Urteil des HessVGH vom 27.10.2000
VGH Kassel: landrat, vertreter, landesverwaltung, verhinderung, anmerkung, gemeindeordnung, wahrscheinlichkeit, verfügung, amtszeit, erlass
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 TZ 2310/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 44
Abs 1 S 3 LKreisO HE, § 44
Abs 4 LKreisO HE
(Besetzungsrüge wegen unrichtiger Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans; allgemeine Vertretung des
Landrats)
Gründe
1. Die Beschwerde ist nicht auf Grund eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 146
Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen, denn die angefochtene
Entscheidung ist nicht unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters
getroffen worden.
Der Antragsgegner kann sich in Bezug auf den verwaltungsgerichtlichen Beschluss
vom 29. Mai 2000 nicht mit Erfolg auf eine fehlerhafte Besetzung der Richterbank
berufen. Dies gilt zunächst, soweit er solche Zweifel in Bezug auf die
ehrenamtlichen Richter äußert, die an der Fassung des angegriffenen Beschlusses
des Verwaltungsgerichts vom 29. Mai 2000 beteiligt waren. Ihm ist unklar, warum
die ehrenamtliche Richterin B übergangen worden ist. Wenn sie zum Zeitpunkt der
Terminsladung zum 6. Juni 2000 zur Verfügung gestanden habe, sei sie anstelle
von Frau Laqueur für diesen Termin heranzuziehen gewesen mit der Folge, dass
am 29. Mai 2000 die ehrenamtliche Richterbank mit L W anstelle W F hätte besetzt
sein müssen.
Diese Vermutungen machen die Richterbank im Ergebnis nicht fehlerhaft. Das
wäre nur dann der Fall, wenn eine unrichtige Handhabung des
Geschäftsverteilungsplans willkürlich, d.h. auf Grund einer durch sachliche
Erwägungen nicht mehr gerechtfertigten Auslegung oder Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans geschehen wäre (vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 28.
Juli 1998 -- 11 B 20/98 -- juris, und vom 21. Dezember 1994 -- 1 B 176/93 --
Buchholz 310 § 138 Nr. 1 VwGO Nr. 32 = juris; Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnrn. 5 und
6 zu § 138 VwGO). Ein bloßes Versehen oder ein Irrtum in Bezug auf die
Richterbesetzung genügt insofern nicht. Anhaltspunkte dafür, dass hier die
Richterbank im Bereich der ehrenamtlichen Richter willkürlich manipuliert worden
wäre, bestehen nicht.
Die Antragstellerin hat unter Vorlage einer Kopie der Liste der ehrenamtlichen
Verwaltungsrichter der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden dargelegt,
dass die herangezogenen ehrenamtlichen Richter F und W heranzuziehen waren.
Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Verfahren erstmals Termin auf den
16. Mai 2000 bestimmt (vgl. die Terminierungsverfügung vom 2. Mai 2000, Bl. 68
d. GA). Zu diesem Termin wurden als ehrenamtliche Richter Frau E und Herr H
geladen. Frau E erklärte sich für befangen. Die beiden nächsten ehrenamtlichen
Richterinnen/Richter waren Frau R und Frau H. Beide waren bereits zu einem
Termin für den 22. Mai 2000 geladen. Das Verwaltungsgericht berief deshalb
anstelle von Frau E für den angesetzten Termin am 16. Mai 2000 Frau E. Mit
Verfügung vom 2. Mai 2000 hob das Verwaltungsgericht den Termin am 16. Mai
2000 auf, da über die Selbstablehnung der ehrenamtlichen Richterin E nach der
Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts eine andere Kammer zu befinden
hatte, deren Entscheidung noch ausstand.
Neuer Verhandlungstermin wurde auf den 29. Mai 2000 bestimmt. Zu diesem
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Neuer Verhandlungstermin wurde auf den 29. Mai 2000 bestimmt. Zu diesem
Termin wurden die ehrenamtlichen Richter F und W geladen. Die beiden
vorausgehenden ehrenamtlichen Richter Scl und ... konnten für den 29. Mai 2000
nicht geladen werden, weil sie bereits für eine Verhandlung am 6. Juni 2000
berufen waren.
Es mag zwar zweifelhaft sein, warum Frau B für den Termin vom 16. Mai 2000
geladen wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2000, mit der dem Selbstablehnungsgesuch der
ehrenamtlichen Richterin ... stattgegeben wurde, noch nicht ergangen war. Denn
nur dadurch, dass Frau B für einen Termin geladen wurde, der dann später
aufgehoben werden musste, ergab sich, dass Frau B für die Sitzung vom 29. Mai
2000 ausfiel.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Ladung von Frau B zum Termin vom 16.
Mai 2000 gerechtfertigt war, denn auch wenn dies eine unrichtige Handhabung des
Geschäftsverteilungsplans gewesen sein sollte, war diese nach Obigem jedenfalls
nicht ohne sachlichen Grund, also nicht willkürlich.
Entsprechendes gilt auch, soweit der Antragsgegner geltend macht, die
Streitsache sei von einer nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Kammer
des Verwaltungsgerichts verhandelt und entschieden worden. Die 3. Kammer des
Verwaltungsgerichts, die den Beschluss gefasst hat, sei für
Kommunalverfassungsrecht zuständig, nicht jedoch für das öffentliche
Dienstrecht, hierfür sei die 8. Kammer zuständig. Entgegen der Annahme des
Verwaltungsgerichts handele es sich hier nicht um ein Verfahren im Bereich des
Kommunalrechts, sondern um eine beamtenrechtliche Streitigkeit. -- Der
beschließende Senat lässt offen, ob dies hier -- entsprechend den Beschlüssen
des 1. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. März 1983 (-- I TH
64/82 -- HessVGRspr. 1983, 55), 5. Juli 1990 (-- 1 TG 1780/90 -- NVwZ-RR 1990,
632) und vom 20. Mai 1992 (-- 1 TH 633/92 -- NVwZ-RR 1992, 498) -- so gesehen
werden muss. Denn auch wenn dem Antragsgegner insoweit zu folgen sein sollte,
lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts
ihre Zuständigkeit willkürlich, d.h. auf Grund einer durch sachliche Erwägungen
nicht mehr gerechtfertigten Auslegung oder Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans angenommen hätte. Eine Zuordnung des
Streitgegenstandes zum Kommunalrecht erscheint hier jedenfalls nicht
unvertretbar, so dass nach der zitierten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts von einer Verletzung des Anspruchs auf den
gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) auch in Bezug auf die
Kammerzuständigkeit nicht auszugehen ist.
2. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts weicht nicht im Sinne von
§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von den Beschlüssen des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juli 1990 (-- 1 TG 1780/90 -- NVwZ-RR 1990, 632)
und vom 10. März 1983 (-- I TH 64/82 -- HessVGRspr. 1983, 55 f.) ab, denn diese
Entscheidungen betrafen in wesentlicher Hinsicht andere Fälle. Im Beschluss vom
10. März 1983 ging es in Bezug auf die Rechtsverhältnisse in einer Gemeinde um
die Organisationsverfügung eines Bürgermeisters, mit der einem hauptamtlichen
Beigeordneten, der nicht für bestimmte Arbeitsgebiete von der
Gemeindevertretung besonders gewählt worden war, ein bestimmter
Aufgabenbereich entzogen worden war. Die Entscheidung betraf nicht die hier
streitgegenständliche Frage, ob ein Landrat durch eine Organisationsverfügung
anordnen durfte, dass ein ehrenamtlich tätiger Erster Beigeordneter ihn, den
Landrat, im gesamten Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises nicht vertritt.
Entsprechendes gilt für den Beschluss vom 5. Juli 1990. Dort ging es darum, ob
zum damaligen Zeitpunkt der Oberbürgermeister die Wahrnehmung seiner
Aufgaben als allgemeine Polizeibehörde, also eine nicht dem Magistrat obliegende
Aufgabe, einem Magistratsmitglied als (Anwesenheits-)Vertreter übertragen
konnte. Abgesehen davon, dass auch diese Entscheidung nicht den Bereich der
Kreisverwaltung betraf, ging es auch dort nicht um die Frage, ob der Bürgermeister
(Oberbürgermeister) berechtigt war, in Bezug auf Selbstverwaltungs-Dezernate,
die er selbst inne hatte, einen anderen Beigeordneten als den Ersten
Beigeordneten zu seinem (Abwesenheits-)Vertreter zu bestimmen.
3. Dem Zulassungsantrag lassen sich auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
des angefochtenen Beschlusses im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr.
1 VwGO nicht entnehmen, denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im
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1 VwGO nicht entnehmen, denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im
Ergebnis richtig. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Recht
verpflichtet, seine Organisationsverfügung vom 11. Oktober 1999 in der derzeit
aktuellen Fassung vorläufig dahingehend abzuändern, dass die Antragstellerin als
Erste Kreisbeigeordnete den Antragsgegner als Landrat (neben der vollständigen
Vertretung im Bereich der Landesverwaltung) im Bereich der Selbstverwaltung
auch in allen jenen Bereichen als erste Vertreterin vertritt, die er sich selbst als
Dezernat zugewiesen hat.
Ein Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gegeben, denn
es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, den Ausgang eines
Hauptsacheverfahrens abzuwarten; die Amtszeit der ehrenamtlichen
Beigeordneten -- die Antragstellerin ist ehrenamtliche Beigeordnete -- endet zum
Ablauf der Wahlperiode in rund fünf Monaten. Bis zu diesem Zeitpunkt könnte mit
einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nicht gerechnet werden.
Zwar nimmt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung das
Hauptsacheverfahren jedenfalls bis zum Ablauf der Wahlperiode vorweg, weil für
die dann vergangene Zeit die im Wege der einstweiligen Anordnung durchgesetzte
Änderung der Vertretungsregelung nicht mehr rückgängig gemacht werden
könnte, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass die einstweilige
Anordnung nicht hätte ergehen dürfen. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz
-- GG -- gilt jedoch das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der
Hauptsacheentscheidung nicht, wenn die Regelung zur Gewährung effektiven
Rechtsschutzes notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für
den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu
beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch
in der Hauptsache spricht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20. Mai 1992, a.a.O.;
Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 14 zu § 123).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn die Beschränkungen der
Vertreterstellung der Antragstellerin, die die Organisationsverfügung des Landrats
verursacht, könnten in einem späteren Hauptsacheverfahren für die
Vergangenheit nicht mehr beseitigt werden; außerdem spricht ein hoher Grad an
Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren.
Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt vor. Die
Antragstellerin kann vom Antragsgegner verlangen, dass er seine oben genannte
Organisationsverfügung vorläufig dahingehend abändert, dass die Antragstellerin
als Erste Kreisbeigeordnete den Antragsgegner als Landrat (neben der
vollständigen Vertretung im Bereich des Landesverwaltung) im Bereich der
Selbstverwaltung auch in all jenen Bereichen als erste Vertreterin vertritt, die er
sich selbst als Dezernat zugewiesen hat. Dies ergibt sich aus folgenden
Erwägungen:
In der Hessischen Landkreisordnung -- HKO -- in der Fassung vom 1. April 1993
(GVBl. 1992 I. S. 569), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 1999
(GVBl. 2000 I. S. 2), sind für den Bereich der Landesverwaltung im Landkreis und
den Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises jeweils gesonderte Regelungen
in Bezug auf die Vertretung des Landrats getroffen. Dass der Landrat als Behörde
der Landesverwaltung nach § 55 Abs. 6 Satz 2 HKO im Falle seiner Verhinderung
von dem Ersten Kreisbeigeordneten vertreten wird, hat der Antragsgegner in
seiner Organisationsverfügung beachtet, denn er hat angeordnet, dass er im
Urlaubs-, Krankheits- und sonstigen Verhinderungsfalle im Bereich der
Landesverwaltung mit Ausnahme des Brandschutzes von der Antragstellerin
vertreten wird.
Aus § 55 Abs. 6 Satz 2 HKO kann jedoch nicht geschlossen werden, im Bereich der
Selbstverwaltung des Landkreises, die im ersten Teil der Hessischen
Landkreisordnung Regelungen erfahren hat, sei der Landrat frei, wen er zum
Vertreter bestimme. Vielmehr ist in § 44 Abs. 4 Satz 1 HKO geregelt, dass der
Erste Kreisbeigeordnete der allgemeine Vertreter des Landrats ist; er soll als
allgemeiner Vertreter nur tätig werden, wenn der Landrat verhindert ist. Nach Satz
2 dieser Vorschrift sind die übrigen Kreisbeigeordneten zur allgemeinen Vertretung
des Landrats nur berufen, wenn der Erste Kreisbeigeordnete verhindert ist. Nach
Satz 3 bestimmt der Kreisausschuss die Reihenfolge. Diese Regelungen zeigen,
dass der Erste Kreisbeigeordnete im Bereich der Selbstverwaltung des Landkreises
durch den Landrat seiner Vertretungsstellung nicht beraubt werden darf. § 44 Abs.
4 Sätze 1 und 2 HKO macht nur dann einen Sinn, wenn damit klargestellt werden
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4 Sätze 1 und 2 HKO macht nur dann einen Sinn, wenn damit klargestellt werden
soll, dass der Erste Kreisbeigeordnete den Landrat in allen gesetzlich nicht
anderweitig geregelten Bereichen der Selbstverwaltung des Landkreises vertritt,
wenn ein Vertretungsfall vorliegt, also der Landrat verhindert ist, und wenn der
Erste Kreisbeigeordnete selbst nicht verhindert ist. Hätte der Gesetzgeber durch
diese Vorschrift dem Landrat das Recht einräumen wollen, nach Gutdünken in
einzelnen oder allen Bereichen der Selbstverwaltung den Ersten Beigeordneten
aus der Vertretungsregelung in der Geschäftsverteilung herauszulassen, so wäre §
44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO überflüssig.
Es kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, das in § 44 Abs. 1 Satz 3 HKO
geregelte Recht des Landrats, die Geschäfte unter die Mitglieder des
Kreisausschusses zu verteilen, gehe den genannten Regelungen in § 44 Abs. 4
Sätze 1 und 2 HKO vor. Denn dem stehen die eindeutigen Formulierungen in
diesen Vorschriften entgegen. Danach "ist" der Erste Kreisbeigeordnete der
allgemeine Vertreter des Landrats. Die übrigen Kreisbeigeordneten "sind" zur
allgemeinen Vertretung des Landrats "nur" berufen, wenn der Erste
Kreisbeigeordnete verhindert ist. Hätte der Landrat das Recht erhalten sollen, kraft
seiner Geschäftsverteilungsbefugnis andere Kreisbeigeordnete als den Ersten
Kreisbeigeordneten zu seinen Vertretern zu bestimmen, so hätte dies angesichts
der klaren Formulierungen des Gesetzes zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist
jedoch nicht geschehen. Es ist im Übrigen auch selbstverständlich, dass der
Landrat dann, wenn nichts anderes gesetzlich geregelt ist, die Dezernenten für die
einzelnen Dezernate bestimmen darf. Dies ändert aber nichts daran, dass er --
was die Vertretungsregelung betrifft -- durch § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO dahin
gebunden ist, dass er keine anderen Beigeordneten zu seinen Vertretern
bestimmt, sondern insofern durch die gesetzliche Regelung der Erste
Beigeordnete berufen ist.
Dieses Verständnis der genannten Vorschriften der Hessischen Landkreisordnung
wird bestätigt durch die Kommentierungen zu der die Gemeinden betreffenden
Parallelvorschrift des § 47 der Hessischen Gemeindeordnung -- HGO --. Danach ist
das Vertretungsrecht des Ersten Beigeordneten allgemein, d.h. ständig und
umfassend. Es bezieht sich -- soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist -
- auf alle Aufgaben und Befugnisse des Bürgermeisters (Schneider/Dreßler/Lüll,
Hessische Gemeindeordnung, Stand: 14. Lieferung, Februar 1999, Anmerkung I.
zu § 47). Die Vertretungsmacht des allgemein zuständigen Beigeordneten ist in
der Außenwirkung so umfassend wie die des Bürgermeisters. Die
Vertretungsbefugnis des Ersten Beigeordneten bei tatsächlicher Verhinderung wie
bei rechtlicher Verhinderung des Bürgermeisters ist unbeschränkt und nicht
beschränkbar (vgl. Schlempp, Hessische Gemeindeordnung, Stand: 20.
Nachlieferung, August 1996, Anmerkung III. zu § 47).
Von der allgemeinen Vertretung zu unterscheiden ist die besondere Vertretung
auf Grund eines Auftrags oder einer Vollmacht für bestimmte Angelegenheiten
(ähnlich Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O., Anmerkung II zu § 47 HGO).
Selbstverständlich ist es zulässig, dass der Landrat im Bereich der
Selbstverwaltung des Landkreises im Wege einer besonderen Vertretungsregelung
für bestimmte Angelegenheiten einen anderen Beigeordneten als den Ersten
Beigeordneten mit der Vertretung beauftragt. Dies kann sich jedoch nur auf eng
umgrenzte Gegenstände, keinesfalls aber auf ganze Dezernate beziehen, weil
andernfalls die in § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO getroffene Vertretungsregelung
zu Lasten des Ersten Beigeordneten unterlaufen werden könnte. Die Vertretung
für ganze Dezernate fällt danach unter die allgemeine Vertretung im Sinne des §
44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HKO und kann daher dem Ersten Beigeordneten nicht
wirksam entzogen werden.
Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht auf Seite 9
des angegriffenen Beschlusses einen Rechtsmittelverzicht der Antragstellerin
verneint hat. Insofern wird entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die
Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen mit der Maßgabe, dass
es in der zehntletzten Zeile auf Seite 9 des Beschlusses anstatt "Schreiben der
Antragstellerin vom 01.11.1999" heißen muss: "Vermerk von Anfang November
1999 auf dem Schreiben des Antragsgegners vom 3. November 1999".
4. Der Antragsgegner hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im
Sinne des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargelegt, denn er hat
unter 4. auf Seite 10 des Zulassungsantrags keine bestimmte Rechts- oder
Tatsachenfrage formuliert, die bisher durch ein oberstes Bundesgericht bzw. -- bei
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Tatsachenfrage formuliert, die bisher durch ein oberstes Bundesgericht bzw. -- bei
landesrechtlichen Fragen -- durch das zuständige Oberverwaltungsgericht noch
ungeklärt und für die Entscheidung des Senats erheblich ist (vgl. zu diesen
Anforderungen Hess. VGH, Beschluss vom 17. Juli 1998 -- 8 UZ 2071/98 -- S. 6 des
amtlichen Umdrucks; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 -- BVerwG 7 B
261.97 -- DÖV 1998, 117 = NJW 1997, 3328; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., 2000,
Rdnr. 10 zu § 124). Mit der auf Seite 10 des Zulassungsantrags formulierten Frage,
obergerichtlich klarzustellen, was unter den Begriff der "allgemeinen Vertretung"
des Bürgermeisters bzw. des Landrats zu subsumieren ist bzw. inwieweit die
Geschäftsverteilungsbefugnis der direkt Gewählten über die gesetzlich
zugewiesenen Aufgabengebiete hinausreicht, hat der Antragsgegner keine
bestimmte Rechtsfrage aufgeworfen, sondern den Senat aufgefordert, ein --
umfassendes -- Rechtsgutachten anzufertigen. Derartiges ist jedoch nicht Aufgabe
des Rechtsmittelgerichts.
Soweit der Antragsgegner auf Seite 2 des Zulassungsantrags auf § 124 Abs. 2 Nr.
2 VwGO verweist, dürfte es sich um ein Versehen handeln, denn der dort genannte
Zulassungsgrund betrifft besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
der Rechtssache, wozu der Antragsgegner im Zulassungsantrag keine
Ausführungen gemacht hat. Jedenfalls fehlt es insoweit an jeglicher Darlegung.
Nach allem ist der Beschwerdezulassungsantrag mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 14
sowie § 25 Abs. 2 Satz 2 Gerichtskostengesetz -- GKG --. Es ist kein Grund
ersichtlich, von der Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG abweichend ein
Vielfaches des Auffangstreitwerts zugrunde zu legen. Die Bedeutung der Sache für
die Antragstellerin erschöpft sich in der Klärung einer Rechtsfrage, die auch nur
ihre Vertretungszuständigkeit betrifft.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.