Urteil des HessVGH vom 20.05.1987
VGH Kassel: ausnahme, genehmigung, öffentlich, eigentum, anhörung, entlastung, beratung, verfügung, grundstück, fahrbahn
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UE 87/83
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Leitsatz
1. Die Ausnahmegenehmigung nach § 23 Abs. 3 Hessisches Straßengesetz ist eine der
Baugenehmigung vorgreifliche Entscheidung.
2. Einzelfall einer unbegründeten Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für 4
freistehende Werbetafeln am Rande einer Landstraße.
Gründe
Mit Bauantrag vom 29.01.1982 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die
Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung von jeweils 2 freistehenden
Plakatanschlagtafeln mit einer Größe je Tafel von 3,70 m (Breite) mal 2,70 m
(Höhe) auf dem im Eigentum der Deutschen Bundesbahn stehenden Grundstück
Gemarkung Hanau, Flurstück 117/11 (A. Straße gegenüber "Am K. Die Werbetafeln
sollen jeweils an 3 ca. 1 m tief in den Boden eingelassenen Balken parallel zur A.
Straße, die in diesem Abschnitt die L.straße 3309 bildet, angebracht, d.h.,
freistehend errichtet werden.
Mit Bescheid vom 08.03.1982 versagte die Beklagte die beantragte
Baugenehmigung. Zur Begründung wurde unter anderem auf die
entgegenstehenden Vorschriften des § 23 Abs. 1 i.V.m Abs. 3 Hessisches
Straßengesetz - HStrG - und § 15 Abs. 2 Satz 3 HBO verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1982 wies der Regierungspräsident in
Darmstadt den gegen den Versagungsbescheid eingelegten Widerspruch der
Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 17.09.1982 Klage erhoben.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.03.1982 sowie des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom
03.09.1982 zu verpflichten, die von ihr beantragte Baugenehmigung für die
Errichtung von 4 Werbetafeln in H., A. Straße, zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 18.10.1983 die
Klage mit der Begründung abgewiesen, das strittige Vorhaben beachte die
Vorschrift des § 14 Abs. 2 HBO nicht und sei deshalb bauordnungsrechtlich
unzulässig.
Gegen das am 25.11.1983 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.12.1983
Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das Vorhaben beeinträchtige
am vorgesehenen Standort das Orts- und Straßenbild nicht.
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Die Klägerin beantragte,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18.10.1983, den
Bescheid der Beklagten vom 08.03.1982 sowie den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 03.09.1983 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, die von ihr beantragte Baugenehmigung für die
Errichtung von 4 Werbetafeln in H., A. Straße, zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 15.03.1985 und 21.05.1985 wurde die Klägerin
ausdrücklich auf die Vorschriften des § 23 Abs. Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 HStrG
hingewiesen. Sie hat erwidert, sie erstrebe die beantragte Genehmigung aus allen
rechtlichen Gründen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird
auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren,
und die Gerichtsakten verwiesen.
Der Senat weist die Berufung gemäß Art. 2 § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung
der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - EntlG - vom
31.03.1978 (BGBl. I S. 446) in der Fassung vom 03.07.1985 (BGBl. I S. 1274) durch
Beschluß zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung auch nach Anhörung der Beteiligten nicht für erforderlich hält.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der mit Bauantrag vom 29.01.1982
beantragten Baugenehmigung.
Die Werbetafeln bedürfen einer Baugenehmigung nach § 87 Abs. 1 HBO. Sie sind
bauliche Anlagen nach § 2 Abs. 1 HBO, da sie freistehend fest mit dem Boden
verbunden werden sollen.
Die Baugenehmigung ist nicht zu erteilen, sondern zu versagen, weil das Vorhaben
nicht den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht (§ 96 Abs. 1 Satz 1 HBO).
Es fehlt die hier vorgreifliche straßenrechtliche Genehmigung nach § 23 Abs. 1
i.V.m. Abs. 3 HStrG. Als bauliche Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 HBO unterliegen
die Werbetafeln auch der Vorschrift des § 23 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 HStrG. Danach
dürfen Bauwerke über Erdgleiche (Hochbauten) an Landesstraßen in einer
Entfernung bis zu 20 m, jeweils gemessen vom äußeren Rand der befestigten
Fahrbahn, nicht errichtet werden.
Die Werbetafeln sind solche Hochbauten. Sie sollen parallel zur A. Straße L.straße
3309) errichtet werden.
Das Anbauverbot ist nicht durch eine Ausnahme nach § 23 Abs. 3 HStrG
aufgehoben. Nach dieser Vorschrift kann die Straßenbaubehörde im Einzelfall
Ausnahmen zulassen, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine solche
Ausnahme ist nicht zugelassen worden. Sie müßte als ein selbständiger
Verwaltungsakt ergehen unabhängig davon, ob die Beklagte außer für die
Baugenehmigung auch für die Zulassung der Ausnahme zuständig ist. Es handelt
sich insoweit um ein gesondertes Verfahren (vgl. Hess. VGH, U. v. 23.08.1973 - 2
OE 156/71 -), so daß die Klägerin sich außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens
um eine solche Ausnahme bemühen müßte.
Bis zur Berufungsinstanz ist die Verpflichtung zur Erteilung einer solchen
Genehmigung auch nicht Streitgegenstand gewesen. Selbst wenn die Beklagte
sich auf eine Klageänderung durch die Erweiterung um ein weiteres
Verpflichtungsbegehren in der Berufungsinstanz einlassen würde, wäre die so
geänderte Klage mangels eines bei der Behörde gestellten Antrags und eines
Vorverfahrens nicht zulässig und überdies nicht begründet. Schon wegen Fehlens
dieser erforderlichen straßenrechtlichen Ausnahmegenehmigung ist der Senat
gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 HBO gehindert, die Beklagte zur Genehmigung des
strittigen Vorhabens zu verpflichten. Denn seit Inkrafttreten der HBO neuer
Fassung am 01.01.1978 ist die straßenrechtliche Ausnahmegenehmigung gemäß
§ 23 Abs. 3 HStrG der Baugenehmigung vorgreiflich, da die Bestimmungen des
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§ 23 Abs. 3 HStrG der Baugenehmigung vorgreiflich, da die Bestimmungen des
HStrG, zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1
HBO gehören und erst mit der behördlichen Zulassung der Ausnahme festgestellt
ist, daß auf dem Baugrundstück in der Schutzzone bezüglich des konkreten
Vorhabens nicht aus straßenrechtlichen Gründen ein Bauverbot lastet (vgl.
Rieder/Zeitler/Kreuzer/Zeck, bayrisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar,
Art. 23 Rdnr. 79; OVG Lüneburg, U. v. 25.09.1958, VGRspr. 12 Nr. 6 S. 23 zu §§ 9
Abs. 1, 8 Fernstraßengesetz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.