Urteil des HessVGH vom 29.08.2000
VGH Kassel: gemeinde, materielle rechtskraft, erlass, genehmigung, wiederaufnahme, wahrscheinlichkeit, wiederherstellung, abwasserentsorgung, brauchwasser, realisierung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TG 2641/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 54 WasG HE, § 123
BauGB, § 43 BauO HE
(Wasserversorgung eines Baugebietes durch die
Gemeinde)
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den am 29.
November 1999 gestellten Antrag der Antragsteller,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die von ihr vorgenommene Stilllegung der
Wasserversorgung des Hauses der Antragsteller "..." in ..., Außerhalb 14,
aufzuheben und die Wasserversorgung mit Trinkwasser über die verlegten und
unterbrochenen Rohrleitungen wieder vorzunehmen,
abgelehnt und zur Begründung auf seine Ausführungen in dem im zugehörigen
Hauptsacheverfahren Verwaltungsgericht Gießen 8 E 1519/98 ergangenen Urteil
vom 16. Februar 2000 verwiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der
Antragsteller ist nach erfolgter Zulassung durch Beschluss des Senats vom 25. Juli
2000 -- 5 TZ 984/00 -- zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Antragsteller begehren mit der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur
Wiederaufnahme der Wasserversorgung über die im Wochenendhausgebiet
verlegte Ringleitung eine "Regelungsanordnung" im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO, denn es geht ihnen um eine der Abwendung von Nachteilen dienende
Veränderung des derzeitigen Zustandes. Dem Erlass dieser Regelungsanordnung
steht nicht entgegen, dass die Antragsteller in einem früheren Verfahren schon
einmal den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO
beantragt und damit keinen Erfolg gehabt haben (Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 3. Juni 1998 -- 8 G 890/98 (1) -- sowie Beschluss des
Senats vom 13. Juli 1998 -- 5 TZ 2305/98 -- mit der Ablehnung des Antrags auf
Zulassung der Beschwerde). Eine im Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO
ergangene Entscheidung kann zwar ebenso wie die im Hauptsacheverfahren zu
treffende endgültige Entscheidung in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. dazu
Senatsbeschluss vom 7. September 1982 -- V R 71/82 -- m.w.N.). Das schließt
jedoch einen neuen Antrag zum gleichen Gegenstand nicht aus, sofern sich der
Antragsteller auf neue Tatsachen oder neue Mittel der Glaubhaftmachung stützt.
Letzteres ist hier der Fall, denn die Antragsteller haben in dem jetzt anhängig
gemachten -- zweiten -- Anordnungsverfahren einen Prüfbericht des Staatlichen
Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamts Mittelhessen vom 8.
November 1999 vorgelegt, der im Unterschied zu dem noch im ersten
Anordnungsverfahren vorgelegten Prüfbericht uneingeschränkte
Trinkwasserqualität der entnommenen Wasserprobe bescheinigt. Im Übrigen
unterscheidet sich das zweite Anordnungsverfahren auch streitgegenständlich von
dem ersten Verfahren, denn die jetzt begehrte Wiederherstellung der
Wasserversorgung über die Ringleitung bezieht sich -- dem neuen Prüfbericht
folgend -- auf Trinkwasser und nicht -- wie noch im ersten Verfahren -- lediglich auf
Brauchwasser.
Der Antrag auf Erlass der begehrten Regelungsanordnung ist auch begründet,
denn die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Für das Bestehen eines den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigenden
Anordnungsanspruchs ist entscheidend, ob sich bei einer Abschätzung der
Erfolgsaussichten sagen lässt, dass der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel im
Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird (vgl.
Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Auflage 1998, § 123 Rn. 25).
Führt die begehrte Anordnung zu einer zwecks Vermeidung sonst zu erwartender
unzumutbarer Nachteile ausnahmsweise zulässigen Vorwegnahme der
Hauptsache, so ist weitergehend ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit für einen
Erfolg des Antragsteller auch in der Hauptsache zu fordern (Kopp/Schenke, a.a.O.,
Rn. 14). Eine nur vorläufige Vorwegnahme, die sich nach einer anderslautenden
Hauptsacheentscheidung für die Zukunft rückgängig machen lässt und so über
diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen schafft, ist noch keine
endgültige Vorwegnahme und unterliegt damit -- bei richtigem Verständnis des
Begriffs der Vorwegnahme -- nicht der vorgenannten strengeren Anforderung an
die Erfolgsaussichten (so zutreffend Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 14 b). Im
vorliegenden Fall geht es um eine nur vorläufige Vorwegnahme, denn die von den
Antragstellern begehrte Wiederherstellung des leitungsmäßigen Wasserbezugs
über die im Wochenendhausgebiet verlegte Ringleitung lässt sich -- wie ja gerade
die von ihnen beanstandete Maßnahme der Antragsgegnerin (Abtrennung der
Ringleitung von der Wasserzufuhr des Schachtbrunnens) zeigt -- jederzeit
rückgängig machen. Damit genügt, um zu Gunsten der Antragsteller den geltend
gemachten Anordnungsanspruch bejahen zu können, eine zumindest
überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie mit ihrer Klage in dem zur Zeit
anhängigen Berufungsverfahren 5 UE 2642/00 Erfolg haben werden. Von letzterem
ist aus folgenden Gründen auszugehen:
Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch hängt, wie der Senat in
seinem die Beschwerde zulassenden Beschluss vom 25. Juli 2000 -- 5 TZ 984/00 --
dargelegt hat, von der Beantwortung der Fragen ab, ob
a) die Antragsteller grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf haben, dass die
Antragsgegnerin die Wasserversorgung für das Wochenendhausgebiet ..." im
Stadtteil ... in der bisherigen Form -- Versorgung über Ringleitung mit
Hausanschlüssen -- wieder aufnimmt, und ob
b) sich bejahendenfalls aus einer Nichterfüllung des Erfordernisses der
wasserbehördlichen Genehmigung und aus der derzeitigen
Abwasserentsorgungssituation im Wochenendhausgebiet Hinderungsgründe
ergeben, die diesen Anspruch ausschließen.
Die Frage zu a) zielt auf die Problematik, inwieweit sich mit einer der Gemeinde
gesetzlich übertragenen Aufgabe der Daseinsvorsorge subjektive öffentliche
Rechte der von der Aufgabenerfüllung begünstigten Bürger verbinden können.
Dass die Zuweisung einer solchen Aufgabe die Gemeinde nicht zwangsläufig
einem subjektiven Rechtsanspruch auf eine bestimmte Aufgabenerfüllung
aussetzt, zeigt die auf die Herstellung von Erschließungsanlagen bezogene
Regelung in § 123 des Baugesetzbuchs (BauGB), derzufolge die Erschließung zwar
"Aufgabe der Gemeinde" ist (§ 123 Abs. 1 BauGB), ein "Rechtsanspruch auf
Erschließung" aber gleichwohl nicht besteht (§ 123 Abs. 3 BauGB). Auch ohne
ausdrückliche Verneinung eines Rechtsanspruchs ist Gleiches für die den
Gemeinden obliegende Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung anzunehmen,
die in § 54 des Hessischen Wassergesetzes (HWG) geregelt ist. Dies hindert freilich
nicht, dass sich aufgrund einer von der Gemeinde selbst entfalteten Tätigkeit, die
die Notwendigkeit einer Erschließung für ein bestimmtes Gebiet begründet oder
die Erschließung vorbereitet, die "allgemeine" Erschließungspflicht zu einer
aktuellen Pflicht mit der Folge dann auch eines Anspruchs des Bürgers auf deren
Erfüllung verdichten kann. Bezogen auf die Herstellung von Erschließungsanlagen
im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB nimmt in diesem Sinne das
Bundesverwaltungsgericht an, dass der Erlass eines qualifizierten
Bebauungsplans, die Erteilung einer Baugenehmigung und gegebenenfalls die
anschließende Ausführung des genehmigten Bauvorhabens, sowie auch die
Erhebung einer Vorausleistung auf den künftig anfallenden Erschließungsbeitrag
zur Verdichtung der Erschließungspflicht der Gemeinde führen können (BVerwG,
Beschluss vom 2.2.1978 -- 4 B 122/77 -- BRS 37 S. 18, ferner Urteil vom
28.10.1981 -- 8 C 4.81 -- DVBl. 1982 S. 540). Eine entsprechende Verdichtung ist
auch bei der gemeindlichen Aufgabe der Wasserversorgung denkbar. Als
Handlung, die eine Pflichtenverdichtung mit korrespondierendem Rechtsanspruch
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Handlung, die eine Pflichtenverdichtung mit korrespondierendem Rechtsanspruch
auf Erschließung bewirken kann, geht naturgemäß die bereits ins Werk gesetzte
Erschließung am weitesten. Der Erschließungsanspruch äußert sich hier nicht mehr
-- nur -- als (Erst-)Herstellungsanspruch, sondern als Anspruch auf Weitererfüllung
der Erschließungsaufgabe durch Beibehaltung oder Wiederaufnahme der bereits
bewirkten Erschließung. Angesichts der Abhängigkeit der durch die Erschließung
ermöglichten Nutzungen des Grundeigentums vom Fortbestand dieser
Erschließung leuchtet es ein, dass gerade in diesem Fall über die allgemeine
Erschließungspflicht hinaus eine aktuelle Verpflichtung der Gemeinde und ein
dementsprechender Rechtsanspruch auf Erfüllung der Erschließungsaufgabe
besteht.
Die Antragsgegnerin kann sich der Weitererfüllung der einmal übernommenen
Aufgabe der Wasserversorgung im Wochenendhausgebiet nicht mit dem Hinweis
darauf entziehen, dass die Wasserversorgung eine neue Versorgungs- und
Entsorgungskonzeption für das fragliche Gebiet erfordere, und dass die Anlieger
im Wochenendhausgebiet nicht bereit seien, sich in dem von der Stadt
bezeichneten Umfang an den Kosten der insoweit notwendigen Investitionen zu
beteiligen. Ein bestehender Änderungs- und Verbesserungsbedarf rechtfertigt es
noch nicht, die bislang betriebene Anlage von heute auf morgen stillzulegen.
Vielmehr muss die Gemeinde in einem solchen Fall die alte Anlage bis zur
Realisierung der neuen Konzeption wenigstens übergangsweise weiterbetreiben.
Auf ein im Vorhinein erklärtes Einverständnis der Anlieger, einen Kostenanteil in
bestimmter Höhe zu übernehmen, kommt es insoweit nicht an. Zur Deckung des
Aufwands für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung leitungsgebundener
Einrichtungen können die Gemeinden auf der Grundlage des § 11 des Hessischen
Kommunalabgabengesetzes (KAG) Beiträge erheben. Über das Institut der
Vorausleistungen (§ 11 Abs. 10 KAG) ist auch eine Vorfinanzierung möglich. Der
Umfang der finanziellen Beteiligung der Grundstückseigentümer ergibt sich dabei
aus dem Gesetz; er steht weder zur Disposition der Gemeinden, noch ist er von
der vorherigen Zustimmung der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer
abhängig.
Die bisherige Wasserversorgung für das Wochenendhausgebiet wenigstens
übergangsweise -- bis zur Realisierung eines besseren Versorgungskonzepts --
aufrechtzuerhalten, wäre die Antragsgegnerin nur dann nicht verpflichtet, wenn --
im Sinne der oben bezeichneten Fragestellung zu b) -- zwingende tatsächliche
und/oder rechtliche Hinderungsgründe dem weiteren Betrieb der Anlage auch nur
für eine Übergangszeit entgegenstünden. Auch davon lässt sich -- entgegen der
Auffassung, die das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Februar 2000 im
Klageverfahren 8 E 1519/98 vertreten hat und auf die es in seinem Beschluss vom
22. Februar 2000 im vorliegenden Verfahren verweist -- nicht ausgehen.
Bei summarischer Überprüfung stellt zunächst die Beschaffenheit des Wassers
keinen zwingenden Hinderungsgrund für eine wenigstens übergangsweise
Weiterversorgung des Grundstücks des Wochenendhausgebiets mit Wasser aus
der 1965 errichteten Brunnenschachtanlage dar. Die Antragsteller haben durch
Vorlage der Prüfberichte des Staatlichen Medizinal-, Lebensmittel- und
Veterinäruntersuchungsamts Mittelhessen vom 19. November 1998 über eine am
9. November 1998 entnommene Wasserprobe, vom 8. November 1999 über eine
am 7. Oktober 1999 entnommene Wasserprobe und schließlich vom 16. Februar
2000 über eine am 10. Februar 2000 entnommene Wasserprobe glaubhaft
gemacht, dass das Wasser im jeweiligen Zeitpunkt den Anforderungen der
Trinkwasser-Verordnung entsprach. Das Verwaltungsgericht hat daraus in seinem
Urteil vom 16. Februar 2000 die Folgerung gezogen, dass (S. 15 unten) das
Brunnenwasser "jedenfalls zur Zeit wieder Trinkwasserqualität" besitze und "unter
diesem Gesichtspunkt zur Verfügung gestellt werden könnte". Dieser Aussage
schließt sich der Senat an. Das Vorkommen gelegentlicher Verunreinigungen als
Folge der oberflächennahen Quellfassung ist sicherlich auch in Zukunft nicht
auszuschließen. Als Trägerin der Wasserversorgungsanlage wird die
Antragsgegnerin diese Möglichkeit im Auge halten und regelmäßige Kontrollen
durchführen müssen. Sollten dabei erneut Verunreinigungen bzw. die
Nichteinhaltung der erforderlichen Grenzwerte festgestellt werden, so kann darauf
-- wie schon in der Vergangenheit -- mit angemessenen Maßnahmen wie der
Anordnung von Nutzungsbeschränkungen oder auch der zeitweisen Stilllegung der
Wasserversorgung bis zur Wiederherstellung der erforderlichen Wasserqualität
reagiert werden. Die bisherigen Befunde rechtfertigen es dagegen nicht, die
Wasserversorgung aus der bestehenden Brunnenschachtanlage schon jetzt auf
Dauer einzustellen. Die Antragsgegnerin hatte im Verlauf der bisherigen
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Dauer einzustellen. Die Antragsgegnerin hatte im Verlauf der bisherigen
Gerichtsverfahren Gelegenheit, eigene Trinkwasseruntersuchungen vorzunehmen.
Sie selbst hat freilich keine Prüfberichte mit abweichendem Ergebnis vorgelegt. Ob
das an der Nichtvornahme eigener Untersuchungen oder daran liegt, dass diese
zu keinen anderen Ergebnissen als die von den Antragstellern veranlassten
Untersuchungen führten, ist ohne Belang. Entscheidend ist allein, dass der
Eindruck, den die von den Antragstellern vorgelegten Prüfberichte vermitteln, bis
heute tatsächlich nicht entkräftet worden ist.
Als zwingender rechtlicher Hinderungsgrund für eine wenigstens übergangsweise
Beibehaltung der bisherigen Wasserversorgung im Wochenendhausgebiet erweist
sich ferner nicht das Fehlen der erforderlichen wasserbehördlichen Genehmigung
für die bislang betriebene Anlage. Unstreitig hat auf Antrag der Antragsgegnerin
der Regierungspräsident in Gießen erst jetzt -- mit Bescheid vom 25. März 1999 --
eine Genehmigung erteilt. Diese beschränkt sich auf die Entnahme von
Grundwasser, welches einer öffentlichen Zapfstelle zur Verwendung als
Brauchwasser zuzuführen ist, deckt also nicht weitergehend auch die Einspeisung
des geförderten Wassers in ein der Trinkwasserversorgung angeschlossener
Grundstücke dienendes Leitungssystem. Aus der Bindung an diesen Bescheid
folgert das Verwaltungsgericht, dass es der Antragsgegnerin rechtlich verwehrt sei,
die früher praktizierte zentrale Wasserversorgung beizubehalten bzw. wieder
aufzunehmen. Dazu ist folgendes zu sagen: Dass der Regierungspräsident in
Gießen der Antragsgegnerin eine dem Brauchwasserbezug über eine öffentliche
Zapfstelle dienende Grundwasserförderung genehmigt hat, erklärt sich mit einem
entsprechend eingeschränkten Genehmigungsantrag der Antragsgegnerin. Die
Antragsgegnerin hat sich von vornherein für die Aufgabe der bisherigen
Wasserversorgung entschieden und deshalb eine hierauf bezogene Genehmigung
auch nicht eingeholt. Für den Anspruch der Antragsteller auf Wiederaufnahme der
bisherigen Wasserversorgung kommt es aber letztlich auf die materielle
Genehmigungsfähigkeit an, somit darauf, ob der Antragsgegnerin auf eine
entsprechend weitgehende Antragstellung hin die Genehmigung für eine der
leitungsmäßigen Trinkwasserversorgung dienende Grundwasserförderung
wenigstens übergangsweise -- bis zur baulichen Realisierung einer anderen
Versorgungskonzeption -- hätte erteilt werden können. Von Letzterem ist bei
summarischer Prüfung in Anbetracht der Prüfberichte zur Trinkwasserqualität des
Wassers, die die Antragsteller vorgelegt haben, mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit auszugehen. Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass ein
weitergehender Genehmigungsantrag ohnehin keinen Erfolg gehabt hätte, beruht
auf der Annahme, dass das Wasser aus dem Schachtbrunnen für eine
Verwendung als Trinkwasser schlechthin ungeeignet sei und deshalb für eine
Einspeisung in die bestehende Ringleitung nicht in Betracht komme. Diese
Annahme stützt sich auf die am 23. Februar 1998 entnommene Wasserprobe, von
der die Antragsteller behaupten, sie sei vor oder in der Filteranlage selbst
entnommen worden. Durch die späteren Prüfberichte wird der Eindruck, den diese
Wasserprobe vermittelt, weitgehend entkräftet, denn es lässt sich nun nicht mehr
sagen, dass von einer dauerhaften Nichterfüllung der an die Trinkwasserqualität zu
stellenden Anforderungen auszugehen wäre. Das wiederum muss Auswirkungen
auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines die bislang praktizierte
Wasserversorgung formell legalisierenden Genehmigungsantrags haben. Die
Antragsgegnerin kann sich nicht etwa darauf berufen, sie habe aufgrund
hoheitlicher Anordnung der zuständigen Behörden gar nicht anders handeln
können, als sich -- lediglich -- die auf den Betrieb einer Zapfstelle für Brauchwasser
beschränkte Wasserentnahme genehmigen zu lassen. Soweit sie am 23. Februar
1998 die Verbindung zwischen Schachtbrunnen und Ringleitung unterbrochen hat,
geschah dies -- entgegen der Darstellung in ihrer amtlichen Bekanntmachung vom
27. Februar 1998 -- nicht auf "Anordnung der zuständigen Behörden", denn
Äußerungen solcher Behörden lagen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vor. Die
Stellungnahmen des Gesundheitsamts des Vogelsberg-Kreises, des
Regierungspräsidiums Gießen -- Abt. Staatliches Umweltamt Marburg -- und des
Landrats des Vogelsberg-Kreises -- Untere Wasserbehörde -- sind erst zu einem
späteren Zeitpunkt bei der Antragsgegnerin eingegangen. Insbesondere die
Stellungnahme des Landrats des Vogelsbergkreises vom 26. Februar 1998 lässt
dabei, soweit darum gebeten wird, "diese Maßnahme solange aufrecht zu erhalten,
bis die Ursachen der Verunreinigung ermittelt bzw. beseitigt sind und eine
einwandfreie Wasserbeschaffenheit nachgewiesen wurde", Raum für die Auslegung,
dass unter den bezeichneten Voraussetzungen eine Wiederaufnahme der
Wasserversorgung -- wenigstens übergangsweise bis zur Verwirklichung eines
neuen Versorgungs- und Entsorgungskonzepts -- nicht ausgeschlossen sein sollte.
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Ein zwingender rechtlicher Hinderungsgrund für eine wenigstens übergangsweise
Beibehaltung der bisherigen Wasserversorgung kann schließlich entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht in der Abwasserentsorgung gesehen
werden, die auf den bebauten Grundstücken des Wochenendhausgebiets -- so
auch auf dem Grundstück der Antragsteller -- über abflusslose und in
regelmäßigen Abständen zu leerende Behälter erfolgt. Es ist richtig, dass nach §
43 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Bauordnung (HBO) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 20. Dezember 1993 die Einleitung der Abwässer in die
Behälter nur zugelassen werden kann "für bauliche Anlagen, die nicht an die
zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind". Ungeachtet der geringen Zahl
der durch die Ringleitung im Wochenendhausgebiet leitungsmäßig erschlossenen
Grundstücke stellt die hierdurch bewirkte Wasserversorgung bereits eine "zentrale"
Wasserversorgung dar. Das wiederum hat zur Folge, dass in diesem Gebiet neue
Bauvorhaben mit Abwasserentsorgung durch abflusslose Behälter nicht genehmigt
werden können. Auf die Zulässigkeit der im Prinzip wünschenswerten zentralen
Wasserversorgung wirkt sich dies aber nicht aus. Die Folgerungen, die sich aus §
43 Abs. 1 Satz 2 HBO für die bereits genehmigten und baulich realisierten
Bauvorhaben im Wochenendhausgebiet ergeben, können allein darin bestehen,
die Abwasserentsorgung gegebenenfalls durch nachträgliche Anordnungen dem
Standard anzupassen, den das Gesetz nunmehr vorsieht. Und selbstverständlich
bleibt es der Antragsgegnerin als Trägerin der Abwasserentsorgungsaufgabe
unbenommen, auch im Wochenendhausgebiet eine zentrale
Abwasserentsorgungsanlage einzurichten. Sie selbst geht zutreffend davon aus,
dass eine neue Wasserversorgungskonzeption, die die derzeitige
Wasserversorgung über die Brunnenschachtanlage ersetzt, nur denkbar ist in
Verbindung mit einer dann zeitgleich herzustellenden zentralen
Abwasserentsorgung.
Neben dem -- vorstehend begründeten -- Anordnungsanspruch ist auch der für
den Erlass der begehrten Regelungsanordnung erforderliche Anordnungsgrund zu
bejahen. Ein mit sanitären Einrichtungen genehmigtes Wochenendhaus kann ohne
leitungsmäßig vermittelte Wasserversorgung nicht so genutzt werden, wie es
seiner Ausstattung und seiner Zweckbestimmung entspricht. Die
Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind, dass im Bedarfsfall Wasser von
einer öffentlichen Zapfstelle herbeigeholt werden muss, sind erheblich und können
zur Folge haben, dass -- um sich solchen Unannehmlichkeiten nicht auszusetzen -
- die Nutzung gänzlich unterbleibt oder doch wesentlich eingeschränkt wird. Die
begehrte einstweilige Anordnung ist damit im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO
notwendig, um wesentliche Nachteile abzuwenden, die sich für die Antragsteller
aus einer Fortdauer der derzeitigen Versorgungssituation im
Wochenendhausgebiet ergeben.
Zur Erläuterung des Tenors der stattgebenden Entscheidung sei noch folgendes
angemerkt: Der Hinweis auf die Befugnis der Antragsgegnerin, nach der
angeordneten Wiederaufnahme der Wasserversorgung "die Beschaffenheit des
Wassers regelmäßig zu kontrollieren und im Falle einer festzustellenden
Abweichung von den Anforderungen der Trinkwasserverordnung die jeweils
angemessenen Maßnahmen (Verhaltensanordnungen an die Wasserbezieher,
zeitweilige Unterbrechung der Wasserzufuhr) zu treffen", dient der Klarstellung und
stellt in der Sache keine Einschränkung der stattgebenden Entscheidung dar. Das
derzeitige Wassergewinnungsverfahren bringt es mit sich, dass gelegentliche
Beeinträchtigungen der Wasserqualität nicht auszuschließen sind. Auf derartige
Vorkommnisse hat die Antragsgegnerin schon in der Vergangenheit mit ihr
geeignet erscheinenden Maßnahmen reagiert (zeitweilige Untersagung der
Verwendung als Trinkwasser, zeitweilige Sperrung der Wasserzufuhr). Der Zusatz
im Entscheidungstenor bringt zum Ausdruck, dass die angeordnete
Wiederherstellung des Anschlusses der Ringleitung an die Schachtbrunnenanlage
an dieser Verfahrensweise nichts ändern soll; d.h. nach wie vor ist die
Antragsgegnerin, der die regelmäßige Kontrolle des Wassers obliegt, befugt, die
Benutzung der Wasserversorgungsanlage erforderlichenfalls bis zur
Wiedererlangung der Trinkwasserqualität durch geeignete und angemessene
Maßnahmen einzuschränken.
Da die Antragsgegnerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des vorliegenden
Eilverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts für
das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13, 14 (analog) GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.