Urteil des HessVGH vom 18.07.2003

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, anlageberatung, bestimmtheit, vergütung, form, abgrenzung, verfügung, geschäftstätigkeit, vermittler, empfehlung

1
2
3
4
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TG 3395/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 Buchst a Nr 1
KredWG, § 34c GewO
(Zur Anlagevermittlung iSv KredWG § 1 Abs 1 Buchst a Nr
1)
Leitsatz
Eine erlaubnisbedürftige Anlagevermittlung bzw. deren Nachweis gemäß § 1 Abs. 1a Nr.
1 KWG ist auch immer dann gegeben, wenn der Vermittler den Abschluss eines
konkreten Geschäfts bereits so umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der
Kunde den Auftrag nur noch zu unterschreiben und abzusenden hat.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung der
Antragsgegnerin vom 12. März 2002, mit der diese der Antragstellerin das
Erbringen der Anlage- und Abschlussvermittlung und Werbung für diese Tätigkeit
gemäß § 37 Abs. 1 KWG untersagt hat. Dabei geht es im Wesentlichen um die
Frage, ob die Antragstellerin erlaubnispflichtige Anlagevermittlung i.S.d. § 1 Abs.
1a Nr. 1 KWG oder nur erlaubnisfreie Anlageberatung (§ 1 Abs. 3 Nr. 6 KWG)
betreibt.
Mit Beschluss vom 22. November 2002 hat das Verwaltungsgericht B-Stadt den
Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt und ausgeführt, die Geschäftstätigkeit der
Antragstellerin stelle sich als Anlagevermittlung dar. Da die Antragstellerin nicht im
Besitz der erforderlichen Erlaubnis sei, habe die Antragsgegnerin zu Recht die
Einstellung dieses Betriebes verfügt. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit
ihrer am 6. Dezember 2002 eingelegten und am 27. Dezember 2002 begründeten
Beschwerde.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat sich
nicht derart mit dem verwaltungsgerichtlichen Eilbeschluss auseinandergesetzt,
dass eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung aus den von ihr
vorgetragenen Gründen in Betracht kommt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO); dabei ist
der Senat im Beschwerdevorbringen auf die Überprüfung des innerhalb der
Beschwerdefrist eingegangenen Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung bzw. Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die sofort
vollziehbare Verfügung der Antragsgegnerin mit der Begründung abgelehnt, dass
der Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. März 2002 sich aller Voraussicht nach
als rechtmäßig erweisen werde und der Vollzug der Maßnahme unter
Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eilbedürftig sei. Die
Beschwerdegründe rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Soweit die Antragstellerin zunächst rügt, das Verwaltungsgericht sei von einem
falschen Ablauf der Geschäftsvorgänge ausgegangen und insbesondere darauf
hinweist, dass eine Kontaktaufnahme zu potentiellen Interessenten nur mit deren
vorherigem Einverständnis erfolgte, so ist dies für die Frage der Abgrenzung
5
6
7
8
vorherigem Einverständnis erfolgte, so ist dies für die Frage der Abgrenzung
Anlagevermittlung oder Anlageberatung irrelevant. Ebenso ist nicht dargetan,
welche rechtlichen Folgerungen aus der von der Antragstellerin behaupteten
Tatsache zu ziehen sind, dass die Beraterverträge mit den Kunden normalerweise
vor der Zusendung des "Faxauftrags" abgeschlossen wurden. Das
Verwaltungsgericht hat für die Abgrenzung der Anlagevermittlung von der
Anlageberatung entscheidend auf den Grad der Involvierung des "Beraters" in den
Ablauf des jeweils konkreten Erwerbsvorgangs bezüglich eines bestimmten
Finanzprodukts abgestellt. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Anlagevermittlung ist gemäß § 1 Abs. 1a Nr. 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) die
Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von
Finanzinstrumenten oder deren Nachweis. Die Antragstellerin meint, da sie weder
an der Kontoeröffnung bei der R. oder einem anderen kontoführenden Institut noch
an dem eigentlichen Orderauftrag unmittelbar beteiligt sei, übe sie keine
Vermittlungstätigkeit aus (S. 5/6 der Beschwerdebegründungsschrift). Zutreffend
hat das Verwaltungsgericht jedoch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin
den Kunden zur konkreten Orderabwicklung eine Kontoeröffnung bei der R.
vermittelt und auch konkrete Anlageempfehlungen schriftlich in Form eines
vorformulierten Antrags mitteilt. Diese Form der Geschäftstätigkeit geht weit über
eine reine Beratungstätigkeit hinaus. Auch wenn die Antragstellerin meint, es
bestehe keine "Zusammenarbeit" zwischen ihr und der R. (S. 6 der
Beschwerdebegründungsschrift), da es keinerlei vertragliche Beziehungen gebe,
so muss sie sich doch entgegenhalten lassen, dass sie jederzeit über ein PC-
Programm Einsicht in die Konten der Kunden bei R. hatte und sie die Kunden zur
Vorlage der Kontoauszüge der laufenden gemeinsamen Geschäfte vertraglich
verpflichtet hatte (§ 2 Nr. 5 des "Beratungsvertrags", Bl. 94 d. A.).
Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch nicht nur abstrakte Beratungstätigkeit
erbracht. Sie hat konkrete Anlageempfehlungen ausgesprochen und schriftlich, in
Form eines konkreten Auftrags über ein konkretes Finanzinstrument die
Anlageentscheidung des Kunden vorformuliert. Dass der Kunde selbst erst durch
seine Unterschrift die Entscheidung schlussendlich getroffen hat, ist in diesem
Zusammenhang nicht entscheidend; träfe die Antragstellerin auch diese
Entscheidung, so übte sie erlaubnispflichtige Portfolioverwaltung aus. Auch der
Umstand, dass die Kunden die Kontoeröffnungsaufträge und die von der
Antragstellerin formulierten Orderaufträge selbst weitergegeben haben, schließt
eine Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin i. S. v. § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG nicht
aus.
Dies gilt insbesondere auch deshalb, da auch der Nachweis derartiger Aufträge
von der Anlagevermittlung i. S. d. § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG mitumfasst ist. Damit ist
die Tätigkeit des Nachweismaklers i. S. d. § 34c Gewerbeordnung gemeint
(Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, Kommentar, § 1 Rdnr. 120;
Reischauer/Kleinhans, Kreditwesengesetz, Kommentar, § 1 Rdnr. 180), soweit sich
die Tätigkeit auf Finanzinstrumente bezieht.
Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur zu § 34c Gewerbeordnung
ist anerkannt, dass unter Vermittlung des Abschlusses von Verträgen jede auf den
Abschluss eines Vertrages abzielende Tätigkeit zu verstehen ist
(Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Kommentar, § 34c Rdnr. 8). Eine
Vermittlung liegt selbst dann vor, wenn eine solche Tätigkeit erfolglos bleibt (Hess.
VGH, 10.09.1996 - 8 UE 3817/95 -, GewArch 1997, 67) oder nur der Vorbereitung
des Vertragsabschlusses dient (VGH Baden-Württemberg, 29.04.1997 - 14 S
889/96 -, GewArch 1997, 368). Für den Senat besteht - ebenso wie für das
Verwaltungsgericht - kein Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihren Kunden
zumindest den Nachweis von Geschäften über die Anschaffung von
Finanzinstrumenten verschafft hat. Die Antragstellerin hat selbst ausgeführt, dass
sie ihren Kunden schriftlich konkrete Anlageempfehlungen gegeben hat. Sie hat
dies in Form eines vorformulierten Auftrags getan, der vom Kunden nur noch zu
unterschreiben und weiterzuleiten war. Damit hat sie ihren Kunden ein konkretes
Geschäft nachgewiesen. Soweit die Antragstellerin in der
Beschwerdebegründungsschrift sowie in dem nachgereichten Schriftsatz vom 3.
April 2003 eine Nachweismaklerschaft mit der Begründung verneint, es werde
keine Kontenbeziehung nachgewiesen und die Antragstellerin erhalte gerade keine
Vergütung durch das kontoführende Institut (S. 6 der
Beschwerdebegründungsschrift), verkennt sie, dass - so zutreffend das
Verwaltungsgericht auf S. 6 Mitte des Beschlussabdrucks - in der Empfehlung
eines konkreten Finanzprodukts zum Erwerb die Nachweismaklerschaft zu sehen
9
10
11
12
13
14
15
eines konkreten Finanzprodukts zum Erwerb die Nachweismaklerschaft zu sehen
ist. Für diese Nachweisleistung erhält die Antragstellerin auch von ihren Kunden
eine entsprechende Vergütung. Dass diese Vergütung nicht von dem Verkäufer
des Finanzprodukts gezahlt wird, ist in diesem Zusammenhang nicht
entscheidend. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die
Provisionszahlung nur ein Indiz (Anhaltspunkt) für die Abgrenzung von
Anlageberatung und Anlagevermittlung in der Weise ist, dass jedenfalls nicht mehr
von Anlageberatung gesprochen werden kann, wenn der "Berater" seine Provision
vom Anbieter des jeweiligen Finanzinstruments erhält. Auch wenn einiges dafür
spricht, dass bei Zahlung der Vergütung durch den Kunden eine Anlageberatung
gegeben ist, muss doch im Einzelnen geprüft werden, ob eine über die rein
abstrakte Beratung hinausgehende Tätigkeit gegeben ist.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin begegnet eine solche Handhabung des
Begriffs der "Anlagevermittlung" auch keinen Bedenken im Hinblick auf
Vorhersehbarkeit von Verwaltungshandeln oder Bestimmtheit einer
strafbewehrten Norm (S. 9, 10 Beschwerdebegründungsschrift). Die vom
Verwaltungsgericht vorgenommene Abgrenzung erfolgt anhand abstrakter
Kriterien unter Berücksichtigung des Wortlauts der Norm und der
gesetzgeberischen Intentionen des Anlegerschutzes. Eine erlaubnisbedürftige
Anlagevermittlung bzw. deren Nachweis ist daher auch immer dann gegeben,
wenn der Vermittler den Abschluss eines konkreten Geschäfts bereits so
umfassend vorbereitet und abgewickelt hat, dass der Kunde den Auftrag nur noch
zu unterschreiben und abzusenden hat.
Auch im Hinblick auf den von der Antragstellerin angesprochenen strafbewehrten
Charakter des Kreditwesengesetzes ergibt sich nichts anderes. In diesem
Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass besondere
Anforderungen an die Bestimmtheit einer Rechtsnorm nur innerhalb des
Strafrechts und damit zuerst im Zusammenhang mit der Anwendung des § 54
KWG zu stellen sind. Bei der bloßen Anwendung des § 37 i. V. m. § 1 Abs. 1a KWG
durch die Verwaltungsbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens oder
eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits muss es mit den an die Bestimmtheit
verwaltungsrechtlicher Normen zu erhebenden Ansprüchen sein Bewenden haben
(Hess. VGH, 09.04.2003 - 6 TG 3151/02). Inwieweit sich ein hiervon Betroffener in
einem Strafverfahren im Zusammenhang mit Auslegungsschwierigkeiten auf
einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum berufen kann, braucht hier nicht
entschieden zu werden.
Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, die Verfügungen seien zu unbestimmt
(S. 11 Beschwerdebegründungsschrift unter 5.), wird dies im Folgenden nicht
weiter dargetan. Die Antragstellerin führt lediglich aus, die Verfügungen bezögen
sich auf aufsichtsrechtlich nicht relevante Tätigkeiten oder auf Tätigkeiten, die von
der Antragstellerin nicht ausgeübt wurden. Damit lässt sich indes die fehlende
Bestimmtheit der Verfügungen nicht begründen.
Schlussendlich kann die Antragstellerin sich auch nicht zur Begründung der
Beschwerde auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs berufen. Selbst wenn der
Antragstellerin im behördlichen Vorverfahren keine Akteneinsicht gewährt wurde,
so ist dies doch im Gerichtsverfahren nachgeholt worden.
Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat die Antragstellerin die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und
lehnt sich an die von den Beteiligten nicht in Frage gestellte Festsetzung durch das
Verwaltungsgericht für den ersten Rechtszug an.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.