Urteil des HessVGH vom 23.11.2004
VGH Kassel: vorverfahren, verwaltungsverfahren, rechtsgrundlage, abgabenordnung, hauptsache, widerspruchsverfahren, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, quelle
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TJ 3282/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 162 Abs 2 S 2 VwGO, §
146 Abs 3 VwGO
(Beschwerdeausschluss gegen Beschluss über
Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im
kommunalabgabenrechtlichen Vorverfahren, wenn er im
Klageverfahren gegen den Ausgangs- und
Widerspruchsbescheid ergeht)
Leitsatz
1) Die Beschwerde gegen den Ausspruch über die Notwendigkeit der Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO unterliegt
dem Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 3 VwGO.
2) Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das kommunalabgabenrechtliche Vorverfahren ist allein § 162
Abs. 2 Satz 2 VwGO, wenn sie im Klageverfahren gegen den Ausgangs- und
Widerspruchsbescheid ergeht.
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2004 - 10 E 320/02 (V) - wird verworfen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 187,63 €
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren ist unzulässig, weil die Beschwerdesumme im vorliegenden
Verfahren den in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen gemäß § 146
Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - bestehenden Wert des
Beschwerdegegenstandes von 200,-- € nicht übersteigt.
Bei dem Ausspruch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO handelt es sich nicht um einen
Teil der Kostenentscheidung, die die Kostenerstattungspflicht des Beklagten dem
Grunde nach regelt (Kostengrundentscheidung), mit der Folge, dass deren
Anfechtung unzulässig ist, soweit - wie im vorliegenden Fall - gegen die
Entscheidung in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt wird. Bei der
Entscheidung nach § 162 Abs. 2 VwGO handelt es sich vielmehr um eine die
Kostenfestsetzung betreffende Entscheidung über den Umfang der
Kostenerstattungspflicht, die vom Rechtsmittelausschluss des § 158 VwGO nicht
erfasst wird (Hess. VGH, Beschluss vom 8. September 1995 - 14 TE 788/95 -,
NVwZ-RR 1996, 616 <617>, vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 30. April 2002 - 2
O 42/00 -, NVwZ 2002, 1129 mit umfangreichen Nachweisen über Rechtsprechung
und Literatur). Diese Kostenfestsetzungsentscheidung ist - unabhängig von der
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und Literatur). Diese Kostenfestsetzungsentscheidung ist - unabhängig von der
Frage, ob sie im Urteil in der Hauptsache oder nachträglich durch Beschluss
ergeht - eine Entscheidung über Kosten im Sinne des § 146 Abs. 3 VwGO, denn sie
ist eine kostenrechtliche Nebenentscheidung im Rahmen des gerichtlichen
Verfahrens (vgl. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 9. Dezember 1988 - 8 TH
4345/88 -, NVwZ-RR 1990, 113). Da die im Kostenfestsetzungsantrag des
Bevollmächtigten des Klägers geltend gemachten Kosten des Vorverfahrens in
Höhe von 187,63 € die Beschwerdesumme vom 200,-- € nicht erreichen, ist die
Beschwerde nicht gegeben.
Die Beschwerde könnte zudem auch in der Sache keinen Erfolg haben. Das
Verwaltungsgericht hat die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren zu Recht für notwendig erklärt. Der Beklagte rügt diese Entscheidung
mit dem Hinweis, dass eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die materielle
Kostentragungspflicht in Verwaltungsverfahren, die nach den Rechtsvorschriften
der Abgabenordnung durchgeführt werden, im Hessischen
Verwaltungsverfahrensrecht fehle. Dieser Einwand ist unberechtigt. Zwar schließt §
2 Abs. 2 Nr. 1 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz - HessVwVfG - in
kommunalabgabenrechtlichen Widerspruchsverfahren die Anwendung von § 80
Abs. 2 HessVwVfG, wonach die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder
eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn die
Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, für Verwaltungsverfahren aus,
in denen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind. Diese
Regelung hat jedoch nur für das isolierte abgabenrechtliche Vorverfahren
Bedeutung, also nur dann, wenn sich an das Widerspruchsverfahren kein
Klageverfahren gegen den Ausgangs- und Widerspruchsbescheid anschließt. Im
vorliegenden Fall, in dem das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. August 2004
den Ausgangsbescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben hat, bestimmt
sich der Umfang der Erstattungspflicht - ohne Rückgriff auf die Regelungen des
Verwaltungsverfahrensrechts - allein nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO und damit
danach, ob das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren für notwendig erklärt hat (zum insoweit inhaltsgleichen thüringischen
Landesrecht OVG Weimar, Beschluss vom 19. Oktober 2000 - 4 VO 117/00 -,
NVwZ-RR 2001, 487f. ).
Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es handele sich um eine
Rechtssache von erheblichem Schwierigkeitsgrad, so dass der Kläger habe davon
ausgehen dürfen, dass er zur persönlichen Führung des Widerspruchsverfahrens
die erforderlichen Rechtskenntnisse nicht besitze, hat weder der Beklagte
Einwände erhoben noch der Senat hiergegen etwas zu erinnern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47
Gerichtskostengesetz - GKG - in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4
i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.