Urteil des HessVGH vom 26.10.1990

VGH Kassel: waffen und munition, vollstreckung, einziehung, verfügung, vollziehung, geldstrafe, androhung, gewaltanwendung, brief, durchsuchung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TH 2935/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 3 Nr 1 BJagdG, §
18 BJagdG
(Einziehung eines Jagdscheines wegen Unzuverlässigkeit -
Androhung von Gewaltanwendung in einem Brief)
Leitsatz
Wer in einem Schreiben an den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts mitteilt, er
werde sich der Vollstreckung eines Strafurteils, gegen das bereits ohne Erfolg
Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, nötigenfalls mit Waffengewalt
widersetzen, besitzt nicht die erforderliche, jagdrechtliche Zuverlässigkeit (§ 17 Abs 3
Nr 1 BJG).
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug einer jagdrechtlichen
Verfügung des Antragsgegners, mit der sein Jagdschein für ungültig erklärt und
eingezogen worden ist.
Nachdem er rechtskräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden
war und auch seine Verfassungsbeschwerden gegen die Verurteilung keinen Erfolg
hatten, teilte der Antragsteller dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts
mit Schreiben vom 29.05.1990 u.a. mit, daß er sich der Vollstreckung des Urteils
nötigenfalls mit Waffengewalt widersetzen werde. Nach einer Mitteilung der
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Wiesbaden vom 28.05.1990 hat der
Antragsteller gegenüber dem Oberstaatsanwalt Greth geäußert, daß er ihn
fertigmachen werde, wenn er die Ersatzfreiheitsstraße verbüßen müsse.
Diese Vorgänge nahm der Antragsgegner zum Anlaß und erklärte mit Verfügung
vom 27.07.1990 den Jagdschein des Antragstellers wegen jagdrechtlicher
Unzuverlässigkeit für ungültig und zog ihn ein. Gleichzeitig ordnete er insoweit die
sofortige Vollziehung der Verfügung an.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 06.08.1990 Widerspruch und
stellte gleichzeitig am selben Tag beim Verwaltungsgericht Wiesbaden einen
Aussetzungsantrag. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die ihm von
der Staatsanwaltschaft vorgeworfene Bedrohung des Oberstaatsanwalts Greth
habe er nicht vorgenommen. Wenn er in verschiedenen Schreiben an Behörden
geäußert habe, er werde sich der Vollstreckung des Urteils nötigenfalls mit
Waffengewalt widersetzen, so sei dies niemals ernst gemeint gewesen und habe
auch niemals in die Tat umgesetzt werden sollen. Spätestens nachdem er am
03.08.1990 die Geldstrafe überwiesen habe, sei keine Gefahr mehr gegeben
gewesen, daß er sich der Vollstreckung des Urteils widersetzen werde.
Durch Beschluß vom 31.08.1990 hat das Verwaltungsgericht den Antrag
abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die am 14.09.1990 erhobene Beschwerde des
Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn das
Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag des Antragstellers zu Recht
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Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag des Antragstellers zu Recht
abgelehnt. Es hat zutreffend ausgeführt, daß die Anordnung der sofortigen
Vollziehung der Ungültigkeitserklärung und der Einziehung des Jagdscheines des
Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden sei, weil der angefochtene Bescheid
offensichtlich rechtmäßig sei und seine sofortige Vollziehung im besonderen
öffentlichen Interesse liege. Der Senat folgt der Begründung des
Verwaltungsgerichts gemäß Art. 2 § 7 Abs. 1 EntlG und führt ergänzend hierzu
noch folgendes aus:
Das Schreiben des Antragstellers an den Präsidenten des
Bundesverfassungsgerichts vom 29.05.1990 zeigt, daß der Antragsteller Waffen
und Munition mißbräuchlich verwenden werde (§ 17 Abs. 3 Nr. 1 BJG). Ein
Mißbrauch liegt vor bei einem vorsätzlichen und von der Rechtsordnung
mißbilligten Verwenden der Waffe und ist insbesondere bei zu befürchtenden
Angriffen gegen Leben, Gesundheit-oder Freiheit von Menschen gegeben (vgl.
Mitzschke-Schäfer, Komm. zum BJG, 4. Aufl., § 17 Rdnr. 23). Diese
Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Ankündigung des Schußwaffengebrauchs zur
Vollstreckungsvereitelung eines rechtskräftigen Strafurteils durch den
Antragsteller zeigt, daß er in gravierender Weise Schußwaffen mißbräuchlich
verwenden werde. Ein derartiges Verhalten ist durch keine Rechtsvorschrift,
insbesondere nicht durch Art. 20 Abs. 4 GG gerechtfertigt, wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Einlassung des Antragstellers,
er habe den angedrohten Schußwaffengebrauch nicht ernst gemeint, ist als bloße
Schutzbehauptung zurückzuweisen. Weder aufgrund der erfolgten Zahlung der
Geldstrafe noch aus den entsprechenden Beteuerungen des Antragstellers kann
auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Androhung geschlossen werden. Daß
der Antragsteller sich gegenüber behördlichen Zwangsmaßnahmen durchaus im
Einklang mit seinen schriftlichen Drohungen verhält, zeigt dagegen ein Bericht der
Polizei über die Durchsuchung von Räumlichkeiten zum Zwecke der Sicherstellung
von Waffen bei dem Antragsteller und seiner Ehefrau vom 02.08.1990, wonach der
Antragsteller nach seiner Festnahme wegen Widerstandes gefesselt werden mußte
und gegenüber den Polizeibeamten beleidigende Äußerungen abgab. Wer, wie der
Antragsteller, ein rechtskräftiges Strafurteil als Fehlurteil betrachtet und seine
Vollstreckung mit Waffengewalt unter Berufung auf Art. 20 Abs. 4 GG zu vereiteln
trachtet, zeigt nicht nur offen, daß er sich über geltendes Recht hinwegsetzt,
sondern auch, daß er zu gefährlichen Eigenmächtigkeiten bereit ist und dabei auch
vor Straftaten mit Waffengewalt gegen Leib und Leben anderer Personen nicht
zurückschreckt. Darüber hinaus läßt er die bei der Jagdausübung erforderliche
Gesetzestreue vermissen. Das Verhalten des Antragstellers bei der polizeilichen
Durchsuchung vom 02.08.1990 rechtfertigt den Schluß, daß er auch in Zukunft
Widerstand gegen Vollzugsbeamte leisten wird und dabei nicht vor einem
ungesetzlichen Waffengebrauch zurückschrecken wird.
Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 (analog), 20 Abs.
3 und 25 Abs. 1 GKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sind 2/3 des
sogenannten Auffangwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG von 6.000,00 DM =
4.000,00 DM zugrundezulegen. Dies ist nach § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG gleichzeitig
auch für die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung auszusprechen.
Hinweis: Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2
Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.