche
insoweit wiederherzustellen, als hinsichtlich des die Errichtung der Anlage
betreffenden Teils der Genehmigung die sofortige Vollziehung angeordnet worden
war, hatte der damals zuständige 8. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs durch Beschluß vom 31. Mai 1990 - 8 R 3118/89 - (Bl. 243
ff. der das Eilverfahren betreffenden Prozeßakte, veröffentlicht in: ESVGH 40, 294
= NVwZ 1991, S. 88 = GewA 1991, S. 151) abgelehnt.
Am 21. September 1990 haben die in maximal 10 km vom Kraftwerksstandort
entfernt gelegenen klagenden Gebietskörperschaften (eine Gemeinde, zwei Städte
und zwei Landkreise) Klage erhoben; die zunächst zugleich von drei natürlichen
Personen erhobene Klage ist von zwei Klägern schon vor der mündlichen
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Personen erhobene Klage ist von zwei Klägern schon vor der mündlichen
Verhandlung zurückgenommen, für die bis dahin auf der Klägerseite verbliebene
Privatperson in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache
für erledigt erklärt worden. Zur Begründung haben die Kläger zunächst Bezug auf
ihren Vortrag im vorausgegangenen Eilverfahren genommen, den sie durch drei
weitere Schriftsätze vom 27. September sowie vom 2. und 8. Oktober 1991
teilweise wiederholt, teilweise ergänzt und vertieft haben. Als Träger zahlreicher
Einrichtungen, wie z.B. Kindergärten, Schulen, Altenheimen und Krankenhäusern,
befürchten sie deren Beeinträchtigung durch schädliche von der Anlage
ausgehende Umwelteinwirkungen.
Der Genehmigungsbescheid sei rechtswidrig, weil er gegen das Energiewirtschafts-
, das Planungs- und das Immissionsschutzrecht verstoße; dadurch würden die
Kläger zugleich in ihren Rechten verletzt.
Gegen den Bau und Betrieb des Blockes V spreche, daß weder die rechtlichen
Voraussetzungen des Gemeinwohls entsprechend der Präambel des
Energiewirtschaftsgesetzes noch ein Bedarf für ein Steinkohlekraftwerk mit einer
elektrischen Energie von 550 MW gegeben seien.
Der Genehmigungsbescheid greife rechtswidrig in ihr Recht auf kommunale
Planungshoheit ein. In diesem Zusammenhang führen die Kläger aus, daß das
Vorhaben sowohl gegen den Raumordnungsplan, den Flächennutzungsplan und
die Bebauungspläne der einzelnen Städte, Landkreise und Gemeinden verstoße.
Insoweit seien sie auch in ihren verfassungsrechtlich geschützten
Beteiligungsrechten verletzt worden. Weder habe eine Abstimmung und
Zuordnung von Planungen noch eine Abwägung der Möglichkeiten einer anderen
Standortwahl stattgefunden. Auf die Frage, ob für eine neue Kraftwerksplanung im
hier fraglichen Verdichtungsraum eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der
geltenden EG-Richtlinie geboten gewesen sei, sei der Beklagte gar nicht erst
eingegangen.
Aus der objektiven Rechtswidrigkeit des Planungsverhaltens des Beklagten
könnten sie als Gebietskörperschaften auch die Beeinträchtigung subjektiver
Rechte geltend machen, ohne daß ihnen das Fehlen eines drittschützenden
Charakters der einschlägigen Planungsvorschriften entgegengehalten werden
könne.
Soweit es um die Frage der von der Anlage ausgehenden Umwelteinwirkungen
geht, richtet sich der erste Einwand der Kläger gegen die Art und Weise, wie der
Beklagte die Schädlichkeit bzw. Unschädlichkeit dieser Einwirkungen ermittelt und
festgestellt habe (1.). Diese Ermittlung und Feststellung sei unter Verletzung des
Grundsatzes der Vollständigkeit der Antragsunterlagen zum rechten Zeitpunkt (a),
des Untersuchungsgrundsatzes (b) und des Bestimmtheitsgrundsatzes (c)
geschehen.
Der zweite Einwand richtet sich dagegen, daß der Beklagte seiner gesetzlichen
Prüfungspflicht nicht nachgekommen sei (2.). In diesem Zusammenhang
verneinen die Kläger sowohl die Anwendbarkeit als auch die Tauglichkeit der TA
Luft als Grundlage zur Ermittlung von Immissionswerten.
Mit ihren weiteren Einwänden (3.) rügen sie eine ungenügende Ermittlung der
Vorbelastung (a), der Zusatz- und der Gesamtbelastung (b) des hier in Frage
stehenden Beurteilungsgebietes sowie die ihrer Meinung nach einerseits lediglich
lückenhafte Erfassung andererseits mangelhafte Prüfung im einzelnen
bezeichneter Schadstoffe (4).
Zu den überblickartig vorangestellten Einwänden führen die Kläger im einzelnen
folgendes aus:
1. Die Art und Weise, wie der Beklagte das Genehmigungsverfahren durchgeführt
habe, sei durch unangebrachte Hast gekennzeichnet gewesen. Dies zeige die
Kürze des Zeitraums, der zwischen der Antragstellung und dem Erlaß des
Genehmigungsbescheides, nämlich 13 Monate, gelegen habe. Nach viel kürzer
erscheine das Genehmigungsverfahren, wenn man auf den Zeitpunkt des
Eingangs der vollständigen Antragsunterlagen abstelle. Dieser liege, wenn man
überhaupt eine Vollständigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt unterstellen könne, erst
am 15. August 1989 vor, an dem als letzte Unterlage der Bericht des TÜV H über
die Messung von polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen im Abgas von
Block IV des Kraftwerkes Heyden vom 28. Juli 1989 der Genehmigungsbehörde
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Block IV des Kraftwerkes Heyden vom 28. Juli 1989 der Genehmigungsbehörde
vorgelegt worden sei (Bl. 1310 bis 1321 der gelben Hefter).
a) Zur Stützung ihres Einwandes, daß die Antragsunterlagen zum rechten
Zeitpunkt nicht vollständig gewesen seien, führen die Kläger eine Fülle von Details
aus den Behördenakten des Regierungspräsidiums D (gelbe Hefter) an, anhand
derer sie in chronologischer Reihenfolge die jeweiligen Ergänzungen und
Änderungen der zunächst mit der Antragstellung der Beigeladenen am 26. Juli
1988 vorgelegten Unterlagen nachzeichnen. So hätten bei Eingang des
Genehmigungsantrages am 1. August 1988 so gut wie alle Antragsunterlagen
gefehlt, zu denen die Kläger die auf Bl. 20/21 ihres Schriftsatzes vom 31. März
1990 näher bezeichneten Berichte, Prognosen und Gutachten zählen, die erst bis
kurz vor Erteilung der Änderungsgenehmigung ergänzt und vervollständigt worden
seien. Ein vom Beklagten unter dem Datum des 26. August 1988 nach Auffassung
der Kläger nur lückenhaft abgefaßtes Beanstandungsschreiben (Bl. 172 der gelben
Hefter), mit dem der Beklagte im übrigen nicht die gesetzlich erforderlichen
Konsequenzen der Unvollständigkeit gezogen habe, habe am 10. Oktober 1988
lediglich zu einer ersten Ergänzungslieferung der Antragsunterlagen nach dem
Stand vom 29. September 1988 geführt, nachdem der Beklagte bereits am 13.
September 1988 die Bekanntmachung des Vorhaben verfügt hätte (Bl. 182 der
gelben Hefter).
Mit den Antragsunterlagen nach diesem Stand vom 29. September 1988 sei die
Auslegung begonnen worden, wobei noch immer der weit überwiegende Teil
derjenigen Gutachten, Aussagen und Erklärungen gefehlt habe, der für die
Beurteilung des Immissionsschutzes relevant gewesen und letztlich Grundlage des
Genehmigungsbescheides geworden sei. Erst nach Beginn der Auslegung am 30.
Oktober 1988 sei die zweite Ergänzungslieferung (Stand: 27. Oktober 1988, Bl. 282
der gelben Hefter/Band 1 der blauen Antragsunterlagen) und am 16. Dezember
1988 die dritte Ergänzungslieferung (Bl. 336 der gelben Hefter sowie Bl. 576 f. der
gelben Hefter) vom Beigeladenen vorgelegt worden. Die auch bis dahin noch
fehlenden Unterlagen seien alle erst im Laufe des Jahres 1989 nachgereicht
worden. Dabei sei der Beklagte mit einer vorläufigen Stellungnahme der
Hessischen Landesanstalt für Umwelt vom 16. Januar 1989 in die Anhörung
gegangen, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder der Endbericht des TÜV H über die
Vorbelastung aufgrund ganzjähriger Messungen noch die Immissionsprognose des
TÜV R vorgelegen hätten (Bl. 448 ff. der gelben Hefter), zu denen die Hessische
Landesanstalt für Umwelt erst am 16. Juni 1989 habe Stellung nehmen können;
eine Stellungnahme, die sich für den Genehmigungsbescheid nach Meinung der
Kläger als wesentlich erweisen sollte.
b) Die hastige Durchführung des Genehmigungsverfahrens habe auch dazu
geführt, daß der Untersuchungsgrundsatz vom Beklagten verletzt worden sei. Eine
gründliche Erforschung und Würdigung des Sachverhalts sei schon deshalb nicht
möglich gewesen, weil in den maßgeblichen Verfahrensabschnitten die
Antragsunterlagen nicht vollständig gewesen seien. Im übrigen habe der Beklagte
seine Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts nicht
erfüllt, weil er sich statt einer kritischen Würdigung der von der Beigeladenen
vorgelegten Sachverständigengutachten und der Bildung einer eigenen
Überzeugung darauf beschränkt habe, im "Tabellen-Ablese-Verfahren" die
Ergebnisse der Berichte und Gutachten als selbstverständliche und nicht
hinterfragbare Größen zu übernehmen. Die Prüfung von Gefahren für Tiere,
Pflanzen und andere Sachen sei wegen Fehlens einer Tabelle gänzlich unter den
Tisch gefallen. Die Begründung des Genehmigungsbescheides sei, soweit es um
den Komplex Immissionsschutz gehe, nichts anderes "als ein Zusammenstoppeln
von Äußerungen Dritter ...".
c) Schließlich sei Folge des unter dem Zeitdiktat der Beigeladenen durchgeführten
Verwaltungsverfahrens ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz; denn es
sei unbestimmt geblieben, was genau Gegenstand der Genehmigung sei. Es
bleibe unklar, welche Antragsunterlagen, die in Verbindung mit dem
Genehmigungsbescheid den Gegenstand der Genehmigung bildeten, genehmigt
worden seien. Soweit in dem Genehmigungsbescheid unter Nr. II (Seite 6) außer
der Antragsschrift der Beigeladenen vom 26. Juli 1988 und ihrer Erklärung vom 27.
Juni 1989 die "Unterlagen gemäß Inhaltsverzeichnis" zum Gegenstand der
Genehmigung gemacht worden seien, bleibe angesichts des Vorhandenseins von
mindestens fünf verschiedenen Unterlageninhaltsverzeichnissen die Frage offen,
was mit den "Unterlagen gemäß Inhaltsverzeichnis" gemeint sein könnte. Unklar
bleibe des weiteren, welchen Stellenwert die Meßberichte, Windkanalversuche,
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bleibe des weiteren, welchen Stellenwert die Meßberichte, Windkanalversuche,
Immissionsprognosen, ein Kühlturmgutachten und ein Datenband (vgl. dazu Bl. 32
des klägerischen Schriftsatzes vom 31. März 1990) hätten, auf die sich der
Beklagte in der Begründung seines Genehmigungsbescheides berufen habe. Nach
alledem habe der Beklagte im Dunklen gelassen, was eigentlich genehmigt worden
sei.
2. Der Beklagte sei seiner aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG -
folgenden gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nachgekommen; denn anstatt auf die
gesetzlichen Merkmale "sichergestellt" (§ 6 Nr. 1 BImSchG), "schädliche
Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können" (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG),
"Gefahren", "erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen" (§ 3 Abs. 1 und
Abs. 2 BImSchG) abzustellen, habe er sich allein an der TA Luft orientiert und sich
auch hier auf ein bloßes Tabellen-Ablesen beschränkt. Prüfungsgrundlage könne
jedoch nur ein Gesetz sein, nicht dagegen die als Verwaltungsvorschrift zu
qualifizierende TA Luft. Diese könne allenfalls gewisse Hilfsdienste leisten, soweit
sie Aussagen über Meßvorgänge oder andere technische Verfahrensweisen
enthalte. Mit den inhaltlichen Aussagen der TA Luft darüber, was schädliche oder
was nichtschädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Gesetzes seien, müsse
hingegen vorsichtiger umgegangen werden; das gelte namentlich für die
Festsetzung der Immissionswerte. Hier müsse gefragt werden, ob die TA Luft die
"Gefahren" für Menschen und Sachen, ferner die "erheblichen Nachteile" und die
"erheblichen Belästigungen", die durch die vielfältigen Luftschadstoffe
hervorgerufen würden, nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand noch zutreffend wiedergebe. Es dürfe nicht übersehen werden,
daß es gerade bei Verbrennungsprozessen von fossilen Brennstoffen in
Großfeuerungsanlagen komplexe Wirkungsmechanismen gebe, die der
menschlichen Erkenntnis und Beherrschung immer noch teilweise verschlossen
seien und daß die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet stark im Fluß
sei. Auf die Frage, ob und inwieweit bei dem gegenwärtigen Stand der
wissenschaftlichen Forschung die TA Luft noch ausreichende Aussagen über die
schädlichen Umwelteinwirkungen enthalte, sei der Beklagte nicht eingegangen. Die
Kläger selbst hegen Zweifel daran, ob die sogenannten IW1-Werte der TA Luft für
die Staubemissionen und ihre Inhaltsstoffe dem kumulierenden Effekt von Luft-,
Boden- und Wasserbelastungen Rechnung tragen. Gerade unter dem
Gesichtspunkt synergistischer Wirkungen bestünden erhebliche Zweifel daran, ob
durch die Immissionswerte der Nrn. 2.5.1 und 2.5.2 der TA Luft - bezogen auf die
dort benannten Schadstoffe - wirklich ein solcher Immissionsschutz geleistet
werden könne, wie er durch § 6 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 BImSchG
sichergestellt werden solle. Dabei richten sich ihre Bedenken nicht nur gegen die
Festlegung der Immissionswerte selbst, sondern auch gegen ihre Handhabung in
den Nrn. 2.2.1.1 und 2.2.1.2 der TA Luft; denn diese nehme es mit ihren eigenen
Immissionswerten nicht sehr ernst. Dies zeige die Möglichkeit, trotz einer
festgestellten Überschreitung von Immissionswerten - hier für Blei und Cadmium -
einem einzelnen Emittenten ungeachtet einer bereits bestehenden, die
Immissionswerte überschreitenden Vorbelastung eine weitere Zusatzbelastung
zuzugestehen, wenn diese den Wert von 1 % der zugelassenen Gesamtbelastung
nicht überschreitet. Mit dieser 1 %-Klausel werde der gesamte gesetzliche
Immissionsschutz in Frage gestellt, ohne daß die kumulativ hinzutretende
Bedingung nach Nr. 2.2.1.1 Buchst. bb - Sicherstellung einer Verminderung der
Immissionen im Jahresmittel durch die in einem Luftreinhalteplan festgelegten
Maßnahmen trotz der Zusatzbelastung - diese schwerwiegende Folge für die
Luftreinhaltung auffangen könne. Mit dieser TA Luft-Aussage würden die
Maßnahmen eines Luftreinhalteplanes, die der Verminderung der
Luftverunreinigung dienen sollten, zum Vorwand für die Zulassung neuer und
unkontrollierbar hoher Immissionen genommen und dies alles ausgerechnet in
Belastungsgebieten, die nach ihrer gesetzlichen Definition dadurch
gekennzeichnet seien, daß in ihnen Luftverunreinigungen aufträten oder zu
erwarten seien, die in besonderem Maße schädliche Umwelteinwirkungen
hervorrufen könnten.
Selbst wenn man unterstelle, daß die TA Luft mit all ihren Aussagen noch dem
gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand genüge - eine Frage, die ob des
Charakters dieser Verwaltungsvorschrift als antizipiertes
Sachverständigengutachten durchaus einer weiteren Beweiserhebung zugänglich
sei und zu der die Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise den in ihrem
Schriftsatz vom 27. September 1991 (Bl. 430/431 der Gerichtsakten) näher
formulierten Beweisantrag gestellt haben -, könne es bei ihrer Anwendung
dennoch kein Bewenden haben, weil ihr eine erschöpfende Aussagekraft nicht
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dennoch kein Bewenden haben, weil ihr eine erschöpfende Aussagekraft nicht
zukomme. Lückenhaft soll die TA Luft nach Ansicht der Kläger insbesondere sein,
weil sie das Problem der "maximalen Einzelwerte" nicht erfasse und zudem auch
keine Regelungen für das Vorliegen von Gefahren für Tiere, Pflanzen und
Sachgüter enthalte. Insoweit seien diejenigen Fragen, die die TA Luft nicht oder
nicht erschöpfend beantworte, anderweitig aufzuklären. Dieser Aufklärungspflicht
sei der Beklagte nicht nachgekommen.
3. Zur Rüge einer ungenügenden Ermittlung der Immissionsvorbelastung, der
Zusatzbelastung und der Gesamtbelastung tragen die Kläger folgendes vor:
a) Der Beklagte sei in seinem Genehmigungsbescheid auf die Vorbelastung im
hier fraglichen Beurteilungsgebiet nicht eingegangen. Die Kläger beziehen sich in
diesem Zusammenhang auf die sachverständige Beantwortung der Fragen zum
Kernkraftwerk St Block V von U F et al., D Dezember 1989 (Anlage zur
Antragsschrift vom 16. Februar 1990) und führen ergänzend im wesentlichen aus,
daß zum einen nicht alle immissionsrelevanten Schadstoffe berücksichtigt worden
seien und zum anderen der Genehmigungsbescheid der örtlichen Situation des
Kraftwerksstandortes, der in einem Belastungs- und Smoggebiet liege, nicht
Rechnung getragen habe (Seiten 56 bis 81 des klägerischen Schriftsatzes vom 31.
März 1990).
Der Umstand, daß der neue Kraftwerksblock V in einem Belastungs- und
Smoggebiet geplant sei, könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß die TA Luft
ausdrücklich von der Errichtung und dem Betrieb genehmigungsbedürftiger
Anlagen auch in solchen Gebieten ausgehe. Insoweit seien bereits die
diesbezüglichen Aussagen der TA Luft mit schweren Bedenken behaftet. Zwar
gebe es von Gesetzes wegen eine Sperre für die Planung von Neuanlagen in
solchen Gebieten nicht; aber angesichts der Dimension der von der Beigeladenen
geplanten Anlage - hierzu geben die Kläger auf Seite 66 f. ihres Schriftsatzes vom
31. März 1990 zahlenmäßig näher konkretisierte Emissionsmengen von
Schadstoffen an - habe diese nicht mit dem Hinweis darauf genehmigt werden
dürfen, daß sich durch Maßnahmen der Altanlagensanierung an den Blöcken I bis
III die Luftreinhaltung in diesem Gebiet insgesamt verbessern werde. Abgesehen
davon, daß den Besonderheiten eines Belastungs- und Smoggebietes schon im
allgemeinen nicht Rechnung getragen worden sei, fehle es den in der
Winterperiode 1987/88 vom TÜV H durchgeführten Immissionsmessungen im
besonderen an der notwendigen Repräsentativität. Denn der nach der TA Luft
regelmäßig ein Jahr betragende Maßzeitraum sei dann nicht aussagekräftig, wenn
- wie hier wegen des unverhältnismäßig milden Winters - wichtige Faktoren nicht
gegeben seien. So hätten die typischerweise bei kaltem Winterwetter auftretenden
Inversionswetterlagen in jenen Monaten nicht stattgefunden, so daß daraus die
Schlußfolgerung gezogen werden könne, daß das gesamte Vorbelastungsbild bei
Zugrundelegung ungünstigerer Witterungsverhältnisse erheblich negativer
ausgefallen wäre.
Außerdem sei auch die selektive Vorgehensweise hinsichtlich der gemessenen
Schadstoffe auffallend und beanstandungswürdig. Zwar spreche der TÜV R in
seinem Schlußbericht davon, daß der TÜV H die Vorbelastung für ausgewählte
Schadstoffkomponenten meßtechnisch ermittelt habe (zusammenfassender
Bericht vom 3. März 1989 - Nr. 939/618015/A - S. 4 vorletzter Absatz), aber man
erfahre aus keiner Stelle der Antragsunterlagen oder des
Genehmigungsbescheides, welche Auswahlkriterien angewendet worden seien.
Tatsächlich habe der TÜV H nicht all diejenigen Schadstoffe in der Vorbelastung
gemessen, die dort und nachweislich auch in den Kraftwerksemissionen vorkämen
(Bl. 80 des klägerischen Schriftsatzes vom 31. März 1990).
Schließlich seien bei der Würdigung der Kenngrößen der Vorbelastung
unverhältnismäßig hohe Werte aus der Betrachtung ausgeblendet worden. Es sei
eine methodisch bedenkliche Betrachtungsweise, extrem hoch gemessene Werte
bei der Bildung von Durchschnittswerten als nicht repräsentativ unberücksichtigt
zu lassen.
b) Eine ausreichende Tatsachenermittlung und Würdigung der Zusatzbelastung
und der Gesamtbelastung nach einer Inbetriebnahme des Blockes V habe der
Beklagte schon deshalb nicht vornehmen können, weil ihm Art und Menge der vom
Block V emittierten Schadstoffe - die Kläger meinen damit all diejenigen Stoffe, die
Luftverunreinigungen im Sinne des § 3 Abs. 4 BImSchG herbeiführen - bis heute
unbekannt geblieben seien. Die Beigeladene habe nämlich keine Angaben über
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unbekannt geblieben seien. Die Beigeladene habe nämlich keine Angaben über
Zwischen-, Neben- und Endprodukte der Anlagen gemacht. In ihrer
Kurzbeschreibung fehle eine zusammenfassende und allgemein verständliche
Darstellung über Art und Ausmaß derjenigen Emissionen, die voraussichtlich von
dem Block V ausgingen. Auch in den anderen Antragsunterlagen bekomme man
keine erschöpfende Information über die voraussichtlichen Emissionen, angegeben
in ihren absoluten Mengen. So sei den Antragsformularen lediglich eine
Konzentration des Kohlenmonoxids (CO) in mg pro mü Rauchgas und der
Massenstrom in kg pro Stunde angegeben. In der Immissionsprognose des TÜV R
seien nur Emissionen für einige Schadstoffe genannt, hingegen seien die auf Seite
84 des klägerischen Schriftsatzes vom 31. März 1990 aufgezählten Schadstoffe
(Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Ozon, krebserregende Stoffe, Schwefel- und
Salpetersäure, Thallium sowie Staub, der in die Abluft beim Befüllen des Silos
entweicht) gänzlich unerwähnt geblieben. Anstelle von Angaben der wirklichen
Mengen der vom Block emittierten Schadstoffe hätten sich sowohl die Beigeladene
als auch deren Gutachter, die Hessische Landesanstalt für Umwelt und der
Beklagte einer ausgesprochenen Verniedlichung des Schadstoffausstoßes
befleißigt und sich auf die "Sanierungs- und 1 %-Klausel" der TA Luft bezogen.
Auch in diesem Zusammenhang weisen die Kläger auf die Untauglichkeit dieser TA
Luft-Aussagen hin. Diese Betrachtungsweise laufe auf den Aussagekern hinaus: "1
% ist gleich wenig".
4. Den abschließenden Vorwurf lückenhafter Erfassung von nunmehr im einzelnen
abzuhandelnden Schadstoffen und deren mangelhaften Prüfung (Seiten 91 ff. des
klägerischen Schriftsatzes vom 31. März 1990) eröffnen die Kläger mit einem
nochmaligen Angriff auf die TA Luft, die schon nicht eindeutig sage, welche
Luftschadstoffe anläßlich der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer konkreten
Anlage in der Vorbelastung, der Zusatzbelastung und der Gesamtbelastung zu
berücksichtigen seien. Vielmehr werde allein eine Prüfung derjenigen Schadstoffe
gefordert, für die Immissionswerte festgelegt seien, ohne daß auf einen
Zusammenhang mit den Emissionen gerade der zu genehmigenden Anlage
abgestellt werde. Eine Prüfung von Schadstoffen, für die in der TA Luft
Immissionswerte nicht festgelegt seien, sei nur dann vorgesehen, wenn
hinreichende Anhaltspunkte dafür bestünden, daß schädliche Umwelteinwirkungen
hervorgerufen werden könnten. Nach Ansicht der Kläger müssen dagegen ganz
unabhängig von der Festlegung von Immissionswerten sämtliche Schadstoffe
geprüft werden, bei denen hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, daß durch
den Betrieb der zu genehmigenden Anlage schädliche Umwelteinwirkungen
hervorgerufen werden könnten. Eine solche Prüfung der einzelnen Schadstoffe sei
im vorliegenden Fall nicht erfolgt:
a) Gegenüber denjenigen Schadstoffen, für die die TA Luft Immissionswerte
festgesetzt habe, seien vom Beklagten ohne haltbare Begründung die Schadstoffe
Chlor (Cl), Chlorwasserstoff (HCl) - angegeben als Cl -, Kohlenmonoxid (CO),
Thallium und anorganische Thalliumverbindungen als Bestandteile des
Staubniederschlages - angegeben als Tl - sowie Fluorwasserstoff (HF) und
anorganische gasförmige Fluorverbindungen - angegeben als F - nicht ermittelt
worden. Die bloßen Aussagen, daß mit Chloremissionen beim Betrieb des Blockes
V nicht zu rechnen sei sowie der Hinweis auf die bei der Hessischen Landesanstalt
für Umwelt vorliegenden Immissionsdaten für HF, HCl und CO bzw. auf die
Irrelevanz von Thallium, entsprächen nicht den von der TA Luft vorgeschriebenen
Kenngrößenermittlungsverfahren und der dort näher aufgestellten Meßgrundsätze.
b) Hinsichtlich derjenigen Schadstoffe, für die in der TA Luft Immissionswerte nicht
festgelegt seien und die folglich einer Sonderfallprüfung unterzogen werden
müßten (Chrom, Nickel, Arsen und Kobalt als Bestandteile des
Staubniederschlages, Stickstoffmonoxid, Ozon und Kohlendioxid), seien die Werte
nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Die Prüfung der Schadstoffe Chrom,
Nickel, Arsen und Kobalt durch den Beklagten habe nur aus der Feststellung
bestanden, daß die gemessenen Werte der Staubinhaltsstoffe unter den von der
Hessischen Landesanstalt für Umwelt angesetzten Immissionsvergleichswerten
lägen. Dabei bleibe unklar, was mit den von der Hessischen Landesanstalt für
Umwelt angesetzten Vergleichswerten gemeint sei, was diese Werte beinhalteten,
wo die Landesanstalt sie angesetzt habe und wie tragfähig diese Werte seien.
Soweit - wie etwa für Arsen und Kobalt - die Kenngrößen der Vorbelastung nicht
ermittelt worden seien, nütze es wenig, wenn für diese Schwermetalle lediglich die
Zusatzbelastungswerte durch den Block V prognostiziert würden; denn für die
entscheidungserhebliche Betrachtung der Gesamtbelastung sei auch die Kenntnis
der Vorbelastung, auf die die Zusatzbelastung treffe, erforderlich.
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Völlig unberücksichtigt gelassen habe der Beklagte das Vorkommen von Chrom,
Nickel, Arsen und Kobalt im Schwebstaub, obwohl er die Notwendigkeit einer
solchen Prüfung für den Staubniederschlag selbst bejaht habe. Gerade im
Schwebstaub kämen diese Stoffe jedoch zu allererst vor; es sei aber lediglich die
Schwermetallkonzentration bezüglich Blei und Cadmium gemessen worden.
Soweit es um das Stickstoffmonoxid (NO) gehe, seien zwar die entsprechenden
Werte der Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung vom TÜV H und vom TÜV R
gemessen worden; aber insoweit bezweifeln die Kläger die Verläßlichkeit und
Aussagekraft der ermittelten Werte.
Für den Schadstoff Ozon (O 3) sei jedenfalls keine ausreichende Prüfung der
Immissionsbelastungssituation durchgeführt worden. Der Beklagte fliehe in
Allgemeines, ohne konkret zu den Problemen des bodennahen Ozons und des
Ozonlochs Stellung zu nehmen. Auch hier könnten nicht - wie vom Beklagten
schon an anderer Stelle versucht - die vom Block V emittierten NO x-Schadstoffe
mit den eingesparten NO x-Emissionen infolge der Altlastensanierung
aufgerechnet werden.
Zum Kohlendioxid (CO 2) habe der Beklagte ebenfalls keine eigenen Erwägungen
angestellt, sondern lediglich die Erklärungen der Hessischen Landesanstalt für
Umwelt übernommen. Sowohl die Vorbelastung als auch die Zusatzbelastung
durch den Block V blieben unbekannt. Das Argument eines irrelevanten CO 2-
Emissionsbeitrages sei angesichts des feststehenden Ausstoßes dieses
Schadstoffes unzulässig.
c) Als Schadstoffe, die nach der TA Luft einer Sonderfallprüfung hätten unterzogen
werden müssen, die jedoch vom Beklagten nur unzureichend geprüft worden
seien, benennen die Kläger die krebserzeugenden Stoffe, Ammoniak, Schwefel-
und Salpetersäure sowie die Silostäube.
Da in den Emissionen der Großfeuerungsanlagen bei Verbrennung fossiler
Brennstoffe wirkungserhebliche Mengen von krebserzeugenden Stoffen der zwei
großen Gruppen (den polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, kurz
PAH's oder PAK's genannt sowie den polychlorierten Dibenzo(p)dioxinen und
Dibenzofuranen, kurz PCDD oder PCDF genannt) anfielen, könne nicht auf die
verschwindende Geringfügigkeit der meßtechnisch nachgewiesenen Mengen
abgestellt werden. Die Ausführungen im Genehmigungsbescheid zu den
krebserregenden Stoffen einschließlich der in Bezug genommenen Auflagen seien
keine tragfähige Grundlage für die Genehmigung des Blockes V. So bleibe
insbesondere die Behauptung, daß Dioxine und Furane reingasseitig meßtechnisch
in keiner der dem Beklagten vorliegenden Untersuchungsreihen habe ermittelt
werden können, unbewiesen, zumal der Beklagte nicht sage, was er mit den ihm
vorliegenden Untersuchungsreihen meine.
Die Vorbelastung des Ammoniaks (NH 3) bleibe unbekannt; die Ermittlung der
Zusatzbelastung beruhe auf ungesicherten Erkenntnissen.
Angaben zur Schwefel- (H 2 SO 4) und Salpetersäure (HNO 3) finde man lediglich
in der Kurzbeschreibung der Beigeladenen; dagegen blieben diese Schadstoffe
sowohl in der Immissionsprognose des TÜV R als auch in der Stellungnahme der
Hessischen Landesanstalt für Umwelt sowie im Genehmigungsbescheid des
Beklagten unerwähnt.
Zu den Silostäuben führen die Kläger aus, daß die von der Beigeladenen selbst
angegebene Staubkonzentration von 30 mg/mü um das 200-fache höher als der
IW1-Wert und um das 100-fache höher als der IW2-Wert der Nr. 2.5.1 der TA Luft
sei. Wie sich das allerdings auf das Beurteilungsgebiet auswirke, habe der TÜV
nicht errechnet; der Beklagte habe die Frage der Staubemissionen der Silos nicht
aufgeklärt.
Zusammenfassend meinen die Kläger feststellen zu können, daß der Beklagte die
folgenden Schadstoffe
- Kohlenmonoxid
- Kohlendioxid
- Ozon
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- Chlor und Chlorwasserstoff
- Fluor, Fluorwasserstoff und andere Fluorverbindungen
- Chrom, Nickel, Arsen, Kobalt und Thallium als Bestandteile des
Schwebstaubes
- Arsen, Kobalt und Thallium als Bestandteile des Staubniederschlages
- krebserregende Stoffe
- Ammoniak
- Schwefelsäure und Salpetersäure
- Silostäube
nicht oder nur lückenhaft erfaßt habe (Seite 131 des klägerischen Schriftsatzes
vom 31. März 1990).
Sodann rügen sie die mangelhafte Würdigung der vorhandenen Meßwerte (Seite
132 bis 182 a.a.O.). Dabei konzentrieren sich ihre Vorwürfe im wesentlichen auf
folgende Aspekte: Zunächst werden grundsätzlich Bedenken gegen die
Immissionsprognose des TÜV R erhoben (Seite 132 bis 142 a.a.O.). Diese
"Grundsatzrüge" unterteilt sich in den Vorwurf mangelnder Nachvollziehbarkeit des
Zustandekommens der prognostizierten Immissionsmengen des Blockes V und
der darauf beruhenden Zusatzbelastung im hier fraglichen Beurteilungsgebiet
(Seite 134 bis 136 a.a.O.), in den erneut erhobenen Vorwurf der Lückenhaftigkeit
der Prognose (Seite 136 bis 138 a.a.O.) und schließlich in den Einwand, daß die
Prognose den Input-/Output-Zusammenhang außer acht gelassen habe (Seite 138
bis 142 a.a.O.). Auf Seite 142 bis 150 ihres Schriftsatzes vom 31. März 1990
beanstanden die Kläger die vom TÜV R prognostizierten Mengen der vom Block V
emittierten Schwermetalle und die darauf beruhende Berechnung der
Zusatzbelastung. Ebenso werden die vom TÜV R ermittelten
Zusatzbelastungswerte für Stickstoffoxid und Stickstoffdioxid bemängelt (Seite
151/152 a.a.O.).
Schließlich beschäftigen sich die Kläger nochmals mit der Problematik des
Cadmiums und des Bleis und bemängeln insofern neben der erneuten
Beanstandung lückenhafter Ermittlung der Vorbelastung die Nichtberücksichtigung
der Immissionswertüberschreitungen.
Die Kläger beantragen,
die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Regierungspräsidiums D vom
31. August 1989 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20. August 1990
aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Auch sie beziehen sich zunächst auf ihre Ausführungen im vorausgegangenen
Eilverfahren vom 8. bzw. 9. Mai 1990. Mit Schriftsätzen vom 26. März bzw. vom 18.
April 1991 sowie schließlich vom 22. Oktober 1991 haben sie dieses Vorbringen mit
im Ergebnis übereinstimmenden Darlegungen wie folgt ergänzt: Auch im
Hauptsacheverfahren könnten die Kläger von vornherein mit denjenigen Rügen
nicht erfolgreich sein, mit denen sie die Verletzung der nicht nachbarschützenden
Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts, des Raumordnungs- und
Landesplanungsrechts, die Nichtbeachtung der UVP-Richtlinien sowie des § 50
BImSchG geltend machten. Hiervon abgesehen - so meinen Beklagter und
Beigeladene unter näherer Darlegung im einzelnen - seien die Anforderungen
dieser Vorschriften im vorliegenden Falle auch eingehalten.
Ohne Erfolg müsse auch die Rüge fehlerhafter Durchführung des
Genehmigungsverfahrens bleiben. Zum einen sei der in diesem Zusammenhang
erhobene Vorwurf, die Antragsunterlagen seien im maßgeblichen Zeitpunkt nicht
vollständig gewesen, in der Sache unzutreffend; zum anderen sei dieser Einwand,
selbst seine Richtigkeit unterstellt, unbeachtlich. Die Unrichtigkeit dieses Vorwurfs
ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen, namentlich aus dem
Genehmigungsbescheid und den beiliegenden Unterlagen. Unbeachtlich sei der
Einwand, weil die Kläger zu seiner Geltendmachung mangels materieller
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Einwand, weil die Kläger zu seiner Geltendmachung mangels materieller
Auswirkungen nicht befugt seien und weil in der Sache selbst eine andere
Entscheidung nicht hätte getroffen werden können. Insoweit stünde einer
Aufhebung der angefochtenen Genehmigung die Vorschrift des § 46 des
Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - entgegen.
Ebenfalls sowohl unrichtig als auch für die Entscheidung des Rechtsstreits
unerheblich sei der Einwand der Kläger, der Beklagte habe den
Untersuchungsgrundsatz verletzt. Abgesehen davon, daß es nicht auf die Dauer,
sondern die Rechtmäßigkeit behördlicher Verfahrenspraxis ankomme - insoweit sei
der Vorwurf hastiger Durchführung des Verfahrens angesichts ansonsten beklagter
überlanger Verfahrensdauern schon unangebracht -, belegten die
Verwaltungsakten und der umfangreiche und außerordentlich sorgfältig
begründete Genehmigungsbescheid eindrucksvoll das Gegenteil der klägerischen
Behauptungen. Dem Beklagten könne schließlich nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden, Ausführungen und Stellungnahmen der zahlreich
beteiligten fachkundigen Behörden und Sachverständigen zu technisch-
naturwissenschaftlichen Fragen wörtlich übernommen zu haben. Eine solche
Vorgehensweise beruhe nicht auf einer - von den Klägern gerügten - mangelnden
eigenen Sachprüfung des Beklagten, sondern vielmehr auf der Richtigkeit der
eingeholten Stellungnahmen.
Letztlich lasse die angefochtene Genehmigung die Kläger auch nicht im Dunkeln
darüber, was sie gestatte und was nicht. Tenor und Nebenbestimmungen des
Genehmigungsbescheides seien eindeutig und unmißverständlich; bei der auf
Seite 6 unter Nr. II in Bezug genommenen Unterlage handele es sich um das dem
ergänzten Genehmigungsantrag beigefügte Unterlagenverzeichnis nach dem
Stand vom 27. Oktober 1988.
Die von den Klägern zur Bedeutung und Maßgeblichkeit der TA Luft vertretene
Auffassung sei rechtlich nicht haltbar. Beklagter und Beigeladene sind
übereinstimmend der Meinung, daß die Regelungen dieser Technischen Anleitung
als maßgebliche Konkretisierung der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG normierten
Schutzpflicht anzusehen seien, wobei die Beigeladene die dogmatische
Qualifizierung zwar letztlich dahinstehen lassen will, aber wie der Beklagte darin
eine nach § 48 BImSchG erlassene auch für die Verwaltungsgerichte verbindliche
normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift erblickt.
Die Vorgaben der TA Luft, deren von den Klägern behaupteten Lückenhaftigkeit
Beklagter (Seiten 50 bis 52 des Schriftsatzes vom 18. April 1991) und Beigeladene
(Seiten 29 bis 32 des Schriftsatzes vom 26. März 1991) zu widerlegen versuchen,
seien auch im vorliegenden Einzelfall beanstandungsfrei gehandhabt und
umgesetzt worden. So habe der Genehmigungsbescheid der Systematik der TA
Luft folgend zwischen Gesundheitsgefahren (Nr. 2.2.1.1), erheblichen Nachteilen
und erheblichen Belästigungen (Nr. 2.2.1.2) unterschieden, die in Nr. 2.2.1.3
vorgeschriebene Sonderfallprüfung vorgenommen und sich schließlich mit den
Einwendungen zu den Immissionsverhältnissen auseinandergesetzt. Die
Unterschreitung der in Nr. 2.5.1 und Nr. 2.5.2 TA Luft festgelegten
Immissionswerte für die dort genannten Schadstoffe sei auf der Grundlage von
Vorbelastungsmessungen des TÜV H vom 16. Januar 1989 und auf der Grundlage
der Immissionsprognose des TÜV Rheinland vom 3. März 1989 geprüft und bejaht
worden. Unter nochmaliger Wiedergabe der ermittelten Kenngrößen für die
Immissionsvorbelastung und die Immissionszusatzbelastung bei gleichzeitiger
Gegenüberstellung der so gewonnenen Kenngrößen der Gesamtbelastung mit den
in der TA Luft aufgestellten Immissionswerten kommen Beklagter und Beigeladene
zu dem auch im Genehmigungsbescheid gefundenen Ergebnis. Dabei werden die
erhöhten, die Immissionswerte der TA Luft übersteigenden Vorbelastungswerte für
Blei und Cadmium auch im Prozeßvortrag übereinstimmend mit
Meßverfälschungen erklärt. Eine gleichwohl in die Bewertung einbezogene
Berücksichtigung dieser erhöhten Vorbelastung, die nur die in Nr. 2.5.2 zum
Schutze vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen festgesetzten
Immissionswerte übersteige - die in Nr. 2.5.1 zum Schutze vor
Gesundheitsgefahren genannten Immissionswerte werden auch hinsichtlich Blei
und Cadmium unterschritten - stehe der Genehmigung jedoch nicht entgegen, weil
die prognostizierte Zusatzbelastung auf der in Frage kommenden
Beurteilungsfläche die im Anhang A der TA Luft festgelegten Werte nicht
überschreite (Seite 42/43 des Schriftsatzes der Beigeladenen vom 26. März 1991
unter Hinweis auf Nr. 2.2.1.2 Buchst. c). Auf die sogenannte 1 %-Irrelevanzklausel
im Sinne der Nr. 2.2.1.1 Buchst. b, die nur bei einer Überschreitung der in Nr. 2.5.1
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im Sinne der Nr. 2.2.1.1 Buchst. b, die nur bei einer Überschreitung der in Nr. 2.5.1
genannten Immissionswerte Anwendung finde, komme es deshalb nicht an (Seite
58/59 des Schriftsatzes des Beklagten vom 18. April 1991).
Auch die für die Schadstoffe Chrom, Nickel, Arsen und Kobalt als Bestandteile des
Staubniederschlages sowie für Stickstoffmonoxid, Ozon und Kohlendioxid
durchgeführte Sonderfallprüfung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Wegen der
Einzelheiten des Ergebnisses verweisen Beklagter und Beigeladene auf den
Genehmigungsbescheid (dort Seite 123 bis 129) und fassen an dieser Stelle
lediglich zusammen, daß durch den Wirkungsgrad der fortschrittlichen Technologie
des Blockes V im Ergebnis sogar eine Reduzierung der CO 2-Emission erreicht
werde und die Stickstoffoxidemission jedenfalls nicht über den heutigen Stand
hinaus erhöht werde.
Den von den Klägern im einzelnen erhobenen Einwänden begegnen Beklagter und
Beigeladene im wesentlichen wie folgt: Die Einstufung des Standorts der Anlage
als Belastungs- bzw. Smoggebiet sei für die Genehmigungsfähigkeit einer
genehmigungsbedürftigen Anlage insoweit ohne Bedeutung, als auch dort die
Grenzen der Zumutbarkeit von schädlichen Umwelteinwirkungen allein nach dem
Schutzgrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu bestimmen seien. Im übrigen
eröffne die Feststellung von Belastungs- und Smoggebieten der zuständigen
Behörde lediglich ein eigenständiges Handlungsinstrumentarium, etwa um den
Auswirkungen einer kurzfristigen Inversionswetterlage zu begegnen (Seite 66 bis
68 des Beklagtenschriftsatzes vom 18. April 1991; Seite 48/49 des
Beigeladenenschriftsatzes vom 26. März 1991).
Der Vorwurf einer lückenhaften Schadstofferfassung sei teilweise schon in
tatsächlicher, im übrigen in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft. Für den Schadstoff Chlor
habe die Bildung von Kenngrößen der Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung
unterbleiben können, da die zu genehmigende Anlage weder flüssiges noch
gasförmiges Chlor emittiere.
Für die Vorbelastung mit dem Schadstoff Chlorwasserstoff habe anstelle neuer
Messungen auf die Ergebnisse des Luftreinhalteplans Untermain (dort Seiten 281
und 283) zurückgegriffen werden können (Hinweis auf Nr. 2.6.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA
Luft).
Von der Vorbelastungsmessung des Schadstoffs Kohlenmonoxid habe ebenfalls
abgesehen werden können. In diesem Zusammenhang beruft sich die
Beigeladene auf die Bagatellklausel der Nr. 2.6.1.1 Abs. 5 TA Luft (Seite 50/51 des
Schriftsatzes vom 26. März 1991); der Beklagte (Seite 73/74 des Schriftsatzes
vom 18. April 1991) verweist auf die nach Nr. 2.6.2.1 Abs. 2 TA Luft anderweitige
Berücksichtigungsmöglichkeit der Vorbelastung - hier den Luftreinhalteplan U (dort
Seiten 265 und 267) -, die danach deutlich unter 60 % der Immissionswerte liege.
Für den Schadstoff Thallium sei angesichts einer minimalen Zusatzbelastung die
Ermittlung der Vorbelastung nicht geboten gewesen (Seite 74/75 des
Beklagtenschriftsatzes; Seite 53/54 des Beigeladenenschriftsatzes).
Hinsichtlich der Schadstoffe Fluor bzw. Fluorwasserstoff könne - ebenso wie für
Chlorwasserstoff - für die Vorbelastung auf den Luftreinhalteplan Untermain (dort
Seiten 277 und 279) verwiesen werden; eine Überschreitung der Immissionswerte
durch die Zusatzbelastung sei nach der Immissionsprognose des TÜV R vom 3.
März 1989 ausgeschlossen (Seite 75/76 des Beklagtenschriftsatzes; Seite 52/53
des Beigeladenenschriftsatzes).
Soweit die Kläger geltend machten, der Beklagte habe für die Silostäube zu
Unrecht auf die Ermittlung der Immissionssituation verzichtet, und sich dabei auf
eine von der Beigeladenen in der Kurzbeschreibung angegebene
Staubkonzentration berufen hätten, die um das 200-fache höher sei als der
entsprechende IW1-Wert der Nr. 2.5.1, führe die Verwechslung von
Emissionswerten mit Immissionswerten zugleich zu einer Verkennung des
maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkts. Da es sich bei den in Rede stehenden
Stäuben um nicht über Schornstein abgeleitete Emissionen handele, habe die
Bestimmung der Kenngrößen für Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung nach Nr.
2.6.1.1 Abs. 5 Buchst. b TA Luft unterbleiben können, weil ein Zehntel des dort mit
15 kg/h angegebenen Massenstroms (für Kalk 0,18 kg/h; für E-Filterasche 0,36
kg/h) deutlich unterschritten werde (Seite 76/77 des Beklagtenschriftsatzes; Seite
54/55 des Beigeladenenschriftsatzes).
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Ein Ermittlungsdefizit für die in Nr. 2.5 TA Luft nicht aufgeführten Schadstoffe
bestehe ebenfalls nicht. Der dahingehende Vorwurf der Kläger entspreche
entweder schon nicht den Tatsachen oder beruhe auf rechtlich fehlerhaften
Prämissen. Namentlich für Chrom, Nickel, Arsen und Kobalt seien die jeweiligen
Immissionsvorbelastungen vom TÜV Hannover gemessen worden. Die Ergebnisse
dieser Messung seien der Hessischen Landesanstalt für Umwelt zur Beurteilung
zur Verfügung gestellt und schließlich - nach deren fachkundiger Stellungnahme
vom 16. Januar 1989 (Bl. 448 ff. der gelben Hefter) - in die vom Beklagten
vorgenommene Sonderfallprüfung eingestellt worden. Da die gemessenen Werte
der Staubinhaltsstoffe unter den von der Hessischen Landesanstalt für Umwelt
angesetzten Immissionsvergleichswerten gelegen habe, sei das Vorliegen der
Genehmigungsvoraussetzungen im Hinblick auf diese Stoffe zu Recht bejaht
worden (Seiten 77 bis 79 des Beklagtenschriftsatzes; Seite 55/56 des
Beigeladenenschriftsatzes).
Die Rüge der Kläger, daß für den Schadstoff Ozon eine ausreichende Prüfung der
Immissionsbelastungssituation nicht durchgeführt worden sei, müsse aus zwei
Gründen erfolglos bleiben: Zum einen könne nicht sämtlichen Nachbarn
stellvertretend für die Allgemeinheit die Befugnis eingeräumt werden, die globalen
Auswirkungen derartiger Schadstoffe wie des Ozons gerichtlich geltend zu
machen; zum anderen habe der Beklagte auch in bezug auf den Schadstoff Ozon
eine Sonderfallprüfung unter Berücksichtigung der lufthygienischen
Monatsberichte der Hessischen Landesanstalt für Umwelt sowie der im Auftrag
des Umweltbundesamtes angestellten Modellrechnungen durchgeführt (Seiten 56
bis 58 des Beigeladenenschriftsatzes; Seiten 79 bis 83 des
Beklagtenschriftsatzes).
Ebensowenig wie beim "Ozonloch" könne hinsichtlich des durch CO 2-Emissionen
mitverursachten "Treibhauseffektes" eine ursächliche Beziehung zu individuellen
Rechten der Kläger hergestellt werden. Gleichwohl habe die Beklagte auch für den
Schadstoff Kohlendioxid Überlegungen angestellt, die geeignet erschienen, die
Frage nach möglichen Umweltauswirkungen zu beantworten. Daß für eine solche
Prüfung nicht dieselben förmlichen Maßstäbe gelten wie für jene Schadstoffe, die in
Nr. 2.5 TA Luft aufgeführt seien, hätten die Kläger offensichtlich verkannt (Seite 83
bis 85 des Beklagtenschriftsatzes; Seite 58/59 des Beigeladenenschriftsatzes).
Der Schutz vor krebserregenden Stoffen werde nach dem Konzept der TA Luft (Nr.
2.2.1.5) durch Emissionsbegrenzungen bewirkt und nicht - wie von den Klägern als
unterlassen gerügt - durch Ermittlung und Bewertung der
Immissionsbelastungssituation. Dem habe der Beklagte durch entsprechende
Auflagen Rechnung getragen. Anlaß zu weiteren Ermittlungen in bezug auf
krebserregende Stoffe habe angesichts der vom Beklagten veranlaßten
Messungen bei anderen, dem streitbefangenen Kraftwerk vergleichbaren Anlagen
wegen der dort gefundenen, weit unterhalb der zulässigen Werte liegenden
Ergebnisse nicht bestanden. Die Feststellung, daß namentlich die von den Klägern
in den Vordergrund gestellten krebserregenden Stoffe nach heutigem
Erkenntnisstand durch Kohlekraftwerke wie das der Beigeladenen nicht bzw. in
einem zu vernachlässigenden Umfang emittiert würden, werde durch den Bericht
der technischen Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber E.V. (VGB-Bericht TW
307 vom Februar 1989, Bl. 772 ff. der gelben Hefter), dem eine Untersuchung von
Kraftwerksrauchgasen auf polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane
zugrunde gelegen habe, belegt (Seiten 86 bis 90 des Beklagtenschriftsatzes; Seite
61/62 des Beigeladenenschriftsatzes).
Die vom TÜV R ausgewiesene Zusatzbelastung von Ammoniak sei - bezogen auf
den maximalen Immissions-Wert (MIK-Wert) der Richtlinie VDI 2310 derart
geringfügig, daß es im Rahmen einer Sonderfallprüfung gerechtfertigt gewesen sei,
vom Fehlen schädlicher Umwelteinwirkungen durch den Betrieb des Blockes V
auszugehen. In diesem Zusammenhang weisen Beklagter und Beigeladene ferner
auf die Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid unter III, 14.2.4 hin, in
der die Emission von Ammoniak im Abgas beschränkt worden sei (Seite 90/91 des
Beklagtenschriftsatzes; Seite 59/60 des Beigeladenenschriftsatzes).
Ebenfalls wegen Geringfügigkeit von Emissionen habe eine eingehende
Sonderfallprüfung der Schadstoffe Schwefel- und Salpetersäure unterbleiben
können; Sonderfallprüfungen dienten nämlich nicht dazu, alle denkbaren
Schadstoffe, für die die TA Luft Immissionswerte nicht festgelegt habe, einer
gesonderten umfangreichen Überprüfung zu unterziehen (Seite 91/92 des
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gesonderten umfangreichen Überprüfung zu unterziehen (Seite 91/92 des
Beklagtenschriftsatzes; Seite 60 des Beigeladenenschriftsatzes).
Für die Erstellung der Immissionsprognose habe der TÜV die in der TA Luft
enthaltenen Vorgaben beachtet.
Der Input-Output-Zusammenhang, gemeint ist damit der
Wirkungszusammenhang zwischen den Verbrennungsstoffen und den Emissionen,
sei angesichts der in den Antragsunterlagen (dort Nr. 0.11, Formular 3, Bl. 1 - 1.)
enthaltenen Angaben über die Beschaffenheit der in Block V zu verbrennenden
Steinkohle und des dort einzusetzenden Heizöls durchaus sichtbar und vom TÜV R
auch in seine Betrachtung einbezogen worden.
Die Prognose des TÜV R zu den Emissionsmengen der einzelnen Schwermetalle
gehe auf unterschiedliche Annahmen zurück, nämlich einmal auf Werte, die die
Untersuchung von Heinrichs u.a. ergeben hätten, zum anderen auf Erfahrungen,
wie sie in § 3 Abs. 2 der 13. BimSchV Eingang gefunden hätten, Annahmen, deren
Richtigkeit die Kläger mangels Vortrags anderweitiger Erkenntnisse nicht zu
erschüttern vermocht hätten.
Auf die von den Klägern als nicht erkennbar gerügte anteilsmäßige Verteilung
zwischen Stickstoffoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO 2) komme es für die
Prognose der mengenmäßigen Ozonbildung nach dem im Genehmigungsbescheid
(dort Seite 124/125) geschilderten naturwissenschaftlichen Zusammenhang nicht
an.
Soweit sich die Kläger schließlich nochmals mit den festgestellten
Überschreitungen für die Schadstoffe Blei und Cadmium befaßten und nunmehr
rügten, daß eine neue störunbeeinflußte Messung an der entsprechenden, höhere
Werte aufweisenden Meßstelle 9 nicht durchgeführt worden sei, hält die
Beigeladene eine erneute Messung nach wie vor für entbehrlich. Zum einen sei im
ersten Halbjahr des Meßzeitraumes, in dem die Ursache für die Meßverfälschung
(ein bleibelastetes Rosengitter) noch nicht neben dem Staubniederschlagsmesser
vorhanden gewesen sei, für dieselbe Beurteilungsfläche ein Vorbelastungswert von
lediglich 35 ßg/qm d ermittelt worden; zum anderen habe die erhöhte
Bleibelastung aus den bereits dargelegten Gründen meßtechnisch
herausgerechnet werden können.
Zusammenfassend kommen Beklagter und Beigeladene zu dem Ergebnis, daß
sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt seien und die angefochtene
Genehmigung somit habe erteilt werden müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der
Gerichtsakte (Bl. 550 - 554) befindliche Zusammenstellung sämtlicher
Schriftsätze, Behördenakten und Anlagen verwiesen, die zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, nämlich auf
A den Inhalt der das Eilverfahren betreffenden Prozeßakte - 8 R 3118/89 mit
I. der Begründung des Antragsschriftsatzes vom 16. Februar 1990 (133 Seiten) mit
folgenden Anlagen und Dokumenten:
1. Widerspruchsbegründung (54 Seiten) nebst
- Sachverständigengutachten F/M/D (Ö) Dezember 1989
- Abfallentsorgungsplan Hessen, Teilplan I Hausmüll und Abfälle der
Kategorie I, Entwurf, herausgegeben vom Hessischen Minister für Umwelt
und Reaktorsicherheit, Auszug der Seiten 40 - 44, 65 und 68
- Prof. H, VDEW, Öffentliche Stromversorgung: Kraftwerke gut
ausgelastet, insb. Seite 6
- VDEW, Öffentliche Stromversorgung im Winter 1988/89
- Prof. B VDEW, "Öffentliche Stromversorgung 1988/89", Rede vom 18.
Dezember 1989
2. der Zusammenstellung sogenannter präsentierter Beweismittel:
93
- Stenographischer Bericht der 27. Sitzung des Ausschusses für
Wirtschaft und Technik des Hessischen Landtages über die öffentliche
Anhörung zum Thema "Zukünftige Energieversorgung im hessischen
Versorgungsgebiet der PREAG: Entwicklung des Strom- und Wärmebedarf
sowie Realisierbarkeit und Auswirkungen unterschiedlicher Konzepte zur
Bedarfsdeckung" vom 20. und 21. Mai 1986 (WTA/11/27 und 28)
- Der Hessische Minister für Wirtschaft und Technik, Bescheid vom 18.
Dezember 1986 Az.: M-Va2-78b-04-05/85-2,
- Luftreinhalteplan Untermain
- Dienstliche Erklärung der Mitarbeiter B und B des Planungsamtes der
Stadt H vom 23. November 1989
- Regionaler Raumordnungsplan für die Planungsregion Südhessen, Auszug
aus dem Abdruck im Staatsanzeiger Nr. 8 vom 23. Februar 1987
- Regionaler Raumordnungsplan für die Planungsregion Südhessen,
Originalkarte "Verkehr und Versorgung" aus dem Abdruck im
Staatsanzeiger Nr. 8 vom 23. Februar 1987
- Schreiben des Regierungspräsidenten D vom 9. Januar 1974 an den
Kreisausschuß des früheren Landkreises H
- Vermerk des Regierungspräsidiums Dezernat IV 5 vom 20. Januar 1989
über die Besprechung am 17. Januar 1989
- Flächennutzungsplan der Stadt H
- Auszugskopie auf der im "Landschaftsplan" in Blättern 62/9545 und
52/9550 wiedergegebenen Fassung des Landschaftsplanes
- Bebauungsplan der Stadt H "In den Waldwiesen 901.1"
- Plan der Grenzen des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplanes
der Stadt H "Marienhütte 910.1"
- Bebauungsplanentwurf der Stadt H "Zwischen Ge-straße und
P-weg"
- Bebauungsplan M "J-weg/Z-straße"
- Bebauungsplan "A-straße, Al-Straße, B-weg und B-straße"
- Bebauungs- und Landschaftsplan M "M"
- Bebauungsplan "Ortszentrum B Straße, südöstlicher Teilbereich"
- Bebauungsplan "Baugebiet zwischen V-Straße, A-straße und
Baugebiet St-straße"
- Schreiben des Kreises O vom 8. November 1989
- Übersichtsliste der geplanten Naturdenkmale und geschützten
Landschaftsbestandteile im Ausweisungsverfahren des M-Kreises
- Liste der von der Planung betroffenen Kindergärten, Schulen,
Alteneinrichtungen und Krankenhäuser in H
- Liste der in H gelegenen Schulen, Kindergärten und Altenwohnanlagen
- Liste der von der Planung betroffenen Kindergärten, Schulen,
Alteneinrichtungen und Krankenhäuser des Kreises O
- Karte und der Liste der von der Planung betroffenen Kindergärten,
Schulen, Alteneinrichtungen und Krankenhäuser der Stadt M
- Schreiben des Zweckverbandes Wasserversorgung Stadt und Kreis O vom
14. November 1989
- "Flurstückskarte H von Flur 88 - 103 im Maßstab 1:2000"
- Karte der Einrichtungen des M-Kreises
- Schreiben der Gemeinde H vom 9. Februar 1990
- Karte des Stadtwaldes in M
- Photo-Dokumentation über den Baufortschritt
- "Zum Regel-Ausnahme-Verhältnis bei Sofortvollzugsanordnungen von
Genehmigungen und Planfeststellungsbeschlüssen des Landes Hessen",
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II. der Ergänzung der Antragsbegründung vom 31. März 1990 (182 Seiten),
III. der Antragserwiderung des Antragsgegners vom 8. Mai 1990 (59 Seiten),
IV. der Antragserwiderung der Beigeladenen vom 9. Mai 1990 (70 Seiten) nebst
folgenden Anlagen:
1. Tabelle über die Entwicklung der Winterhöchstlast im eigenen Gebiet
1985 bis 1990,
2. Stellungnahme der Beigeladenen zur Widerspruchsbegründung der
Antragsteller mit ihrerseits 8 Anlagen,
3. erster Bericht - gutachterliche Beurteilung der
Grundwasserabsenkung durch das Grundbauinstitut Prof. Dr.-Ing. H. S
Stand 31. Dezember 1989,
4. zweiter Bericht - gutachterliche Beurteilung der
Grundwasserabsenkung durch das Grundbauinstitut Prof. Dr.-Ing. H.
Stand 31. Januar 1990,
4a + Abnahmeschein des Landrates des M
4b Kreises vom 16. Februar 1990 sowie Niederschrift über die
Bauabnahme der Mengenmeßeinrichtung
5. Entwicklung des Stromabsatzes im eigenen Gebiet der P in den Jahren
1985 bis 1989,
6. Vergleich der CO 2-Immissionen des Blockes V mit denen der zu
ersetzenden Altanlagen,
B den Inhalt der das Hauptverfahren betreffenden Prozeßakte - 14 A 2767/90 - mit
I. der Klageschrift vom 18. September 1990 (5 Seiten), nebst den Ergänzungen
vom
1. 27. September 1991 (121 Seiten)
2. 2. Oktober 1991 (32 Seiten)
3. 8. Oktober 1991 (47 Seiten),
II. dem Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums D vom 20. August 1990
(15 Seiten),
III. der Klageerwiderung der Beigeladenen vom 26. März 1991 (70 Seiten) mit
folgenden Anlagen:
1. Entwurf der Verordnung zur Änderung der Neunten Verordnung zur
Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes des Bundesministers für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - IG I 1 - 550 121/1 - (Stand 5.
September 1990), 2. Antrag der Beigeladenen auf Anordnung der sofortigen
Vollziehung des Genehmigungsbescheides, soweit er den Betrieb des Blockes V
betrifft, vom 8. März 1991, gerichtet an das Regierungspräsidium D, 3. Graphische
Darstellung der verfügbaren Kraftwerksleistung (16. Januar 1991), 4. Übersicht
über die Revisionsüberschreitungen PE-Kernkraftwerke (5. Dezember 1990), nebst
der Ergänzung vom 22. Oktober 1991 (53 Seiten),
IV. der Klageerwiderung des Beklagten vom 18. April 1991 (100 Seiten), nebst der
Ergänzung vom 22. Oktober 1991 (62 Seiten),
C den Inhalt folgender Behördenakten:
I. 18 blaue Stehordner Antragsunterlagen,
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II. 5 gebundene bzw. geheftete Sachverständigengutachten:
a) TÜV H, Immissionsvorbelastungsmessungen,
b) TÜV H, Datenbank,
c) TÜV R, Bericht Nr. 934/618015/A,
d) TÜV R, Bericht Nr. 934/618015/B,
e) Dr. L, Windkanalversuche,
III. 5 Stehordner der Behördenakten der Oberen Landesplanungsbehörde beim
Regierungspräsidium D:
a) VII 54-93 d 06/11 (14/87) Teil I;
b) VII 54-93 d 06/11 (E 14/87) Teil II;
c) VII 54-93 d 06/11 (E 14/87) Teil III;
d) VII 54-93 d 06/11 (E 14/87) Teil IV;
e) VII 54 06/11
(E 14/87) Teil V,
IV. 1 geheftete Akte der Abteilung Energiewirtschaft des Hessischen Ministeriums
für Wirtschaft und Technik (Bl. 1 - 150) Az.: IV d 1-78b 04 - 05/88-2,
V. 11 gelbe Hefter Behördenakten des Regierungspräsidiums D betreffend P
Kraftwerk S Neubau Kohlekraftwerk Block V:
1. 53 e 621 P. 37 Bl. 1
142;
2. 53 e 621 P. 37 (1) Bl. 143
365;
3. 53 e 621 P. 37 (2) Bl. 366
539;
4. 53 e 621 P. 37 (3) Bl. 540
623;
5. 53 e 621 P. 37 (4) Bl. 624
730;
6. 53 e 621 P. 37 (5) Bl. 731
820-12;
7. 53 e 621 P. 37 (6) Bl. 821
1188;
8. 53 e 621 P. 37 (7) Bl. 1189
1278;
9. 53 e 621 - P. 37 (8) Bl. 1279 - 1346;
10. 53 e 621 - P. 37 (9) Bl. 1347 - 1444;
11. 53 e 621 - P. 37 (10) Bl. 1445 - 1504,
VI. 1 grauer Ordner des Regierungspräsidiums D P - 37 - fristgerechte
Einwendungen,
VII.1 schwarzer Ordner des Regierungspräsidiums D P - 37 - nicht fristgerechte
Einwendungen,
VIII. 1 schwarzer Ordner des Regierungspräsidiums D P - 37 - fristgerechte und
nichtfristgerechte Widersprüche.
Entscheidungsgründe
Die Klage, gegen deren Zulässigkeit insbesondere im Hinblick auf die
Klagebefugnis sämtlicher Kläger keine Bedenken bestehen (zu der insoweit
gleichgelagerten Problematik hinsichtlich der Antragsbefugnis im
vorausgegangenen Eilverfahren Hess. VGH, Beschluß vom 31. Mai 1990 - 8 R
3118/89 - ESVGH 40, 294, 295 = NVwZ 1991, S. 88 = GewA 1991, S. 151), ist
unbegründet.
Die angefochtene Genehmigung zur wesentlichen Änderung des bestehenden
Kraftwerkes S durch Errichtung und Betrieb des Blockes V verletzt die Kläger nicht
in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
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Ein Verstoß gegen Vorschriften, die der Wahrung von Rechten gerade der Kläger
dienen, ist weder in verfahrensrechtlicher (I.) noch in materiellrechtlicher (II.)
Hinsicht gegeben.
I.
Die im Zusammenhang mit der Durchführung des Genehmigungsverfahrens von
den Klägern erhobenen Rügen einer Unvollständigkeit der erforderlichen
Unterlagen (1.), eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz (2.) sowie
gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (3.) greifen nicht durch.
1. Die Unterlagen des Genehmigungsverfahrens (vgl. dazu die in der Aufstellung
unter C I. genannten 18 blauen Stehordner) entsprechen § 4 Abs. 2 und Abs. 3 der
Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes
(Grundsätze des Genehmigungsverfahrens) - 9. BImSchV - vom 18. Februar 1977
(BGBl. I S. 274, zuletzt geändert durch VO vom 19. Mai 1988, BGBl. I S. 608). Sie
enthalten sämtliche Angaben, die im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung
(Bescheid vom 31. August 1989) zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen
erforderlich sind.
Daß diese Vollständigkeit erst bis zum Abschluß des Genehmigungsverfahrens
durch Änderung und Ergänzung von Unterlagen erreicht worden ist, ist für die
Wahrung der Verfahrensrechte Dritter, hier der Kläger, unbeachtlich. Denn schon
der Inhalt der vom Beklagten in der Zeit vom 31. Oktober bis 30. Dezember 1988
zur Einsicht ausgelegten Unterlagen (vgl. dazu das Unterlagenverzeichnis auf Bl.
236 ff. der gelben Hefter sowie das in Band 1 der blauen Stehordner
Antragsunterlagen, Ausfertigung: 1), war so ausführlich dargestellt, daß es den
Klägern möglich gewesen ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den
Auswirkungen der geplanten Anlage betroffen werden können. Für die
Entscheidung darüber, ob die Kläger anhand der ausgelegten Unterlagen zur
Beurteilung ihrer Betroffenheit in der Lage gewesen sind, brauchte der erkennende
Senat weder die Frage aufzuklären, ob die mit der Antragstellung von der
Beigeladenen eingereichte Kurzbeschreibung vom 1. Juli 1988 bereits am 31.
Oktober 1988 (vgl. dazu den Vermerk auf Bl. 282 der gelben Hefter:
"Kurzbeschreibung wurde ausgetauscht ...Fr. 31.10") oder kurz darauf gegen die
überarbeitete Fassung vom 25. Oktober 1988 (Band I der blauen Stehordner
Antragsunterlagen, Ausfertigung: 1 unter lfd. Nr. 0.10) ausgetauscht worden ist,
noch bedurfte es der Erhebung des Beweises, daß ein Mitarbeiter der
Beigeladenen das "Naßkühlturmgutachten" des TÜV R vom 25. Oktober 1988 (lfd.
Nr. 0.21) in G ausgelegt und ob die Genehmigungsbehörde eine solche Auslegung
selbst veranlaßt hat. Hinsichtlich der Kurzbeschreibung ist nicht mehr deren
Auslegung, sondern lediglich der Zeitpunkt eines Austausches von ursprünglicher
und überarbeiteter Fassung streitig; der Austausch als solcher ist für die den
Klägern zu gebende Möglichkeit, ihre Betroffenheit zu beurteilen, ohne Folgen
geblieben. Bezüglich des Naßkühlturmgutachtens vom 25. Oktober 1988 kann der
vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellte
Beweisantrag nicht mehr als Bestreiten der Auslegung selbst verstanden werden;
er zielt vielmehr erkennbar darauf ab, die vermeintlich fehlende Befugnis der
tatsächlich handelnden Person unter Beweis stellen zu wollen. Darauf freilich
kommt es nach § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV nicht an.
Daß mit der Auslegung der im oben erwähnten Verzeichnis genannten Unterlagen,
die die Emissions- und Immissionssituation des hier fraglichen
Beurteilungsgebietes um den Block V des Kraftwerks St wenn auch nicht endgültig
so doch vorläufig charakterisieren, der dem Schutze der Kläger als Drittbetroffene
dienenden (nicht geänderten) Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 des
Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880) in nicht zu beanstandender
Weise Rechnung getragen worden ist, belegen die zahlreichen Einwendungen (vgl.
dazu die in der Aufstellung unter C, VI. und VII. in Bezug genommenen Ordner), in
denen die möglichen Auswirkungen und die für ihre Betrachtung wesentlichen
Anknüpfungspunkte angesprochen und die im Erörterungstermin vom 14. bis 17.
März 1989 (vgl. dazu das Wortprotokoll Bl. 821 - 1188 der gelben Hefter) auch
behandelt worden sind. Dagegen kommt es nicht darauf an, daß die später vom
Beklagten angeforderten oder ihm ohne besondere Anforderung vorgelegten -
nicht erneut ausgelegten - Stellungnahmen und Gutachten in die behördliche
Entscheidung Eingang gefunden haben. Ebensowenig wie im
Planfeststellungsverfahren (dazu BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C
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Planfeststellungsverfahren (dazu BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C
13.85 - BVerwGE 75, 214, 226) besteht im immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren eine Bindung dahin, der Genehmigungserteilung
ausschließlich solche Unterlagen zugrundezulegen, zu denen sich potentiell
Betroffene haben äußern können (Vallendar, in: Feldhaus,
Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1, § 10 BImSchG, Anm. 8 - 10). Sämtliche von
den Klägern bereits in ihrem Schriftsatz vom 31. März 1990 (dort Bl. 19 ff.) und in
ihrem weiteren Schriftsatz vom 27. September 1991 (dort Bl. 9/10) zutreffend und
unstreitig als nicht ausgelegt genannten Unterlagen (Abschlußbericht des TÜV H
vom 16. Januar 1989 sowie der dazugehörende Datenband ebenfalls vom 16.
Januar 1989, Windkanalversuche von L und S vom 2. März 1989, Vergleich der
Immissionssituation bei der Ableitung von Rauchgasen über einen äquivalenten TA
Luft Schornstein des TÜV R vom 24. Februar 1989, Abschlußbericht des TÜV R vom
3. März 1989 sowie der Bericht des TÜV H über die Messung von polycyclischen
aromatischen Kohlenwasserstoffen im Abgas von Bock IV des Kraftwerks H vom
28. Juli 1989) - nur auf den Zeitpunkt der Auslegung und nicht auf denjenigen der
Bekanntmachung des Vorhabens kommt es in Ansehung der Rechte Dritter an -
weisen durchweg einen eindeutigen Bezug zu der auch von den Einwendern in die
Diskussion gebrachten Immissionssituation auf. Sie bringen jedenfalls keine neue
unzulässige Akzentuierung und erst recht keine Verlagerung des Schwerpunkts
der zu treffenden Feststellungen in den behördeninternen Verfahrensabschnitt.
Vielmehr stellen sie Entwicklungen und konkretisierende Untersuchungen von
Erkenntnissen dar, die sich im Rahmen dessen bewegen, was bereits Gegenstand
der vorläufigen Gutachten und der öffentlichen Erörterung war, so daß gem. § 8
Abs. 2 der 9. BImSchV von einer weiteren Bekanntmachung und Auslegung
abgesehen werden konnte. Dies gilt insbesondere auch für das Verhältnis der
vorläufigen Gutachten des TÜV H vom 7. Mai 1988 und vom 23. Juni 1988 bzw. des
TÜV R vom 22. September 1988 zu deren endgültigen Gutachten vom 16. Januar
1989 (TÜV H) bzw. vom 24. Februar 1989 und vom 3. März 1989 (TÜV R). Gerade
hier sind die Ergebnisse der endgültigen Gutachten in den vorläufigen mindestens
in der Tendenz eindeutig vorweggenommen.
Wenn die Kläger nunmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung zur
Begründung ihrer Auffassung, daß sie wegen unvollständiger Auslegung von
Unterlagen ihre Rechte nicht in vollem Umfang hätten wahrnehmen können,
behaupten, daß sie bei Kenntnis aller - inzwischen erschöpfend eingesehenen -
Unterlagen bereits all das im Einwendungsverfahren vorgetragen hätten, was sie
jetzt im Verwaltungsstreitverfahren vorgetragen haben, so verkennen sie offenbar
den Sinn und die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung und den Unterschied
des Einwendungsverfahrens zu einem gerichtlichen Anfechtungsverfahren. Ziel
des Verwaltungsverfahrens ist die Förderung einer rechtmäßigen, von der
Überzeugung der Behörde getragenen Entscheidung, nicht die Überzeugung
Dritter, denen im Rahmen der sogenannten Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art
eines Aufgebotsverfahrens lediglich die Möglichkeit gegeben werden soll, zu einer
richtigen Behördenentscheidung beizutragen. Dagegen können Dritte nicht
verlangen, bereits im Genehmigungsverfahren in die Lage versetzt zu werden,
etwaige Rechtsverletzungen in allen Einzelheiten bereits im Einwendungsverfahren
lückenlos substantiieren zu können. Selbst wenn das Fehlen der oben genannten
Unterlagen dazu geführt haben sollte, daß die Kläger im Einwendungsverfahren
nicht so umfangreich und detailliert haben vortragen können wie jetzt im
Anfechtungsprozeß, so hätte dieses Defizit lediglich zur Folge, daß sie mit neuen
Einwendungen nicht ausgeschlossen werden können. Keinesfalls ist damit zugleich
die Annahme gerechtfertigt, daß den Klägern die Möglichkeit genommen war, sich
Klarheit darüber zu verschaffen, ob sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen
sein können.
Schließlich könnte selbst bei unterstellter fehlerhafter Auslegung der dann
anzunehmende Verfahrensverstoß im Hinblick auf § 46 des Hessischen
Verwaltungsverfahrensgesetzes - HessVwVfG - nicht zum Erfolg der Klage führen,
weil - wie sich aus den weiteren Feststellungen in den Entscheidungsgründen
ergeben wird - die Kläger keine vom Block V ausgehenden schädlichen
Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile und
erheblichen Belästigungen zu erwarten haben, die Genehmigung auch sonst die
Kläger nicht in ihren Rechten verletzt und somit eine andere Entscheidung in der
Sache nicht hätte getroffen werden können (zur Unbeachtlichkeit von
Verfahrensverstößen im Rahmen der Auslegung etwa BVerwG, Urteil vom 22.
Oktober 1982 - 7 C 50.78 -, DVBl. 1983, S. 183, 184).
2. Die Art der Durchführung des Genehmigungsverfahrens läßt einen die Rechte
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2. Die Art der Durchführung des Genehmigungsverfahrens läßt einen die Rechte
der Kläger verletzenden Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nicht
erkennen.
Aus der - von den Klägern als zu kurz bezeichneten - Dauer des
Genehmigungsverfahrens Rückschlüsse auf die Sorgfalt seiner - nach Auffassung
der Kläger hastigen - Durchführung schließen zu wollen, verbietet sich von
vornherein. Ob und welche Gesichtspunkte die Genehmigungsbehörde
berücksichtigt, hängt in erster Linie von deren sachlicher Beurteilung des Antrages
ab. Einwendungen Dritter und das Ergebnis des Erörterungstermins mögen für die
Genehmigungsbehörde Anlaß zu weiterer Sachaufklärung sein, jedoch haben
Dritte in diesem Verfahrensstadium kein durchsetzbares Recht auf bestimmte
Aufklärungsmaßnahmen oder die Erhebung bestimmter Beweise (§§ 24, 26
HessVwVfG). Ebensowenig sind Verfahrensrechte der Kläger damit verbunden, daß
die Genehmigungsbehörde den die Erteilung einer Genehmigung begehrenden
Antragsteller auffordern kann, den Antrag oder die Unterlagen innerhalb einer
angemessenen Frist zu ergänzen (§ 7 Satz 2 der 9. BImSchV), und dann, wenn der
Antragsteller einer solchen Aufforderung innerhalb einer ihm gesetzten
angemessenen Frist nicht nachgekommen ist, den Antrag ablehnen kann (§ 20
Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV). Somit geht auch der Vorwurf der Kläger, der
Beklagte habe sein Beanstandungsschreiben vom 26. August 1988 (Bl. 172 der
gelben Hefter) nur lückenhaft abgefaßt und die gesetzlich erforderliche
Konsequenz - gemeint ist wohl die Ablehnung der Genehmigungserteilung - nicht
gezogen, unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten in Leere.
3. Der Genehmigungsbescheid ist entgegen der Ansicht der Kläger auch insoweit
hinreichend bestimmt, als er den Gegenstand der Genehmigung einschließlich des
Standorts der Anlage genau bezeichnet und dabei wegen der Einzelheiten der
genehmigten Änderung auf die vorgelegten Unterlagen Bezug nimmt. Diese
Verfahrensweise entspricht jedenfalls dann den Anforderungen des § 21 Abs. 1 Nr.
3 der 9. BImSchV, wenn - wie hier - die in Bezug genommenen Unterlagen in eine
geordnete und nachprüfbar vollständige Behördenakte geheftet werden, so daß
sowohl für die Beigeladene als Empfängerin des Genehmigungsbescheides als
auch für die Kläger als Drittbetroffene ohne weiteres feststellbar ist, welche
Unterlagen gemeint sind. Ein Blick in Bd. 1 der blauen Stehordner
Antragsunterlagen, Ausfertigung: 1 zeigt, daß es sich dabei um die Unterlagen
nach dem Verzeichnis auf dem Stand vom 27. Oktober 1988 handelt. Daß die
Kläger keineswegs im unklaren darüber gelassen worden sind, was eigentlich
genehmigt worden ist, zeigt ihre detaillierte Auseinandersetzung mit jeder auch
nur im entferntesten als bedeutsam in Betracht kommenden Einzelheit des
gesamten Vorhabens.
II.
Der Genehmigungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids verletzt
die Kläger auch nicht in ihren materiellen Rechten.
Bei der Würdigung der materiellen Rechtslage haben von vornherein außer
Betracht zu bleiben sowohl die Verletzung von Rechten, auf die sich die Kläger als
Gebietskörperschaften (Städte, Gemeinden und Landkreise) ungeachtet eines
Verstoßes auch gegen nachbarrechtliche Rechtsvorschriften nicht berufen können
(1.) als auch der vermeintliche Verstoß gegen Vorschriften, die entweder nicht
zumindest auch dem Schutze der Kläger zu dienen bestimmt sind (2.) oder hinter
anderen nachbarschützenden Vorschriften in ihrem Schutzumfang zurückbleiben
(3.) oder auf Vorhaben wie das vorliegende noch nicht anwendbar sind (4.). Die
danach allein verbleibende Prüfung erstreckt sich auf eine Beeinträchtigung
gemeindlicher Planungen der Kläger (5.) und deren immissionsschutzrechtlich
geschützter Sachgüter (6.).
1. Auf Rechte ihrer Bürger können sich die Kläger als Gebietskörperschaften zur
Begründung eigener Klagen nicht berufen. In solchen Fällen steht den Bürgern
vielmehr selbst ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung; einer im Wege der
Prozeßstandschaft gewährten Streithilfe der Gemeinden bedürfen sie nicht.
Nachdem die einzige natürliche Person auf der Klägerseite gestorben ist und
deren Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung insoweit den
Rechtsstreit übereinstimmend mit den übrigen Verfahrensbeteiligten in der
Hauptsache für erledigt erklärt hat, kommt es auf eine von der streitbefangenen
Anlage potentiell ausgehende Gesundheitsgefahr nicht (mehr) an.
2. Die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl.
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2. Die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (RGBl.
I S. 1451), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung energierechtlicher
Vorschriften vom 19. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2750), das in § 4 Abs. 2 auf
Gründe des Gemeinwohls abstellt, vermitteln keinen Drittschutz. Auf deren
vermeintliche Verletzung kann die Klage mithin nicht gestützt werden.
3. Die angefochtene Genehmigung verstößt nicht gegen das baurechtliche Gebot
der Rücksichtnahme. Die Kläger machen keine Beeinträchtigungen geltend, die -
wie zum Beispiel die erdrückende Wirkung eines benachbarten Bauwerkes - ihre
Ursachen auch in anderen als in den Umwelteinwirkungen des Blockes V haben
könnten. Damit bestimmt sich das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit
Wirkung auch für das Baurecht allein nach den nachbarschützenden Vorschriften
des Bundesimmissionsschutzgesetzes, denen gegenüber das Baurecht einen
weitergehenden Nachbarschutz nicht zu vermitteln vermag (BVerwG, Urteile vom
30. September 1983 - 4 C 74.78 -, BVerwGE 68, 58, 59 und - 4 C 18.80 -, NJW
1984, S. 250).
4. Soweit die Kläger das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung rügen, können
sie mit dieser Rüge nicht durchdringen, weil die "Richtlinien des Rates der
Europäischen Gemeinschaften über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten" vom 27. Juni 1985 - 85/337/EWG -
(ABl. Nr. L 175/40 ff., abgedruckt in: DVBl. 1987, S. 829 ff.) trotz Umsetzung durch
Gesetz - UVPG - vom 12. Februar 1990 (BGBl. I S. 205) bis zum Erlaß einer
entsprechenden Rechtsverordnung auf die hier streitbefangene Genehmigung
keine Anwendung finden (Art. 14 Abs. 3 dieses Gesetzes, a.a.O.). Eine
unmittelbare Anwendung der UVP-Richtlinien scheidet dagegen mangels
hinreichender Bestimmtheit aus (offengelassen von BayVGH, Urteil vom 24.
August 1990 - 8 A 89.40037 u.a. - BayVBl. 1991, S. 303/304 unter Hinweis auf die
"richtlinienkonformen" Vorschriften der dort im Rahmen einer
fernstraßenrechtlichen Planfeststellung anzuwendenden innerstaatlichen
Vorschriften), so daß es auf die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (a.a.O.)
geäußerten Zweifel, ob die UVP-Richtlinien überhaupt Rechte festlegen, die vom
einzelnen dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können, für die
Entscheidung nicht ankommt.
5. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Blockes V verletzt die Kläger
nicht in ihrer gemeindlichen Planungshoheit für ihren eigenen örtlichen Bereich. Es
kann dahinstehen, ob diese den Klägern auch im immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren zustehende geschützte Rechtsposition überhaupt auf
gesetzlichen Regelungen zur Raumordnung und Landesplanung beruht (verneint
vom BVerwG, Urteil vom 21. Februar 1973 - IV 69.72 -, BayVBl. 1973, S. 274, 276)
und ob durch das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen konkrete
Beeinträchtigungen von Planungen der Kläger tatsächlich zu befürchten sind, etwa
in dem Sinne, daß aufgrund der Auswirkungen des Blockes V mit einer Aufgabe,
Reduzierung oder Änderung bestimmter örtlicher Bauleitplanungsprojekte zu
rechnen wäre. Denn der im Rahmen einer Änderungsgenehmigung zugelassene
Bau und Betrieb des Blockes V des Kraftwerks S steht im Einklang mit den Zielen
der Raumordnung und Landesplanung, die ihren Niederschlag im Regionalen
Raumordnungsplan Südhessen - RROPS - vom 22. Dezember 1986 (StAnz. 1987,
S. 388 f.) gefunden haben.
Ausweislich der im Textteil dieses RROPS unter Nr. 4.3.3 Energie beschriebenen
Planungen und Maßnahmen findet sich unter dem Stichwort "Elektrizität" folgende
Aussage: "Die Kapazität der Kohlekraftwerke in der Planungsregion Südhessen ist
zu erhalten und ggf. auszubauen..." (StAnz. 1987, S. 410). Die Errichtung und der
Betrieb des Blockes V stellt sich als Ausbau der Kapazität des Kohlekraftwerks St
dar und läßt einen Widerspruch zu dem beschreibenden Teil des RROPS nicht
erkennen. Aus der Tatsache, daß im Kartenteil des RROPS (Teilkarte 2 - Verkehr
und Versorgung - 12.86) der Kraftwerksstandort durch Verwendung des
entsprechenden Symbols lediglich in seinem Bestand gekennzeichnet ist, nicht
dagegen das Zeichen für eine weitere Kraftwerksplanung verwendet wurde, läßt
sich eine Sperre für die Erweiterung des bestehenden Kraftwerkes St durch
Errichtung eines weiteren Blocks nicht herleiten. Abgesehen davon, daß sich für die
Beurteilung der Festlegung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung in
Raumordnungsplänen ein isoliertes Abstellen auf den Kartenteil verbietet, vielmehr
Text und Karte im Zusammenhang zu verstehen sind, wurde im Kartenteil des hier
einschlägigen RROPS darauf verzichtet, so wie noch im Vorläufer (Regionaler
Raumordnungsplan für die Planungsregion Untermain - RPU - vom 15. Juni 1979,
StAnz. 1979, S. 1286) bei einer differenzierten Darstellung der vorhandenen und
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StAnz. 1979, S. 1286) bei einer differenzierten Darstellung der vorhandenen und
geplanten Kraftwerke die Symbole zugleich mit den Leistungsangaben in MW zu
versehen (so geschehen im sachlichen Teilplan zum RPU, II. Karten - Verkehr und
Versorgung 1978). Auch dieser Verzicht von Leistungsangaben im Kartenteil
spricht vor dem Hintergrund eines den weiteren Ausbau der Kohlekraftwerke in der
Planungsregion Südhessen ausdrücklich zulassenden Textteiles im RROPS
dagegen, einen Widerspruch des genehmigten Vorhabens mit Zielen der
Raumordnung und Landesplanung anzunehmen.
Konnte danach die Genehmigung des Blocks V auf der Grundlage des derzeit
verbindlichen RROPS erfolgen und bedurfte es insoweit nicht der Änderung dieses
Planes mittels Durchführung eines Raumordnungsverfahrens - davon ist auch der
Haupt- und Planungsausschuß der regionalen Planungsversammlung Südhessen
in seiner Sitzung vom 12. Juli 1989 ausgegangen, in der er der Errichtung des
Blocks V zugestimmt hat, ohne ein Raumordnungsverfahren für erforderlich zu
halten (siehe dazu Drucksache für den Haupt- und Planungsausschuß, Nr.: II/P
40.1 in den in der Aufstellung unter C, III. d) in Bezug genommenen Stehordner der
Behördenakten der Oberen Landesplanungsbehörde beim Regierungspräsidium D,
ohne Seitenzahlen) -, so erübrigt sich die Frage, ob die Kläger an einem solchen
Verfahren hätten beteiligt werden müssen.
Nach alledem ist die von den Klägern im Zusammenhang mit einer
Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit erhobene Rüge der Verletzung von
Beteiligungsrechten unbeachtlich.
Die Beeinträchtigung der Planungshoheit kann schließlich auch nicht auf einen
Verstoß gegen § 50 BImSchG gestützt werden.
Nach dieser Vorschrift sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die
für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, daß
schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem
Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete soweit
wie möglich vermieden werden. Zwar stellt sich die behördliche Genehmigung des
Blocks V als raumbedeutsame Maßnahme im Sinne des § 50 BImSchG dar, weil
die genehmigte Anlage wegen der von ihr ausgehenden Emissionen auch die
Bodennutzung in der Umgebung beeinflußt und die Behörde die Bodenordnung bei
ihrer Genehmigungsentscheidung auch zu berücksichtigen hat; aber für
drittgeschützte Rechte, die die Kläger nur im Wege einer Nachbarklage geltend
machen können, kommt es allein darauf an, ob die konkret von der anlage
ausgehenden Umwelteinwirkungen das gerade für die Kläger zumutbare Maß
überschreiten, nicht dagegen darauf, ob eine potentiell immissionsträchtige
Kraftwerksanlage etwa unter Verstoß gegen abstrakte Planungsleitsätze
genehmigt worden ist (BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - 4 C 74.78 -,
BVerwGE 68, 58, 61). Der erkennende Senat hält auch im Hauptsacheverfahren an
der bereits im Eilverfahren (8 R 3118/89, a.a.O.) vertretenen Auffassung fest, daß
der in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig verneinte Drittschutzcharakter des
§ 50 BImSchG (siehe dazu die Hinweise bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer,
GewO Bd. III Umweltrecht, § 50 BImSchG, Rdnr. 70) auch für Gebietskörperschaften
nicht zu bejahen ist.
Daß von der genehmigten Anlage Block V des Kraftwerks S schädliche
Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche
Belästigungen für die Kläger nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG), wird im nun folgenden Abschnitt der Entscheidungsgründe dargelegt.
6. Es ist im Sinne des § 6 Nr. 1 BImSchG sichergestellt, daß durch die erteilte
Genehmigung die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Pflichten zum
Schutze gerade der Kläger erfüllt werden. Die Begriffe "sichergestellt" und
"schädliche Umwelteinwirkungen ... nicht hervorgerufen werden können", haben
nicht die Bedeutung, daß jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von
schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein muß. Ob die Immissionen
geeignet sind, die genannten Beeinträchtigungen herbeizuführen, richtet sich nach
der allgemeinen Lebenserfahrung, insbesondere nach dem Stand der
Wissenschaft. Risiken, die als solche anerkannt sind, müssen mit hinreichender,
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 - 1 C 102.76 -,
BVerwGE 55, 251, 254). Von einem solchen im Sinne der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu verlangenden Ausschluß ist der Senat nach Würdigung der
dem Genehmigungsbescheid zugrundegelegten sachverständigen Ermittlung des
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dem Genehmigungsbescheid zugrundegelegten sachverständigen Ermittlung des
TÜV H und der Prognosen des TÜV R sowie der fachbehördlichen Stellungnahmen
der Hessischen Landesanstalt für Umwelt (HLfU) überzeugt. Etwaige offene Fragen
der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in bezug auf die von der
Genehmigungsbehörde angestellten Ermittlungen und Bewertungen der
Genehmigungsvoraussetzungen - ein solches von den Klägern gerügtes
behördliches Ermittlungsdefizit allein würde anders als im Atomrecht und im
Planungsrecht nicht schon zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen
(BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 -, GewA. 1991, S. 190,
193/194) - sind in der mündlichen Verhandlung durch Anhörung derjenigen
"Sachverständigen", die im Genehmigungsverfahren die schriftlichen Gutachten
erstellt bzw. die fachbehördlichen Stellungnahmen abgegeben haben, in einer für
den Senat nachvollziehbaren Weise beantwortet worden. Ohne daß sich eine
weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, rechtfertigen diese
Darlegungen den Schluß, daß Immissionen, die von dem Betrieb des
genehmigungsbedürftigen Blocks V der Beigeladenen bei Zugrundelegung der
angefochtenen Genehmigung noch ausgehen können, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG maßgebliche Grenze des Zumutbaren für die Kläger nicht überschreiten
werden.
In bezug auf den Lärmschutz, gegen den im Verwaltungsverfahren noch
Einwendungen erhoben worden sind, ergeben sich keine Probleme, die - auch aus
der Sicht der Kläger - durch die im Genehmigungsbescheid (dort S. 85 ff. unter Nr.
13 und S. 162) enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der Technischen
Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) in Verbindung mit der VDI-Richtlinie
2058 Bl. 1 als nicht gelöst angesehen werden können; die Kläger haben
dahingehende frühere Bedenken gegen die Einhaltung der Grenzwerte für Lärm
beim Betrieb eines zusätzlichen Kraftwerksblockes im Bereich G im Klageverfahren
nicht mehr geltend gemacht. Es sind deshalb ausschließlich Fragen der
Luftreinhaltung zu erörtern, wobei der Prüfung, ob sichergestellt ist, daß durch das
genehmigte Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen infolge von
Luftverunreinigungen nicht hervorgerufen werden können, die geeignet sind,
Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die
Nachbarschaft herbeizuführen, grundsätzlich die Technische Anleitung zur
Reinhaltung der Luft - TA Luft - vom 27. Februar 1986 (GMBl. S. 95 ber. S. 202)
zugrundezulegen ist.
Der TA Luft als einer aufgrund des § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschrift
kommt unabhängig von ihrer dogmatischen Qualifizierung (vgl. dazu Hess. VGH,
Beschluß vom 31. Mai 1990 - 8 R 3118/89 -, a.a.O. mit zahlreichen Hinweisen auf
Rechtsprechung und Literatur sowie den dort nicht zitierten Beschluß des BVerwG
vom 13. Juli 1989 - 7 B 50.89 -, Rdl 1990, S. 34 und jüngst BVerwG, Beschluß vom
24. Mai 1991 - 7 B 148.90 -) nach wie vor grundlegende Bedeutung bei der
Beurteilung sowohl von Immissionen als auch von Emissionen, mithin zur
Konkretisierung der in §§ 1, 3 und 5 BImSchG aufgestellten gesetzlichen
Anforderungen zu.
An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts dadurch, daß der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - in den beiden Urteilen vom 30. Mai 1991,
in denen eine mangelhafte Umsetzung von Luftreinhaltungsrichtlinien betreffend
Schwefeldioxid und Schwebstaub (Rs C - 361/88 - NVwZ 1991, S. 866) bzw.
betreffend Blei (Rs C - 59/89 - NVwZ 1991, S. 868) durch die Bundesrepublik
Deutschland festgestellt worden ist, die Auffassung vertreten hat, daß in der TA
Luft zwar die in den Richtlinien vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten seien,
die TA Luft aber nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, nämlich nicht
für alle, sondern nur für genehmigungsbedürftige Anlagen gelte, und zudem über
ihre Verbindlichkeit für die Verwaltung hinaus unmittelbare Wirkung gegenüber
Dritten nicht entfalte. Damit ist nicht gesagt, daß die immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsbehörden bei der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die
Genehmigung einer Anlage die in der TA Luft enthaltenen Erkenntnisse zur
Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze von Immissionen nicht zugrundelegen
dürften. Mit dem vom Europäischen Gerichtshof im Ergebnis lediglich gerügten
Fehlen einer verbindlichen, konkreten, bestimmten und klaren Durchführung der
Grenzwerte für Schwefeldioxid, Schwebstaub und Blei enthaltenden Richtlinien wird
weder die Tauglichkeit noch die Anwendbarkeit der TA Luft als Konkretisierung
nationalgesetzlich unbestimmter Rechtsbegriffe im Einzelfall in Frage gestellt.
Soweit die gemeinschaftsrechtlichen Luftreinhaltungsrichtlinien gegenüber dem
nationalen Recht vorrangige Geltung beanspruchen können, ist daran zu erinnern,
daß die in der TA Luft vorgesehenen Richtwerte denjenigen in den Richtlinien nicht
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daß die in der TA Luft vorgesehenen Richtwerte denjenigen in den Richtlinien nicht
widersprechen. Die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
zielen daher auf den Erlaß einer der Rechtssicherheit dienenden Rechtsnorm mit
einem der TA Luft entsprechenden Inhalt, nicht dagegen auf eine inhaltliche
Veränderung des Regelwerks.
Die inhaltlichen Aussagen der TA Luft, die insbesondere durch die Art und Weise
der Festlegung eine wissenschaftliche Untermauerung erfahren haben, können nur
bei konkret feststellbaren Weiterentwicklungen übergangen werden.
Anhaltspunkte, die für ein generelles Überholtsein der TA Luft durch gesicherte
Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik sprechen, liegen nicht vor.
Insbesondere erreichen die klägerischen Ausführungen, mit denen lediglich
Unsicherheiten und Zweifel an der Tauglichkeit und Aussagekraft einzelner in der
TA Luft aufgestellter Werte artikuliert werden, nicht den Grad gesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnisse, der einem Vorgehen nach der TA Luft schon im
Ansatz entgegenstünde. Ob die in der TA Luft angesprochenen Festsetzungen
(noch) wissenschaftlich zutreffen oder nicht, kann nicht - wie von den Klägern im
Wege eines Beweisantrages zunächst gegenüber dem Beklagten (Anlage 2 zum
Schriftsatz vom 31. März 1990) und jetzt hilfsweise gegenüber dem Gericht
verlangt - durch Einholung von Sachverständigengutachten falsifiziert oder
verifiziert werden. Abgesehen davon, daß die in der TA Luft festlegten
Immissionswerte sowie die Verfahren zu ihrer Ermittlung wegen ihres nach
Anhörung der beteiligten Kreise zustandegekommenen naturwissenschaftlich
fundierten fachlichen Aussagegehalts für die Beurteilung der Schädlichkeit von
Umwelteinwirkungen eine weitaus verläßlichere Basis darstellen als eine für den
jeweiligen Einzelfall angestellte Untersuchung ohne diese Basis (so schon BVerwG,
Urteil vom 17. Februar 1978 - 1 C 102.76 -, BVerwGE 55, 250, 256 unter
Einordnung der TA Luft als "antizipiertes Sachverständigengutachten"; sodann
BVerwG, Beschluß vom 15. Februar 1988 - 7 B 219.87 -, NVwZ 1988, S. 824/825,
das nunmehr die TA Luft als eine zur Konkretisierung der Anforderungen der §§ 1,
3 und 5 BImSchG erlassene Verwaltungsvorschrift ansieht, ohne jedoch eine
Qualifizierung als "normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift" vorzunehmen),
zielen die Kläger mit diesem Beweisantrag erkennbar darauf ab, durch bloßes
Infragestellen des erreichten Erkenntnisstandes den jeweiligen Meinungsstand der
Wissenschaftler zur Wirkung von Luftschadstoffen zu ermitteln. Damit
überschätzen sie freilich Maß und Umfang sowohl der aus § 86 Abs. 1 VwGO
folgenden Sachaufklärungspflicht als auch der Rechtskontrolle. Das
Gerichtsverfahren soll nicht schon vor der Rechtsanwendung zum Ort des Dialogs
und der Kontroversen von Sachverständigen, die Richter sollen nicht zu
Schiedsrichtern im Streit von Experten werden (ähnlich zur Frage der Beurteilung
von einer "erheblichen Gefährdung" im Sinne des § 17 Abs. 5 Atomgesetz, Hess.
VGH, Beschluß vom 28. Juni 1989 - 8 Q 2809/88 -, Entscheidungsabdruck S. 39,
43, NVwZ 1989, S. 1183, 1188 unter Hinweis auf BVerwGE 72, 300, 318; wie hier
jüngst Wahl, Risikobetrachtung und richterliche Kontrolldichte, NVwZ 1991, S. 409,
414). Es ist deshalb nicht Aufgabe der Gerichte, anläßlich der Entscheidung über
einen Einzelfall Gutachten schon zu der Frage einzuholen, ob die Regelungen in
standardisierten Verwaltungsvorschriften - insbesondere die Aufnahme
bestimmter Schadstoffe, die Festsetzung von Immissionswerten, die Verfahren zur
Ermittlung von Kenngrößen der Vorbelastung, der Zusatzbelastung und
Gesamtbelastung sowie schließlich die Optionen bei Überschreitung oder trotz
Einhaltens bestimmter Immissionswerte - "richtig" oder "falsch" sind. Dafür, daß
die in der TA Luft getroffenen Festlegungen dem gegenwärtigen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand nicht mehr genügen - nur dann dürfte der Senat eine Korrektur
dieser Standards ins Auge fassen -, ergeben sich keine Anhaltspunkte, die konkret
genug wären, um ihnen nachzugehen.
Das gilt namentlich auch für die Beurteilung derjenigen Umwelteinwirkungen, die
durch Verbrennungsprozesse fossiler Brennstoffe in Großfeuerungsanlagen mit
einer Feuerungswärmeleistung von max. 1.370 MW - unter Berücksichtigung der
Gefahr des Zusammenwirkens verschiedener Luftverunreinigungen -
hervorgerufen werden. Es ist nicht gerechtfertigt, Großfeuerungsanlagen von
vornherein von den Standards der TA Luft auszunehmen und sie allgemein einer
gesonderten Beurteilung zu unterwerfen (OVG Lüneburg, Beschluß vom 28.
Februar 1985 - 7 B 64/84 -, DVBl. 1985, S. 1322, 1325).
Scheidet danach eine Beweisaufnahme über diese Thematik aus und durfte der
Beklagte der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen die in der TA Luft
aufgestellten Bewertungsmaßstäbe zugrundelegen, so kommt es für die Frage, ob
die genehmigte Anlagenänderung den erforderlichen Schutz der Kläger bietet,
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die genehmigte Anlagenänderung den erforderlichen Schutz der Kläger bietet,
darauf an, ob der Beklagte im Einzelfall die Vorgaben der TA Luft in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei umgesetzt hat.
Die vom Beklagten dazu eingeschlagene Vorgehensweise entspricht der
Systematik der TA Luft, die im wesentlichen darauf hinausläuft, eine aus
festgestellter Vorbelastung und zu erwartender Zusatzbelastung addierte
Gesamtbelastung mit den Immissionswerten für die Kurzzeit- und
Langzeitbelastung zu vergleichen.
Dabei gilt, wie oben unter II. 1. schon hervorgehoben, daß sich die Kläger als
Gebietskörperschaften nicht auf die Rechte ihrer Bürger berufen können, so daß
auf die von der Anlage vermeintlich ausgehenden Gesundheitsgefahren
grundsätzlich nicht abgestellt werden kann. Praktisch erfährt dieser Grundsatz
aber dadurch eine Einschränkung, daß die Trennungslinie zwischen den Gefahren,
die von bestimmten vom Block V des Kraftwerks emittierten Schadstoffen
verursacht werden können, nicht ohne jede Ausnahme danach scharf zu ziehen
ist, ob diese Gefahren für Menschen oder nur für Sachgüter bestehen. Deshalb
sind bei der gerichtlichen Prüfung der die Zumutbarkeitsgrenze bestimmenden
Gesichtspunkte solche Schadstoffe, die bei rein naturwissenschaftlicher
Betrachtungsweise Gefahren möglicherweise ausschließlich für die menschliche
Gesundheit hervorzurufen geeignet sind, ebensowenig aus der Betrachtung
ausgeblendet worden wie die im Hinblick auf die menschliche Gesundheit
festgesetzten Immissions- und Emissionswerte.
Soweit es um die Prüfung der Schädlichkeit von Stoffen geht, für die in der TA Luft
Immissionswerte festgelegt sind, hat der Beklagte den in Nr. 2.2.1.1 und Nr.
2.2.1.2 abschließend enthaltenen Grundsätzen folgend eine solche sowohl im
Hinblick auf den Schutz vor Gesundheitsgefahren als auch im Hinblick auf den
Schutz vor erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen vorgenommen;
soweit Immissionswerte für Schadstoffe in der TA Luft nicht festgelegt sind sowie in
den Fällen, in denen in Nrn. 2.2.1.1 und 2 ein entsprechender Hinweis enthalten
ist, hat der Beklagte eine sogenannte Sonderfallprüfung nach Nr. 2.2.1.3
durchgeführt.
Bei der Ermittlung der mit den Immissionswerten der TA Luft zu vergleichenden
Kenngrößen der sich aus der Summe von Vorbelastung und Zusatzbelastung
ergebenden Gesamtbelastung hat der Beklagte auch das in Nr. 2.6 festgelegte
Verfahren eingehalten, soweit davon nicht bei Vorliegen der in Nr. 2.6.1.1
genannten Voraussetzungen abgesehen werden konnte.
Ausweislich der Gegenüberstellung auf Seite 121 des Genehmigungsbescheides
vom 31. August 1989 (Bl. 1347 ff. der gelben Hefter) überschreiten die aus den
Kenngrößen für die Vorbelastung und die Zusatzbelastung gebildeten Kenngrößen
für die Gesamtbelastung auf keiner Beurteilungsfläche die in Nr. 2.5.1 zum
Schutze vor Gesundheitsgefahren sowie die in Nr. 2.5.2 zum Schutze vor
erheblichen Nachteilen und Belästigungen festgesetzten Immissionswerte der
folgenden Schadstoffe: Schwebstaub (ohne Berücksichtigung der
Staubinhaltsstoffe), Blei und anorganische Bleiverbindungen als Bestandteile des
Schwebstaubes, Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen als
Bestandteile des Schwebstaubes, Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid (Nr. 2.5.1)
sowie Staubniederschlag (Nr. 2.5.2).
Das in dieser Gegenüberstellung zu bemerkende Fehlen einer Aufnahme der in Nr.
2.5.1 genannten Schadstoffe Chlor, Chlorwasserstoff und Kohlenmonoxid sowie der
in Nr. 2.5.2 genannten Schadstoffe Thallium und anorganische
Thalliumverbindungen als Bestandteile des Staubniederschlages und
Fluorwasserstoff und anorganische gasförmige Fluorverbindungen ist ebenso
unbeachtlich wie die dort in der Tat festgestellte Überschreitung der in Nr. 2.5.2
aufgestellten Immissionswerte für Blei und anorganische Bleiverbindungen bzw. für
Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen jeweils als Bestandteile des
Staubniederschlages.
Die unterbliebene Betrachtung der oben genannten Stoffe im Wege einer
Gegenüberstellung von in Nr. 2.5.1 und Nr. 2.5.2 festgesetzten Immissionswerten
mit den Kenngrößen der Gesamtbelastung beruht ersichtlich auf einer
mangelnden Notwendigkeit wegen entweder schon fehlender Emission solcher
Stoffe durch die Anlage überhaupt oder wegen der Möglichkeit des Rückgriffs auf
anderweitige Messungen und Beurteilungen von Immissionsbelastungskenngrößen
sowie schließlich wegen Nichtüberschreitens bestimmter Massenströme von über
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sowie schließlich wegen Nichtüberschreitens bestimmter Massenströme von über
Schornstein abgeleiteten Emissionen.
Die bei der Gegenüberstellung von in Nr. 2.5.2 festgesetzten Immissionswerten
und den ermittelten Kenngrößen der Gesamtbelastung festgestellten
Überschreitungen von Blei und Cadmium im Staubniederschlag sind selbst dann
nicht erheblich, wenn man sie trotz der - auch nach Überzeugung des Senats für
den Schadstoff Blei vorliegenden - Meßverfälschung bei der Ermittlung der
Vorbelastung mit in die Bewertung einbezieht, weil hinsichtlich beider Stoffe die
Zusatzbelastung (I1Z) auf der maßgeblichen Beurteilungsfläche die im Anhang A
der TA Luft festgelegten Werte nicht überschreitet. Die dagegen von den Klägern
erhobenen tatsächlichen und rechtlichen Einwände vermögen die von ihnen
begehrte Aufhebung der Genehmigung nicht zu rechtfertigen; sie sind teilweise in
der Sache unzutreffend, im übrigen halten sich die möglichen Auswirkungen dieser
Einwände selbst im Falle ihrer Richtigkeit noch im Bereich des
Sicherheitsspielraumes der zu beachtenden konservativen Annahmen. Im
einzelnen:
a) Fehler bei der durch den TÜV H durchgeführten Ermittlung der Vorbelastung
sind nicht festzustellen.
Gegen die räumliche Festlegung des Beurteilungsgebietes im Sinne der Nr. 2.6.2.2
wird - jedenfalls im Klageverfahren - nichts eingewandt. Es ist auch sonst nicht
ersichtlich, daß es zu lasten der Kläger falsch bestimmt sein könnte. Die -
zugunsten der Kläger - zugrundegelegte konservative Annahme eines maximal
200 m hohen Schornsteins führt bei einer Multiplikation mit 30 zu einem
annähernd doppelt so großen Radius von 6 km um den Emissionsschwerpunkt wie
bei Zugrundelegung der vom TÜV R nach Nr. 2.4.3 ermittelten Schornsteinhöhe
von 101,2 m. Die noch im Einwendungsverfahren erhobene Rüge einer zu kleinen
Dimensionierung des Beurteilungsgebietes geht damit ins Leere. Die gewählten
Beurteilungsflächen mit 1 km x 1 km entsprechen ebenfalls der TA Luft (Nr.
2.6.2.3); Besonderheiten, die eine Verkleinerung der Beurteilungsflächen hätten
notwendig erscheinen lassen (Nr. 2.6.2.3 Abs. 2), sind nicht vorgetragen und
angesichts der aufgezeigten Beurteilungsmöglichkeiten bei einem Raster von 1 km
Seitenlänge auch anderweitig nicht ersichtlich.
In zeitlicher Hinsicht sind die Meßwerte ebenfalls fehlerfrei ermittelt worden. Bei der
vom TÜV H gewählten diskontinuierlichen Messung konnten die Kenngrößen aus
einem Meßzeitraum herangezogen werden, der nicht mehr als 2 1/2 Jahre vor der
Antragstellung liegt (Nr. 2.6.3.2), weil Kenngrößen aus drei aufeinander folgenden
Meßzeiträumen - also aus drei Jahren (Nr. 2.6.2.5) - nicht vorlagen. Der hier zu
berücksichtigende Meßzeitraum, dessen Länge von einem Jahr der in Nr. 2.6.2.5
genannten Regel entspricht, begann im September 1987, der Antrag auf Erteilung
der Änderungsgenehmigung wurde von der Beigeladenen im Oktober 1988
gestellt; die Frist von 2 1/2 Jahren zwischen Meßbeginn und Antragstellung ist
damit gewahrt.
Das Meßverfahren und die Meßhäufigkeit sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die
Vorbelastungsuntersuchungen erstreckten sich auf die in Nr. 2.6.2.7 genannten
Arten von Immissionen mit Ausnahme von Chlor, Fluor und anorganischen
gasförmigen Fluorverbindungen sowie von Kohlenmonoxid.
Außer für die Schadstoffe Blei und Cadmium als Bestandteile des
Staubniederschlages lagen sämtliche Kenngrößen der der Vorbelastungsmessung
unterzogenen Schadstoffe deutlich unterhalb der Immissionswerte der TA Luft (vgl.
die Betrachtung der Ergebnisse im Gutachten des TÜV H vom 16. Januar 1989, S.
67 ff.). Dieses Ergebnis sowie die seiner Ermittlung zugrundegelegte Methode wird
von den Klägern insoweit angegriffen, als das Vorbelastungsbild für die überprüften
Schadstoffe nur aufgrund eines atypischen milden Witterungsabschnittes in den
Hochwintermonaten Januar und Februar 1988 so günstig ausgefallen sei. Der
damit begründete Einwand fehlender Repräsentativität der ermittelten
Vorbelastungskenngrößen wird jedoch schon durch die schriftlichen Ausführungen
des TÜV H (a.a.O., S. 67/68) und der Hessischen Landesanstalt für Umwelt
(Stellungnahme vom 16. Januar 1989 zu dem Halbjahres-Zwischenbericht des TÜV
H vom 27. Mai 1988, Bl. 448, 453 der gelben Hefter) entkräftet: Danach ist mit
einer Überschreitung der besonders witterungsabhängigen
Schwefeldioxidimmissionen im Beurteilungsgebiet des Kraftwerks St auch bei
"durchschnittlichen" Bedingungen nicht zu rechnen. Diese Schlußfolgerung zieht
der TÜV H aus Meßergebnissen, die durch kontinuierliche Messungen sowohl der
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der TÜV H aus Meßergebnissen, die durch kontinuierliche Messungen sowohl der
Hessischen Landesanstalt für Umwelt als auch des Bayerischen Landesamtes für
Umweltschutz in den vorangegangenen fünf Jahren mit extrem zahlreichen
Inversionswetterlagen registriert worden sind, und die - ebenso wie die aufgrund
diskontinuierlicher Messungen gewonnenen, im Luftreinhalteplan U genannten
Werte - um etwa den doppelten Betrag über dem 1987/88 gemessenen Niveau
und damit immer noch deutlich unterhalb der in der TA Luft festgelegten SO 2-
Werte liegen. Dagegen hätten die Kenngrößen der NO 2-Immissionen keine
nennenswerte Minderung durch die ungewöhnliche Witterung der beiden
Hochwintermonate erfahren; dies zeige ein Vergleich der sowohl durch
diskontinuierliche Vorbelastungsmessungen als auch durch kontinuierliche
Messungen durch die Hessische Landesanstalt für Umwelt gewonnenen
Ergebnisse mit dem Mittelwert der letzten fünf Jahre. Ähnlich sehe es bei den NO-
Immissionen aus, für die die TA Luft keine Immissionswerte kennt. Mit diesen
Ausführungen konnte sich der Senat zufrieden geben, zumal die Sachverständigen
Dr. und Dr. in der mündlichen Verhandlung ihre Darlegungen in den schriftlichen
Gutachten erläutert und dadurch bestätigt haben, daß sie auf einen weiteren
allgemein beobachteten Rückgang der Belastung durch Schwefeldioxid im
Beurteilungsgebiet hingewiesen haben. Angesichts dieser plausiblen Ausführungen
bestand kein Anlaß zur Einholung weiterer Auskünfte oder gutachtlichen
Äußerungen. Denn ohne ein gewisses Maß an Vertrauen in die Kompetenz und
Redlichkeit von Sachverständigen und Fachbehörden könnten Verfahren dieses
Schwierigkeitsgrades nicht mehr bewältigt werden, zumal bei der
Betrachtungsweise der Kläger jeder Baustein der letztlich zu prognostizierenden
Umweltschädlichkeit von Immissionen, angefangen bei jeder einzelnen
Vorbelastungsmessung, pauschal in Frage gestellt werden könnte. Jedenfalls
werden auch hier im Zusammenhang mit der Frage nach der Repräsentativität
tatsächlich ermittelter Vorbelastungskenngrößen - ebenso wie an anderen Stellen,
in denen anstatt auf tatsächliche Ermittlungen auf Prognosen und Erfahrungssätze
zurückgegriffen wird -, die dem Genehmigungsbescheid zugrundegelegten
Annahmen durch Plausibilitätsbetrachtungen gestützt.
Ebenso an dieser Stelle wie insgesamt für die Beurteilung der
Genehmigungsfähigkeit des Blockes V kommt dem Umstand, daß sich das
Vorhaben in einem Smog- und Belastungsgebiet befindet, für sich betrachtet
keine Bedeutung zu. Insoweit weisen der Beklagte und die Beigeladene zu Recht
darauf hin, daß auch in solchen Gebieten die Grenzen der Zumutbarkeit von
schädlichen Umwelteinwirkungen allein nach dem Schutzgrundsatz des § 5 Abs. 1
Nr. 1 BImSchG zu bestimmen sind und im übrigen die Behörde von Fall zu Fall auf
standortspezifische Auswirkungen reagieren kann.
Daß der Beklagte auf die Messung der Vorbelastung der in Nr. 2.6.2.7
aufgeführten Schadstoffe Chlor, Fluor und anorganische gasförmige
Fluorverbindungen sowie Kohlenmonoxid verzichtet hat, ist einleuchtend. Denn
entweder war eine solche Messung entbehrlich, weil Block V einen in Nr. 2.6.2.7
aufgeführten Schadstoff - hier Chlor - gar nicht emittiert oder weil die Kenngrößen
der Vorbelastung für die anderen dort genannten Schadstoffe entweder bereits
aufgrund anderer Messungen bekannt sind - hier durch den Luftreinhalteplan U
bezüglich der Schadstoffe Chlorwasserstoff, Kohlenmonoxid und Fluor bzw.
Fluorwasserstoff - oder sich die Ermittlung der Vorbelastung angesichts einer
minimalen Zusatzbelastung erübrigt.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich keine Bedenken, daß Art und Umfang der
vom Beklagten ermittelten Vorbelastung als Element der Immissionsprognose zu
billigen sind.
b) Die vom TÜV R vorgenommene Ermittlung der Zusatz- und Gesamtbelastung
von Luftschadstoffen durch die genehmigte Anlage weist keine Mängel auf, die die
Einhaltung der Immissionswerte zweifelhaft erscheinen lassen. In seiner
abschließenden Immissionsprognose vom 3. März 1989 kommt der TÜV R nach
ausführlicher Beschreibung der Emissions- und Immissionssituation, des nach dem
Entwurf der VDI-Richtlinie 3784, Bl. 2, vom Mai 1988 zugrundegelegten
Beurteilungsgebietes in einer durch den Radius von 7,075 km ausgewiesenen
Größe mit 131 Beurteilungsflächen von 1 km x 1 km Größe sowie des
Rechenverfahrens für das Ausbreitungsverhalten von - wie hier über Kühltürme
abgeleiteten - Rauchgasen (abweichend von dem im Anhang C der TA Luft
vorgesehenen Ausbreitungsmodell bei Ableitung luftfremder Stoffe über
Schornsteine nach einem von einer Expertengruppe eingebrachten "Vorschlag für
ein Verfahren zur Ermittlung von Immissionskenngrößen für die Zusatzbelastung
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ein Verfahren zur Ermittlung von Immissionskenngrößen für die Zusatzbelastung
bei Ableitung von Rauchgasen über Naturzug-Naßkühltürme") unter
Berücksichtigung des Gebäudeeinflusses (Verstärkungsfaktoren) und der
metereologischen Situation zu dem zusammenfassenden Ergebnis, daß bis auf
die Komponenten Blei und Cadmium nach Inbetriebnahme des geplanten Blockes
V auf keiner Beurteilungsfläche die Gesamtbelastung (I1G und I2G) die in der TA
Luft aufgeführten Immissionswerte (I1W und I2W) überschreiten wird. Die dabei in
Tabellen wiedergegebenen Werte zeigen, daß in dem Beurteilungsgebiet um das
Kraftwerk S die Immissionssituation eindeutig von der vorhandenen Vorbelastung
(I1V und I2V) bestimmt wird und daß die durch den geplanten neuen Block V zu
erwartende Zusatzbelastung (I1Z und I2Z) sowohl gegenüber der bereits
vorhandenen Vorbelastung als auch gegenüber den Immissionswerten der TA Luft
gering ist, nämlich im Langzeitwert unter 1 % (Ausnahme Fluor: 2,2 %) und im
Kurzzeitwert unter 5 % (Ausnahme Fluor: 10.3 %) liegt. Soweit die Kläger die
Grundlagen und Berechnungen in diesem TÜV-Bericht in einzelnen Punkten
beanstanden oder bezweifeln, geht das Vorbringen fehl oder bedarf keiner
abschließenden Bewertung. Das der Immissionsprognose zugrundeliegende
Gutachten des TÜV R geht nämlich nicht offenkundig von unzutreffenden
Voraussetzungen aus und weist keine groben, auch dem nicht Sachkundigen
erkennbare, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beeinflussende Mängel oder
unlösbare Widersprüche auf. Vielmehr liegen ihm die technischen Daten
(elektrische Leistung in MW, Feuerungswärmeleistung, Anzahl der Dampfkessel,
Brennstoffart, Rauchgasreinigungsanlagen, Schornsteinhöhe bzw. Kühlturmhöhe
sowie Standort) und auch die die Emissionssituation im übrigen prägenden
Angaben (Betriebszeiten und Lastverhalten bei Betrieb sowohl ohne als auch mit
Wärmeauskopplung) zugrunde, die entgegen der Behauptung der Kläger
ausweislich der Antragsunterlagen (Bände 1 und 2 der blauen Stehordner) bereits
von der Beigeladenen in das Genehmigungsverfahren eingebracht worden sind.
Wenn die Kläger gleichwohl eine erschöpfende Information aus den
Antragsunterlagen und den gutachtlichen Feststellungen vermissen, liegt darin
eine allgemeine Beanstandung fehlender Nachvollziehbarkeit, mit der sie jedoch
die Ergebnisse der Immissionsprognose nicht in Frage stellen können. Daß
komplizierte fachliche Ermittlungen wie bei einer Immissionsprognose für den
Laien nicht in allen Schritten durchschaubar sind und häufig auch nicht in allen
Schritten dargestellt werden können, muß als eine in der Natur der Sache liegende
Schwierigkeit hingenommen werden. So begegnet es insbesondere keinen
Bedenken, wenn Gutachter bei der Erstellung von Immissionsprognosen ihren
Sachverstand aus anderen Quellen, etwa aus der Fachliteratur beziehen (BVerwG,
Beschluß vom 13. Juli 1989 - 7 B 50.89 - insoweit nicht abgedruckt in RdL 1990, S.
34 f.). Auch der dahingehende Einwand der Kläger gegen die Immissionsprognose
verfängt somit nicht.
c) Zeigen nach alledem die Ergebnisse der vom TÜV R erstellen
Immissionsprognose mit Ausnahme von Blei und Cadmium im Staubniederschlag
durchweg beachtliche Abstände der zu erwartenden Gesamtbelastung von den
Immissionswerten der TA Luft, so durfte der Beklagte diese Werte jedenfalls bei
seiner Prüfung von Gesundheitsgefahren (aa) auch in der von den Klägern als
"Tabellen-Ablese-Verfahren" kritisierten Weise in seine Entscheidung einstellen und
zu dem Ergebnis gelangen, daß der Schutz vor Gesundheitsgefahren durch diese
Schadstoffe, für die Immissionswerte in Nr. 2.5.1 und Nr. 2.5.2 festgelegt aber
nicht überschritten sind, sichergestellt ist.
Bei der Prüfung von erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen (bb)
hat der Beklagte im Ergebnis ebenfalls zu Recht die Einhaltung der in der TA Luft
dazu aufgestellten Maßstäbe bejaht.
Schließlich kommt auch die vom Beklagten angestellte Sonderprüfung (cc) zu
zutreffenden Ergebnissen.
aa) Der Schutz vor Gesundheitsgefahren ist - auch soweit man die Überschreitung
der Vorbelastungskenngrößen für Blei und Cadmium im Staubniederschlag nicht
(wie für Blei) schon wegen Meßverfälschung aus der Betrachtung ausblendet -
unter jedem nach der TA Luft möglichen Gesichtspunkt sichergestellt. Dabei ist
zunächst festzustellen, daß es sich bei den Schadstoffen Blei und Cadmium im
Staubniederschlag nicht um gesundheitsrelevante Stoffe nach Nr. 2.5.1 - dort
werden Blei und Cadmium nur als Bestandteile des Schwebstaubes aufgeführt, für
die die Immissionswerte nicht überschritten werden - handelt.
Die Immissionswerte sämtlicher als immissionsseitig relevant angesehener
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Die Immissionswerte sämtlicher als immissionsseitig relevant angesehener
Schadstoffe im Sinne der Nr. 2.5.1 sind unterschritten, so daß es auf eine Prüfung
der eine Ausnahme vom Umkehrschluß, daß der Schutz nicht mehr sichergestellt
ist, wenn eine Kenngröße den zugehörigen Immissionswert überschreitet,
zulassenden Sanierungsklausel der Nr. 2.2.1.1 Buchst. b nicht ankommen kann.
Tatsächlich hat sich der Beklagte im Genehmigungsbescheid auch nicht auf diese
Sanierungsklausel berufen, sondern vielmehr deren Anwendung ausdrücklich -
wenn auch im Zusammenhang mit der Prüfung von erheblichen Nachteilen und
erheblichen Belästigungen - verneint (dort S. 123). Der insoweit mißverständliche
Hinweis, daß die für den Betrieb des Blockes V errechneten Zusatzbelastungen
I1Z für staubförmiges Blei und Cadmium unter 1 % der I1W-Werte liegen, ist
lediglich im Rahmen der vom Beklagten für erforderlich gehaltenen Sonderprüfung
erfolgt und sollte der Unterstützung der Feststellung dienen, daß diese
Einwirkungen im Hinblick auf Gesundheitsgefahren verhältnismäßig gering sind.
Die in Nr. 2.5.2 festgesetzten Immissionswerte für Blei und Cadmium, die dort als
Bestandteile des Staubniederschlags angesprochen werden, dienen neben den
anderen in dieser Nummer genannten Werten in allererster Linie als Maßstab für
den Schutz vor erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen. Wollte man
für eben diese Stoffe einen Immissionswert zum Schutze der menschlichen
Gesundheit bestimmen, so würde dieser seinem Zahlenwert nach deutlich
oberhalb der in Nr. 2.5.2 genannten Werte liegen (dazu Kutscheidt, Die Änderung
der TA Luft aus der Sicht der Rechtsprechung, NVwZ 1983, S. 581, 582). Dem
trägt die Formulierung in Nr. 2.2.1.1 Buchst. a Statz 2 Rechnung, wenn es dort
heißt, daß der Schutz der menschlichen Gesundheit "auf jeden Fall dann"
sichergestellt ist, wenn die Immissionswerte in 2.5.2 eingehalten werden. Diese
Formulierung stellt klar, daß - anders als bei Stoffen nach Nr. 2.5.1 - der
Umkehrschluß nicht gezogen werden darf, daß bei einem Überschreiten der
Immissionswerte der nicht von vornherein gesundheitsrelevanten Schadstoffe der
Schutz vor Gesundheitsgefahren nicht sichergestellt ist. Die TA Luft enthält
insoweit keine Aussage; Nr. 2.2.1.1 Buchst. a Satz 2 2. Halbsatz verweist "im
übrigen" auf die Anwendung der Nr. 2.2.1.3. Es begegnet keinen Bedenken, daß
der Beklagte in diesem den Gesundheitsschutz betreffenden Zusammenhang als
Prüfungsmaßstab auf den auch in der Sanierungsklausel (Nr. 2.2.1.1 Buchst. b
Buchst. aa) enthaltenen 1 %-Wert verweist, der durch die errechnete
Zusatzbelastung von Blei und Cadmium im Staubniederschlag nicht erreicht wird.
Neben der durchaus naheliegenden entsprechenden Anwendung dieses 1 %-
Wertes kommt auch eine Berücksichtigung der in Nr. 2.2.1.2 Buchst. c getroffenen
Regelung in Betracht:
In Buchst. c wird die Möglichkeit genutzt, den Begriff der Erheblichkeit von
Luftschadstoffen der in Nr. 2.5.2 genannten Art für den Sachgüterschutz dadurch
zu konkretisieren, daß für diese Stoffe - also auch für staubförmiges Blei und
Cadmium - eine bestimmte Zusatzbelastung gemäß Anhang A der TA Luft als
unerheblich bestimmt wird. Verbietet sich aber bereits der Umkehrschluß, daß bei
einem Überschreiten der in Nr. 2.5.2 festgesetzten, primär dem Sachgüterschutz
dienenden Immissionswerte der dort genannten Schadstoffe der Schutz vor
Gesundheitsgefahren nicht sichergestellt ist, so liegt ein Rückgriff auf die
"Irrelevanzklausel" der Nr. 2.2.1.2 Buchst. c auch im Hinblick auf den Schutz vor
Gesundheitsgefahren, die auch durch diese Schadstoffe möglicherweise
hervorgerufen werden können, immerhin nahe. Da auch die
Zusatzbelastungswerte des staubförmigen Bleis und Cadmiums weit hinter denen
der im Anhang A genannten Werte zurückbleibt (für Blei 0,5 : 7,5 ßg/qmd; für
Cadmium 0,02 : 0,15 ßg/qmd), ist die Erteilung der Genehmigung insgesamt zu
Recht wegen der Überschreitung der Immissionswerte dieser Schadstoffe nicht
versagt worden.
bb) Die Prüfung von erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, deren
Ergebnis der Beklagte auf Seite 123 des Genehmigungsbescheides wiedergibt,
läßt ebenfalls keine Fehler erkennen. Soweit es um die Betrachtung der für Blei
und Cadmium im Staubniederschlag überschrittenen Immissionswerte geht,
verweist der Beklagte zu Recht auf Nr. 2.2.1.2 Buchst. c, deren
Bedeutungslosigkeit im Rahmen der Prüfung von Gesundheitsgefahren bereits
festgestellt worden ist. Auch für den Schutz vor erheblichen Nachteilen und
erheblichen Belästigungen führt die deutliche Unterschreitung der in Anhang A der
TA Luft genannten Zusatzbelastungswerte dieser vom Block V durch
staubförmiges Blei und Cadmium zu erwartenden Immissionen dazu, die hier
angegriffene Genehmigung nicht versagen zu dürfen. Die Einhaltung der übrigen in
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angegriffene Genehmigung nicht versagen zu dürfen. Die Einhaltung der übrigen in
Nrn. 2.5.1 und 2.5.2 festgesetzten Immissionswerte, die bereits zu einer Bejahung
der Sicherstellung eines Schutzes vor Gesundheitsgefahren geführt hat, bedarf
lediglich insoweit einer gesonderten Beurteilung hinsichtlich des Schutzes vor
erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, als es um die Auswirkung
der Schadstoffe Schwefeldioxid, Fluorwasserstoff und anorganische gasförmige
Fluorverbindungen auf besonders empfindliche Tiere, Pflanzen und Sachgüter
geht. Nach Nr. 2.2.1.2 Buchst. a Abs. 2 sind bei den genannten Stoffen selbst bei
Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen nicht
ausgeschlossen. Die jetzige Regelung zum Schutze besonders empfindlicher Tiere,
Pflanzen und Sachgüter vor den Schadstoffen Schwefeldioxid und Fluor - ein
politischer Vorstoß aus dem Jahre 1978 zur Festlegung einschlägiger
Immissionsgrenzwerte war am Widerstand des Bundesrates gescheitert (dazu
Kalmbach/Schmölling, TA Luft, 2. Aufl., Rdnr. 15 zu Nr. 2.2.1.2) - sieht unabhängig
von der Vorbelastung eine Beschränkung der Zusatzbelastung auf die im Anhang
A der TA Luft festgelegten Werte vor. Auch diese sind sowohl für Schwefeldioxid
(0,88 : 2,0 ßg/mü) als auch für Fluor (0,022 : 0,05 ßg/mü) eingehalten. Die Anlage
ist also beim Vorliegen dieser Voraussetzungen, worauf der Beklagte in seinem
Genehmigungsbescheid (dort Seite 123) allein abstellt, genehmigungsfähig. Auch
den speziell gegen diese zum Schutz empfindlicher Tiere, Pflanzen und Sachgüter
in der TA Luft aufgenommenen Sondervorschriften erhobenen Einwänden der
Kläger - namentlich demjenigen, daß diese Vorschriften das Problem nicht
ausschöpften, insbesondere an dem Mangel litten, daß sie keinen Immissionswert
enthalten; Einwände, die durch die von den Klägern bereits in das Eilverfahren
eingebrachte sachverständige Beantwortung der Fragen zum Kraftwerk Staudinger
Block V von Uwe Fritsche et. al., Darmstadt, Dezember 1989 (Anlage zur
Antragsschrift vom 16. Februar 1990, dort Seite 13 ff. zu Frage 3.4) gestützt
werden, - brauchte der Senat ebenso wie den Angriffen gegen die TA Luft im
allgemeinen nicht nachzugehen. Denn auch hier liefe die Anhörung von
Sachverständigen auf das Erforschen bestimmter Einflußfaktoren (z. B. Höhe der
SO 2-Belastung, Versäuerungsgrad des Bodens, ungeeignete
Bodenbeschaffenheit usw.) und sonstiger Gegebenheiten (Pflanzenart, Größe und
Seltenheit des Pflanzenbestandes usw.) sowie ihres Zusammenwirkens
(Synergien) hinaus und würde das auf eine Einzelfallprüfung zugeschnittene und in
angemessener Zeit abzuschließende gerichtliche Verfahren überfordern, ohne
tragfähigere Konsequenzen als die bisher in der TA Luft vorhandenen zu
versprechen. Gerade durch das in Nr. 2.2.1.2 Buchst. a niedergelegte Konzept
werden die Einführung abgestufter Immissionswerte oder Schwellenwerte für
besonders empfindliche Pflanzen, Tiere und Sachgüter und die damit verbundenen
Schwierigkeiten bei der Beweisführung über Wirkungen von Schadstoffen und ihre
ökologische und ökonomische Bewertung vermieden (so auch
Kalmbach/Schmölling, a.a.O.).
Bei diesem Befund durfte auch das im Rahmen der Prüfung von erheblichen
Nachteilen und erheblichen Belästigungen gefundene Ergebnis nicht zur
Versagung der Genehmigung führen.
cc) Der Beklagte hat für die Schadstoffe Chrom, Nickel, Arsen und Kobalt als
Bestandteile des Staubniederschlages sowie für Stickstoffmonoxid (NO), Ozon (O
3) und Kohlendioxid (CO 2) eine Sonderprüfung durchgeführt
(Genehmigungsbescheid Seite 123 ff.), deren Ergebnis er mit der Feststellung
zusammenfaßt (Genehmigungsbescheid Seite 127), daß auch nach dieser gemäß
Nr. 2.2.1.3 durchgeführten Untersuchung schädliche Umwelteinwirkungen nach
Inbetriebnahme des Blockes V auszuschließen seien.
Sowohl die Durchführung dieser Prüfung als auch deren Ergebnisse halten der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.
Nach Nr. 2.2.1.3 der TA Luft ist bei Schadstoffen, für die Immissionswerte in 2.5
nicht festgelegt sind, und in den Fällen, in denen auf 2.2.1.3 verwiesen wird, eine
Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können,
erforderlich, wenn hierfür hinreichende Anhaltungspunkte bestehen.
Hinreichende Anhaltspunkte sind gegeben, wenn eine Abklärung erforderlich
erscheint, ob von der Anlage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schäden,
erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen ausgehen werden. Ob der
erforderliche Schutz nach §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gewährt ist, ist
anhand des polizeilichen Gefahrenbegriffs zu bestimmen (Kutscheidt, in:
Landmann//Rohmer, GewO Bd. III Umweltrecht, § 3 BImSchG, Rdnr. 9). Eine Gefahr
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Landmann//Rohmer, GewO Bd. III Umweltrecht, § 3 BImSchG, Rdnr. 9). Eine Gefahr
im polizeirechtlichen Sinne liegt vor, wenn eine Sachlage bei objektiv zu
erwartendem, ungehindertem Geschehensablauf mit Wahrscheinlichkeit zu einer
nicht unerheblichen Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Gutes führt,
wobei der Grad der Wahrscheinlichkeit um so geringer anzusetzen ist, je größer
und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Daß eine
Aussage zur Wahrscheinlichkeit wegen bekannter Unsicherheiten in der
Abschätzung eines möglichen Kausalverlaufs erschwert ist und so nur ein
Gefahrenverdacht besteht, schließt die Annahme einer Gefahr nicht aus, stellt
vielmehr nur einen zusätzlichen Gesichtspunkt für die Entscheidung dar, ob die
Gefahrenschwelle überschritten ist (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr,
9. Aufl., S. 220, 224, 226). § 5 Abs. 1 BImSchG stimmt mit dieser Betrachtung
überein; der über Nr. 1 dieser Vorschrift zu gewährende vorbeugende
Gefahrenschutz ist von dem nicht drittschützenden (BVerwG, Urteil vom 18. Mai
1982 - 7 C 42.80 - NVwZ 1983, S. 32) Vorsorgebereich der Nr. 2 dieser Vorschrift
zu trennen, der u.a. auch den Restrisiken Rechnung tragen soll, die auf den noch
lückenhaften Kenntnissen über die Schädlichkeit bestimmter Immissionen, ihrer
Langzeitwirkung sowie möglicher synergistischer Effekte beruhen (BVerwG, Urteil
vom 17. Februar 1984 - 7 C 8.82 - NVwZ 1984, S. 371, 373). Damit ist eine
relevante Grenze innerhalb des Gefahrenverdachts aufgezeigt. Der Begriff der
Erheblichkeit, der in §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die Nachteile und
Belästigungen ausdrücklich aufgeführt ist und für die Gefahr aus der oben
wiedergegebenen Definition folgt, ist anhand der Unzumutbarkeit zu bestimmen,
die keine feststehenden Konfliktlösungen vorgibt, sondern die Abwägung und
damit die Bewertung der widerstreitenden Interessen voraussetzt, woraus sich
gewisse "Duldungsgrenzen" ergeben (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 7 C
8.82 - a.a.O.). In welchem Umfang versucht werden muß, Unsicherheiten über die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auszuräumen, ist unter Beachtung der
Bedeutung des möglicherweise betroffenen Rechtsgutes und damit unter
Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen. Die in Nr. 2.2.1.3 Abs. 2
ff. TA Luft umschriebene Zielrichtung der Prüfung trägt den sich danach
ergebenden Kriterien für §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vollständig und
zutreffend Rechnung; nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit soll die
Feststellung getroffen werden, zu welchen Einwirkungen die von der Anlage
ausgehenden Luftverunreinigungen im Beurteilungsgebiet führen, um alsdann
nach dem Stand der Wissenschaft und der allgemeinen Lebenserfahrung zu
beurteilen, ob diese Einwirkungen als Gefahren, erhebliche Nachteile oder
erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft anzusehen
sind.
Daß der Beklagte in seinem Genehmigungsbescheid die von ihm vorgenommene
Sonderprüfung auf die dort (Seite 123) bezeichneten Schadstoffe beschränkt hat,
folgt daraus, daß er für die übrigen - von den Klägern als ungeprüft gerügten -
Schadstoffe das Erfordernis einer solchen Prüfung mangels hinreichender
Anhaltspunkte für eine emissionsbedingte Umweltschädlichkeit verneint hat.
Zu dieser Einschätzung dürfte er auch in diesem Zusammenhang angesichts der
gutachtlich und fachbehördlich festgestellten Geringfügigkeit von Immissionen,
namentlich durch Ammoniak, Schwefelsäure und Salpetersäure gelangen (siehe
dazu TÜV R, Gutachten zu den metereologisch/klimatologischen und
lufthygienischen Auswirkungen des Betriebs des Naturzug-Naß-Kühlturms von
Block V im Kraftwerk S vom 25. Oktober 1988 - Bericht-Nr.: 939/618015/03, dort
Seite 9 - abgeheftet in Band 2 der blauen Stehordner, Ausfertigung: 1 unter 0-22;
sowie TÜV R, zusammenfassende Bewertung der Immissionssituation nach
Inbetriebnahme des Kraftwerksblockes V im Kraftwerk S vom 3. März 1989 -
Bericht-Nr.: 934/618015/A, dort Seite 29 und 30 ff. und HLfU, Stellungnahme vom
14. Juni 1989, Bl. 787, 796 ff. der gelben Hefter).
Auch die Silostäube bedurften wegen einer über die sogenannte Bagatellklausel
der Nr. 2.6.1.1 Abs. 5 Buchst. b ermittelten Geringfügigkeit (zur Möglichkeit eines
Rückgriffs auf die Bagatellklausel auch im Zusammenhang mit der Sonderprüfung,
Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., TA Luft Nr. 2.2.1.3 Rdnr. 9) ihrer
Immissionen keiner Sonderprüfung. Aus den Antragsunterlagen (Band 1 der
blauen Stehordner, Ausfertigung: 1, dort unter 0-11, Formular 4, Bl. 14 und 15)
ergeben sich für den Füllvorgang des Kalksilos ein Maximalwert des Massenstroms
von 0,18 kg/h und für die Entleerung der Elektro-Filteraschesilos ein Maximalwert
von 0,36 kg/h. Diese Werte liegen deutlich unterhalb des in Buchst. b der Nr.
2.6.1.1 Abs. 5 TA Luft für - wie hier - nicht über Schornstein abgeleitete Emissionen
zugelassenen Wertes für Staub (ein Zehntel von 15 kg/h = 1,5 kg/h), so daß es auf
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zugelassenen Wertes für Staub (ein Zehntel von 15 kg/h = 1,5 kg/h), so daß es auf
die immissionsseitige Staubkonzentration, auf die die Kläger abstellen, hinsichtlich
der Bestimmung einer Erheblichkeitsschwelle von Umwelteinwirkungen nicht
ankommt.
Aus alledem folgt, daß mit der vom Beklagten für die soeben abgehandelten
Schadstoffe ausgesprochenen Verneinung der Voraussetzungen für eine
Sonderprüfung nach Nr. 2.2.1.3 TA Luft zugleich feststeht, daß der Beklagte
insoweit die Genehmigungsvoraussetzungen für die Anlage der Beigeladenen
jedenfalls im Hinblick auf die Schutzansprüche der Kläger zu Recht bejaht hat und
die Genehmigung unter diesem Aspekt nicht verweigern durfte.
Die tatsächlich durchgeführte Sonderprüfung für die verbleibenden Schadstoffe
führt zu nicht zu beanstandenden Ergebnissen.
So begegnet es keinen Bedenken, wenn sich der Beklagte in seinem
Genehmigungsbescheid (dort Seite 154) die Auffassung des TÜV R zur Beurteilung
der Schadstoffe Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kobalt und Nickel zu eigen macht
und dabei dessen Ausführungen vom 8. Juni 1989 (Bl. 780/781 der gelben Hefter)
wie folgt wörtlich wiedergibt:
"Die im Immissionsgutachten Nr. 939/618015A vom 03.03.89 in der Tabelle 7
angegebenen Emissionen der Staubinhaltstoffe (As, Pb, Cd, Cr, Co, Ni) beruhen
auf mittleren Zusammensetzungen von Reingasstäuben aus Steinkohle-
Trockenfeuerung in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend einer
Veröffentlichung von H. Heinrichs, H.-J. Brumsach & H. Lange. Mit diesen
Emissionsmassenströmen werden in dem zugrundegelegten Beurteilungsgebiet 1
% der in der TA Luft für die entsprechenden Komponenten angegebene
Immissionswerte (IW1) sicher eingehalten. Die Emissionsmassenströme könnten
sogar um 100 % höher sein, um 1 % der Immissionswerte noch einzuhalten."
Wie der für die erschienene Sachverständige Dr. in der mündlichen Verhandlung
unter Hinweis auf die im Luftreinhalteplan U (dort Seite 183) dargestellte
Beurteilung von Immissionen erläutert hat, handelt es sich bei denjenigen
Immissionswerten, die - wie für Arsen, Chrom, Kobalt und Nickel - nicht in der TA
Luft festgesetzt sind, um sogenannte Immissionsvergleichswerte, die die unter
Berücksichtigung der Immissionsgrenzwerte chemisch ähnlicher Komponenten
und der in der Literatur genannten Ergebnisse von Wirkungsuntersuchungen
angesetzt hat (vgl. dazu die Ausführungen der vom 16. Januar 1989, Bl. 448 ff. der
gelben Hefter, insbesondere die Seiten 456 bis 458, auf denen die
Immissionsvergleichswerte wie folgt festgesetzt worden sind: Für Chrom 50 ßg/(qm
d), für Nickel 30 ßg/(qm d), für Arsen 10 ßg/(qm d) und für Kobalt 5 ßg/(qm d)).
Ebenfalls in der mündlichen Verhandlung hat der für den TÜV Rd erschienene
Sachverständige Dr. erläutert, nach welchem Umrechnungsmodus aus den
Größen der Emissionsmassenströme die Immissionswerte ermittelt werden.
Der Senat vermag in der wörtlichen Wiedergabe der von den Technischen
Überwachungsvereinen und der Fachbehörde gefundenen Ergebnisse einen von
den Klägern auch schon an anderer Stelle gerügten Mangel an eigenständiger
Prüfung und Beurteilung durch den Beklagten nicht zu erkennen; abgesehen
davon, daß ein solcher Mangel allein - wie bereits ausgeführt - nicht zur Aufhebung
der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führen könnte,
legen die Kläger nicht dar und können auch nicht dartun, wie anders die
Genehmigungsbehörde sachverständige Äußerungen umsetzen sollte.
Daß sich der Beklagte bei der Festsetzung der zur Emissionsbegrenzung verfügten
Auflage Nr. 14.1.11 (Seite 89 des Genehmigungsbescheides) mit 0,5 mg/mü
ebenfalls an einer vom TÜV Rheinland (a.a.O.) empfohlenen Größe orientiert hat,
ist ebensowenig zu beanstanden. Nur der Klarstellung halber sei auf den Einwand
der Kläger, mit diesem unter Heranziehung des § 3 Abs. 2 der 13. BImSchV für
andere feste Brennstoffe als Kohle vorgegebenen Wert von 0,5 mg/mü habe der
Beklagte eine der Beigeladenen günstigere Emissionsbegrenzung zugelassen als
sie in Nr. 3.1.4 TA Luft für die Schwermetalle Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kobalt
und Nickel vorgesehen sei, richtiggestellt, daß mit Ausnahme von Cadmium (0,2
mg/mü) die in Nr. 3.1.4 genannten Massenkonzentrationswerte höher liegen (für
Arsen, Kobalt und Nickel bei 1 mg/mü; für Chrom bei 5 mg/mü) als der vom
Beklagten auf 0,5 mg/mü festgesetzte Wert. Damit ist dem Schutzzweck
Drittbetroffener durch den vom Beklagten in der Auflage Nr. 14.1.11 festgesetzten
Wert also eher Rechnung getragen als mit den von den Klägern für sich
reklamierten Werten der Nr. 3.1.4 TA Luft. Die hinter der in Nr. 3.1.4 TA Luft
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reklamierten Werten der Nr. 3.1.4 TA Luft. Die hinter der in Nr. 3.1.4 TA Luft
zurückgebliebene Festsetzung der Emissionen für Cadmium (0,5 anstatt 0,2
mg/mü) ist dagegen unerheblich, da die Begrenzung und Festsetzung von
Emissionen in erster Linie den Stand der Technik zur nichtdrittschützenden
Vorsorge konkretisieren soll und lediglich als Hilfserwägung zur Erfüllung des
Schutzgrundsatzes dienen kann. Daß hinsichtlich des Schadstoffes Cadmium dem
Schutzgebot angesichts der nach Anhang A der TA Luft zu vernachlässigenden
Kenngröße der vom Block V ausgehenden Zusatzbelastung Rechnung getragen
wird, ist bereits dargelegt worden.
Eine über den Umfang der vom Beklagten vorgenommenen Betrachtung der
Luftverunreinigung durch Stickoxide (NO x), Ozon (O 3), Kohlendioxid (CO 2) und
krebserzeugende Stoffe hinausreichende Prüfung versprach weder nach dem
Stand bei Erteilung der Genehmigung - auf diesen Zeitpunkt ist abzuheben, da bei
der vorliegenden Anfechtung der die Beigeladene begünstigenden
Verwaltungsentscheidung die Sach- und Rechtslage bei Genehmigungserteilung
maßgebend ist (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 - 7 C 65.82 -, BVerwGE
72, 300, 311 f. für die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu
beurteilende erforderliche Vorsorge im Atomrecht und Beschluß vom 15. Februar
1988 - 7 B 219.87 -, DVBl. 1988, S. 539, 540 zu den Erkenntnisfortschritten als
nachträgliche Tatsachen im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG) - noch
verspricht sie auch unter Einbeziehung der Entwicklung und Kenntnisse seit
Erteilung der Genehmigung eine weitere Abklärung der Gefahrenlage, die die
Feststellung einer nur unzureichenden Befriedigung des Schutzanspruchs der
Kläger aus §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zuließe. Daß Kohlekraftwerke wie der
Block V der Beigeladenen die oben genannten Luftschadstoffe emittieren, ist
allgemein bekannt und wird vom Beklagten eingeräumt, ohne daß ihm - wie von
den Klägern - eine Verharmlosung des Problems angelastet werden könnte. Der
infolgedessen bestehende Handlungsbedarf wird auch vom Beklagten gesehen;
ihm hat er durch die im Rahmen des geltenden Rechts zur Verfügung stehenden
Konsequenzen Rechnung getragen.
Soweit es um die NO x-Emissionen und die damit verbundenen Ozon-Immissionen
geht, bewegt sich der immissionsschutzrechtliche Individualschutz gegen diese
Umweltbelastungen ebenso wie gegen die CO 2-Belastungen und die Erzeugung
krebserregender Stoffe in einer "Grauzone" zwischen Schutz- und
Vorsorgegrundsatz. In dieser Problemsituation, in der es an einer gesetzlich
normierten einklagbaren Immissionsbegrenzung fehlt, gewinnt die Betrachtung
von Emissionswerten, die nach der traditionellen Differenzierung bisher Platz nur
unter dem Titel des nicht drittschützenden Vorsorgegrundsatzes hatte (siehe zum
Meinungsstand über die Rechtsgrundlagen des Drittschutzes im
Immissionsschutzrecht Bay. VGH, Urteil vom 30. November 1988 - Nrn. 20 A
86.40030 u.a. - BayVBl. 1988, S. 530, 531), streitentscheidende Bedeutung.
Solange Kenntnisse über die Schädlichkeit bestimmter Immissionen lückenhaft
sind - zu diesem Ergebnis kommt auch der Beklagte nach den von ihm
eingeholten Informationen unter Heranziehung wissenschaftlicher Literatur und
Verwertung von Modellrechnungen -, muß durch Maßnahmen zur Verminderung
mindestens des bestehenden Gefahrenverdachts die Wahrung des
Schutzgrundsatzes sichergestellt werden. Die Zuordnung der
Emissionsbegrenzungen zum Schutzgebot weicht zwar von der grundsätzlich auf
Immissionswerte abstellenden Regelung der TA Luft in Nrn. 2.2.1.1 ff. ab, verläßt
aber dennoch nicht das System der TA Luft. Denn wie sich aus Nr. 2.2.1.5 ergibt,
stellt die TA Luft beispielsweise bei krebserzeugenden Stoffen auch für das
Schutzgebot auf die Emissionsseite ab.
Da kein Anlaß besteht, daran zu zweifeln, daß die vom Beklagten gesehenen und
deutlich gemachten Wissenslücken gerade in die abschließende Bewertung zur
wissenschaftlich vertretbaren Hinnahme von Kohlekraftwerken eingegangen sind
und die Kläger auch mit dem in das Verfahren eingebrachten Gutachten des Öko-
Institut mehr als solche Wissenslücken nicht aufzuzeigen vermochten, ist dem
Schutzanspruch der Kläger durch die in die Genehmigung aufgenommenen, an
der 13. BImSchV orientierten Emissionsbegrenzungen (Auflagen Nrn. 14.1 ff.,
Seite 87 ff. des Genehmigungsbescheides; insbesondere Nr. 14.1.10, Seite 89)
und Meßauflagen (Nr. 2.8, Seite 11 des Genehmigungsbescheides) für die der
Sonderprüfung unterzogenen Schadstoffe mit Ausnahme des Kohlendioxids
Genüge getan. Eine Emissionsbegrenzung auch für den Schadstoff Kohlendioxid
(CO 2) konnte jedoch unterbleiben, weil insofern die auf die Immissionen und die
begrenzten Einwirkungsbereiche einzelner Anlagen bezogene
Schädlichkeitsbeurteilung wegen der Weiträumigkeit und Globalisierung der
193
Schädlichkeitsbeurteilung wegen der Weiträumigkeit und Globalisierung der
fraglichen Einwirkungen versagt.
Soweit die Kläger schließlich die Einhaltung der aufgegebenen Emissionswerte
durch die Beigeladene bezweifeln, berührt dieser Einwand nicht die Rechtmäßigkeit
der angegriffenen Genehmigung; insofern kann - ebenso wie bei einer weiteren
Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse - nur durch spätere Verwaltungsakte
in die Position dessen, den die Verwaltungsentscheidung begünstigt, eingegriffen
werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.