Urteil des HessVGH vom 21.03.1997
VGH Kassel: erneuerung, durchgangsverkehr, fahrbahn, beleuchtungsanlage, stadt, ersetzung, gemeinde, abnutzung, verkehrssicherheit, umbau
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TG 2505/96
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 KAG HE, § 11
Abs 3 KAG HE
(Heranziehung zu einem Straßenbeitrag für die Erneuerung
der Teileinrichtung Straßenbeleuchtung - Kalkulation des
Gemeindeanteils nach der Verkehrsbedeutung der
Straßenbeleuchtung)
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß, mit dem das
Verwaltungsgericht ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres
Rechtsmittels gegen die Heranziehung zu einem Straßenbeitrag für die
Erneuerung der Beleuchtungsanlage der Bahnhofstraße in dem Abschnitt zwischen
H. straße und K. Straße im Stadtgebiet der Antragsgegnerin abgelehnt hat, ist
zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. An der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Heranziehung bestehen auch nach Auffassung des Senats keine
ernstlichen Zweifel, die es nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren (§ 80
Abs. 5 VwGO) entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO rechtfertigen können, die sofortige Vollziehung des Bescheides ganz oder
teilweise auszusetzen.
Mit ihrer Straßenbeitragssatzung vom 27. Oktober 1995 (im folgenden: StrBS)
verfügt die Antragsgegnerin über eine gültige Satzungsgrundlage, die aufgrund
der Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens zum 1. Januar 1992 unter
Ersetzung des bisherigen Satzungsrechts den Zeitpunkt der Fertigstellung der
streitigen Erneuerungsmaßnahme - gemäß Fertigstellungsbeschluß des Magistrats
vom 13. September 1994 ist dies der 31. Juli 1994 - zeitlich erfaßt. Die
Antragsgegnerin hat durch das Original der Magistratsvorlage und die Niederschrift
über die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 26. Oktober 1995 den
Nachweis geführt, daß Gegenstand der Beschlußfassung der
Stadtverordnetenversammlung ein Satzungstext mit entsprechender
Rückwirkungsanordnung war. Die Zweifel der Antragsteller in diesem Punkt sind
damit widerlegt.
Die streitige Beitragserhebung knüpft an eine nach § 11 KAG beitragsfähige
Baumaßnahme an. Die Ersetzung der bisherigen "Überwegbeleuchtung" in dem
fraglichen Straßenabschnitt durch Einzelleuchten auf der Grenze zwischen Gehweg
und Parkstreifen stellt als grundlegende Erneuerung einer Teileinrichtung der
Straße einen "Umbau" im Sinne des in § 11 Abs. 3 KAG verwendeten Begriffspaars
("Um- und Ausbau") dar, der über eine bloße Straßenunterhaltung und
Straßeninstandsetzung hinausgeht. Der die Beitragserhebung rechtfertigende
positive Effekt dieser Baumaßnahme ist in der die Verkehrssicherheit
wiederherstellenden Neuwertigkeit der Beleuchtungsanlage zu sehen, denn die
alte Beleuchtungsanlage wies nach entsprechend langer Nutzungszeit
Korrosionsschäden an den Überspannseilen und Leuchtenaufhängungen mit
darauf resultierenden Gefahren für Personen und Sachen auf; sie war damit
"abnutzungsbedingt" erneuerungsbedürftig. Bei einer abnutzungsbedingten
Erneuerung bedarf es für die Erhebung von Beiträgen nicht zusätzlich einer
"Verbesserung" in funktioneller Hinsicht. Eine solche Verbesserung im
vorliegenden Falle festzustellen, fiele auch schwer, da sich nicht sicher sagen läßt,
welches der beiden Beleuchtungssysteme - Überspannbeleuchtung oder
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welches der beiden Beleuchtungssysteme - Überspannbeleuchtung oder
Einzelleuchten an seitlichen Masten - bei Abwägung der jeweiligen Vor- und
Nachteile das objektiv bessere System ist. Soweit das Verwaltungsgericht eine
Verbesserung bejaht, meint es in Wahrheit den Neuwertigkeitseffekt, der mit der
streitigen Erneuerungsmaßnahme erzielt wurde. Dieser reicht als Rechtfertigung
für die Belastung der Anlieger mit Beiträgen aus. Daß eine Gemeinde eine wegen
Abnutzung notwendige Erneuerung der Beleuchtungsanlage zum Anlaß nimmt, ein
anderes - zumindest gleichwertiges - Beleuchtungssystem zu installieren, ist als
zulässige Ausübung des ihr in dieser Frage zustehenden Ermessens nicht zu
beanstanden. Die Dinge liegen insoweit nicht anders als bei einer
abnutzungsbedingt gerechtfertigten Erneuerung des Gehweges, für die - weil der
abgenutzte Bestand ohnehin ersetzt werden muß - statt des bisherigen Belags
aus Asphaltfeinbeton nunmehr ein Pflasterbelag gewählt wird (dazu:
Senatsbeschluß vom 4. April 1995 - 5 TH 1264/93 -, NVwZ-RR 1995, 599 = HSGZ
1995, 459 = GemHH 1996, 169).
Die Heranziehung der Antragsteller zu einem Straßenbeitrag für die streitige
Erneuerung der Straßenbeleuchtung begegnet auch der Höhe nach keinen
durchgreifenden Bedenken. Ihrer Auffassung, daß die Beklagte gemäß § 3 StrBS in
Verbindung mit § 11 Abs. 3 KAG wegen einer überwiegend überörtlichen
Verkehrsbedeutung der Einrichtung einen Eigenanteil von 75 % statt von nur 50 %
habe übernehmen müssen, kann nicht gefolgt werden.
Nach § 11 Abs. 3 KAG bleiben bei einem Um- und Ausbau von Straßen, Wegen und
Plätzen, der über die Straßenunterhaltung und die Straßeninstandsetzung
hinausgeht, "bei der Bemessung des Beitrags mindestens 25 v.H. des Aufwands
außer Ansatz, wenn diese Einrichtungen überwiegend dem Anliegerverkehr dienen,
mindestens 50 v.H., wenn sie überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr
dienen, mindestens 75 v.H., wenn sie überwiegend dem überörtlichen
Durchgangsverkehr dienen". Die in der Straßenbeitragssatzung der Beklagten
festgelegten Anteile der Stadt entsprechen genau diesen Mindestsätzen. Nach § 3
Abs. 1 StrBS beläuft sich der Anteil der Stadt auf "(a) 25 %, wenn die
Verkehrsanlage überwiegend dem Anliegerverkehr, (b) 50 %, wenn die
Verkehrsanlage überwiegend dem innerörtlichen und (c) 75 %, wenn die
Verkehrsanlage überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient".
Stehen nur einzelne Teileinrichtungen in der Baulast der Stadt, so gelten gemäß §
3 Abs. 2 StrBS "die Regelungen in Abs. 1 für diese einzelnen Teileinrichtungen
jeweils entsprechend".
Bei der Abrechnung der vorliegenden Erneuerungsmaßnahme hat die Beklagte auf
die Verkehrsbedeutung der Straßenbeleuchtung als solche abgestellt und hierfür
angenommen, daß die Bedeutung für den innerörtlichen Durchgangsverkehr
überwiegt. Beides ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, nicht zu
beanstanden.
Gegenstand der streitigen Erneuerung ist allein die Straßenbeleuchtung. Die für
die Bestimmung des Gemeindeanteils maßgebliche Einstufung nach § 11 Abs. 3
KAG ist schon deshalb auf diese Teileinrichtung zu beschränken. Es besteht kein
Hinderungsgrund, das, was § 11 Abs. 3 KAG für "Straßen, Wege und Plätze"
vorschreibt, erforderlichenfalls auch an den einzelnen Teileinrichtungen solcher
Anlagen zu vollziehen (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1983 - V OE 1/79 - HSGZ
1983, 295). Entsprechendes gilt für den Begriff der "Verkehrsanlage" in § 3 Abs. 1
StrBS. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob bei unterschiedlicher
Verkehrsbedeutung der einzelnen Teileinrichtungen einer Verkehrsanlage eine
gesonderte Einstufung und Ermittlung des Gemeindeanteils nicht auch dann
erforderlich ist, wenn sich der Um- und Ausbau auf sämtliche oder jedenfalls
mehrere Teileinrichtungen der Anlage erstreckt. Nach der bisherigen
Rechtsprechung des Senats ist in diesem Fall eine nach Teileinrichtungen
differenzierende Einstufung zumindest zulässig (vgl. Urteile vom 12. Januar 1983,
a.a.O., vom 15. Januar 1986 - 5 OE 43/83 - und vom 19. Februar 1986 - 5 OE 30/83
- HSGZ 1986, 173 = KStZ 1986, 156 = GemHH 1987, 64). Ob sie darüber hinaus
rechtlich geboten ist, wofür wegen der Verpflichtung der Gemeinde zu
angemessener Gewichtung der aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme der
Verkehrsanlage resultierenden wirtschaftlichen Vorteile für die Allgemeinheit und
die Grundstückseigentümer einiges spricht (dazu: Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 4. Aufl. 1995, S. 665), hat der Senat noch nicht abschließend
entschieden und bedarf auch aus Anlaß des vorliegenden Falles keiner
abschließenden Klärung.
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Der Einschätzung der Beklagten, daß bei der Straßenbeleuchtung die Bedeutung
für den innerörtlichen Durchgangsverkehr überwiege, liegt die Überlegung
zugrunde, daß die Beleuchtungseinrichtung solchen Verkehrsabläufen vorrangig
dient, die ihrerseits dem Anliegerverkehr und dem innerörtlichen
Durchgangsverkehr zuzuordnen sind. Dem schließt sich der Senat an. Bei der
Straßenbeleuchtung handelt es sich um eine "unselbständige Teileinrichtung", die
die Funktionen selbständiger Teileinrichtungen wie der Fahrbahn, der Gehwege,
Radwege und Parkstreifen unterstützt. Die Verkehrsbedeutung der
Straßenbeleuchtung hängt demnach maßgeblich davon ab, welche Bedeutung den
Verkehrsabläufen auf den vorgenannten Teilflächen zukommt und in welchem
Umfang diese Verkehrsabläufe durch die Ausleuchtung der jeweiligen Fläche
erleichtert und gefördert werden. Unter dem letztgenannten Aspekt spielt das
"Angewiesensein" des jeweiligen Verkehrs auf eine Beleuchtung bei einsetzender
Dunkelheit eine besondere Rolle. Es kann davon ausgegangen werden, daß der
Fußgängerverkehr und auch der ruhende Verkehr auf den dafür vorgesehenen
Parkstreifen weitaus stärker auf eine Beleuchtung angewiesen sind, als dies beim
Kraftfahrzeugverkehr auf der Fahrbahn, der über eine eigene Leuchtquelle zur
Ausleuchtung der Verkehrsfläche verfügt, der Fall ist (so schon der Gedanke in
Senatsurteil vom 12. Januar 1983, a.a.O.). Daraus folgt, daß die
Verkehrsbedeutung der Straßenbeleuchtung in aller Regel mit derjenigen der
Gehwege und Parkstreifen übereinstimmen wird. Überwiegen bei den
letztgenannten Teileinrichtungen - wie das die Beklagte im vorliegenden Fall
annimmt - der innerörtliche Durchgangsverkehr, so wird dies für die
Straßenbeleuchtung regelmäßig zu einer entsprechenden Einschätzung der
Verkehrsbedeutung führen. Ein Überwiegen des überörtlichen Verkehrs auf der
Fahrbahn vermag in einem solchen Fall die Einstufung nicht entscheidend zu
beeinflussen. Zwar wird durch die Straßenbeleuchtung auch die Benutzung der
Fahrbahn erleichtert. Es handelt sich dabei aber - aus den bereits genannten
Gründen - weniger um den Kraftfahrzeugverkehr als vielmehr um die Benutzung
durch Fußgänger, die die Straße überqueren sowie auch die Benutzung durch
Radfahrer, so daß für die Straßenbeleuchtung letztlich auch bei der Fahrbahn
Verkehrsabläufe im Vordergrund stehen, die als solche - überwiegend - dem
Anliegerverkehr bzw. dem innerörtlichen Durchgangsverkehr zuzurechnen sind.
Da auch andere Fehler der streitigen Veranlagung nicht zu erkennen sind, ist die
Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung ihres Aussetzungsantrags
durch das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Die ausgesprochene Kostenfolge
beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung findet ihre Grundlage in
den §§ 20 Abs. 3, 13, 14 (analog) GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.